Bachelorarbeit von Cedric Sommer SUSY-Ketten und angeregte Zustände im PT -symmetrischen Doppelmuldenpotential Abgabe: 18. Dezember 2015 Prüfer: Priv.-Doz. Dr. Holger Cartarius 1. Institut für Theoretische Physik Universität Stuttgart Pfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart Der Wissenschaftler findet seine Belohnung in dem, ” was Poincaré die Freude am Verstehen nennt, nicht in den Anwendungsmöglichkeiten seiner Erfindung.“ — Albert Einstein Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 Einführung in das Thema 1.2 Was bisher geschah . . . . 1.3 Ziel dieser Arbeit . . . . . 1.4 Aufbau dieser Arbeit . . . . . . . 1 1 2 3 4 2 Bose-Einstein-Kondensate 2.1 Bose-Einstein-Kondensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Gross-Pitaevskii-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Nichthermitesche Quantenmechanik und PT -Symmetrie 3.1 Nichthermitesche Quantensysteme . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Hermitesche Operatoren . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Beschreibung offener Quantensysteme . . . . . . 3.2 PT -symmetrische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 PT -Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Lineare PT -symmetrische Systeme . . . . . . . 3.2.3 Nichtlineare PT -symmetrische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 9 9 10 11 12 14 15 4 Supersymmetrie 4.1 Bose-Fermi-Supersymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Lineare Bose-Fermi-Systeme und Besetzungszahldarstellung . 4.1.2 SUSY-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Supersymmetrische Hamiltonoperatoren und Energiespektren . 4.1.4 Nichtlineare Bose-Fermi-Systeme und kanonische Darstellung . 4.2 Supersymmetrische Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Konstruktion des Partnerpotentials . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 SUSY-Ketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 17 18 19 21 23 25 26 29 PT -symmetrische Doppelmuldenpotential Konstruktion des Potentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . Numerische Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenwertspektrum und Eigenzustände ohne Nichtlinearität 5.3.1 Grundzustand und erster angeregter Zustand . . . . . . . . . . . . 31 31 33 35 35 5 Das 5.1 5.2 5.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . v Inhaltsverzeichnis 5.4 5.3.2 Zweiter und dritter angeregter Zustand . . . . . . . . . . . . . . . Eigenwertspektrum und Eigenzustände mit Nichtlinearität . . . . . . . . 6 SUSY-Erweiterung des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials 6.1 Numerische Vorgehensweise zur Anwendung des SUSY-Formalismus 6.2 SUSY-Level 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 SUSY-Level 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Stetiges Entfernen der Grundzustände . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Vorheriges Entfernen des ersten angeregten Zustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 42 45 45 46 47 47 52 7 Zusammenfassung und Ausblick 57 Literaturverzeichnis 59 Danksagung 61 vi 1 Einleitung 1.1 Einführung in das Thema Auch wenn noch immer Zweifel an der Vollständigkeit der Quantenmechanik als physikalische Theorie bestehen, so war und ist sie doch sehr erfolgreich bei der Auflösung elementarer Widersprüche des 20. Jahrhunderts und der Beschreibung physikalischer Systeme im mikroskopischen Bereich. Der Zustand, in dem sich ein solches System befindet, wird im Formalismus der Quantenmechanik durch einen Zustandsvektor |ψi in einem komplexen Hilbertraum beschrieben. Messgrößen, auch Observablen genannt, werden durch Operatoren X̂ dargestellt, welche auf die Vektoren des Hilbertraums wirken. Mögliche Messwerte der Observablen sind dann gerade die Eigenwerte des korrespondierenden Operators, das Mittel der Messwerte entspricht dem quantenmechanischen Erwartungswert hX̂i. Weil unsere Welt reell ist – komplexe Energien, Impulse oder Ortsangaben ergeben beispielsweise keinen Sinn – müssen eben diese Eigenwerte und Erwartungswerte reell sein. Eine Möglichkeit, dies sicherzustellen, ist, ausschließlich hermitesche Operatoren zuzulassen. In Bezug auf den Hamiltonoperator, der die Gesamtenergie des Systems beschreibt, hat diese Forderung einen weiteren, häufig explizit gewünschten Effekt: Die Normerhaltung quantenmechanischer Zustände unter Zeitentwicklung. Nach der Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik entspricht die Norm hψ|ψi einer Wellenfunktion ψ(x) im Ortsraum der Wahrscheinlichkeit, das beschriebene Teilchen irgendwo nachzuweisen, und muss daher in geschlossenen Systemen zu jedem Zeitpunkt den Wert 1 annehmen. In offenen Quantensystemen findet allerdings durchaus ein Austausch dieser Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der Umgebung statt, weshalb die hermitesche Quantenmechanik nicht in der Lage ist, offene Quantensysteme als solche zu beschreiben. Eine Behandlung im Rahmen der hermiteschen Quantenmechanik würde eine Modellierung der Umgebung erfordern, was häufig sehr aufwendig oder schlicht unmöglich ist. Im Rahmen der nichthermiteschen Quantenmechanik können lokale Gewinne und Verluste der Wahrscheinlichkeitsdichte jedoch durch imaginäre Potentialanteile beschrieben werden [1]. Für komplexe Potentiale und daraus resultierende nichthermitesche Hamiltonoperatoren ist im Allgemeinen aber nicht mehr sichergestellt, dass Messgrößen wie Eigenwerte 1 1 Einleitung und Erwartungswerte reell sind. Hierfür genügt jedoch auch ein anderes, viel schwächeres Kriterium: Bender und Boettcher konnten 1997/98 zeigen, dass PT -symmetrische Operatoren auch im nichthermiteschen Fall in manchen Parameterbereichen rein reelle Eigenwertspektren besitzen [2]. Diese Erkenntnis stieß auf großes wissenschaftliches Interesse und 2009/10 gelang die experimentelle Umsetzung solcher PT -symmetrischen Systeme mit optischen Aufbauten [3–5], welche sich hinsichtlich der mathematischen Beschreibung weitestgehend analog zur Quantenmechanik verhalten. Die experimentelle Umsetzung in einem echten Quantensystem steht bis heute noch aus, aktuelle Forschungen am Ersten Institut für Theoretrische Physik (ITP1) der Universität Stuttgart haben jedoch ergeben, dass sich BoseEinstein-Kondensate in einem PT -symmetrischen Doppelmuldenpotential als aussichtsreicher Kandidat erweisen. Der Realteil dieses Potentials besteht aus einer symmetrischen Doppelmulde, welche als Fallenpotential des Kondensats fungiert, der Imaginärteil ist antisymmetrisch und beschreibt das kohärente Ein- bzw. Auskoppeln von Teilchen in den beiden Mulden [6]. 1.2 Was bisher geschah Die vorliegende Bachelorarbeit ist im Kontext dieser Forschung zu offenen Quantensystemen am ITP1 zu betrachten und baut auf diversen Arbeiten an diesem Institut auf. Es folgt daher ein Überblick über die bisherigen, für diese Arbeit relevanten Erkenntnisse. Numerische Behandlungen von Bose-Einstein-Kondensaten im PT -symmetrischen Doppelmuldenpotential im Rahmen der Masterarbeiten von Daniel Haag [7] und Dennis Dast [8] ergaben 2012 zweierlei: Für kleine Ein-/Auskopplungsparameter γ sind die stationären Lösungen der die Kondensate beschreibenden Gross-Pitaevskii-Gleichung tatsächlich rein reell und die zugehörigen Wellenfunktionen PT -symmetrisch. Ab einem kritischen Wert, dem sogenannten exzeptionellen Punkt (EP), wird diese PT Symmetrie allerdings gebrochen und von der reellen Lösung zweigen zwei komplex konjugierte Lösungen ab. Die Lage dieser exzeptionellen Punkte wird maßgeblich durch die Gross-Pitaevskii-Nichtlinearität g beeinflusst: Je größer g, desto früher zweigen die PT -gebrochenen Lösungen ab. Das ist deshalb besonders pikant, weil die zusätzlichen Lösungen eine dynamische Instabilität in das System einführen und daher eine experimentelle Umsetzung deutlich erschweren. Es wäre daher von großem Vorteil, diese störenden Zustände aus dem Spektrum zu entfernen – ohne jedoch das restliche Spektrum zu verändern. Der Supersymmetrie-Formalismus bietet genau diese Möglichkeit. Einem quantenmechanischen System mit dem Potential V (1) wird dabei ein Partnersystem mit Partnerpotential V (2) zugeordnet, welches abgesehen von einem fehlenden Zustand ein identisches 2 1.3 Ziel dieser Arbeit Eigenwertspektrum aufweist. Entfernt werden können prinzipiell alle Zustände, deren Wellenfunktion im Grundsystem keine Knoten aufweist. Bei Systemen, die durch hermitesche Hamiltonoperatoren beschrieben werden, ist das im Allgemeinen nur für den Grundzustand gegeben. Im Falle komplexer Eigenfunktionen müssten jedoch Real- und Imaginärteil gleichzeitig verschwinden, weshalb es im Rahmen der nichthermiteschen Quantenmechanik möglich ist, Systeme zu finden, deren angeregte Zustände ebenfalls knotenfrei und damit entfernbar sind. Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential stellt ein solches System dar. Nikolas Abt konnte im Rahmen seiner Bachelorarbeit 2014 [9] zeigen, dass die Anwendung des Supersymmetrie-Formalismus auf das PT -symmetrische Doppel-Delta-Potential zum erwarteten Ergebnis führt. Es gelang ihm, Partnersysteme zu konstruieren, in denen wahlweise der angeregte oder der Grundzustand entfernt wurde. Zuletzt untersuchte Phillippe Schraft 2015, ebenfalls im Rahmen seiner Bachelorarbeit [10], die Stabilität des verbleibenden Zustands im SUSY-Partner des PT -symmetrischen Doppel-Delta-Potentials. Die Ergebnisse seiner Arbeit legen nahe, dass es sich bei der Verwendung des Supersymmetrie-Formalismus zur Beseitigung störender Zustände im Spektrum eines Bose-Einstein-Kondensats um einen lohnenswerten Ansatz handelt. 1.3 Ziel dieser Arbeit Nikolas Abt schrieb in seiner Bachelorarbeit 2014, seine Aufgabe sei es den ersten Schritt ” auf dem Weg zum Entfernen der abzweigenden PT -gebrochenen Lösungen durchzuführen“ [9, Seite 8]. In diesem Sinne ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, weitere Schritte auf besagtem Weg zu beschreiten. Auch wenn das PT -symmetrische Doppel-Delta-Potential und das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential in wesentlichen Eigenschaften, wie beispielsweise der Parameterabhängigkeit des Eigenwertspektrums, vergleichbar sind, so stellt das Doppel-DeltaPotential doch eine experimentell nicht umsetzbare Idealisierung des realistischeren Doppelmuldenpotentials dar. Desweiteren besitzt das Doppel-Delta-Potential im für eine experimentelle Umsetzung sinnvollen Parameterbereich lediglich zwei Eigenzustände, den Grundzustand und den angeregten Zustand, weshalb das Entfernen von mehr als einem Zustand hier nicht untersucht werden konnte. Wie bereits erwähnt, zweigen am exzeptionellen Punkt eines Bose-Einstein-Kondensats jedoch zwei komplex konjugierte Zustände ab, welche beide entfernt werden sollen. Die konkrete Aufgabe dieser Arbeit besteht also darin, den Supersymmetrie-Formalismus auf das ausgedehnte PT -symmetrische Doppelmuldenpotential anzuwenden, den gewünschten Effekt auf das Eigenwertspektrum zu verifizieren und anschließend durch erneute Anwendung des Supersymmetrie-Formalismus ein zweites Partnersystem V (3) zu 3 1 Einleitung finden, dessen Eigenwertspektrum bis auf das Fehlen zweier Zustände dem des Grundsystems entsprechen sollte. 1.4 Aufbau dieser Arbeit Diese Arbeit besteht im Wesentlichen aus drei Teilen. Der erste Teil vermittelt die zum Verständnis der Arbeit notwendigen physikalischen Grundlagen. Er besteht aus den Kapiteln 2 bis 4, welche Bose-Einstein-Kondendsaten, nichthermitescher Quantenmechanik und PT -Symmetrie, sowie den Hintergründen des Supersymmetrie-Formalismus gewidmet sind. Naturgemäß besteht dieser Teil überwiegend aus der eigenen Aufbereitung ausgewählter Inhalte verschiedener Quellen. Wie bereits ersichtlich wurde, ist diese Arbeit keineswegs die erste Abschlussarbeit am ITP1 zum Thema – der Grundlagenteil hätte mit Verweis auf entsprechende Kapitel in anderen Arbeiten demnach sicherlich knapper ausfallen können. Dass dies nicht der Fall ist, ist dem Anspruch dieser Arbeit geschuldet, auch für angehende Bachelorabsolventen ohne Hinzunahme erklärender Literatur verständlich zu sein. Im zweiten Teil der Arbeit, der aus Kapitel 5 besteht, wird das untersuchte Doppelmuldenpotential eingeführt. Dabei werden die für das darauffolgende Kapitel relevanten Ergebnisse aus Daniel Haags Masterarbeit [7] reproduziert, insbesondere die Berechnung des zweiten und dritten angeregten Zustands. Der dritte Teil, bestehend aus Kapitel 6, enthält die Präsentation und Diskussion der eigentlichen Ergebnisse dessen, was als Ziel dieser Arbeit formuliert wurde. Dieser letzte Teil enthält damit den verhältnismäßig größten Anteil an Eigenarbeit. Abschließend werden die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit und daraus resultierende neue Fragestellungen in Kapitel 7 zusammengefasst. 4 2 Bose-Einstein-Kondensate Die relativ abstrakte Aufgabe dieser Bachelorarbeit, SUSY-Ketten in einem PT -symmetrischen Doppelmuldenpotential zu betrachten, wurde in der Einleitung dadurch motiviert, dass ein Bose-Einstein-Kondensat (BEC) in einem solchen Potential als erste Realisierung eines offenen Quantensystems dienen könnte. Daher werden im folgenden Kapitel der Begriff der Bose-Einstein-Kondensation und die Gleichung zur mathematischen Beschreibung solcher Kondensate eingeführt. Weil BECs jedoch lediglich den experimentellen Hintergrund und nicht den theoretischen Kern dieser Arbeit ausmachen, erfolgt die Darstellung vergleichsweise knapp. 2.1 Bose-Einstein-Kondensation Als Bose-Einstein-Kondensation wird der Zustand eines quantenmechanischen Vielteilchensystems ununterscheidbarer Teilchen bezeichnet, bei dem sich ein makroskopischer Anteil der Teilchen im energetisch niedrigsten Zustand, dem sogenannten Grundzustand, befindet. In diesem Fall lassen sich alle Teilchen des Kondensats durch eine einzige Wellenfunktion beschreiben. Ununterscheidbar werden dabei solche Teilchen genannt, die in allen messbaren Eigenschaften (Masse, Ladung, Energie, Spin, ...) übereinstimmen. Notwendige Bedingung dafür ist, dass es sich um Bosonen handelt, welche – in Abgrenzung zu Fermionen – nicht dem Pauli-Verbot unterliegen und daher den selben quantenmechanischen Zustand einnehmen können. Für ein ideales Bose-Gas, das bedeutet unter Vernachlässigung der Wechselwirkung untereinander, gilt die Bose-Einstein-Statistik, welche die Besetzung der Energieeigenzustände |i in Abhängigkeit von der Temperatur T beschreibt: 1 n() = e −µ kB T (2.1) −1 Dabei bezeichnet µ das chemische Potential und kB den Boltzmann-Faktor. Am absoluten Temperaturnullpunkt T = 0 K befinden sich alle Teilchen im Grundzustand. Der 5 2 Bose-Einstein-Kondensate Phasenübergang zu einem Kondensat findet in einem äußeren Fallenpotential V (x) jedoch bereits bei endlicher Temperatur Tc > 0 statt. Das lässt durch den Vergleich von mittlerer freier Weglänge l und de-Broglie Wellenlänge λ veranschaulichen: h λ= √ 2πm kB T (2.2) Die de-Broglie Wellenlänge nimmt mit sinkender Temperatur zu. Übersteigt sie bei einer kritischen Temperatur Tc die mittlere freie Weglänge l, so überlappen die de-BroglieWellenlängen der einzelnen Teilchen und bilden eine gemeinsame Kondensatwellenfunktion. Die Beschreibung von Teilchen, wie beispielsweise Atome eines (idealen) Bose-Gases, durch Wellengrößen, wie die de-Broglie Wellenlänge λ verdeutlichen die quantenmechanische Natur der Bose-Einstein-Kondensation, welche im Rahmen der klassischen Physik schon deshalb gar nicht möglich wäre, weil von einem System ohne Wechselwirkung ausgegangen wurde. Besonderes Interesse gilt Bose-Einstein-Kondensaten daher auch, weil es sich, bei Verwendung einer größeren Anzahl Atome, um ein makroskopisch beobachtbares Quantensystem handelt. 2.2 Gross-Pitaevskii-Gleichung Als Quantenobjekt ist der Ausgangspunkt zur Beschreibung von Bose-Einstein-Kondensaten die Schrödingergleichung, allerdings zunächst für eine Vielteilchenwellenfunktion Ψ(x1 , ...xN ): N h X i=0 − N i 1 X ~ 2 ∂xi + Vext (xi ) + W (xi , xj ) Ψ(x1 , ...xN ) = E Ψ(x1 , ...xN ) 2m 2 j6=i (2.3) Für schwache Zweiteilchenwechselwirkungen W (xi , xj ) lässt sich der sogenannte HartreeAnsatz für die Vielteilchenwellenfunktion des Grundzustands verwenden: ! Ψ(x1 , ...xN ) = N Y φ(xi ) (2.4) i=0 Weiterhin wird von der Vorstellung Gebrauch gemacht, dass der Unterschied zwischen einem Kondensatzustand bei endlicher Temperatur und dem Einteilchenzustand bei T = 0 6 2.2 Gross-Pitaevskii-Gleichung lediglich in einem gemittelten, abschirmenden Feld derjenigen Teilchen, die sich aufgrund der nichtverschwindenden Temperatur eben doch nicht im Grundzustand befinden, besteht. Diese Näherung wird auch als Mean-Field-Näherung“ bezeichnet. ” Dazu wird die Schrödingergleichung (2.3) als Energiefunktional aufgefasst und über √ die Freie Energie F = E −µN minimiert. Nach dem Übergang zur Wellenfunktion ψ = N φ, welche mit der Teilchendichte verknüpft ist und dadurch die Nebenbedingung kψk2 = N erfüllen muss, und nach weiteren Vereinfachungen durch die Einschränkung auf kurzreichweitige Wechselwirkungen und einer Näherung N −1 ≈ N für große Teilchenzahlen ergibt sich schließlich eine Bestimmungsgleichung für stationäre Lösungen der Kondensatwellenfunktion ψ(x): h i 4π~2 a ~ 2 2 ∂ + V (x) + |ψ(x)| ψ(x) = µ ψ(x) − 2m x m (2.5) Dies ist die eindimensionale, stationäre Gross-Pitaevskii-Gleichung für Bose-EinsteinKondensate mit kurzreichweitiger Wechselwirkung. Sie unterscheidet sich von der Einteilchen-Schrödingergleichung nur durch die GPE-Nichtlinearität der Form g |ψ(x)|2 mit g = const. Der Parameter a hat die Dimension einer Länge und entspringt der Streutheorie, welche zur Auswertung der Beschränkung auf kurzreichweitige Wechselwirkungen herangezogen wurde. 7 3 Nichthermitesche Quantenmechanik und PT -Symmetrie Die wichtigsten Eigenschaften nichthermitescher Quantensysteme und die Bedeutung der PT -Symmetrie in diesem Kontext, wurden im Rahmen der Einführung in das Thema bereits erläutert. Diese zentralen Aussagen werden im folgenden Kapitel mathematisch formuliert und vertieft. Die Darstellung ist dabei teilweise an entsprechende Kapitel der Abschlussarbeiten von Daniel Haag [7], Nikolas Abt [9] und Patric Rommel [11] angelehnt. 3.1 Nichthermitesche Quantensysteme 3.1.1 Hermitesche Operatoren Wie einleitend erwähnt, ist es die übliche Einschränkung, ausschließlich hermitesche Operatoren zur Beschreibung physikalischer Observablen zuzulassen, welche sowohl reelle Eigenwertspektren und Erwartungswerte, als auch – im Falle eines hermiteschen HamiltonOperators – die Normerhaltung quantenmechanischer Zustände garantiert. Hermitesche Operatoren  sind darüber definiert, dass sie ihrem eigenen Adjungierten † entsprechen. Adjungiert bedeutet im Falle einer Matrixdarstellung transponiert und komplex konjugiert und beschreibt daher die Wirkung eines Operators auf ein Element hψ| des Dualraums: adjungiert: † := (Â∗ )T , hermitesch: † =  hu|  = hv| ⇔ † |ui = |vi (3.1) (3.2) Sei nun a Eigenwert des hermiteschen Operators  zum normierten Eigenzustand |ψi. 9 3. Nichthermitesche Quantenmechanik und PT -Symmetrie Dann folgt mit (3.1) und (3.2), dass a reell sein muss: a = hψ|Âψi = h† ψ|ψi = hÂψ|ψi = a∗ (3.3) Die Erhaltung der Norm hψ|ψi in Systemen mit hermiteschem Hamiltonoperator folgt aus der zeitabhängigen Schrödingergleichung: Ĥ |ψi = i~ ∂t |ψi , ⇒ hψ| Ĥ = −i~ ∂t hψ| 1 d hψ|ψi = h∂t ψ|ψi + hψ | ∂t ψi = hψ|(Ĥ − Ĥ † )|ψi = 0 dt i~ (3.4) (3.5) 3.1.2 Beschreibung offener Quantensysteme Zur Beschreibung offener Quantensysteme ohne aufwendige Modellierung der Umgebung wird eine explizit von der Zeit t abhängende Norm allerdings ausdrücklich benötigt. In Abbildung 3.1 ist ein solches System als Teil eines geschlossenen, hermiteschen Systems dargestellt. In Bezug auf das Gesamtsystem ist die Norm erhalten, weil sich Verlust und Gewinn in den jeweiligen Mulden ausgleichen. Bei ausschließlicher Betrachtung des gewählten Teilsystems, ohne Kenntnis der Umgebung, bleibt davon jedoch nur der Verlustterm. Wie sich leicht zeigen lässt, eignen sich imaginäre Potentialanteile, um solche Zeitabhängigkeiten der Norm zu beschreiben. Gleichung (3.5) gilt, abgesehen vom letzten Gleicheitszeichen, weiterhin. Für nichthermitesche Hamiltonoperatoren verschwindet der Ausdruck H −H † nicht, sondern hängt explizit und ausschließlich vom imaginären Potentialanteil Im(V ) ab: H := ⇒ 10 p̂2 + V (x̂) , 2m V (x̂) ∈ C p̂2 H −H = + V (x̂) − 2m = 2i Im V (x̂) † p̂2 ∗ + V (x̂) = V (x̂) − V ∗ (x̂) 2m (3.6) 3.2 PT -symmetrische Systeme V (x) |ψ(x, t)|2 offenes Teilsystem Abbildung 3.1: Schematische Darstellung eines offenen Quantensystems als Teilsystem eines geschlossenen, hermiteschen Systems. Dargestellt sind ein reelles Potential V (x) und das explizit zeitabhängige Betragsquadrat |ψ(x, t)|2 einer möglichen Wellenfunktion. Im Allgemeinen lassen sich für Hamiltonoperatoren mit imaginärem Potentialanteil allerdings keine stationären Lösungen mehr finden, weil die Existenz (rein) reeller Eigenwertspektren im vorherigen Abschnitt durch die Bedingung der Hermitizität sichergestellt wurde. 3.2 PT -symmetrische Systeme Wie jedoch bereits in der Einleitung vorweg genommen, gibt es eine Klasse nichthermitescher Operatoren, welche ein weitaus schwächeres Kriterium erfüllen und trotzdem zumindest in manchen Parameterbereichen rein reelle Eigenwerte besitzen: PT symmetrische Operatoren. In der Quantenmechanik lassen sich Symmetrien eines Operators durch Vertauschungsrelationen mit Symmetrieoperatoren darstellen. Für ein kugelsymmetrisches Zentralpotenˆ des Hamiltonoperators mit dem tial verschwindet beispielsweise der Kommutator [Ĥ, `] 11 3. Nichthermitesche Quantenmechanik und PT -Symmetrie Drehimpulsoperator. Als PT -symmetrisch werden daher solche Operatoren bezeichnet, die mit dem PT -Operator vertauschen. 3.2.1 PT -Operator Physikalisch bedeutet PT -Symmetrie die Invarianz eines Systems unter gleichzeitiger Raum- und Zeitspiegelung. Zum Verständnis des PT -Operators werden daher zunächst der Paritätsoperator P und der Zeitumkehroperator T betrachtet. Beide lassen sich anschaulich über ihre Wirkung auf Eigenzustände des Orts- und Impulsoperators definieren: P |xi = |−xi , ! P |pi = |−pi ! (3.7) ! T |pi = |−pi ! (3.8) T |xi = |+xi , In dieser Darstellung ist direkt zu erkennen, dass beide so eingeführten Operatoren selbstinvers sind – wie für Spiegelungen auch zu erwarten war. Aus den Definitionen (3.7) und (3.8) lassen sich außerdem leicht Kommutatorrelationen bezüglich Ortsoperator x̂ und Impulsoperator p̂ gewinnen, wobei { · , · } wie üblich für den Antikommutator steht: {P, x̂} = 0, [T , x̂] = 0, {P, p̂} = 0 {T , p̂} = 0 (3.9) (3.10) Mit Hilfe dieser Relationen und der bekannten Orts-Impuls-Unschärferelation [x̂, p̂] = i~ lässt sich die Wirkung des Zeitumkehroperators T auf die imaginäre Einheit bestimmen: T i |ψi = T (3.10) = T x̂p̂ − T p̂x̂ [x̂, p̂] (3.10) x̂T p̂ + p̂T x̂ |ψi = |ψi = |ψi ~ ~ ~ −x̂p̂T + p̂x̂T [x̂, p̂] |ψi = − T |ψi = −i T |ψi ~ ~ (3.11) Der Zeitumkehroperator T ist also kein linearer Operator, welcher mit konstanten Faktoren – auch komplexer Art – vertauschen würde, sondern antilinear: T c |ψi = c∗ T |ψi 12 (3.12) 3.2 PT -symmetrische Systeme Damit wird auch die anfangs geforderte physikalische Bedeutung des Zeitumkehroparators T ersichtlich: Die Zeitentwicklung eines quantenmechanischen Zustands lässt sich mit Hilfe des Zeitentwicklungsoperators Û (t) vollführen, welcher direkt aus der zeitabhängigen Schrödingergleichung (3.4) gewonnen werden kann. Die Wirkung des Operators T entspricht wie gefordert einer Spiegelung in der Zeit, wobei im Folgenden |ψ0 i := |ψ(t = 0)i sei und von einem zeitumkehrinvarianten Hamiltonoperator ausgegangen wird: T |ψ(t)i = T Û (t) |ψ0 i = T e− = e+ iĤt ~ iĤt ~ |ψ0 i = e+ iĤt ~ T |ψ0 i |ψ0 i = Û (−t) |ψ0 i = |ψ(−t)i (3.13) Der für die Untersuchung der PT -Symmetrie benötigte PT -Operator lässt sich nun aus den beiden in (3.7) und (3.8) eingeführten Operatoren zusammensetzen. Die Kommutatorrelationen des auf diese Weise definierten Operators ergeben sich dann aus den Relationen (3.9) und (3.10) der beiden zuvor betrachteten Operatoren P und T : ! ! PT |xi = |−xi , ⇒ {PT , x̂} = 0, PT |pi = |+pi [PT , p̂] = 0, {PT , i} = 0 (3.14) (3.15) Als Hintereinanderausführung eines linearen und eines antilinearen Operators ist auch der PT -Operator antilinear, was in Gleichung (3.15) als Verschwinden des Antikommutators mit der imaginären Einheit i formuliert wurde. Alleine aus diesen Kommutatorrelationen (3.15) lassen sich Aussagen über die Eigenwerte λ des PT -Operators ableiten: (3.14) |ψi = PT PT |ψi = PT λ |ψi = λ∗ PT |ψi = |λ|2 |ψi ⇒ λ = eiϕ , 0 ≤ ϕ ≤ 2π (3.16) Die Eigenwerte des PT -Operators sind also komplexe Zahlen mit dem Betrag eins. Weil zwei quantenmechanische Zustände |ψi und |ψ̃i, welche sich nur um einen Phasenfaktor eiφ unterscheiden, physikalisch identisch sind, lässt sich die freie, globale Phase φ der Schrödingergleichung stets so wählen, dass der PT -Operator den reellen Eigenwert 1 besitzt: 13 3. Nichthermitesche Quantenmechanik und PT -Symmetrie PT |ψi = eiϕ |ψi , ⇒ |ψ̃i := eiφ |ψi PT |ψ̃i = PT eiφ |ψi = e−iφ PT |ψi = e−iφ eiϕ |ψi = e−iφ eiϕ e−iφ |ψ̃i = ei(ϕ−2φ) |ψ̃i ϕ = |ψ̃i für φ = 2 (3.17) Der Zustand |ψ̃i ist also gänzlich invariant unter der Anwendung des PT -Operators und wird deshalb auch als exakt PT -symmetrisch bezeichnet. In der Ortsdarstellung ergibt sich unter Verwendung der Definition (3.14) bzw. der Kommutatorrelationen (3.15) folgende Bedingung für stationäre, exakt PT -symmetrische Zustände: ψ(x) = ψ ∗ (−x) (3.18) 3.2.2 Lineare PT -symmetrische Systeme Nachdem nun der PT -Operator eingeführt und seine wesentlichen Eigenschaften betrachtet wurden, lassen sich auch lineare PT -symmetrische Quantensysteme untersuchen. Solche Systeme werden dadurch charakterisiert, dass sie sich durch einen linearen, PT -symmetrischen Hamiltonoperator beschreiben lassen. In diesem Fall lassen sich leicht zwei für die vorliegende Arbeit relevante Eigenschaften der Eigenwertspektren zeigen: ! Ĥ |ψi = |ψi ! (3.19) Ĥ (PT |ψi) = PT Ĥ |ψi = PT |ψi = ∗ (PT |ψi) (3.20) [Ĥ, PT ] = 0, ⇒ Ist ein Eigenwert des Hamiltonoperators Ĥ zum bekannten Eigenzustand |ψi, so ergibt sich durch Anwendung des PT -Operators ein weiterer Eigenzustand PT |ψi mit dem komplex konjugierten Eigenwert ∗ . Ist der Zustand |ψi außerdem simultaner Eigenzustand des PT -Operators, so ist der zugehörige Eigenwert rein reell – eine bereits einleitend erwähnte Tatsache, welche die PT -Symmetrie für die Beschreibung offener Quantensysteme so interessant macht: 14 3.2 PT -symmetrische Systeme ! PT |ψi = eiϕ |ψi und weiterhin (3.19) (3.21) |ψi = Ĥ |ψi = Ĥ e−iϕ PT |ψi = e−iϕ PT Ĥ |ψi ⇒ (3.16) = e−iϕ PT |ψi = ∗ e−iϕ PT |ψi = ∗ |ψi (3.22) Aus der bekannten Form des Hamiltonoperators Ĥ und der Forderung nach PT -Symmetrie, lässt sich außerdem die Bedingung an das Potential V (x̂) ableiten: Ĥ = ⇒ p̂2 + V (x̂) 2m ! 0 = [Ĥ, PT ] = = (3.23) 2 p̂2 p̂ + V (x̂) PT − PT + V (x̂) 2m 2m p̂2 PT PT p̂2 − + V (x̂) PT − PT V (x̂) 2m 2m (3.15) = V (x̂) PT − PT V (x̂) ⇒ V (x̂) = V ∗ (−x̂) (3.24) (3.25) Ein lineares Quantensystem, welches durch einen Hamiltonoperator der Form (3.23) beschrieben wird, ist also genau dann PT -symmetrisch, wenn der Realteil des Potentials eine gerade Funktion und der Imaginärteil eine ungerade Funktion im Ort ist. 3.2.3 Nichtlineare PT -symmetrische Systeme In nichtlinearen Systemen hängt der Hamiltonoperator selbst vom aktuellen Zustand |ψi des Systems ab. Da solche Nichtlinearitäten im Allgemeinen nicht PT -symmetrisch sind, lassen sich die Aussagen für lineare Systeme, welche das Verschwinden des Kommutators mit dem PT -Operator voraussetzen, nicht einfach auf den nichtlinearen Fall übertragen. Die in Kapitel 2 eingeführte Gross-Pitaevski-Nichtlinearität, welche bei der Beschreibung von Bose-Einstein-Kondensaten mit kurzreichweitiger Wechselwirkung auftritt, ist jedoch von besonderer Form: Sie lässt es zu, den Hamiltonoperator als Summe eines linearen Anteils Ĥlin und einer ausschließlich vom Betragsquadrat abhängigen Nichtlinearität 15 3. Nichthermitesche Quantenmechanik und PT -Symmetrie f (|ψi) = g|ψ|2 zu schreiben. Es konnte gezeigt werden [12], dass diese Nichtlinearität invariant unter einer globalen Phase und linear in der Anwendung des PT -Operators ist: Ĥ = Ĥlin + f (|ψi), f (eiφ |ψi) = f (|ψi), PT f (|ψi) = f (PT |ψi) (3.26) Dadurch bleiben einige relevante Eigenschaften linearer PT -symmetrischer Systeme weiterhin gültig: Für komplexe Eigenwerte existiert stets auch der komplex konjugierte Eigenwert, die zugehörigen Eigenzustände lassen sich durch Anwendung des PT -Operators ineinander überführen und die Eigenwerte sind genau dann reell, wenn der zugehörige Eigenzustand PT -symmetrisch ist. 16 4 Supersymmetrie Die Bedeutung des Supersymmetrie-Formalismus für die Forschung dieser Bachelorarbeit wurde in der Einleitung bereits dargestellt – mit Hilfe des Supersymmetrieformalismus lassen sich Partnerpotentiale konstruieren, in deren Eigenwertspektren ausgewählte, störende Zustände fehlen, ohne dass dabei das übrige Spektrum verändert wurde. Der Begriff der Supersymmetrie (SUSY) entspringt jedoch einem völlig anderen Gebiet der Physik. Er wurde in der Quantenfeldtheorie eingeführt, um dort auftauchende Divergenzen konsistent zu beseitigen [13] und verknüpft die Welt der Bosonen mit der Welt der Fermionen. Aus diesem Grund wird die ursprüngliche Theorie im Folgenden als Bose-Fermi-Supersymmetrie bezeichnet. Ihr ist der erste Teil dieses Kapitels gewidmet, in dem auch der mathematische Formalismus eingeführt wird. Im zweiten Teil wird dieser Formalismus dann auf die Quantenmechanik übertragen und somit die Grundlage für die spätere Anwendung auf das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential geschaffen. Die Hauptquelle dieses Kapitels ist das Lehrbuch Supersymmetrie“ von H. Kalka und ” G. Soff [14], dessen Inhalt allerdings weit über die hier zusammengefassten Grundlagen hinaus geht. 4.1 Bose-Fermi-Supersymmetrie Bosonen und Fermionen sind zwei grundlegend verschiedene Teilchenarten: Bosonen besitzen einen ganzzahligen Spin – Fermionen einen halbzahligen. Bosonische Elementarteilchen gelten als Austauschteilchen, die Kräfte zwischen Fermionen vermitteln – fermionische Elementarteilchen als Bausteine der Materie. Bosonen gehorchen der BoseEinstein-Statistik, Fermionen der Fermi-Dirac-Statistik. Der wesentlichste Unterschied, auf den auch die aufgezählten Eigenschaften zurückzuführen sind, besteht jedoch im Pauli-Prinzip, welches besagt, dass sich beliebig viele Bosonen, jedoch keine zwei Fermionen im selben quantenmechanischen Zustand befinden können. 17 4 Supersymmetrie 4.1.1 Lineare Bose-Fermi-Systeme und Besetzungszahldarstellung Ausgehend von einem System ohne Wechselwirkung zwischen bosonischem und fermionischem Sektor lässt sich ein Zustand in der sogenannten Besetzungszahldarstellung |nb , nf i durch die Anzahl nb bosonischer und nf fermionischer Teilchen charakterisieren. Nach dem Pauli-Prinzip gilt daher nb ∈ N und nf ∈ {0, 1}. Weil nf nur zwei Werte annehmen kann, bietet es sich an, anhand dieser Quantenzahl zwischen bosonischen (nf = 0) und fermionischen (nf = 1) Zuständen zu unterscheiden. In Analogie zu den Auf- und Absteigeoperatoren â± des quantenmechanischen harmonischen Oszillators, deren Anwendung auf einen Eigenzustand |ni einen weiteren Eigenzustand |n±1i des Systems ergibt, lassen sich in der Besetzungszahldarstellung |nb , nf i bosonische und fermionische Erzeuger b+ , f + und Vernichter b− , f − konstruieren: b± |nb i ∼ |nb ±1i , f ± |nf i ∼ |nf ±1i (4.1) Die Proportionalitätszeichen ∼ signalisieren, dass für eine konsistente Definition noch Normierungsfaktoren benötigt werden. So kann aus einem Zustand, in dem sich kein Teilchen befindet, auch keines entfernt werden und nach dem Pauli-Prinzip kann zu einem Zustand, in dem sich bereits ein Fermion befindet, kein zweites hinzugefügt werden: ! b− |nb = 0i = 0, ⇒ ! f − |nf = 0i = 0, √ nb +1 |nb +1i , √ f + |nf i := nf ⊕2 1 |nf +1i , b+ |nb i := ! f + |nf = 1i = 0 b− |nb i := √ nb |nb −1i √ f − |nf i := nf |nf −1i (4.2) (4.3) (4.4) Die Schreibweise ⊕2 steht dabei für die Addition modulo 2, womit die in (4.3) und (4.4) definierten Operatoren die geforderten Bedingungen (4.2) erfüllen. Doch nicht nur das, die Normierungsfaktoren ermöglichen auch die Einführung der Besetzungszahloperatoren N̂b bzw. N̂f als einfache Hintereinanderausführung von Erzeuger und Vernichter. Dass in der Besetzungszahldarstellung |nb , nf i jeder mögliche Zustand ein Eigenzustand der Besetzungszahloperatoren ist, wird bereits aus dem Konstruktionsansatz (4.1) ersichtlich – dass die zugehörigen Eigenwerte jedoch gerade der Besetzungszahl entsprechen, ist auf die Wahl der Normierungsfaktoren zurückzuführen: Nb |nb i := b+ b− |nb i = Nf |nf i := f + f − |nf i = 18 √ √ nb b+ |nb −1i = nb |nb i (4.5) nf f + |nf −1i = nf |nf i (4.6) 4.1 Bose-Fermi-Supersymmetrie Der nur scheinbar kleine Unterschied in der Definition der bosonischen und fermionischen Erzeuger führt, wie leicht nachzurechnen ist, zu grundsätzlich unterschiedlichen Eigenschaften. Die bosonischen Operatoren erfüllen Vertauschungsrelationen, während für die fermionischen Operatoren Antivertauschungsrelationen gelten: [b− , b+ ] = 1 [b+ , b+ ] = [b− , b− ] = 0 (4.7) {f − , f + } = 1 {f + , f + } = {f − , f − } = 0 (4.8) Diese Relationen sind elementar für die Supersymmetrie und die ihr zugrunde liegende SUSY-Algebra. Dabei gilt selbstverständlich noch [b, f ] = 0, weil bosonische und fermionische Operatoren in verschiedenen Räumen wirken. 4.1.2 SUSY-Operatoren Die Supersymmetrie verknüpft bosonische und fermionische Zustände. Im Formalismus der Quantenmechanik wird diese Transformation durch sogenannte SUSY-Operatoren Q dargestellt: Q |bosonischi ∼ |fermionischi , Q |fermionischi ∼ |bosonischi (4.9) In der eingeführten Besetzungszahldarstellung |nb , nf i für lineare Bose-Fermi-Systeme ist es naheliegend, SUSY-Operatoren Q± als Hintereinanderausführung von Erzeuger und Vernichter, jeweils eines bosonischen und eines fermionischen Teilchens, zu definieren: Q+ := b− f + ⇔ Q+ |nb , nf i ∼ |nb −1, nf +1i (4.10) Q− := b+ f − ⇔ Q− |nb , nf i ∼ |nb +1, nf −1i (4.11) Die so eingeführten Operatoren Q± erfüllen offensichtlich die Konstruktionsanforderung (4.9) an SUSY-Operatoren. Allerdings sind sie aufgrund des Pauli-Prinzips und den daraus resultierenden Eigenschaften (4.2) der fermionischen Erzeuger und Vernichter nur für jeweils eine Transformationsrichtung geschaffen: Der Operator Q+ wandelt ein Boson in ein Fermion um, der Operator Q− ein Fermion in ein Boson. Die Erzeugung eines weiteren Fermions in einem Zustand |nb , 1i ist ebenso wenig möglich, wie die Vernichtung 19 4 Supersymmetrie eines nicht exisitierenden Fermions in einem bosonischen Zustand |nb , 0i: ⇒ Q+ |nb , 1i = 0, Q− |nb , 0i = 0 (4.12) Q2+ = 0, Q2− = 0 (4.13) Die Eigenschaft (4.13) wird als Nilpotenz bezeichnet. Aufgrund der einfachen Struktur bleibt das SUSY-Operatorpaar Q± nützlich für die weitere Untersuchung der Supersymmetrie, auch wenn es neben der Richtungsvorgabe noch einen weiteren Schönheitsfehler aufweist: Als zueinander adjungierte Operatoren sind Q+ und Q− nicht hermitesch. Aus diesem ersten SUSY-Operatorpaar lassen sich jedoch zwei hermitesche SUSY-Operatoren Q1 und Q2 konstruieren, die außerdem, abgesehen vom Vakuumszustand |0, 0i, jeden beliebigen Zustand transformieren: Q1 := Q+ + Q− , Q2 := −i (Q+ − Q− ) (4.14) Die Hermitizität folgt dabei aus Q+ = Q†− und der Wahl rein reeller oder rein imaginärer Vorfaktoren. Die zweite Eigenschaft, sowohl bosonische als auch fermionische Zustände zu transformieren, wäre sogar für alle echten Linearkombinationen αQ+ + βQ− mit α, β ∈ C\{0} gegeben, weil entsprechend Gleichung (4.12) stets genau einer der beiden Summanden verschwindet. Die getroffene Wahl α1 = β1 = 1 und α2 = −β2 = −i ermöglicht daher sogar zwei weitere Eigenschaften des neuen SUSY-Operatorpaars Q1,2 : {Q1 , Q2 } = −i (Q+ + Q− ) (Q+ − Q− ) + (Q+ − Q− ) (Q+ + Q− ) (4.13) = −i Q2+ − Q2− − [Q+ , Q− ] + Q2+ − Q2− + [Q+ , Q− ] = 0 (4.15) (4.13) Q21 = (Q+ + Q− )2 = Q2+ + Q2− + {Q+ , Q− } = {Q+ , Q− } = (−i)2 Q2+ + Q2− − {Q+ , Q− } = (−i (Q+ − Q− ))2 = Q22 20 (4.16) 4.1 Bose-Fermi-Supersymmetrie 4.1.3 Supersymmetrische Hamiltonoperatoren und Energiespektren Für die Beschreibung eines quantenmechanischen Systems und vor allem zur Betrachtung des Energiespektrums ist der Hamiltonoperator Ĥ unerlässlich. Wie für Symmetrien in der Quantenmechanik üblich und in Kapitel 3 für die PT -Symmetrie bereits so gehandhabt, muss ein supersymmetrischer Hamiltonoperator ĤS , der in der Lage sein soll, bosonische und fermionische Zustände zu beschreiben, mit entsprechenden Symmetrieoperatoren vertauschen. Die Supersymmetrie wird dabei durch die im vorherigen Abschnitt eingeführten SUSY-Operatoren Q beschrieben: ! ! [ĤS , Q+ ] = 0, oder: [ĤS , Q− ] = 0 ! ! [ĤS , Q1 ] = 0, [ĤS , Q2 ] = 0 (4.17) (4.18) Für die Darstellung des supersymmetrischen Hamiltonoperators ĤS durch die Symmetrieoperatoren, lassen sich die im vorherigen Abschnitt gefundenen Eigenschaften verwenden. Bei der Wahl des Operatorpaars Q± ist das die Nilpotenz aus Gleichung (4.13): ĤS := {Q+ , Q− } ⇒ (4.19) [ĤS , Q+ ] = ĤS Q+ − Q+ ĤS = (Q+ Q− + Q− Q+ ) Q+ − Q+ (Q+ Q− + Q− Q+ ) = Q+ Q− Q+ + Q− Q2+ − Q2+ Q− − Q+ Q− Q+ (4.13) = Q+ Q− Q+ − Q+ Q− Q+ = 0 (...) [ĤS , Q− ] = Q− Q+ Q− − Q− Q+ Q− = 0 (4.20) (4.21) Bei der Wahl des Operatorpaars Q1,2 nimmt der supersymmetrische Hamiltonoperator eine noch einfachere Form an – wie unmittelbar aus Gleichung (4.16) hervorgeht. Die Erfüllung der Forderung (4.18) ist dann gar nicht mehr zu zeigen, weil als Ausgangspunkt der supersymmetrische Ansatz (4.19) verwendet wird: (4.16) (4.16) ĤS = = Q21 = Q22 (4.22) (4.19) Die Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse (4.15), (4.18) und (4.22) ergibt ein 21 4 Supersymmetrie nf = 1 nf = 0 E ǫ3 Q− ǫ2 ǫ1 0 Q+ ǫ0 Abbildung 4.1: Eigenwertspektrum des (exakt) supersymmetrischen Hamiltonoperators ĤS mit jeweils zweifach entarteten angeregten Eigenzuständen |, nf i und nicht entartetem Grundzustand der Energie 0 = 0. Die Zustände gleicher Energie lassen sich durch die Anwendung der SUSY-Operatoren Q± transformieren. Kommutator-/Antikommutator-Konstrukt, welches als SUSY-Alegebra bezeichnet wird: [ĤS , Qi ] = 0, {Qi , Qj } = 2ĤS δij , i, j = 1, 2 (4.23) Nur mit Hilfe dieser Algebra lassen sich zwei wichtige Aussagen über das Eigenwertspektrum supersymmetrischer Hamiltonoperatoren herleiten: 1. Das Spektrum ist nichtnegativ. 2. Alle Zustände mit Energie 6= 0 sind zweifach entartet. Ersteres folgt aus der Tatsache, dass der Hamiltonoperator als Quadrat eines hermiteschen Operators, mit dementsprechend ausschließlich reellen Eigenwerten, dargestellt werden kann. Für die Herleitung der zweiten Aussage sei |Q1 i ein Eigenzustand des Hamiltonoperators zur Energie > 0: √ |Q1 i (4.24) ⇔ √ (4.23) (4.24) Q1 Q2 |Q1 i = −Q2 Q1 |Q1 i = − Q2 |Q1 i (4.25) ⇔ ĤS |Q2 i := ĤS Q2 |Q1 i = Q2 |Q1 i = |Q2 i ĤS |Q1 i = |Q1 i ⇔ Q1 |Q1 i = (4.25) In Abbildung 4.1 ist ein solches Eigenwertspektrum schematisch dargestellt. 22 (4.26) 4.1 Bose-Fermi-Supersymmetrie 4.1.4 Nichtlineare Bose-Fermi-Systeme und kanonische Darstellung Den bisherigen Betrachtungen lag die Annahme linearer Systeme ohne Wechselwirkung zwischen bosonischem und fermionischem Sektor zu Grunde. In diesem Abschnitt geht es nun darum, solche Wechselwirkungen in den Formalismus zu integrieren, indem die SUSY-Operatoren so weit wie möglich verallgemeinert werden, ohne dabei die SUSYAlgebra (4.23) zu verletzen. Somit ist sichergestellt, dass die Erkenntnisse des vorherigen Abschnitts bezüglich der Energieeigenwertspektren Gültigkeit behalten. Die SUSY-Algebra ergab sich direkt aus der Nilpotenz der SUSY-Operatoren Q± , und diese wiederum aus der Nilpotenz der fermionischen Erzeuger f + und Vernichter f − . Die angestrebte Verallgemeinerung des SUSY-Operatorpaars Q± besteht daher in der Ersetzung der bosonischen Erzeuger b+ und Vernichter b− durch neue Operatoren B ± (b+ , b− ) allgemeinerer Struktur: Q+ := B − f + , Q− := B + f − , (4.27) Die einzige weitere Einschränkung an die verallgemeinerten Operatoren B ± ist die Forderung (B + )† = B − paarweise adjungiert zu sein, welche notwendig ist, um hermitesche supersymmetrische Hamiltonoperatoren ĤS weiterhin als Antikommutator der in (4.27) neu definierten SUSY-Operatoren Q± darstellen zu können. Während die nichtlineare Bose-Fermi-Supersymmetrie also – wie gefordert – keine Auswirkungen auf SUSY-Algebra und Eigenwertspektren hat, so bleibt sie in Bezug auf die Darstellung der Zustände nicht folgenlos. Aufgrund der verallgemeinerten Struktur der neuen Operatoren B ± (b+ , b− ) verschwindet der Kommutator des bosonischen Besetzungszahloperators nb = b+ b− mit dem supersymmetrischen Hamiltonoperator ĤS im Allgemeinen nicht mehr: (4.8) B −f + B +f − + B +f − B −f + , b+ b− = B +B − − B −B + f −f + , b+ b− = [B +B − , b+ b− ] − [B −B + , b+ b− ] f −f + [ĤS , nb ] = 6= 0 i.A. (4.28) Die bosonische Besetzungszahl nb ist damit keine gute Quantenzahl mehr und |nb , nf i charakterisiert im Allgemeinen nicht mehr die Energie eines Zustandes. Abhilfe bietet daher die direkte Darstellung |, nf i mittels der Energieeigenwerte und der fermionischen Besetzungszahl nf , welche weiterhin eine gute Quantenzahl darstellt: 23 4 Supersymmetrie B −f + B +f − + B +f − B −f + , f + f − = B −B + − B +B − f +f − , f +f − (4.29) = B − , B + f +f − , f +f − = 0 [ĤS , nf ] = Mit dem Wissen aus dem vorherigen Abschnitt, dass jeder Energieeigenwert > 0 zweifach entartet ist und jeweils zu einem bosonischen und einem fermionischen Eigenzustand gehört, lässt sich eine elegante zweikomponentige Schreibweise für die Zustände der Energie einführen. Die Operatoren, die auf diese Zustände wirken, lassen sich dann als (2×2)-Matrizen schreiben: |i := |, nf = 0i |, nf = 1i − + 0 0 , f = 1 0 (4.4) + =⇒ f = 0 0 , B− 0 ĤS = Q21 0 B+ , B− 0 = B+B− 0 0 B−B+ (4.30) + − Q1 = Q+ + Q− = 0 1 0 0 0 B+ Q− = B f = 0 0 Q+ = B f = − Q2 = −i (Q+ − Q− ) = := (4.31) H1 0 0 H2 0 iB + −iB + 0 (4.32) (4.33) In dieser sogenannten kanonischen Darstellung zerfällt die stationäre Schrödingergleichung ĤS |i = |i eines nichtlinearen Bose-Fermi-Systems aufgrund der Diagonalstruktur des supersymmetrischen Hamiltonoperators aus Gleichung (4.33) in zwei einkomponentige Gleichungen: Ĥ1 |, 0i = |, 0i , Ĥ2 |, 1i = |, 1i (4.34) Die Komponenten H1 und H2 wirken also auf jeweils getrennte, bosonische bzw. fermionische Subsysteme. Die Operatoren B ± wandeln die entarteten Eigenzustände ineinander um: 24 4.2 Supersymmetrische Quantenmechanik H1 B + = B + B − B + = B + H− , ⇒ H2 B − = B − B + B − = B − H1 H1 B + |, 1i = B + H2 |, 1i = B + |, 1i = B + |, 1i = |, 0i H2 B − |, 0i = B − H1 |, 0i = B − |, 0i = B − |, 0i = |, 1i (4.35) (4.36) (4.37) Das letzte Gleichheitszeichen folgt dabei aus der Eindeutigkeit der beiden entarteten Eigenzustände von H1 bzw. H2 . Mit Hilfe der Aussagen aus Abschnitt 4.1.3 bezüglich des Energieeigenwertspektrums eines supersymmetrischen Hamiltonoperators lassen sich nun in Bezug auf den Grundzustand zwei Fälle unterscheiden: 1. Der Grundzustand liegt bei = 0, ist dementsprechend nicht entartet und gehört entweder zu H1 oder zu H2 . Dieser Fall wird als exakte Supersymmetrie bezeichnet. 2. Es existiert kein Zustand mit der Energie = 0, der Grundzustand liegt daher bei einer Energie > 0, ist zweifach entartet und gehört zu H1 und H2 . Dieser Fall wird als gebrochene Supersymmetrie bezeichnet. 4.2 Supersymmetrische Quantenmechanik Die Existenz der SUSY-Partnerteilchen und die Frage des Erfolgs der Supersymmetrie in der Quantenfeldtheorie sind für die supersymmetrische Quantenmechanik, wie sie Gegenstand dieser Bachelorarbeit ist, nicht von Bedeutung. Der Begriff der supersymmetrischen Quantenmechanik bezeichnet nämlich lediglich die Anwendung des mathematischen Formalismus, wie er im ersten Teil dieses Kapitels eingeführt wurde, auf die stationäre Schrödingergleichung in Ortsdarstellung. Dabei werden der bosonische und fermionische Sektor des Eigenwertspektrums als zwei verschiedene, durch die Supersymmetrie verknüpfte Systeme aufgefasst. Im Falle exakter Supersymmetrie, wenn eines der beiden Systeme die Grundzustandsenergie = 0 besitzt, fehlt eben dieser Grundzustand im ansonsten vollkommen identischen Eigenwertspektrum des Partnersystems. Bei der gleichzeitigen und teilweise vergleichenden Betrachtung der Eigenwertspektren mehrerer Systeme wird im Folgenden die Notation i,j für den j-ten Eigenwert des i-ten Systems verwendet, wobei sich die Nummer des Systems auf den Index des Hamiltonoperators Hi bezieht. Dies ist in Abbildung 4.2 schematisch dargestellt. 25 4 Supersymmetrie H1 E ǫ1,3 H2 ǫ2,2 B+ ǫ2,1 ǫ1,2 ǫ1,1 0 ǫ2,0 B− ǫ1,0 Abbildung 4.2: Interpretation des SUSY-Spektrums aus Abbildung 4.1 als quantenmechanische Partnersysteme, beschrieben durch die Hamiltonoperatoren H1 und H2 . Die Grundzustandsenergie 2,0 des Partnersystems entspricht dann der Energie des ersten angeregten Zustands 1,1 im Grundsystem. Sind die Eigenzustände eines Systems bekannt, so ergeben sich die Eigenzustände des Partnersystems durch Anwendung der Operatoren B ± . 4.2.1 Konstruktion des Partnerpotentials Bei der Anwendung der supersymmetrischen Quantenmechanik geht es in den allermeisten Fällen darum, ein Partnersystem V (2) zu einem bekannten Ausgangssystem V (1) zu finden. Sei es, weil die Lösung der stationären Schrödingergleichung durch den Umweg über das Partnersystem deutlich leichter ist, oder weil – wie in dieser Arbeit der Fall – Interesse an der Manipulation des Eigenwertspektrums eines Systems besteht. Ausgangspunkt für die Übertragung der Supersymmetrie auf die Quantenmechanik ist die kanonische Darstellung (4.33) des supersymmetrischen Hamiltonoperators, in welcher die einkomponentigen Hamiltonoperatoren H1 und H2 der beiden Partnersysteme direkt ersichtlich werden. In der Ortsdarstellung nehmen diese die folgende Form an: Hi = −~2 2 ∂x + V (i) (x), 2m i = 1, 2 (4.38) Diese Hamiltonoperatoren lassen sich nun, dem Formalismus entsprechend, durch ein adjungiertes Operatorenpaar B ± faktorisieren. In der supersymmetrischen Quantenmechanik wird für diese bisher sehr abstrakt gehaltenen Operatoren folgender Ansatz gewählt: 1 ~ B ± := √ W(x) ∓ √ ∂x 2 2m 26 (4.39) 4.2 Supersymmetrische Quantenmechanik 1 Die Größe W(x) der Dimension [Energie] 2 wird dabei als Superpotential bezeichnet. Der Zusammenhang mit den Potentialen V (i) (x) der beiden Partnersysteme folgt durch Vergleich der faktorisierten Hamiltonoperatoren mit der Darstellung (4.38), wobei zur Berechnung der Hintereinanderausführungen B ±B ∓ die Wirkung auf eine Testfunktion φ(x) betrachtet werden muss: W(x) B B φ(x) = √ − 2 W(x) = √ − 2 + − W(x) ~ ∂x √ +√ φ(x) 2 2m W(x) ~ ∂x ~ ∂x √ √ φ(x) + √ φ(x) 2m 2 2m ~∂ √ x 2m ~ ~ ~2 2 1 ∂ φ(x) = W 2 (x)φ(x) + √ W(x)∂x φ(x) − √ ∂x W(x)φ(x) − 2 2m x 2 m 2 m 2 ~2 ∂ 2 ~ W (x) x + √ W(x)∂x − ∂x W(x) − W(x)∂x − φ(x) = 2 2m 2 m 2 W (x) ~ (∂x W(x)) ~2 ∂x2 ~2 ∂x2 ! (1) √ = − − φ(x) = V (x) − φ(x) (4.40) 2 2m 2m 2 m + − (...) B B φ(x) = ~2 ∂x2 W 2 (x) ~ (∂x W(x)) ~2 ∂x2 ! (2) √ + − φ(x) = V (x) − φ(x) 2 2m 2m 2 m (4.41) Der aus (4.41) resultierende Zusammenhang zwischen dem Partnerpotential V (1) und dem Superpotential W kann als Differentialgleichung in W(x) aufgefasst werden, um auch ohne Kenntnis des Eigenwertspektrums von H1 anschließend das gesuchte Partnerpotential V (2) zu berechnen: (4.40) =⇒ (4.41) ~ 1 V (1,2) (x) = W 2 (x) ∓ √ (∂x W(x)) 2 2 m (4.42) Ist die Grundzustandswellenfunktion ψ0 (x) des Hamiltonoperators H1 jedoch bekannt, so lässt sich das Superpotential W auch ganz ohne Lösen einer Differentialgleichung bestimmen. Dabei wird angenommen, dass ψ0 (x) keine Knoten besitze – also ψ0 (x) 6= 0 ∀x gelte – und Eigenfunktion zum Eigenwert = 0 sei. Die zweite Annahme stellt dabei keine wirkliche Einschränkung dar, weil sich für Grundzustände zu Eigenwerten ˜> 0 stets ein Potential Ṽ (x) = V (x)−˜ konstruieren lässt, dessen Grundzustand diese Voraussetzung erfüllt: 27 4 Supersymmetrie −~2 2 ∂ ψ0 (x) + V (1) (x) ψ0 (x) 2m x 2 1 2 ~ (4.42) −~ 2 = ∂ ψ0 (x) + W (x) − √ (∂x W(x)) ψ0 (x) 2m x 2 2 m (4.38) ! 0 = H1 ψ(x) = ~2 ∂x2 ψ0 (x) ~ = W 2 (x) − √ (∂x W(x)) m ψ0 (x) m ⇒ (4.43) Was auf den ersten Blick ebenfalls wie eine nichttriviale Differentialgleichung aussieht, lässt sich mit Hilfe der Quotientenregel leicht umformen: 0 2 0 0 u00 u − u0 u0 u u u00 = − = 2 u u u u ∂x ψ0 (x) ψ0 (x) ∂x ψ0 (x) ψ0 (x) ⇒ ∂x ⇒ ~ ∂x ψ0 (x) W(x) = − √ m ψ0 (x) + 2 ⇒ u00 = u 0 0 0 2 u u + u u (4.44) ∂x2 ψ0 (x) (4.43) m ~ 2 = = 2 W (x) − √ ∂x W(x) ψ0 (x) ~ m √ 2 √ m m = ∂x − W(x) + − W(x) ~ ~ (4.44) (4.45) Die Kombination dieser Bestimmungsgleichung (4.45) mit dem Zusammenhang (4.42) zwischen Superpotential und Partnerpotential ermöglicht die direkte Konstruktion des Partnerpotentials V (2) aus der knotenfreien Wellenfunktion ψ(x) des zu entfernenden Zustands, wobei im Folgenden ψ 0 (x) = ∂x ψ(x) für die partiell nach dem Ort x abgeleitete Wellenfunktion steht: ⇒ 28 V " 2 0 # 2 ~ ψ 0 (x) ψ (x) 1 2 (4.45) ~ − ∂x = W (x) + √ ∂x W(x) = 2 2m ψ(x) ψ(x) 2 m " # 2 2 ψ 0 (x) ψ(x)ψ 00 (x) − (ψ 0 (x))2 (4.44) ~ = − 2m ψ(x) ψ 2 (x) " # 2 ~2 ψ 0 (x) ψ 00 (x) = 2 − (4.46) 2m ψ(x) ψ(x) (2) (4.42) 4.2 Supersymmetrische Quantenmechanik E H1 H̃2 H̃1 H2 ǫ̃1,3 ǫ2,2 ǫ̃1,2 ǫ2,1 ǫ̃2,2 ǫ3,1 ǫ̃1,1 ǫ2,0 ǫ̃2,1 ǫ3,0 H3 ǫ̃3,1 ǫ1,3 ǫ1,2 ǫ1,1 ǫ1,0 0 H̃3 ǫ̃1,0 ǫ̃3,0 ǫ̃2,0 Abbildung 4.3: Eigenwertspektren einer SUSY-Kette von Partnersystemen, wie sie im Rahmen dieser Bachelorarbeit für das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential berechnet wurde. Die geschlängelten Systeme H̃i gehen durch eine Potentialverschiebung der Form Ṽ (i) = V (i) +const. aus den entsprechenden ungeschlängelten Systemen hervor. Ziel dieser Transformationen ist die Erzeugung exakter Supersymmetrie (blaue Einfärbung) oder die Anhebung der verbleibenden Zustände des Spektrums auf das ursprüngliche Niveau. 4.2.2 SUSY-Ketten Im vorherigen Abschnitt wurde gezeigt, wie alleine aus der Grundzustandswellenfunktion ψ1,0 (x) eines Systems, welches durch den Hamiltonoperator H1 mit dem Potential V (1) beschrieben wird, der Hamiltonoperator H2 des Partnersystems berechnet werden kann. Dieser Formalismus lässt sich nun erneut anwenden, wobei das Partnersystem H2 als Grundsystem verwendet wird. Auf diese Weise lässt sich ein drittes System H3 konstruieren, dessen Eigenwertspektrum dem des ursprünglichen Systems H1 entspricht, nur dass die ersten beiden Zustände 1,0 und 1,1 fehlen. Solche sogenannten SUSY-Ketten, lassen sich prinzipiell endlos fortsetzen, bis bei endlichen Potentialen alle gebundenen Zustände des Spektrums entfernt wurden. Dabei ist jedoch zweierlei zu beachten: Damit die Spektren zweier Partnersysteme Hi und Hi+1 die in Abbildung 4.2 dargestellten Beziehungen erfüllen, muss die Supersymmetrie exakt sein, das heißt der Grundzustand des Systems Hi muss den Eigenwert i,0 = 0 besitzen. Vor der erneuten Anwendung des Formalismus auf ein System Hi , welches selbst aus einem SUSY-Partner hervor ging, muss daher eine Potentialmodifikation der Form Ṽ (i) = V (i) −i,0 durchgeführt werden. Dieses Verfahren ist in Abbildung 4.3 für bis zu drei Partnersysteme schematisch dargestellt. Außerdem muss für die Konstruktion von SUSY-Ketten nach Gleichung (4.46) der Grundzustand eines jeden Partnersystems bekannt sein. Diese Kenntnis kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Weisen erlangt werden: Durch wiederholte Anwendung 29 4 Supersymmetrie des Operators B − lassen sich die gesuchten Wellenfunktionen aus den Eigenzuständen des ursprünglichen Systems berechnen, welche für diese Methode jedoch gegeben sein müssen. Alternativ kann die Grundzustandswellenfunktion vor jeder Anwendung des SUSY-Formalismus auch durch Lösen der entsprechenden stationären Schrödingergleichung bestimmt werden – dieser Weg wurde in der vorliegenden Bachelorarbeit gegangen. 30 5 Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential Im folgenden Kapitel wird das untersuchte Doppelmuldenpotential eingeführt und die Vorgehensweise zur numerischen Lösung des Systems transparent gemacht. Vor allem aber werden die stationären Lösungen, bis einschließlich des dritten angeregten Zustands, und der Einfluss des Ein-/Auskopplungsparameters γ auf das Spektrum vorgestellt. Wie einleitend bereits erwähnt, wurde das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential am ITP1 auch im Rahmen der Masterarbeiten von Dennis Dast [8] und Daniel Haag [7] untersucht. Die in diesem Kapitel präsentierten Ergebnisse waren daher bereits bekannt, sie dienen jedoch als Ausgangspunkt und Vergleichswert für die anschließende Entfernung von Zuständen mit Hilfe des Supersymmetrie-Formalismus in Kapitel 6. 5.1 Konstruktion des Potentials Als Doppelmulde werden gemeinhin Potentiale bezeichnet, die aus zwei durch ein endliches Maximum getrennten Minima bestehen. Neben der häufig zu findenden, idealisierten abschnittsweisen Definition ist ein solches Potential auch durch die Überlagerung eines harmonischen Terms mit einer Gaußfunktion zu erzeugen. An ein PT -symmetrisches System wurden im entsprechenden Grundlagenkapitel 3 zwei Bedingungen hergeleitet: Der Realteil muss eine gerade und der Imaginärteil eine ungerade Funktion im Ort sein. Dementsprechend wird für das zu untersuchende Potential folgende Gleichung angesetzt: V (x) = x2 mω 2 2 2 x + V0 e− 2σ2 + iγ xe−ρx , 2 m, ω, ρ, γ ∈ R (5.1) Für die numerischen Berechnungen bzw. für die im nachfolgenden Absatz 5.2 aus diesem Grund eingeführte dimensionslose Gross-Pitaevskii-Gleichung wird das Potential V (x) in entsprechend skalierten Einheiten a0 und E0 benötigt: 31 5. Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential x̃ := x , a0 (5.8) E0 := V (a0 x̃) (5.1) m2 a40 ω 2 2 V0 − a20 x̃22 2 2 = e 2σ + iγa0 x̃e−ρa0 x̃ x̃ + 2 E0 ~ E0 (5.8) ⇒ Ṽ (x̃) := = mit: ~2 2ma20 x̃2 ω̃ 2 2 2 x̃ + Ṽ0 e− 2σ̃2 + iγ̃ x̃e−ρ̃x̃ 4 ω̃ := ω , ω0 Ṽ0 = V0 , E0 wobei ω0 := σ̃ = σ , a0 (5.2) ~ E0 = , 2ma20 ~ γ̃ = a0 γ, E0 ρ̃ = a20 ρ (5.3) Im Folgenden werden ausschließlich die dimensionslosen Größen vorkommen, die Tilde zur Unterscheidung wird folglich nicht mehr benötigt und daher weggelassen. Die Lösungen der stationären Gross-Pitaevskii-Gleichung entsprechen dem chemischen Potential µ eines Kondensats. Ein imaginärer Potentialanteil, der – wie in Kapitel 3 gezeigt – auch bei stationären Zuständen eine Zu- bzw. Abnahme der Norm bewirkt, entspricht bei Bose-Einstein-Kondensaten also dem Ein- bzw. Auskoppeln von Atomen. Ein Vorschlag zur experimentellen Realisierung [15] eines kohärenten Ein-/Auskopplungsprozesses, wie er durch den Imaginärteil in (5.2) beschrieben wird, basiert auf dem quantenmechanischen Tunneleffekt in einer entsprechenden Vierfachmulde. Die physikalisch sinnvolle Forderung, dass die Extremstellen des antisymmetrischen imaginären Potentialanteils daher mit den Minima der beiden Mulden des Realteils zusammenfallen, reduziert die Anzahl der freien Parameter des Potentials (5.2) um eins: x2 ω2 V0 ∂ ! Re(V (x)) = x − 2 xe− 2σ2 = 0 ∂x 2 σ ⇒ x20,Re ∂ 2 ! Im(V (x)) = γ 1 − 2ρ x2 eρx = 0 ∂x ⇒ x20,Im = ! x0,Re = x0,Im ⇒ ρ= 2 = 2σ ln 1 = ρ(ω, σ, V0 ) 0 4σ 4 ln σ2V 2 ω2 2V0 ω2σ2 1 2ρ (5.4) Die drei verbleibenden Parameter ω, σ und V0 des reellen Potentialanteils wurden für die Berechnungen dieser Bachelorarbeit jeweils auf einen festen Zahlenwert festgelegt, welche zu Gunsten der Vergleichbarkeit der Ergebnisse von Daniel Haag [7] übernommen wurden: 32 5.2 Numerische Vorgehensweise 7 0.06 Re(V ) Im(V ) 6 0.03 0 4 -0.03 3 -0.06 2 -0.09 1 Im(V ) Re(V ) 5 -0.12 -4 -2 0 x 2 4 Abbildung 5.1: PT -symmetrisches Doppelmuldenpotential entsprechend Gleichung (5.2) mit den in Gleichung (5.5) festgelegten Realteil-Parametern und einem Ein-/Auskopplungskoeffizienten von γ = 0.02. ω=1, σ=1, V0 = 4 (5.5) In Abbildung 5.1 ist das Doppelmuldenpotential mit diesen Parameterwerten für einen festen Ein-/Auskopplungskoeffizienten γ dargestellt. Die PT -Symmetrie ist in Form des geraden Realteils und des ungeraden Imaginärteils gut zu erkennen. 5.2 Numerische Vorgehensweise Im Grundlagenkapitel 2 wurde in Gleichung (2.5) die eindimensionale, stationäre GrossPitaevskii-Gleichung (GPE) eingeführt, welche innerhalb der Mean-Field-Näherung die Eigenzustände von Bose-Einstein-Kondensaten mit kurzreichweitiger Wechselwirkung in einem externen Fallenpotential V (x) beschreibt. Für die numerische Lösung wird die GPE in dimensionsloser Form benötigt: 33 5. Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential x̃ := (2.5) ⇒ ⇔ mit: x a0 ∂x2 = ⇒ 1 2 ∂ a20 x̃ (5.6) i ~ 4π~2 g 2 2 ψ(a0 x̃) = µ ψ(a0 x̃) ∂ + V (a x̃) + |ψ(a x̃)| 0 0 2ma20 x̃ m h i − ∂x̃2 + Ṽ (x̃) + g̃ |ψ̃(x̃)|2 ψ̃(x̃) = µ̃ ψ̃(x̃) (5.7) h − Ṽ (x̃) := V (a0 x̃) , E0 g̃ := 8πa20 g , ψ̃(x̃) := ψ(a0 x̃) , E0 := ~2 2ma20 µ̃ := µ E0 (5.8) Wie bereits im vorherigen Abschnitt beim Potential V (x), wird auch in Bezug auf die GPE auf die Tildenschreibweise zur Unterscheidung verzichtet, weil im Folgenden nur noch die dimensionslosen Größen aus (5.8) verwendet werden. Bei Vorgabe eines Eigenwertes µ handelt es sich bei der GPE (5.7) um eine nichtlineare, gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung in ψ(x). Die numerische Lösung erfolgt durch Reduktion auf ein System zweier nichtlinearer Differentialgleichungen erster Ordnung. Dieses kann anschließend, ausgehend von ebenfalls vorzugebenden Startwerten für ψ(0) und ψ 0 (0), durch Integration mit Hilfe eines vierstufigen Runge-KuttaVerfahrens gelöst werden. Bei der Auffassung der GPE als komplexe Eigenwertgleichung bleiben folglich fünf reelle Größen unbestimmt: Jeweils Real- und Imaginärteil von µ, ψ(0) und ψ 0 (0), abzüglich eines Freiheitsgrades aufgrund der frei wählbaren globalen Phase eiφ . Allerdings müssen die so erhaltenen Lösungen auch physikalische Nebenbedingungen erfüllen: Die Forderung nach der Normierbarkeit der Wellenfunktion verlangt verschwindende Werte für x → ±∞, was vier reellen Bedingungen entspricht. Der letzte verbleibende Freiheitsgrad der Lösung wird verwendet, um die Norm kψ(x)k auf den Wert 1 festzulegen. Somit ergibt sich eine fünfdimensionale Nullstellensuche, welche numerisch durchführbar ist. Es hat sich herausgestellt, dass die Nullstellensuche in den Startwerten des chemischen Potentials µ am empfindlichsten ist – hier muss der vorgegebene Startwert in der Regel in den ersten beiden geltenden Stellen mit der Lösung übereinstimmen. Ansonsten erzielt die Nullstellensuche kein Ergebnis oder findet physikalisch unbedeutende Potentialkastenlösungen, welche dadurch zustande kommen, dass im Runge-Kutta-Verfahren nur bis zu endlichen |x|-Werten integriert wird. 34 5.3 Eigenwertspektrum und Eigenzustände ohne Nichtlinearität 5.3 Eigenwertspektrum und Eigenzustände ohne Nichtlinearität Der Versuch, eine Nichtlinearität g |ψ(x)|2 in den Formalismus der supersymmetrischen Quantenmechanik miteinzubeziehen, hat bislang ungeklärte Fragen aufgeworfen [9]. Zur Untersuchung von SUSY-Ketten in einem nichthermiteschen Quantensystem, dem eigentlichen Ziel dieser Arbeit, wird die Gross-Pitaevskii-Nichtlinearität in Kapitel 6 daher vernachlässigt. Aus diesem Grund wird auch die PT -symmetrische Doppelmulde (5.2), zunächst bei verschwindender Nichtlinearität g = 0 betrachtet. In diesem Fall geht die GPE (5.7) in die stationäre Schrödingergleichung über. Im Lösungsspektrum der stationären Schrödingergleichung eines reellen, symmetrischen Doppelmuldenpotentials treten die Eigenwerte stets in Paaren auf, deren Differenzen i+1 − i bzw. i+3 − i+2 deutlich geringer sind, als der Abstand i+2 − i+1 zwischen zwei Paaren. Daher werden im Folgenden auch für das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential zunächst nur zwei Eigenzustände betrachtet, anhand derer die grundlegenden Eigenschaften des nichthermiteschen, PT -symmetrischen Quantensystems deutlich werden. Anschließend wird jedoch auch das zweite Eigenwertpaar behandelt, weil dieses nach dem späteren Entfernen zweier Zustände durch den SUSY-Formalismus dem Grundzustand des Partnersystems entspricht und somit in Kapitel 6 als Vergleichswert benötigt wird. 5.3.1 Grundzustand und erster angeregter Zustand In Abbildung 5.2 sind die numerisch berechneten Wellenfunktionen von Grundzustand und erstem angeregtem Zustand für drei ausgewählte Größen des Ein-/Auskopplungsparameters γ dargestellt. Die Eigenwerte µ zu den Wellenfunktionen der Teilabbildungen a bis d sind rein reell, die der Teilabbildungen e und f zueinander komplex konjugiert. Weil die Realteile in diesem Fall identisch sind, ist die Bezeichnung als Grundzustand“ ” bzw. angeregter Zustand“ eigentlich nicht mehr korrekt. Im Bewusstsein dessen wird ” der Zustand, dessen Eigenwert einen negativen Imaginärteil besitzt, im Folgenden der Einfacheit halber weiterhin als Grundzustand bezeichnet – der Zustand zum komplex konjugierten Eigenwert dementsprechend als erster angeregter Zustand. Bei der Wahl von γ = 0 verschwindet der Imaginärteil des untersuchten Potentials und der Hamiltonoperator bleibt hermitesch, weswegen die reellen Eigenwerte nicht verwundern. Die Eigenfunktionen sind entweder rein reell oder rein imaginär, weswegen der antisymmetrische angeregte Zustand (Abb. 5.2-b) an der Stelle x = 0 einen Knoten besitzt. 35 5. Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential Grundzustand: Erster angeregter Zustand: a) b) c) d) e) f) γ =0 ψ(x) 0.5 0 -0.5 γ = 0.03 ψ(x) 0.5 0 -0.5 γ = 0.06 ψ(x) 0.5 0 -0.5 -4 -2 Re(ψ) 0 x 2 4 Im(ψ) -4 -2 0 x 2 4 |ψ|2 Abbildung 5.2: Realteil, Imaginärteil und Betragsquadrat der ersten beiden Eigenzustände des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials für drei ausgewählte Ein-/Auskopplungsparameter γ. 36 5.3 Eigenwertspektrum und Eigenzustände ohne Nichtlinearität Für nichtverschwindende, aber kleine Werte von γ bleiben die Eigenwerte trotz Nichthermitizität des Hamiltonoperators reell, eine Eigenschaft die im entsprechenden Grundlagenkapitel 3 auf die PT -Symmetrie des Systems zurückgeführt wurde. Wie erwartet, sind auch die zugehörigen Wellenfunktionen PT -symmetrisch, was sich in den Teilabbildungen 5.2-c und -d durch symmetrische Realteile und antisymmetrische Imaginärteile zeigt. Wie in den Teilabbildungen 5.2-e und -f zu erkennen, verlieren die Eigenfunktionen des ersten Eigenwertpaars diese PT -Symmetrie allerdings für größere Ein-/Auskopplungsparameter γ. Das Betragsquadrat |ψ(x)|2 der Wellenfunktionen, welches für Bose-EinsteinKondensate direkt mit der Teilchendichte verknüpft ist und somit eine messbare Größe darstellt, besitzt dann in einer der beiden Mulden ein globales Maximum. Wie ebenfalls leicht ersichtlich wird, lassen sich die Wellenfunktionen von Grundzustand ψ0 und erstem angeregtem Zustand ψ1 durch Anwendung des PT -Operators ineinander überführen: Re (ψ0 (x)) = Re (ψ1 (−x)) , Im (ψ0 (x)) = −Im (ψ1 (−x)) (5.9) Auch diese Eigenschaft von Eigenzuständen zu komplex konjugierten Eigenwerten wurde im Grundlagenkapitel 3 vorhergesagt. Um den kritischen Parameterwert γEP zu bestimmen, ab dem die Eigenwerte komplex werden, wurde der Ein-/Auskopplungsparameter in Abbildung 5.3 durchfahren. Aus der Abbildung geht hervor, dass die ersten beiden Zustände tatsächlich für den gesamten Parameterbereich 0 ≤ γ ≤ γEP reelle Eigenwerte besitzen. Eine in dieser Arbeit nicht explizit abgebildete Betrachtung der unmittelbaren Umgebung des in Abbildung 5.3 hervorgehobenen kritischen Parameterwertes ergibt, dass die Wellenfunktionen ψ0 und ψ1 an dieser Stelle identisch werden, weswegen γEP auch als exzeptioneller Punkt bezeichnet wird. 5.3.2 Zweiter und dritter angeregter Zustand Auch das zweite Eigenwertpaar µ2 ,µ3 wurde auf seine Abhängigkeit vom Ein-/Auskopplungskoeffizienten untersucht. In den Abbildungen 5.4 und 5.5 sind Real- und Imaginärteil getrennt dargestellt, um die Ergebnisse mit denen des ersten Eigenwertpaares in Relation zu setzen. Dabei wird deutlich, dass die grundlegende Struktur identisch ist – die Eigenwerte sind bis zu einem kritischen Parameterwert rein reell und anschließend komplex konjugiert. Dieser exzeptionelle Punkt des zweiten Eigenwertpaares liegt allerdings bei einem deutlich höheren Ein-/Auskopplungskoeffizienten. 37 5. Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential 2.5 Re(µ) 2.48 2.46 2.44 Re(µ): µ0 µ1 2.42 Im(µ): µ0 µ1 0.04 Im(µ) 0.02 0 -0.02 -0.04 0 0.01 0.02 0.03 γ 0.04 0.05 0.06 Abbildung 5.3: Realteile (oben) und Imaginärteile (unten) der ersten beiden Eigenwerte µ0 und µ1 des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials für 0 ≤ γ ≤ 0.06 mit hervorgehobenem exzeptionellem Punkt, an dem die Eigenfunktionen von Grundzustand und erstem angeregtem Zustand identisch werden. 38 5.3 Eigenwertspektrum und Eigenzustände ohne Nichtlinearität 4.5 4.4 4.3 4.2 Re(µ) 4.1 4 3.9 3.8 3.7 2.6 Abb. 5.3 2.5 2.4 0 0.05 µ2 0.1 0.15 µ3 0.2 γ 0.25 0.3 0.35 0.4 µ0 , µ1 Abbildung 5.4: Realteile der ersten vier Eigenwerte µ0 bis µ3 des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials für 0 ≤ γ ≤ 0.4, wobei zur übersichtlicheren Darstellung ein Teil der y-Achse ausgespart wurde. Das erste Eigenwertpaar wurde bereits in Abbildung 5.3 dargestellt und dient lediglich zur Verdeutlichung der Größenordnungen. 39 5. Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential 0.2 Im(µ) 0.1 0 µ0 , µ1 µ2 µ3 -0.1 -0.2 0 0.05 0.1 0.15 0.2 γ 0.25 0.3 0.35 0.4 Abbildung 5.5: Imaginärteile der ersten vier Eigenwerte µ0 bis µ3 des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials für 0 ≤ γ ≤ 0.4. Das erste Eigenwertpaar wurde bereits in Abbildung 5.3 dargestellt und dient lediglich zur Verdeutlichung der Größenordnungen. Das ist vor allem in Bezug auf die spätere Anwendung des Supersymmetrieformalismus interessant. Im Parameterbereich γEP1 ≤ γ ≤ γEP2 müssen sich nach dem Entfernen des ersten Eigenwertpaares wieder rein reelle Eigenwerte zu PT -symmetrischen Eigenfunktionen ergeben, obwohl die Grundzustandswellenfunktionen des Doppelmuldenpotentials in diesem Bereich längst PT -gebrochen und die zugehörigen Eigenwerte komplex sind. Besagte Wellenfunktionen des zweiten und dritten angeregten Zustands sind in Abbildung 5.6 für drei ausgewählte Werte des Ein-/Auskoplungsparameters dargestellt, bergen jedoch in Bezug auf die bereits diskutierten Wellenfunktionen des ersten Eigenwertpaares keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Als angeregte Zustände besitzen die Wellenfunktionen im hermiteschen Grenzfall γ = 0 ebenfalls Knoten, deren Anzahl dem Index i des Eigenwertes µi entspricht. Im Parameterbereich vor dem exzeptionellen Punkt sind die Wellenfunktionen wieder PT -symmetrisch, nach dem exzeptionellen Punkt PT -gebrochen. Auch das Kriterium (5.9) zur Transformation der Zustände komplex konjugierter Eigenwerte mittels des PT -Operators ist erfüllt. 40 5.3 Eigenwertspektrum und Eigenzustände ohne Nichtlinearität Zweiter angeregter Zustand: Dritter angeregter Zustand: a) d) b) e) c) f) γ =0 ψ(x) 0.5 0 -0.5 γ = 0.2 ψ(x) 0.5 0 -0.5 γ = 0.4 ψ(x) 0.5 0 -0.5 -6 -4 -2 Re(ψ) 0 x 2 4 Im(ψ) 6 -4 -2 0 x 2 4 |ψ|2 Abbildung 5.6: Realteil, Imaginärteil und Betragsquadrat der Wellenfunktionen von zweitem und drittem angeregten Zustand des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials für drei ausgewählte Ein-/Auskopplungsparameter γ. 41 5. Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential 5.4 Eigenwertspektrum und Eigenzustände mit Nichtlinearität Bisher wurde die Nichtlinearität in der Gross-Pitaevskii-Gleichung stets vernachlässigt bzw. explizit g = 0 gesetzt, weil das Ziel vor allem die Berechnung von Vergleichswerten für die spätere Anwendung des Supersymmetrieformalismus war. Ausgangspunkt für das Verständnis, weshalb es überhaupt wünschenswert ist, Zustände aus dem Spektrum des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials zu entfernen, ist jedoch die realistische Beschreibung eines Bose-Einstein-Kondensats unter Berücksichtung der Gross-PitaevskiiNichtlinearität g |ψ(x)|2 . Aus diesem Grund werden im folgenden Abschnitt nichtverschwindende Nichtlinearitätsparameter g > 0 und deren Einfluss auf die γ-Abhängigkeit des Eigenwertspektrums der PT -symmetrischen Doppelmulde behandelt. Für dieses Grundverständnis genügt die Betrachtung des ersten Eigenwertpaares. Dabei wird der Parameter g zunächst bei festem γ erhöht, um anschließend für ausgewählte Nichtlinearitäten g erneut den Ein-/Auskopplungsparameter γ zu durchfahren. Das Ergebnis dieser Berechnungen ist in Abbildung 5.7 dargestellt. Neben einer irrelevanten Verschiebung des Spektrums zu kleineren Energien und marginalen Verschiebungen der im vorherigen Abschnitt eingeführten exzeptionellen Punkte zu kleineren γ-Werten tritt bei nichtverschwindenden Nichtlinearitäten ein zusätzlicher exzeptioneller Punkt auf. An diesem Punkt zweigen vom bisher bekannten Eigenwertpaar, das bis dahin noch rein reell ist, zwei komplex konjugierte Lösungen ab. Im Bereich zwischen den beiden exzeptionellen Punkten eines Eigenwertpaares existieren damit gleichzeitig vier verschiedene Eigenzustände. In Abbildung 5.8 sind diese vier Wellenfunktionen des ersten Eigenwertpaares für g = 0.2 und γ = 0.03 dargestellt. Wie im Grundlagenkapitel 3 erwähnt, gilt auch im nichtlinearen Fall, dass zu den reellen Lösungen PT -symmetrische Wellenfunktionen und zu den komplex konjugierten Lösungen PT -gebrochene Eigenzustände gehören. Letztere gehen auch wieder durch Anwendung des PT -Operators auseinander hervor. Die Lage des zweiten exzeptionellen Punktes hängt, wie ebenfalls in Abbildung 5.7 erkennbar ist, stark von der Nichtlinearität g ab. Bereits für g = 0.3 gibt es keinen γ-Wert mehr, für den ausschließlich reelle Eigenwerte existieren. Hinzu kommt, dass die abzweigenden, PT -gebrochenen Lösungen dynamische Instabilitäten in das System einführen. Perspektivisches Ziel ist es daher, diese abzweigenden Lösungen aus dem Spektrum des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials zu entfernen. 42 5.4 Eigenwertspektrum und Eigenzustände mit Nichtlinearität 2.5 Re(µ) 2.45 2.4 2.35 0.04 Im(µ) 0.02 0 -0.02 -0.04 0 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 γ g =0 g = 0.1 g = 0.2 g = 0.3 Abbildung 5.7: γ-Abhängigkeit von Realteil (oben) und Imaginärteil (unten) des ersten Eigenwertpaares der PT -symmetrischen Doppelmulde für verschiedene Nichtlinearitäts-Parameter g. Die exzeptionellen Punkte der γ-Abhängigkeiten sind entsprechend dem zugehörigen g-Wert farblich markiert. In Abbildung 5.8 sind die gleichzeitig existierenden Wellenfunktionen bei g = 0.2 und γ = 0.03 dargestellt. 43 5. Das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential a) b) µ = 2.4317 µ = 2.4927 c) d) µ = 2.3894 + 0.01472 i µ = 2.3894 − 0.01472 i PT -symmetrisch ψ(x) 0.5 0 -0.5 PT -gebrochen ψ(x) 0.5 0 -0.5 -4 -2 Re(ψ) 0 x 2 4 Im(ψ) -4 -2 0 x 2 4 |ψ|2 Abbildung 5.8: Realteil, Imaginärteil und Betragsquadrat der Wellenfunktionen aller vier gleichzeitig existierenden Zustände für g = 0.2 und γ = 0.03 mit den zugehörigen reellen (oben) bzw. komplexen (unten) Eigenwerten µ. 44 6 SUSY-Erweiterung des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials Im folgenden Kapitel werden nun, aufbauend auf allen bisher geschaffenen Grundlagen, die eigentlichen Ergebnisse dieser Bachelorarbeit präsentiert. Der Aufbau des Kapitels entspricht der logischen Vorgehensweise: Nach einer erneut knappen Vorstellung der verwendeten Methodik zur Bestimmung der Partnerpotentiale werden zunächst die Ergebnisse der einmaligen Anwendung des Formalismus zur Konstruktion eines Partnerpotentials V (2) präsentiert. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk jedoch nur auf der Funktionstüchtigkeit des Formalismus. Die genaue Form der Partnerpotentiale und ihrer Eigenzustände wird im darauffolgenden Abschnitt diskutiert, nach der erneuten Anwendung des Formalismus zur Konstruktion eines zweiten Partnersystems V (3) . Für die Anzahl der entfernten Zustände bzw. die Anzahl der zu lösenden Partnersysteme zu einem bekannten Ausgangssystem wird im Folgenden der Begriff “SUSY-Level“ verwendet. Das Entfernen zweier Zustände aus dem Spektrum eines nichthermiteschen PT -symmetrischen Systems ist auf zwei unterschiedlichen Wegen möglich: Der intuitiven Vorgehensweise, jeweils die Grundzustände der Systeme V (1) und V (2) zu entfernen (wie in Abbildung 4.3 schematisch dargestellt), oder der umgekehrten Vorgehensweise, den ersten angeregten Zustand vor dem Grundzustand zu entfernen. Letzteres wird im abschließenden Abschnitt dieses Kapitels diskutiert und mit dem vorherigen Weg verglichen. 6.1 Numerische Vorgehensweise zur Anwendung des SUSY-Formalismus Die Konstruktion eines Partnerpotentials erfolgt entsprechend Gleichung (4.46) aus der Wellenfunktion ψ(x) des zu entfernenden Zustands. Für die dimensionslose Formulierung der Gleichung wird statt (4.39) folgender Ansatz für die Operatoren B ± verwendet, wo- 45 6. SUSY-Erweiterung des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials bei W in diesem Fall ein dimensionsloses Superpotential in den Einheiten a0 und E0 darstellt: (...) =⇒ B ± := W(x) ∓ ∂x 0 2 ψ 00 (x) ψ (x) (2) − V (x) = 2 ψ(x) ψ(x) (6.1) Das dimensionslose Partnerpotential V (2) ergibt sich dann in völliger Analogie zur Rechnung in Abschnitt 4.2.1. Die auftauchenden Ableitungen der Wellenfunktion müssen dabei gar nicht gesondert berechnet werden, sondern ergeben sich unmittelbar aus dem ohnehin zu lösenden System von Differentialgleichungen erster Ordnung. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass beliebige knotenfreie Eigenfunktionen zur Konstruktion des Partnerpotentials verwendet werden können. Dies macht es überhaupt erst möglich, verschiedene SUSY-Ketten zu finden, deren Partnerpotentiale des höchsten SUSY-Levels ein identisches Eigenwertspektrum aufweisen. 6.2 SUSY-Level 1 Die einmalige Anwendung des Supersymmetrieformalismus wurde bereits in der Bachelorarbeit von Nikolas Abt [9] untersucht, wenn auch nur für das PT -symmetrische Doppel-Delta-Potential. Die Übertragung auf das PT -symmetrische Doppelmuldenpotential birgt allerdings weder neue Schwierigkeiten, noch liefert sie neue Erkenntnisse. In diesem Abschnitt geht es demnach nur darum, zu verifizieren, dass die Anwendung des Supersymmetrieformalismus funktioniert und den erwarteten Effekt auf das Eigenwertspektrum hat. Hierfür wurde der Ein-/Auskopplungsparameter γ, wie zuvor alleine für das Doppelmuldenpotential, durchfahren, wobei nun bei jedem Schritt das Grundsystem gelöst, daraus das Partnerpotential berechnet und in analoger Vorgehensweise ebenfalls gelöst wurde. Als Ergebnis ist in Abbildung 6.1 der Grundzustand µ2,0 des konstruierten Partnersystems im relevanten Parameterbereich 0 ≤ γ ≤ 0.06 aufgetragen. Als Vergleichswert dient der im vorherigen Kapitel berechnete und in Abbildung 5.3 dargestellte erste angeregte Zustand µ1,1 der PT -symmetrischen Doppelmulde. Die Energien werden dabei so verschoben, dass das Partnersystem mit dem Ausgangssystem verglichen werden kann. Die einmalige Anwendung des Supersymmetrie-Formalsimus auf die PT -symmetrische 46 6.3 SUSY-Level 2 Doppelmulde funktioniert also über den gesamten betrachteten Parameterbereich hinweg hervorragend. Selbst die einzelne, in Abbildung 6.1 (oben) erkennbare Abweichung ist nicht auf den Supersymmetrie-Formalismus, sondern bereits auf numerische Schwierigkeiten bei der Berechnung des Grundsystem-Grundzustands zurückzuführen. 6.3 SUSY-Level 2 6.3.1 Stetiges Entfernen der Grundzustände Aufbauend auf der erfolgreichen einmaligen Anwendung des Supersymmetrie-Formalismus wird der Ein-/Auskopplungsparameter γ nun erneut durchfahren, wobei in jedem Schritt zusätzlich ein zweites Partnerpotential V (3) aus der Grundzustandswellenfunktion ψ2,0 des ersten Partnersystems konstruiert und gelöst wird. In Abbildung 6.2 ist zu erkennen, dass der Grundzustandseigenwert µ3,0 des zweiten Partnersystems mit dem im vorherigen Kapitel berechneten und in Abbildung 5.4 dargestellten zweiten angeregten Zustand µ1,2 der PT -symmetrischen Doppelmulde übereinstimmt – und zwar über den gesamten betrachteten Parameterbereich 0 ≤ γ ≤ 0.4 hinweg. Die Berechnung des ersten angeregten Zustands µ3,2 des zweiten Partnersystems für einzelne γ-Werte ergab ebenfalls eine sehr gute Übereinstimmung mit dem dritten angeregten Zustand µ1,3 des Grundsystems. Das Hauptziel dieser Arbeit ist damit erreicht: Es konnte gezeigt werden, dass es möglich und numerisch weder zu aufwendig noch zu anfällig ist, mit Hilfe des Supersymmetrieformalismus auch mehrere Zustastände aus dem Spektrum des nichthermiteschen PT symmetrischen Doppelmuldenpotentials zu entfernen, ohne dabei das übrige Spektrum zu verändern. Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis, denn das Verfahren ist numerisch prinzipiell sehr fehleranfällig: Das Potential V (3) wird rein numerisch aus der Wellenfunktion ψ2,0 gewonnen, welche selbst numerische Lösung der Schrödingergleichung zu V (2) ist, welches wiederum aus der numerischen Lösung ψ1,0 des Ausgangssystems bestimmt wird. Kleine numerischen Fluktuationen können sich somit in mehreren Schritten aufaddieren. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen jedoch, dass die gewünschten Größen mit dem beschriebenen Verfahren trotzdem sehr stabil berechnet werden können. Im Folgenden werden die Eigenzustände und Partnerpotentiale der beschriebenen SUSYKette genauer betrachtet. Die Grundzustandswellenfunktionen der drei Partnersysteme H1 , H2 und H3 sind in den Abbildungen 6.3 und 6.4 für vier beispielhafte γ-Werte dargestellt. Im hermiteschen Grenzfall sind die Wellenfunktionen aller drei Partnersysteme rein reell. Im Bereich vor dem ersten exzeptionellen Punkt des Grundsystems, in Abbildung 6.3 d-f beispielhaft für den Parameterwert γ = 0.03 dargestellt, sind alle 47 6. SUSY-Erweiterung des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials 2.51 2.5 Re(µ) 2.49 2.48 2.47 Re(µ) : µ1,1 ◦◦◦ µ2,0 2.46 0.05 Im(µ): µ1,1 ◦◦◦ µ2,0 0.04 Im(µ) 0.03 0.02 0.01 0 0 0.01 0.02 0.03 γ 0.04 0.05 0.06 Abbildung 6.1: Real- (oben) und Imaginärteil (unten) des Grundzustandseigenwertes µ2,0 eines durch einmalige Anwendung des SUSY-Formalismus konstruierten Partnerpotentials V (2) der PT -symmetrischen Doppelmulde im relevanten Parameterbereich 0 ≤ γ ≤ 0.06. Als Vergleichswert ist der erste angeregte Zustand µ1,1 des Grundsystems eingezeichnet. 48 6.3 SUSY-Level 2 4.2 Re(µ) : µ1,2 ◦◦◦ µ3,0 Re(µ) 4.1 4 3.9 Im(µ): µ1,2 ◦◦◦ µ3,0 Im(µ) 0.2 0.1 0 0 0.05 0.1 0.15 0.2 γ 0.25 0.3 0.35 0.4 Abbildung 6.2: Real- (oben) und Imaginärteil (unten) des Grundzustandseigenwertes µ3,0 eines durch zweifache Anwendung des SUSY-Formalismus konstruierten Partnerpotentials V (3) der PT -symmetrischen Doppelmulde im relevanten Parameterbereich 0 ≤ γ ≤ 0.4. Als Vergleichswert ist der zweite angeregte Zustand µ1,2 des Grundsystems eingezeichnet. 49 6. SUSY-Erweiterung des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials γ =0 γ = 0.03 d) b) e) c) f) Grundsystem H1 a) ψ1,0 (x) 0.5 0 Partnersystem H2 -0.5 ψ2,0 (x) 0.5 0 Partnersystem H3 -0.5 ψ3,0 (x) 0.5 0 -0.5 -4 -2 Re(ψ) 0 x 2 4 Im(ψ) -4 -2 0 x 2 4 |ψ|2 Abbildung 6.3: Realteil, Imaginärteil und Betragsquadrat der jeweiligen Grundzustände aller drei Partnersysteme der untersuchten SUSY-Kette im hermiteschen Grenzfall bei verschwindendem Ein-/Auskopplungsparameter γ = 0 (a-c) und für nichtverschwindendes, aber kleines γ = 0.03 < γEP1 unterhalb des ersten exzeptionellen Punktes (d-f). 50 6.3 SUSY-Level 2 γ = 0.1 γ = 0.4 d) b) e) c) f) Grundsystem H1 a) ψ1,0 (x) 0.5 0 Partnersystem H2 -0.5 ψ2,0 (x) 0.5 0 Partnersystem H3 -0.5 ψ3,0 (x) 0.5 0 -0.5 -4 -2 Re(ψ) 0 x 2 4 Im(ψ) -4 -2 0 x 2 4 |ψ|2 Abbildung 6.4: Realteil, Imaginärteil und Betragsquadrat der jeweiligen Grundzustände aller drei Partnersysteme der untersuchten SUSY-Kette für die beispielshaften Parametergrößen γ = 0.1 (a-c) zwischen den exzeptionellen Punkten des Grundsystems und γ = 0.4 (d-f) nach dem zweiten exzeptionellen Punkt des Grundsystems. 51 6. SUSY-Erweiterung des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials Wellenfunktionen PT -symmetrisch. Das gilt insbesondere auch für die Wellenfunktion ψ2,0 des ersten Partnersystems, welche in ihrer Struktur ansonsten deutlich von der des Grundsystems abweicht. Am interessantesten ist der Bereich zwischen den exzeptionellen Punkten der PT -symmetrischen Doppelmulde. Wie im vorherigen Kapitel bereits erwähnt, sind die Wellenfunktionen des ersten Eigenwertpaares in diesem Bereich bereits PT -gebrochen, während der zweite angeregte Zustand einen rein reellen Eigenwert und eine PT -symmetrische Wellenfunktion besitzt. Das spiegelt sich auch in den Grundzustandswellenfunktionen der drei betrachteten Partnersysteme wider, welche in Abbildung 6.4 a-c für γ = 0.1 dargestellt sind. Wie für Eigenzustände zu reellen Eigenwerten erwartet, bleibt die Grundzustandswellenfunktion des zweiten Partnersystems H3 PT -symmetrisch, während die Grundzustandswellenfunktionen der beiden übrigen Partnersysteme PT -gebrochen sind. Die Betrachtung der in Abbildung 6.5 dargestellten Potentiale liefert ein weiteres interessantes Detail: Im Bereich zwischen den exzeptionellen Punkten der PT -symmetrischen Doppelmulde wird nicht nur die PT -Symmetrie der Grundzustandswellenfunktion ψ2,0 des Partnersystems H2 gebrochen, aufgrund der ebenfalls PT -gebrochen Wellenfunktion ψ1,0 ist bereits das daraus konstruierte Partnerpotential V (2) nicht mehr PT -symmetrisch. Diese Tatsache macht es umso bemerkenswerter, dass das aus der Wellenfunktion ψ2,0 konstruierte Potential V (3) wieder PT -symmetrisch ist. Bei der Betrachtung des Realteils von V (3) in Abbildung 6.5 (links) fällt außerdem auf, dass es sich, wie auch beim betrachteten Grundsystem, um eine Doppelmulde handelt, welche außerdem – ebenfalls wie im Grundsystem – unabhängig vom gewählten Ein-/Auskopplungsparameter γ ist. Dies ist jedoch nicht weiter verwunderlich, denn im Eigenwertspektrum des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials treten die übrigen Eigenwerte nach dem Entfernen des ersten Eigenwertpaares weiterhin paarweise auf. 6.3.2 Vorheriges Entfernen des ersten angeregten Zustands Zuletzt wurde durch das anfängliche Entfernen des ersten angeregten Zustands eine alternative SUSY-Kette konstruiert, deren zweites Partnersystem H3 jedoch ein zur ersten SUSY-Kette identisches Eigenwertspektrum aufweisen sollte – nämlich das der PT symmetrischen Doppelmulde mit Ausnahme des ersten Eigenwertpaares. Diese Erwartung konnte für die gewählten Parameter γ = 0.02 und γ = 0.08 bestätigt werden. In Abbildung 6.6 sind die relevanten Wellenfunktionen dargestellt, welche zur Konstruktion der Partnerpotentiale verwendet wurden: Der erste angeregte Zustand ψ1,1 des Grundsystems und der Grundzustand ψ2,0 des ersten Partnersystems, sowie der Grundzustand des resultierenden zweiten Partnerpotentials V (3) . Die Partnerpotentiale 52 6.3 SUSY-Level 2 Im(V ) 0.1 6 0.05 4 0 2 a) b) -0.1 8 0.2 6 0.1 4 0 2 -0.1 0 V (x) -0.05 b) e) -0.2 ( · 2) 8 1 6 0.5 4 0 2 -0.5 0 c) -4 / f) -2 V1 0 x 2 / 4 V2 -1 -4 / ( · 10) γ = 0.1 V (x) 0 ( · 10) γ = 0.03 8 γ = 0.4 V (x) Re(V ) -2 0 x 2 4 V3 Abbildung 6.5: Real- (links) und Imaginärteile (rechts) aller drei Partnerpotentiale der untersuchten SUSY-Kette für die beispielshaften Parametergrößen γ = 0.03 (a,b) vor dem ersten exzeptionellen Punkt des Grundsystems, γ = 0.1 (c,d) zwischen den exzeptionellen Punkten des Grundsystems und γ = 0.4 (e,f) nach dem zweiten exzeptionellen Punkt des Grundsystems. 53 6. SUSY-Erweiterung des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials γ = 0.02 γ = 0.08 a) d) b) e) c) f) Grundsystem H1 ψ1,1 (x) 0.5 0 ψ2,0 (x) 1.5 Partnersystem H2 -0.5 1 0.5 0 -0.5 Partnersystem H3 ψ3,0 (x) 0.5 0 -0.5 -4 -2 Re(ψ) 0 x 2 4 Im(ψ) -4 -2 0 x 2 4 |ψ|2 Abbildung 6.6: Realteil, Imaginärteil und Betragsquadrat derjenigen Wellenfunktionen, welche zur Konstruktion eines Partnerpotentials der alternativen SUSY-Kette aus Abschnitt 6.3.2 verwendet wurden. Dargestellt sind die Wellenfunktionen für die beispielhaften Parametergrößen γ = 0.02 (a-c) vor dem ersten exzeptionellen Punkt des Grundsystems und γ = 0.08 zwischen den exzeptionellen Punkten des Grundsystems (d-f). 54 6.3 SUSY-Level 2 Im(V ) V (x) Re(V ) 8 0.04 ( · 103 ) 6 0.02 4 0 2 -0.02 0 -0.04 -4 / -2 V1 0 x 2 / V2 4 -4 / -2 0 x 2 4 V3 Abbildung 6.7: Real- (links) und Imaginärteil (rechts) aller drei Partnerpotentiale der alternativen SUSY-Kette aus Abschnitt 6.3.2 für einen Ein-/Auskopplungskoeffizienten von γ = 0.02. Der Imaginärteil des Potentials V (2) ist um den Faktor 103 gestaucht dargestellt. Der Realteil von V (2) divergiert für x = 0 nicht, sondern nimmt stark negative, aber endliche Werte an. selbst sind in Abbildung 6.7 dargestellt. Wie erwartet unterscheiden sich sowohl die Potentiale als auch die zugehörigen Grundzustandsfunktionen des ersten Partnersystems H2 für die beiden unterschiedlichen SUSY-Ketten, wurden sie doch aus unterschiedlichen Wellenfunktionen konstruiert. Hervorzuheben ist hingegen, dass die resultierenden zweiten Partnerpotentiale V (3) für beide SUSY-Ketten identisch sind, was in der vergleichenden Darstellung in Abbildung 6.8 besonders deutlich wird. Das überrascht deshalb, weil die entsprechenden Partnerpotentiale V (3) der unterschiedlichen SUSY-Ketten aus völlig unterschiedlichen Wellenfunktionen ψ2,0 konstruiert wurden. Es bleibt zu untersuchen, ob es sich dabei um eine Eigenschaft des gewählten Systems handelt, welche auf die besondere Einfachheit oder auf systeminterne Symmetrien zurückzuführen ist. 55 7 0.02 6 0 5 -0.02 4 -0.04 3 -0.06 -5 -4 -3 Re V (3) -2 -1 ◦◦◦ Re Ṽ (3) 0 x 1 Im V (3) 2 3 4 ◦◦◦ Im Ṽ (3) 5 Abbildung 6.8: Vergleich der zweiten Partnerpotentiale V (3) (x) bzw. Ṽ (3) (x) der beiden unterschiedlichen SUSY-Ketten aus den Abschnitten 6.3.1 und 6.3.2, jeweils getrennt für Real- und Imaginärteil. Die durch eine Tilde gekennzeichneten Größen beziehen sich auf die SUSY-Kette dieses Abschnitts, bei der zunächst der erste angeregte Zustand entfernt wurde. 56 Im(V ) Re(V ) 6. SUSY-Erweiterung des PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials 7 Zusammenfassung und Ausblick In Rahmen dieser Bachelorarbeit wurde gezeigt, dass es möglich ist, aus dem Eigenwertspektrum eines nichthermiteschen, linearen, PT -symmetrischen Systems durch wiederholte Anwendung des Supersymmetrie-Formalismus auch mehrere Eigenzustände zu entfernen, ohne dabei das übrige Spektrum zu verändern. Mit dem gewählten Verfahren ist das in hoher Qualität gelungen, obwohl die Partnerpotentiale schrittweise aus rein numerischen Lösungen von Differentialgleichungen gewonnen wurden. Es konnte somit nachgewiesen werden, dass die unvermeidlichen numerischen Ungenauigkeiten sehr gut beherrschbar sind. Die in dieser Arbeit konstruierten SUSY-Ketten können daher, sofern es gelingt, den Formalismus der supersymmetrischen Quantenmechanik auf nichtlineare Systeme zu erweitern, dazu verwendet werden, um die PT -gebrochenen Lösungen im Eigenwertspektrum eines PT -symmetrischen Bose-Einstein-Kondensats zu entfernen. Weil besagte Zustände eine dynamische Instabilität in das System einführen, erleichtert ihre Entfernung die experimentelle Umsetzung, welche der ersten Realisierung eines nichthermiteschen, offenen Quantensystems entspräche. Der nächste Schritt zum Entfernen der abzweigenden PT -gebrochenen Lösungen wäre die Erweiterung des Supersymmetrie-Formalismus auf nichtlineare Systeme, im speziellen die Einbeziehung einer Gross-Pitaevskii-Nichtlinearität der Form g|ψ(x)|2 . Dieser Schritt ist nicht ganz unproblematisch [9], weil die supersymmetrische Quantenmechanik lediglich für lineare Systeme konzipiert wurde. Ist dies gelungen, so sollte die Dynamik der im Spektrum verbleibenden stationären Lösungen des nichtlinearen Partnersystems untersucht werden, um auszuschließen, dass die Beseitigung störender Zustände mit Hilfe des SUSY-Formalismus neue Instabilitäten verursacht. In einer anderen aktuellen Bachelorarbeit [11] am ITP1 wurde der Supersymmetrieformalismus auf das zweidimensionale PT -symmetrische Doppelmuldenpotential angewendet. In Bezug auf die dort erzielten Ergebnisse wäre es interessant, zu untersuchen, ob sich auch SUSY-Ketten auf zwei Raumdimensionen übertragen lassen und es folglich auch dort möglich machen, mehrere Eigenzustände zu entfernen. Außerdem ergeben sich aus dieser Arbeit unabhängig vom übergeordneten Ziel der Realisierung eines offenen Quantensystems durch PT -symmetrische Bose-Einstein-Kondensate zwei weitere Fragestellungen. Im letzten Abschnitt 6.3.2 dieser Arbeit wurde festgestellt, dass die Reihenfolge der Entfernung von Grundzustand und erstem angeregtem Zustand 57 7 Zusammenfassung und Ausblick zumindest im untersuchten PT -symmetrischen Doppelmuldenpotential keinen Einfluss auf die Form des zweiten Partnerpotentials hat – und damit auch nicht auf das zugehörigen Eigenwertspektrum. Hier stellt sich die Frage, weshalb dies so ist und in wie weit sich diese Erkenntnis verallgemeinern lässt. Zuletzt ergab die Konstruktion eines Partnerpotentials V (2) der PT -symmetrischen Doppelmulde im Parameterbereich zwischen den exzeptionellen Punkten der ersten beiden Eigenwertpaare, wie erwartet, ein nichthermitesches, PT -gebrochenes System, welches trotzdem unendlich viele stationäre Lösungen mit reellen Eigenwerten besitzt – zusätzlich zu einem imaginären “Grundzustand“. In einem solchen System wäre es interessant, die Wahrscheinlichkeitsstromdichte, welche trotz Nichthermitizität und Symmetriebruch reelle Eigenwerte ermöglicht, genauer zu betrachten. 58 Literaturverzeichnis [1] N. Moiseyev. Non-Hermitian Quantum Mechanics. Cambridge University Press, Cambridge (2011). [2] C. M. Bender und S. Boettcher. Real Spectra in Non-Hermitian Hamiltonians Having PT Symmetry. Physical Review Letters 80, 5243–5246 (1998). [3] A. Guo, G.J. Salamo, D. Duchesne, R. Morandotti, M. Volatier-Ravat, V. Aimez, G.A. Siviloglou und D. N. Christodoulides. Observation of PT -symmetry breaking in complex optical potentials. Physical Review Letters 103, 093902 (2009). [4] C. E. Rüter, K. G. Makris, R. El-Ganainy, D. N. Christodoulides, M. Segev und D. Kip. Observation of parity-time symmetry in optics. Nature Physics 6, 192 (2010). [5] S. Klaiman, U Günther und N Moiseyev. Visualization of Branch Points in PT Symmetric Waveguides. Physical Review Letters 101, 080402 (2008). [6] D. Dast, D. Haag, H. Cartarius, Günter Wunner, R. Eichler und J. Main. A BoseEinstein condensate in a PT -symmetric double well. Fortschritte der Physik 61, 124–139 (2013). [7] D. Haag. Numerische Behandlung von Bose-Einstein-Kondensaten im PT symmetrischen Doppelmuldenpotential. Masterarbeit, Universität Stuttgart (2012). [8] D. Dast. Variationsrechnungen zu Bose-Einstein-Kondensaten in PT symmetrischen Doppelmuldenpotentialen. Masterarbeit, Universität Stuttgart (2012). [9] N. Abt. Supersymmetrische Erweiterung des PT -symmetrischen Doppel-DeltaPotentials. Bachelorarbeit, Universität Stuttgart (2014). 59 Literaturverzeichnis [10] P. Schraft. Stabilität von Bose-Einstein-Kondensaten im SUSY-Partner des PT -symmetrischen Doppel-Delta-Potentials. Bachelorarbeit, Universität Stuttgart (2015). [11] P. Rommel. SUSY-Partner des zweidimensionalen PT -symmetrischen Doppelmuldenpotentials. Bachelorarbeit, Universität Stuttgart (2015). [12] D. Dast, D. Haag, H. Cartarius, J Main und G Wunner. Eigenvalue structure of a Bose–Einstein condensate in a PT -symmetric double well. Journal of Physics A: Mathematical and Theoretical 46, 375301 (2013). [13] B. Zumino. Supersymmetry Then and Now. Fortschritte der Physik 54, 199–204 (2006). [14] H. Kalka und G. Soff. Supersymmetrie. Teubner, Stuttgart (1997). [15] M. Kreibich, J. Main, H. Cartarius und G. Wunner. Hermitian four-well potential as a realization of a PT -symmetric system. Physical Review A 87, 051601(R) (2013). 60 Danksagung Im Sinne des dieser Arbeit vorangestellten, inspirierenden Zitats hat mir die Forschung im Rahmen meiner Bachelorarbeit viel Freude bereitet – besagte Freude am Verstehen. Dass dem so ist, ist vor allen Dingen einer Person geschuldet: Meinem Prüfer und Betreuer Holger Cartarius, der mir die Bearbeitung dieses aktuellen und spannenden Themas erst ermöglicht hat und der in jeder Phase der Bachelorarbeit, vom Einlesen über das Programmieren bis zur Anfertigung und Korrektur der vorliegenden Arbeit, ein geduldiger Ansprechpartner und eine große Hilfe war. Vielen Dank dafür! Bedanken möchte ich mich außerdem bei den zahlreichen weiteren Menschen, die mich während meiner Bachelorarbeit auf unterschiedlichste Weise unterstützt haben: Bei Robin Schuldt und Philippe Schraft für die nette Zeit im gemeinsamen Büro und die schnelle Hilfestellung bei unzähligen kleineren, oftmals banalen Fragen und Problemen, bei Johannes Fornalski für das sicherlich nervige Korrektur lesen und vor allem für das Rücken ” frei halten“ während der heißen Phase der Bachelorarbeit und letzten Endes beim gesamten ITP1 für unterhaltsame Kaffeerunden, leckere Kuchen und die generell hervorragende Atmosphäre. Weil die vorliegende Arbeit den Abschluss meines Bachelor-Studiums darstellt, möchte ich mich zuletzt auch noch bei meinen Eltern und der Hans-Böckler-Stiftung für die finanzielle Unterstützung der letzten Jahre bedanken, ohne die es mir nicht möglich gewesen wäre, mich in dem Umfang meinem Studium zu widmen, all die interessanten Dinge zu lernen und letzten Endes auch diese Bachelorarbeit zu verfassen. 61 Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre, • dass ich diese Bachelorarbeit selbständig verfasst habe, • dass ich keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt und alle wörtlich oder sinngemäß aus anderen Werken übernommenen Aussagen als solche gekennzeichnet habe, • dass die eingereichte Arbeit weder vollständig noch in wesentlichen Teilen Gegenstand eines anderen Prüfungsverfahrens gewesen ist, • dass ich die Arbeit weder vollständig noch in Teilen bereits veröffentlicht habe, es sei denn, der Prüfungsausschuss hat die Veröffentlichung vorher genehmigt • und dass der Inhalt des elektronischen Exemplars mit dem des Druckexemplars übereinstimmt. Stuttgart, den 18. Dezember 2015 Cedric Sommer
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