Die Zukunft der Nutztierhaltung - Wie mehr Umwelt

Die Zukunft der Nutztierhaltung Wie mehr Umwelt- und Tierschutz gelingen
können
Harald Grethe
Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik
Universität Hohenheim
Vortrag im Rahmen der BÖLW-Herbsttagung Der große Umbau:
So werden Ernährungs- und Landwirtschaft in Deutschland
zukunftsfähig, Berlin, 11. November 2015
1 / 19
Vorab


2 / 19
Viele Inhalte entstammen dem aktuellen Gutachten
des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim
BMEL, Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten
Nutztierhaltung.
Zur Presseerklärung des BÖLW aus Anlass der
Übergabe des Gutachtens: Sie waren nicht die
Einzigen, die das Gutachten instrumentalisiert haben.
Zur Klarstellung:
 Der
WBA hat keinesfalls „Öko-Tierhaltung für
Deutschland“ gefordert!
 Auch
im
Öko-Landbau
gibt
es
Verbesserungsbedarf beim Tierwohl!
 Auch in Bezug auf das Tierwohlniveau muss der
Öko-Landbau sich dem Systemwettbewerb mit
einer sich weiterentwickelnden konventionellen
Landwirtschaft stellen!
1
Vorab…

Wie gelingt der Umbau - das Ergebnis vorab:
1. Mit einer sachlichen Diskussion um die Zukunft der
Nutztierhaltung – von Seiten der Landwirtschaft und der
Gesellschaft!
2. Mit
der
ernsthaften
Bemühung
um
einen
gesellschaftlichen und politischen Basiskonsens zur
Zukunft der Nutztierhaltung
3. Mit der Schaffung von Zahlungsströmen für Leistungen
der Landwirtschaft, die über den Markt nicht
(vollständig) entlohnt werden können!
4. Mit der Enttabuisierung einer Weiterentwicklung des
Ordnungsrechts
5. Mit einer Integration von Agrar- und Ernährungspolitik
6. Mit politischem Willen!
7. Mit dem Mut, der notwendig ist, um auch unbequeme
Wahrheiten auszusprechen!
3 / 19
1) Warum brauchen wir eine sachliche
Diskussion um die Zukunft der Nutztierhaltung?




Weil es sich bei der Frage, wieviel Tierschutz und wieviel
Umweltschutz wir realisieren wollen, letztendlich um
Wertentscheidungen handelt, die in einem konkreten
gesellschaftlichen Kontext diskutiert werden müssen!
Im Umweltschutz sind wir schon weiter, in der
Konkretisierung und gesetzlichen Umsetzung von
solchen
Wertentscheidungen
(Nitratrichtlinie,
Nachhaltigkeitsstrategie, NEC-Richtlinie, Klimaziele….),
aber
letztendlich
geht
es
auch
hier
um
Wertentscheidungen!
Weil die Übersetzung von Werthaltungen in konkrete
Ziele Informationen erfordert (Rolle der Wissenschaft)!
Weil es Zielkonflikte gibt, z.B.


Tierschutz – Umweltschutz
Tierschutz - Wettbewerbsfähigkeit
4 / 19
2
1) Und warum “sachlich”?

Weil nur so ein echter Dialog möglich ist!


5 / 19
Von Seiten des Sektors!
 Nicht nur erklären, auch Kritik aufnehmen….
 Nicht diskreditieren….
 Nicht pauschal abwehren…
Von Seiten der Gesellschaft
 Die Realität moderner Landwirtschaft kennenlernen
wollen!
 Die Landwirtschaft nicht kollektiv missbrauchen als
Projektionsfläche für den empfundenen Verlust an
Naturverbundenheit im eigenen Leben….
 Trennung von Umwelt- und Tierschutzaspekten von der
Agrarstrukturdiskussion!
 Die Disqualifikation von großen Tierhaltern als
„industrielle“ oder „Massentierhalter“ und damit
per se „schlecht“ ist demotivierend und nicht
gerechtfertigt.
2) Und warum ein gesellschaftlicher und
politischer Basiskonsens?
Für
die
Schaffung
von
Orientierung
und
hinreichender Investitionssicherheit!
 Um
die notwendigen Investitionen für den
Umbau zu ermöglichen!
 Bausteine, um dies zu erreichen:
 Parteiübergreifende
Konsensbildung
(z.B.
Enquete Kommission des DB zum Tierschutz)
 Legislaturperiode fortgeschritten…..
 Angst
des
Berufsstandes,
und
berufsstandsnaher Politiker, die Kontrolle über
die Diskussion zu verlieren!
 Anmerkung:
 Die haben Sie schon verloren!
 Es
gibt keine Alternative zur inhaltlichen
Auseinandersetzung
mit
den
unterschiedlichsten Positionen zur Tierhaltung!
6 / 19

3
2) Und warum ein gesellschaftlicher und
politischer Basiskonsens?
Bausteine, um dies zu erreichen (2):




Begleitung durch breite gesellschaftliche Diskussion:
Bürgerbeteiligung
in
der
Feststellung
„gesellschaftlicher Ansprüche“!
nicht
nur
über
„Runde
Tische“
u.
a.
Dialogveranstaltungen, die v. a. Interessenvertreter
versammeln (DBV, NGOs….), da häufig eine stark
eingefahrene Positionierung vorliegt.
Stattdessen: Innovative Verfahren der Beteiligung von
Laien (Bürgerjurys, Town Hall Meetings…) unter
Hinzuziehung von Experten.
7 / 19
2) Und warum ein gesellschaftlicher und
politischer Basiskonsens?

So ein Prozess sollte münden in die Formulierung von
langfristigen (!) Leitlinien für die Tierhaltung, z.B:
8 / 19
1. Mehr Platz, Besatzdichten runter (z.B. 38→25 kg
Mastgeflügel/m2, usw.)
2. Mehr Beschäftigungsmaterialien
3. Zugang zu verschiedenen Klimazonen, vorzugsweise
Außenklima
4. Angebot
unterschiedlicher
Funktionsbereiche
mit
verschiedenen Bodenbelägen,
5. Verzicht auf Amputationen zur Anpassung an
Haltungssysteme
6. routinemäßige betriebliche Eigenkontrollen anhand
tierbezogener Tierwohlindikatoren,
7. deutlich reduzierter Arzneimitteleinsatz,
8. verbesserter Bildungs-, Kenntnis- und Motivationsstand
der im Tierbereich arbeitenden Personen und
9. stärkere Berücksichtigung funktionaler Merkmale in der
Zucht.
4
3) Und warum die Schaffung von Zahlungsströmen
für Tierschutz?
Tierschutz gibt es nicht umsonst! Kostenabschätzung des WBA
(2015)
9 / 19
3) Und warum die Schaffung von
Zahlungsströmen für Tierschutz?
Das Dilemma: Wir haben keine geschlossene
Volkswirtschaft!
 Produktionskosten steigen
 Erhöhter Importdruck,
 verringerte Wettbewerbsfähigkeit auf Exportmärkten.
 Produktion wird in das Ausland verlagert.
 Tierschutzziel wird zumindest teilweise verfehlt.
 Also müssen wir neue Zahlungsströme schaffen und
verstetigen, über die Tierwohl finanziert wird!
 Generelle Bedeutung: Die Entkopplung der inländischen
Produktionsbedingungen vom Weltmarkt!
 Sonst geht das nicht!
 Keine
einseitigen
Schuldzuweisungen
an
die
Landwirtschaft!
10 / 19

5
3) Zahlungsströme
Optionen, wir müssen sie alle nutzen!
Empfehlungen des WBA
Starkes staatliches
Label!
Fantastisches
Instrument,
unterfinanziert
+530 Mill. ab 2018
(gegenwärtig 40!)
jährlich
Tierschutzinduzierte Mehrkosten, der nicht durch einen Preisanstieg,
Zahlungen des Staates oder aus der Brancheninitiative aufgefangen
werden, zahlen die Landwirte/-innen
11 / 19
3) Zahlungsströme

Wir brauchen alle oben genannten
Zahlungsströme
–
sie
können
sich
hervorragend ergänzen!

Umsetzung in zwei Formen:
1. Freiwillige Tierwohlverbesserungen
■
Funktion: Förderung von Pionieren, Innovation,
Anreize für vorgelagerte Bereiche
2. Tierwohlverbesserungen in der Fläche
■ Funktion: Breite gesellschaftliche Akzeptanz
12 / 19
6
4) Mit einer Enttabuisierung der
Weiterentwicklung des Ordnungsrechts

Flächendeckende Tierwohlverbesserungen durch
 Wirtschaft:
Selbstverpflichtung
des
LEH:
Auslistungen
 Staat: Gesetzliche Mindeststandards

Problem: Kostenwettbewerb mit dem Ausland.
13 / 19
4) Mit einer Enttabuisierung der
Weiterentwicklung des Ordnungsrechts

Problem: Kostenwettbewerb mit dem Ausland.
Lösungsbeiträge:
 Staatliche Lösungen:




Massive Unterstützung von freiwilligen Pionieren (s.o.),
Beratung, Forschung, Monitoring,
Internationale Koordination auch unterhalb EU-Ebene:
Allianzen mit nordwesteuropäischen Mitgliedstaaten
Vollzugsdefizite im Inland beenden und auf Einhaltung
der EU-Partner drängen (Amputationsverbot)
Strategie für Verhandlungen in der WTO entwickeln!
14 / 19
7
4) Mit einer Enttabuisierung der
Weiterentwicklung des Ordnungsrechts

Problem: Kostenwettbewerb mit dem Ausland.
Lösungsbeiträge:
 Staatliche Lösungen:

Und schließlich… GAP-konforme staatliche Zahlungen
für über EU-Niveau liegende Standards
 Standard-Defensive: Keine nationalen Alleingänge!
 Aber:
Nationale Alleingänge müssen möglich
werden“
15 / 19
4) Enttabuisierung der Weiterentwicklung des
Ordnungsrechts


Nährstoffproblematik!
Spannungsfeld:


Entweder… Anpassungen im Düngerecht, die über den
gegenwärtigen Referentenentwurf
für eine Reform der
Düngeverordnung hinausgehen (z. B. schnellere Umsetzung
des Stands der Technik bei der Gülleapplikation, Hoftorbilanz,
entschiedenere Begrenzung der Phospatdüngung).
 Siehe auch Gemeinschaftsstellungnahme WBA, WBD und
SRU, 2013
Oder…. Sollte Düngerrecht nicht hinreichend umgesetzt
werden, müsste eine Reduktion von Tierbeständen in den
gegenwärtigen
Ballungsregionen
der
Tierhaltung
entsprechend dem niederländischen Modell durch regionale
Bestandsobergrenzen erfolgen.
16 / 19
8
5) Mit einer Integration von Agrar- und
Ernährungspolitik


Auch die Steuerung von Nachfrageverhalten ist
ein wichtiger Ansatzpunkt für nachhaltigere
Biomassesysteme!
Z. B…

17 / 19 
Ein
im
Durchschnitt
wesentlich
geringerer
Fleischkonsum in Deutschland wäre es verschiedenen
Gründen sinnvoll
 Vor
allem
aus
Gründen
der
globalen
Ressourceneffizienz!
 Aber auch zentrale Zielkonflikte würden entschärft!
 Es
gibt aber auch große Herausforderungen:
Einbettung in eine Strategie zur Erreichung
nachhaltigerer Konsumstile!
Weiterentwicklung des WBAE
6) Mit politischem Willen






Zahlungsströme, einfache Rechnung:
Woher kommen 3-5 Mrd. €?
Wenn kein staatliches Label – wo ist der
Gegenentwurf für ein privatwirtschaftliches,
sektorales Label?
Wenn keine Mittel aus 1. in 2. Säule, woher dann
Geld für Tierwohlprämien? Fleischabgabe?
Das gilt auch für die Brancheninitiative!
Wer keine Zahlungsströme kreiert, muss sich fragen
lassen, ob er im Tierschutz gar nicht so weit
kommen möchte, wie proklamiert!
18 / 19
9
7) Mit Mut zu unbequemen Wahrheiten…






Tierschutz kostet Geld!
Die gesellschaftlichen Ansprüche werden sich
kontinuierlich weiterentwickeln (Kontrast zu „es
muss doch auch Mal gut sein“)!
Die erste Säule ist ein Auslaufmodell….
Langfristig sollten wir weniger Fleisch essen
Eine Verschärfung der Düngegesetzgebung wird
auch Auswirkungen auf die Agrarstruktur haben,
und das ist keine „Strukturpolitik durch die
Hintertür“!
Der Strukturwandel wird weiter voranschreiten.
19 / 19
10