Samstag, 2. April 2016 Ostschweiz Widerstand gegen drohende Abschiebung SARGANS. Ein 17jähriges Mäd- chen aus Sargans soll nach Ansicht des St. Galler Migrationsamts nach Serbien ausgeschafft werden. Dagegen regt sich Widerstand. Via Internet läuft eine Petition mit weit über 5000 Unterschriften gegen die Abschiebung des Mädchens nach Serbien (Ostschweiz am Sonntag vom 20. März). Als Reallehrer in Sargans ist auch SP-Kantonsrat Joe Walser von diesem Fall betroffen. Die 17-Jährige besucht in Sargans die dritte Real, Walser unterrichtet sie im Fach Natur und Technik. Der Lehrer hat sich nun mit einer Einfachen Anfrage an die St. Galler Regierung gewandt. Rekurs abgelehnt Das Mädchen wurde 1999 in Serbien geboren. Bei der Scheidung der Eltern 2001 ging das Sorgerecht zum Vater, das Mädchen wuchs bei ihm in Serbien auf. Die Mutter reiste daraufhin in die Schweiz, wo sie sich ein neues Leben aufbaute. Vor gut zwei Jahren kam es zum Bruch zwischen Vater und Tochter, worauf das Mädchen zur Mutter in die Schweiz zog. Im Oktober 2014 verweigerte das kantonale Migrationsamt diesen Familiennachzug mit der Begründung, dass die Nachzugsfrist verpasst worden sei, wie der SP-Kantonsrat im Vorstoss schreibt. Diese hätte bereits zwei Jahre vorher erfolgen sollen. Der Lebensmittelpunkt des Mädchens sei weiterhin problemlos in Serbien möglich. Die Mutter legte gegen diesen Entscheid Rekurs ein. Dieser wurde vom Sicherheitsund Justizdepartement im August 2015 abgelehnt. Das Verwaltungsgericht bestätigte diesen Entscheid am 25. Februar 2016 definitiv. Zusage für Lehrstelle Zwischen all diesen Rekursen musste die Jugendliche in der Gemeinde Sargans eingeschult werden. Sie sei in der Klasse bestens integriert und beteilige sich in Sportvereinen, schreibt Walser weiter. Inzwischen habe die junge Frau auch eine Zusage für eine Lehrstelle als Fachangestellte Gesundheit EBA im Kanton Glarus erhalten. Diese Zusage verliere allerdings ihre Gültigkeit, wenn der Aufenthaltsstatus bis Ende April nicht geklärt sei. Kantonsrat Walser will deshalb von der Regierung wissen, wie sie die zwischenzeitlich veränderte Situation der Schulabgängerin beurteilt. Und ob es Möglichkeiten für eine allfällige Neubeurteilung gebe. (lom) Podium zur Wahl in die Regierung ST. GALLEN. Wer übernimmt den letzten freien Sitz in der St. Galler Regierung? Im Vorfeld des Wahlgangs vom 24. April treffen die Kandidierenden am Tagblatt-Podium aufeinander. Marc Mächler (FDP), Andreas Graf (Parteifrei), Esther Friedli (SVP) und Richard Ammann (BDP) sagen, warum sie für das wichtigste Exekutivamt im Kanton kandidieren. Der Anlass findet am Mittwoch, 6. April, in der Olma-Halle 9.2 statt. Türöffnung (mit Gratiswurst und Gratisgetränk) ist um 18.30 Uhr, die Diskussion startet um 19.15 Uhr. Der Eintritt ist frei. (red.) www.tagblatt.ch/ostschweiz 17 «Annahme war zu optimistisch» Im Kanton St. Gallen steht erneut eine Abstimmung über die Pensionskasse des Staatspersonals bevor: Die Regierung will rund 200 Millionen Franken einlegen. Der Schritt ist freiwillig – und er zeichnete sich bereits vor drei Jahren ab. Prognose abgeben. «Den Politikern war schon vor drei Jahren bekannt, dass der Zinssatz mit 3,5 Prozent zu hoch ist. Es ist nun ihre Aufgabe, dem Volk aufzuzeigen, warum eine weitere Einlage in die Pensionskasse nötig ist.» Welche Rolle die neue Zusammensetzung des Kantonsrats bei dieser Vorlage spiele, bleibe abzuwarten. ADRIAN VÖGELE ST. GALLEN. Die St. Galler Pen- sionskasse wird zum zweiten Mal innert weniger Jahre zum Politikum: Die Regierung will rund 200 Millionen Franken in die Kasse einlegen (Ausgabe vom 24. März). Voraussichtlich wird der Kantonsrat die Vorlage im Juni beraten, die Volksabstimmung ist im Herbst geplant. Im Juni 2013 fand der letzte Urnengang zu diesem Thema statt. Damals ging es darum, die Pensionskassen des Staatspersonals und der Volksschullehrer zu verselbständigen und in einer Stiftung mit dem Namen «St. Galler Pensionskasse» (SGPK) zusammenzuführen. Der Kanton tat dies nicht freiwillig, sondern aufgrund neuer Bundesvorschriften. Da beide Kassen damals eine Unterdeckung aufwiesen, war eine Ausfinanzierung vorgesehen: In der Abstimmungsvorlage wurde eine Summe in der Grössenordnung von 300 Millionen Franken angegeben, wovon die Versicherten einen Viertel (maximal 75 Millionen) tragen würden. Die St. Gallerinnen und St. Galler befürworteten das Geschäft mit 70,4 Prozent Ja-Stimmen – auch weil an der Verselbständigung und Sanierung ohnehin kein Weg vorbeiführte. Am Ende kostete die Sanierung etwas weniger als angenommen: 287 Millionen Franken. Deckungsgrad sinkt Doch warum braucht die Kasse jetzt nochmals 200 Millionen? «Die geplante Einlage ist grundsätzlich ein freiwilliger Schritt der Regierung, der aber bereits bei der Verselbständigung in Aussicht gestellt wurde», sagt Benedikt Häfliger, Leiter der SGPK. «Diese Zahlung soll die Rentenverpflichtungen sicherstellen, die damals vom Kanton an die SGPK übertragen wurden.» Es sei nicht so, dass sich die Situation der Kasse seit 2013 drastisch verschlechtert habe. Doch die Ertragslage an den Im nationalen Vergleich günstig Fast 500 Millionen Franken innert dreier Jahre: Etwas gar viel Geld für die Sanierung der Pensionskasse? Häfliger winkt ab. «Im Gegenteil.» Im nationalen Vergleich seien die St. Galler Steuerzahler bis jetzt günstig davongekommen. «Viele Kantone mussten bei der Sanierung ihrer Pensionskassen Milliardenbeträge nachschiessen.» Beispiele seien Zürich, der Aargau und die beiden Basel. Versicherte nicht beteiligt Bild: ky/Christian Beutler Die Versicherten sollen sich an der erneuten Sanierung der St. Galler Pensionskasse nicht beteiligen müssen. Kapitalmärkten sei nach wie vor nicht rosig: «Die Zinsen sind tief, der Schweizer Franken ist noch immer hoch bewertet.» Der Stiftungsrat der SGPK hat darum verschiedene Berechnungsgrundlagen angepasst. Dadurch erhöhten sich die Verpflichtungen der SGPK um über 500 Millionen Franken. Allein für Einlagen in das Deckungskapital der Rentenverpflichtungen werden laut Häfliger rund 320 Millionen Franken benötigt. Als Folge davon ändert sich der Deckungsgrad. Ende 2014 betrug er 104,6 Prozent, neu wird er – ohne Ein- lage des Kantons – auf rund 97 Prozent abrutschen. «Zu hoher Zinssatz» Eine wichtige Grösse hierbei ist der technische Zinssatz. Er entspricht der zu erwartenden Rendite des Vorsorgekapitals der Rentnerinnen und Rentner. Diesen Wert hat der Stiftungsrat per Anfang 2016 auf 3 Prozent gesenkt. «Die Ausfinanzierung auf das Jahr 2014 basierte auf einem technischen Zinssatz von 3,5 Prozent», sagt Häfliger. «Diese Annahme war zu optimistisch. Das war bereits damals bekannt. Experten empfahlen 3 Prozent oder sogar noch weniger.» Die Regierung habe in der Vorberatung der Sanierungsvorlage angekündigt, der Kanton werde voraussichtlich nochmals Geld in die Kasse einlegen, falls eine weitere Senkung des Zinssatzes nötig würde. In der Debatte im Parlament wollte die SP-GrüneFraktion den Zinssatz auf 3 Prozent festlegen, scheiterte aber mit ihrem Antrag. Zu den Chancen der neuen Sanierungsvorlage im Kantonsparlament und bei der Volksabstimmung will Häfliger keine Ein zentraler Streitpunkt in der Diskussion um die Pensionskasse im Jahr 2013 war die Beteiligung der Versicherten an der Ausfinanzierung – am Ende wurden sie mit über 70 Millionen Franken belastet. An der jetzt bevorstehenden Sanierung sollen sie sich gemäss Regierung darum nicht beteiligen müssen. Nun sei der Kanton in der Pflicht. Benedikt Häfliger schliesst jedoch nicht aus, dass in Zukunft weitere Sanierungen nötig werden – mit Beteiligung der Versicherten. «Doch ob es so weit kommt und wie hoch die allfälligen Kosten wären, wird die Zukunft zeigen.» Bild: pd Benedikt Häfliger Leiter St. Galler Pensionskasse Esther Friedli landet Coup mit Wahlvideo Mit ihrem Wahlvideo scheint SVP-Kandidatin Esther Friedli einen Volltreffer gelandet zu haben: Tausende wollen es sehen. Das Video des FDP-Kandidaten Marc Mächler sahen sich hingegen bisher nur wenige an. Ein Fachmann erklärt, warum dies so ist. RICHARD CLAVADETSCHER Würde im Kanton St. Gallen am 24. April nicht über Kandidierende, sondern über deren Wahlvideos abgestimmt, wäre die Sache klar: «Gewählt ist Esther Friedli!» Das auf YouTube veröffentlichte Video der SVPKandidatin wies in 24 Stunden über 14 000 Klicks aus, jenes des Hauptkonkurrenten Marc Mächler (FDP) kommt auf total 605. Die beiden Videos könnten unterschiedlicher nicht sein. Friedlis Spot hat nicht das NeoSVP-Mitglied selber zum Thema, sondern ihren mit dem Hausmann-Dasein heillos überforderten Lebenspartner Toni Brunner. Brunners Pointe am Schluss des temporeich gemachten Kurzfilms: «Wenn ihr Esther in die Regierung wählt, dient sie der St. Galler Bevölkerung. Wenn nicht, dann hilft das mir.» DemST. GALLEN. gegenüber ist der deutlich längere Wahlspot Marc Mächlers eher herkömmlicher Art: Der Kandidat erzählt seinen Lebenslauf vor wechselnden Kulissen und mit Bildern aus dem Familienalbum – und fertig. «Handwerklich gut» Lässt man Fachleute wie etwa den Berner Politikberater und Wahlkampf-Experten Marc Balsiger die beiden Videos beurteilen, fällt ihm an Friedlis Spot zuerst einmal auf, dass er «handwerklich gut und mit brauchbarem Ton» gemacht sei – laut Balsiger «gerade bezüglich Ton nicht selbstverständlich in der schweizerischen Politwerbung». Ebenfalls positiv fällt bei Balsiger die Kürze des Spots ins Gewicht: «Die Leute haben nicht viel Zeit.» Gut kommt beim Berner Politikberater ferner die Selbstironie des Kurzvideos an: «Sie ge- fällt!» Für Balsiger besteht kein Zweifel: Das Kurzvideo sei von jemandem gemacht worden, der eine Ahnung habe von Public Relation und Werbung. Schon Aufbau und Dramaturgie deuteten darauf hin. Balsigers Zusammenfassung: «Das Video einer Kandidatin, die weiss, dass sie nichts zu verlieren hat.» Ge- spannt ist er, ob auf den ersten «Streich» noch ein zweiter folgt: «Nachdem man jetzt die öffentliche Aufmerksamkeit hat, wäre ein zweites Video denkbar, das die Kandidatin ebenso prägnant vorstellt.» Auf Mächlers Video angesprochen, sagt Balsiger, es gebe «sicher etwas her». Klar sei, dass dieser Kandidat nicht einfach auf lustig machen könne, dafür sei er zu lange in der Politik. Anstoss nimmt Balsiger aber an der Dramaturgie: «Die Ehefrau erscheint mir etwas spät.» Mehr noch stören ihn sprachliche Floskeln: Wenn einer Jahrgangsbester an der HSG gewesen sei, dürfe er dazu stehen – und müsse sich nicht hinter «…han dörfe mit de beschte Diplomarbet abschlüsse» verstecken. «Überheblicher Schluss» Bild: YouTube Brunner im Video: «Wenn Esther nicht gewählt wird, hilft das mir.» Genau andersherum Balsigers Kritik am Videoschluss: Er wolle den Kanton St. Gallen weiterbringen, sagt Mächler, «denn Mittelmass genügt mir nicht». Den Kanton weiterbringen wollten alle, so Balsiger. Was aber das Mittelmass angehe, sei dies überheblich gegenüber den andern Kandidierenden. Er jedenfalls hätte dies nicht sagen lassen.
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