Die Willensmängel

04.12.2015
VO AK PRIVATRECHT
Die Willensmängel
(und ihre Folgen)
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WILLENSMÄNGEL I
Gemeinsames Element aller Konstellationen:
Diskrepanz von Wille (bzw Wirklichkeit) und Erklärung
ein und derselben Person
Achtung: nicht mit (verstecktem) Dissens verwechseln, bei
dem die Erklärungen von A und B auseinanderfallen!
• schwierige Entscheidung: soll das Gesetz primär auf den
Willen oder primär auf die abgegebene Erklärung
abstellen (und damit das Vertrauen auf deren Inhalt
schützen)?
• sachgerechte Lösung muss – wie nicht selten – in
mehrfacher Weise differenzieren!
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04.12.2015
WILLENSMÄNGEL II
• Bsp: V will eine Sache um 860 verkaufen, vertippt sich aber
in seinem Email an K1 und bietet sie ihm daher um 680 an.
K1 antwortet sofort mit „einverstanden“. Das Angebot von K2,
der vorher 800 geboten hat, lehnt V ab. Erst danach bemerkt
er seinen Irrtum.
Prämisse (immer): Irrtum wurde nachgewiesen (Beweisfrage)!
•
Denkbare Lösungen:
- Der Kaufvertrag ist mit 680 abzuwickeln.
- V deckt seinen Irrtum auf und K1 muss 860 zahlen.
- Der Vertrag wird wegen Vs Irrtum zur Gänze beseitigt (dann
Verkauf an K2 um 800?).
- Vertrag V – K1 bleibt, aber der Kaufpreis wird angepasst (Höhe?).
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WILLENSMÄNGEL III
Folgende Konstellationen eines „Willensmangels“ sind
denkbar; Abweichung der Erklärung vom Willen erfolgt
a) bewusst
b) unbewusst
Mentalreservation
gewöhnlicher Irrtum (§ 871)
Scherzerklärung (§ 869) Irrtum wegen List (§ 870)
Scheingeschäft (§ 916)
Erklärung unter Zwang (§ 870)
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WILLENSMÄNGEL IV
Besonders wichtig: schlichter Irrtum (§§ 871 f)
• Grundsatz: pacta sunt servanda (= Erklärung bindet);
einseitige Loslösung davon nur ausnahmsweise
• Irrendem steht uU ein Anfechtungsrecht zu
• zentrale Voraussetzungen dafür:
- Irrtum ist ein sog Geschäftsirrtum (iwS)
- Irrtum war für den (ungewollten) Vertragsabschluss
kausal (ursächlich)
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WILLENSMÄNGEL V
Irrtum: falsche (oder fehlende?) Vorstellung von der
(gegenwärtigen) Wirklichkeit
•
Wichtige Arten:
1. Erklärungsirrtum
2. Geschäftsirrtum
3. (schlichter) Motivirrtum
4. Rechts(folgen)irrtum
5. vom anderen bewusst herbeigeführter Irrtum (= List)
6. „Irrtum“ über Zukünftiges?
nach hA für § 871 nur 1. und 2. beachtlich; für List gilt Besonderes (§ 870) –
eigene Folie
•
Vorwegverzicht uU wirksam (vgl § 6 Abs 1 Z 14 KSchG)
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04.12.2015
WILLENSMÄNGEL VI
kausaler Erklärungs- bzw Geschäftsirrtum
(= Inhaltsirrtum) dann beachtlich,
a) wenn listig herbeigeführt (§ 870)
b) ohne List, wenn (s § 871)
aa) vom Erklärungsempfänger verursacht oder
bb) für Erklärungsempfänger erkennbar oder
cc) vom Irrenden rechtzeitig aufgeklärt
Grund: Schutzbedürfnis des Partners fehlt; Verschulden aber nicht
nötig!
c) bei gemeinsamem Irrtum? (zB dass Gemälde ein Original ist)
• als beachtl. Inhaltsirrtum gilt auch jener über Umstände, über
die der andere Teil hätte aufklären müssen (§ 871 Abs 2)!
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WILLENSMÄNGEL VII
Motivirrtum (nur ausnahmsweise) beachtlich
a) wenn listig herbeigeführt (§ 870)
b) uU bei unentgeltlichen Geschäften (vgl § 901)
c) bei letztwilligen Verfügungen (§ 572)
d) Motiv Vertragsinhalt oder Bedingung (§ 901)
e) uU in „Geschäftsgrundlagefällen“
• Behandlung des „Kalkulationsirrtums“?
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04.12.2015
WILLENSMÄNGEL VIII
• Anfechtung oder bloße Anpassung?
§ 872 dann, wenn beide Teile ohne Irrtum zu anderen
Bedingungen abgeschlossen hätten; sonst gänzliche
Vertragsbeseitigung (§ 871) – Rückabwicklung (§ 877)
• Gestaltungsrecht muss nach hA gerichtlich innerhalb von 3
Jahren ab V.schluss geltend gemacht werden (§ 1487)
• Folge der Anfechtung: V.wegfall ex tunc (= rückwirkend);
daher wird der Verkäufer wieder Eigentümer der Sache
umstritten bei Dauerschuldverhältnissen (Rspr häufig: bloß ex nunc)
• Bei Anpassung (§ 872) meist Herabsetzung oder Erhöhung
des Entgelts; uU aber auch anderer Vertragstyp (Leihe statt
Schenkung)
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PRÜFUNGSSCHEMA IRRTUMSRECHT (WM IX)
I. Irrtum?
II. Kausalität des Irrtums?
wesentlich (§ 871), unwesentlich (§ 872) oder irrelevant
III. Grundsätzliche rechtliche Beachtlichkeit des Irrtums?
Erklärungsirrtum
Geschäftsirrtum ieS
(Motivirrtum regelmäßig nicht ausreichend)
IV. Kein Vertrauensschutzbedürfnis beim Partner?
drei Alternativen des § 871 Abs 1:
* Veranlassung durch Partner (bei Veranlassung durch Dritten s § 875)
* Irrtum musste Partner offenbar auffallen
* Irrender hat Irrtum rechtzeitig aufgeklärt
wurden I. – IV. bejaht:
wesentlicher Irrtum
Anfechtungsrecht
unwesentlicher Irrtum
Anpassungsrecht
Folgen der Ausübung
(dingliche Rückwirkung)
Vertragswegfall
Rückforderung erbrachter Leistungen
Vertragsänderung
Teilrückforderung
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04.12.2015
WILLENSMÄNGEL X
Arglist (§ 870)
• Vorsatz zur Täuschung des Partners (= bewusste und
gewollte Irrtumserweckung)
• bewusste Ausnützung eines erkannten Irrtums genügt
bei Pflicht zur Aufklärung (die unterlassen wird)
• besonders verwerfliches Verhalten, daher etwa
- lange Verjährung (30 Jahre)
- vertragl. Vorwegverzicht unwirksam
- freies Wahlrecht zw. Anfechtung und Anpassung?
- Schadenersatzpflicht (§ 874)
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WILLENSMÄNGEL XI
Drohung (Zwang; § 870)
• „ungerechte und gegründete Furcht“
• zentral: Zweck-Mittel-Relation
Bsp: Änderungskündigung – Anzeige, wenn nicht
doppelter Schadenersatz
• gar keine wirksame Willenserklärung bei vis absoluta
• Anfechtungsfrist (3 Jahre) läuft erst ab Wegfall der
Zwangslage
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04.12.2015
WILLENSMÄNGEL XII
Herbeiführung eines Willensmangels durch Dritte (§ 875)
•
•
•
grundsätzlich keine Anfechtung (Was kann Partner des Irrenden
dafür?), aber regelmäßig Schadenersatzanspruch gegen Dritten
Anfecht. aber dann, wenn Partner selbst (zumindest) fahrlässig war
Anfecht. auch dann, wenn „Dritter“ dem Partner zuzurechnen ist
Konkurrenzen zu Irrtumsrechten:
• Schadenersatz
- bei Verschulden Haftung d. Irreführers aus c.i.c. anerkannt
(§ 874 wird nicht als Einschränkung verstanden!)
- aber auch Haftung des fahrlässig Irrenden möglich
• Gewährleistung (mangelhafte Leistung - §§ 922 ff)
- an sich ja (bei schon bei Vertragsschluss vorhandenen
Mängeln); Voraussetzungen sind je für sich zu prüfen
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WILLENSMÄNGEL XIII
Die Lehre von der Geschäftsgrundlage (Fehlen – Wegfall)
Bsp: Krönungszugsfall – Kauf eines Verlobungsringes
Fehlvorstellung (über Zukünftiges) nach hA unter folgenden
Voraussetzungen (ausnahmsweise) beachtlich:
• von den Vertragsparteien nicht bedacht (ungeregelt) →
Nähe zur ergänzenden Vertragsauslegung!
• unvorhersehbar
• geschäftstypische Voraussetzung (≠ Vertragsinhalt!)
• von außen kommend
• Folge wäre schwere Äquivalenzstörung bzw Zweckvereitelung
(umstritten)
→ Rechtsfolgen vergleichbar mit Irrtumsfällen
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04.12.2015
WILLENSMÄNGEL XIV
Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis; §§ 934 f)
• An sich bloß objektiver Auflösungsgrund: entsprechend grobes
Wertmissverhältnis (größer als 1:2) reicht für sich allein aus
(≠ Wucher)
• trotz Wortlauts Bezug zu Vereinbartem → Wurzelmangel!
• als typisierter massiver Wertirrtum zu verstehen
• (nur) Negativvoraussetzungen in § 935
zB: keine Kenntnis von den wahren Wertverhältnissen
• Vertrag kann durch Aufzahlung auf vollen Wert gerettet werden
• Vorwegausschluss unwirksam (außer § 351 UGB)
Wirkung der Anfechtung: da Wurzelmangel → ex tunc
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WILLENSMÄNGEL XV
• umstritten, ob es für die Wertberechnung auf das Vereinbarte
(zB Sache ohne Mangel) oder das Geleistete (zB Sache mit
Mangel) ankommt
• unbestritten ist bloß, dass die Bewertung auf den Vertragsabschlusszeitpunkt hin zu erfolgen hat (§ 934 S 3); Grund:
spätere Wertänderungen sollen irrelevant sein
Bsp: Sache im Wert von 60 um 100 gekauft (schlechtes Geschäft für
K). Lieferung der Sache mit (urspr.) Mangel, so dass diese nur 45 wert
ist. V ist zur Behebung bereit, K will Vertrag aber zur Gänze beseitigen.
•
damit ist zugleich die Konkurrenz zwischen laesio enormis
und Gewährleistung angesprochen (nach PB im Beispielsfall nur Gewährleistung; anders insb der OGH)
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04.12.2015
VO AK PRIVATRECHT
Die Stellvertretung
(vor allem §§ 1002-1034 ABGB)
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DIE STELLVERTRETUNG I
Stellvertretung = rechtsgeschäftliches Tätigwerden für einen
anderen in dessen Namen!
vom Vertreter abgegebene Erklärung wird wie die des Vertretenen
selbst behandelt (A für B, wie wenn B selbst gehandelt hätte)
Achtung: §§ 1002 ff vermengen Vollmacht (Außenverhältnis) und
Auftrag (Innenverhältnis)!
Abgrenzungen:
− vom Auftrag
− von der Ermächtigung
− von der Treuhand
− von der Botenschaft
− von der bloßen Vermittlung
− vom Handeln unter fremdem Namen
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04.12.2015
DIE STELLVERTRETUNG II
Auftrag mit Vollmacht (§§ 1002ff)
Phase 1:
K
Kauf-Auftrag + Vollmacht an X
X
Kaufvertrag
Abgabe der Willenserklärungen
(X für K)
V
Phase 2: Übergabe der Kaufsache von V an X zwecks Vertragserfüllung verschafft
unmittelbar K Eigentum, weil und soweit sich die Vollmacht auch auf das
Verfügungsgeschäft (die Übereignung) erstreckt.
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DIE STELLVERTRETUNG III
Auftrag ohne Vollmacht (oft genannt: „mittelbare“ Stellvertretung)
Phase 1:
Auftrag zum Kauf
K
X
Kaufvertrag
Abgabe der Willenserkl.
(X für sich selbst)
V
Phase 2: Übergabe der Kaufsache an X verschafft diesem Eigentum. (K tritt zu V in
keinerlei rechtliche Beziehung.)
Phase 3:
Übereignung der Kaufsache
X
K
Erstattung des Preises (§ 1014)
u.U. Entgeltzahlung (§ 1004)
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04.12.2015
DIE STELLVERTRETUNG IV
Arten der Stellvertretung nach ihrem Entstehen
• rechtsgeschäftliche (zB Anwaltsvollmacht, Prokura)
• gesetzliche (zB Vertretungsmacht der Eltern
Minderjähriger; § 1034 Satz 2)
• behördlich/gerichtlich erteilte (zB Vertretungsmacht
des Sachwalters; § 1034 Satz 1)
• organschaftliche (zB GmbH-Geschäftsführer, AGVorstand, Vereinsvorstand): Satzung + Bestellung
Bürgermeister für Gemeinde?
[idF nur rechtsgeschäftliche näher behandelt]
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DIE STELLVERTRETUNG IVa
Voraussetzungen wirksamer rg. Bevollmächtigung
• Erteilung durch Erklärung (einseitig, Innen- und
Außenvollmacht)
• Form und Reichweite (nach § 1005 an sich formlos
möglich, besondere Vorgaben insb in § 1008)
• Geschäftsfähigkeit?
- des Vollmachtgebers (beabsichtigtes Geschäft muss von
eigener Gf. gedeckt sein)
- des Bevollmächtigten (§ 1018 missverständlich –
beschränkte Gf. sollte genügen)
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04.12.2015
DIE STELLVERTRETUNG V
Besonders schwierig: Rechtsscheinvollmacht
Gesetzliche Beispiele: Laden-, Verwaltervollmacht (§§ 1029, 1030)
Kriterien der Rechtsscheinzurechnung („Vertrauenshaftung“):
- Bestehen eines konkreten Rechtsscheins +
- Verursachung dieses Scheins durch Betroffenen (= Vertretenen) +
- Disposition des Dritten im guten Glauben auf diesen Anschein
Bsp: V lässt blanko unterschriebenes Briefpapier herumliegen, SV
„bastelt“ daraus eine schriftliche Vollmacht, mit der er bei D im
Namen Vs einkaufen geht (und die Rechnung an V senden lässt).
Welche Rechtsfolgen wären hier denkbar?
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DIE STELLVERTRETUNG VI
Erlöschen der Vollmacht:
- Widerruf/Aufkündigung (§§ 1020, 1021)
- Zeitablauf/Bedingungseintritt
- Zweckerreichung/Zweckverfehlung
- Tod? (§ 1022)
- Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 1024)
- nicht: Verlust der Geschäftsfähigk. des Vm-Gebers
Dritte werden uU im Vertrauen auf Weiterbestehen
geschützt (§ 1026)
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04.12.2015
DIE STELLVERTRETUNG VII
Die fünf Prüfungsschritte in Vollmachtfällen
Voraussetzungen
Folgen bei Fehlen
1. Abgabe einer eigenen Erklärung
uU Botenschaft
2. Offenlegung
Eigengeschäft
3. ausreichende Vertretungsmacht
Unwirksamkeit
4. (beschränkte) Geschäftsfähigkeit
Unwirksamkeit
5. vertretungstaugl. Rechtsgeschäft
Unwirksamkeit
(dazu idF noch etwas genauer)
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DIE STELLVERTRETUNG VIII
Abgabe einer eigenen Erklärung:
- an sich bildet und äußert der Vertreter selbst den rg. Willen (zB
Vertragsangebot) im Rahmen seiner Vollmacht
- Anders, wenn er bloß fremde Erklärung überbringt: Botenschaft
(„K lässt Ihnen ausrichten, dass er … kaufen möchte.“)
Offenlegung:
- Stellv. macht deutlich, dass er für eine (bestimmte) andere Person
auftritt
- bei unternehmensbezogenen Geschäften Begleitumstände genau
beachten!
- ohne Offenlegung: (uU unbewusstes) Eigengeschäft des
Handelnden – so auch im Zweifel
- Ausnahmen etwa anerkannt f. haushaltsbezogene Geschäfte (§ 96)
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04.12.2015
DIE STELLVERTRETUNG IX
Grundsatz zur Reichweite der Vollmacht: Vm-Geber kann frei
bestimmen, ob und in welchem Umfang er Vollmacht einräumt
aus Verkehrsschutzgründen sieht Gesetz aber öfters – relativ – klar
bestimmte Reichweite vor (so etwa bei Prokura und
Handlungsvollmacht nach UGB; differenzierter § 10 KSchG)
Beschränkung auch durch Gesamt- statt Einzelvertretung (vgl etwa §
48 Abs 2 UGB: Gesamtprokura)
Insichgeschäft: Selbstkontrahieren/Doppelvertretung; wirksam?
an sich große (Form-)Freiheit für Vm-Erteilung; gelegentlich verlangt
Gesetz besondere Vollmacht: zB Spezial- oder Gattungsvollmacht
(§ 1008); schriftliche, beglaubigte Vollmacht
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Gesetzestext UGB (Auszug)
§ 49 Abs 1 (Umfang der Prokura):
„Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von ... Geschäften und
Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Unternehmens mit sich
bringt.“
Abs 2: Veräußerung und Belastung von Grundstücken nur aufgrund
besonderer Ermächtigung
§ 54 Abs 1 (Umfang der Handlungsvollmacht):
Die Vollmacht erstreckt sich „auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Unternehmens oder
die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt;“
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04.12.2015
DIE STELLVERTRETUNG X
Folgen nicht ausreichender Vertretungsmacht:
zunächst einmal rückwirkende „Heilung“ des Mangels durch
(unwirksam) Vertretenen möglich (§ 1016)
-
Genehmigung durch Willenserklärung
-
Sanierung durch „Vorteilszuwendung“
Falls keine Sanierung des Vm-Mangels:
•
keine Bindung des (angeblich) Vertretenen
•
Schadenersatzhaftung des Scheinvertreters (§ 1019)
•
Achtung: Vollmachtüberschreitung ≠ Vollmachtmissbrauch!
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DIE STELLVERTRETUNG XI
Ausreichende Geschäftsfähigkeit:
- Vm-Geber: muss Gf. für das geplante Geschäft haben
- Bevollm.: trotz § 1018 beschränkte Gf. zu fordern
Vertretungstaugliches Geschäft:
- Bevollmächtigung ist zu allen nicht höchstpersönlichen
Rechtsgeschäften möglich
- ausgeschlossen etwa für Eheschließung, letztwillige
Verfügung (Testament); uU auch für Einwilligung in
medizinische Behandlungen (siehe § 173) –
„vertretungsfeindliche“ Geschäfte
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04.12.2015
VO AK PRIVATRECHT
Intensität rechtsgeschäftlicher
Bindung
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Intensität rechtsgeschäftlicher Bindung I
Grundsatz: pacta sunt servanda!
daher an sich kein (vorzeitiger) einseitiger Ausstieg aus Verträgen
möglich
Abweichungen nur,
- soweit gesetzlich vorgesehen
- wenn und soweit (zulässigerweise) vertraglich vereinbart
Bsp. für (viele) gesetzliche Lösungsrechte: Entlassung,
Irrtumsanfechtung (§ 871), Rücktritt wegen Verzugs (§ 918) oder vom
„Haustürgeschäft“ (§ 3 KSchG), seit Juni 6.2014: §§ 11 ff FAGG!
zT gesetzliche Schranken für vertragl. Auflösungsrechte (Bsp:
Kündigungsvereinbarungen in Mietverträgen – § 30 MRG)
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04.12.2015
Intensität rechtsgeschäftlicher Bindung II
Beispiele für rechtsgeschäftliche Regelungen
Bedingung (§§ 897 ff, 696 ff)
- aufschiebend
- auflösend
- „Rechtsbedingung“?
Befristung
mit Grenzen (zB Knebelung durch überlange Dauer; Rechte des
Mieters nach § 29 MRG, wenn Mietdauer unter bzw über drei Jahre)
Auflage (§§ 709 ff); zB Schenkung mit Verwendungswidmung
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Intensität rechtsgeschäftlicher Bindung III
Vorvertrag (§ 936)
- verbindliche Verpflichtung!
- Abschluss eines bestimmten Hauptvertrages geschuldet
- Abschwächung nur ausnahmsweise: Einjahresfrist + Beachtung
deutlich geänderter Umstände
- Abgrenzung zu Punktation (§ 885) und Option
Vertragsstrafe (Konventionalstrafe, Vergütungsbetrag; § 1336)
- „verstärkt“ die Verpflichtung des die „Strafe“ Versprechenden
- ist zu zahlen, wenn Sch. Hauptleistung nicht (rechtzeitig) erbringt
- regelmäßig nur bei Verschulden
- soll voraussichtliche Schäden des Gl. pauschaliert abgelten
- „richterliche“ Mäßigung bei deutlich überhöhtem Betrag
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04.12.2015
Intensität rechtsgeschäftlicher Bindung IV
Terminsverlust (§ 14 Abs 3 VKrG)
- „verstärkt“ die Pflichten eines (Geld-)Schuldners
- Gl. erhält trotz Ratenvereinbarung uU alles auf einmal
- zugunsten von Verbrauchern allerdings strenge Vorgaben:
* Vereinbarung im Vertrag
* Vorleistung durch Geldgläubiger (zB Verkäufer)
* qualifizierter Verzug (mindestens 6 Wochen)
* inhaltlich genau vorgegebene Androhungserklärung durch den Gl. (mit Nachfristsetzung) nach
Verzugseintritt
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Intensität rechtsgeschäftlicher Bindung V
Reurecht/Stornorecht (§ 909)
-
-
Mischung aus Abschwächung und Verstärkung: Lösung vom
Vertrag (nur) aufgrund der Stornoabrede möglich, aber eben bloß
gegen „Entgelt“
Variante 1: Vertragspartner kauft sich vorweg Reurecht dazu
(ungeregelt)
Variante 2: Stornogebühr wird nur bei Rücktritt fällig
überhöhtes „Reugeld“ wird ähnlich einer Vertragsstrafe behandelt
(vgl insb das Mäßigungsrecht gemäß § 7 KSchG)
besonders heikel bei Fehlen negativer Auswirkungen (Bsp: Fluggast
storniert und soll nun 50% des Preises bezahlen, obwohl sein Platz
in der Folge – nochmals und womöglich sogar teurer! – verkauft
werden konnte)
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