M 7,3 (Alte Reichsbank), 68161 Mannheim Tel. +49 621 391 8010-0 / Fax +49 621 391 8010-20 [email protected] / www.werkvertrag-zeitarbeit.de 10.07.2015 Fleisch-Mafia ? Ein Standpunkt Es ist ja wahr: Fleisch essen wollen alle, selbst schlachten aber will niemand. Das ist grausam und blutig. Da schaut man lieber weg, lässt andere das Geschäft besorgen, verdrängt man Ekel und Tod. Es klafft eine Bewusstseinslücke in der Gesellschaft. Die Lücke aber bleibt nicht leer. Der Verdrängungskomplex sucht Entlastung des schlechten Gewissens, füllt die Lücke mit Feindbildern, projiziert den eigenen Abscheu auf Sündenböcke. So trifft denn jede Skandalisierung derjenigen, die das Geschäft des Schlächters betreiben, immer auf fruchtbaren Boden. Die Erinnerung an die Gammel-Fleisch-Skandale oder den Rinderwahnsinn verdirbt obendrein den Geschmack und verdüstert das Meinungsklima. Und ein Enthüllungs-Journalismus, der Skandale aufdeckt, Missbräuche offenlegt und Übeltäter brandmarkt, kann allemal breite Zustimmung und Sympathie erwarten. Hat man doch eine unsympathische Zielscheibe, die den psychologischen Verdrängungsmechanismus bedient. Für einen Politiker, der, wie dereinst Gabriel im März dieses Jahres, auf die Fleischindustrie einhaut, wird die Entrüstung zum Stimmenfang. So hat denn auch die ARD am 6. Juli 2015, abends gerade noch rechtzeitig vor dem Schlafengehen, von 22.00 – 22.30 Uhr die „Fleisch-Mafia“ aufs Korn genommen: „Das geheime Netzwerk der Schlachthöfe“ war Gegenstand eines Dokumentarfilmes. Nun sind, das ist gewiss zuzugeben, bestimmte Branchen für Fehlentwicklungen, für Missbräuche, ja für kriminelle Machenschaften anfällig; Unternehmen, deren Sozialprestige gering ist, haben alle Not, Arbeitnehmer oder auch Absatzmärkte zu finden, und sie finden sie dort, wo die soziale Sensibilität geringer ist und prekäre Notlagen die Menschen weniger empfindlich sein lässt. Das kann, muss aber nicht in dubiosen Machenschaften enden. Die Rechtsordnung in Deutschland, in der Europäischen Union stellt in Kenntnis der Sachlage Standards und Normen auf, sorgt, wie es denn geht, für Kontrolle, und wer sich daran hält, bleibt in der Legalität. Auch wenn, buchstäblich, sein Geschäft schmutzig ist. Für die Fleischindustrie in Deutschland gelten die lebensmittel-, hygiene- und auch tierschutzrechtlichen Vorgaben und für die Arbeitnehmer dort die unter Beteiligung der Gewerkschaft zustandegekommenen Tarifverträge, der Mindestlohn, der Arbeitsschutz, das Sozialversicherungsrecht, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und die europäischen Richtlinien zur Arbeitnehmerentsendung und anderes mehr. Gewerkschaftliche Hilfsangebote stehen bereit, wenn sich jemand ausgebeutet oder betrogen sieht, sogar mit muttersprachlicher Beratung, wenn man denn die Arbeitnehmer aus Osteuropa im Auge hat. Das Problem ist nicht ein wilder Kapitalismus, allenfalls die Wirksamkeit der Kontrolle. Da mag es vorkommen, dass Unternehmen Schlupfwinkel suchen und das Gesetz umgehen wollen. Lässt sich das im Prinzip verhindern? Kein Strafgesetzbuch hat je die Straftaten gleich mit abgeschafft. Wenn bestimmte Branchen strukturell missbrauchsanfällig sind, kann eine Rechtsänderung, kann systematische Kontrolle entgegenwirken. Die Abschaffung der Branche selbst kommt wohl kaum in Betracht und deren Diskriminierung ist wenig hilfreich.. Vorsitzender Prof. Dr. Hansjürgen Tuengerthal, stellvertr. Vorsitzender Siegfried Leister Geschäftsführer Michael Rothenhöfer Bankverbindung: Sparkasse Rhein Neckar Nord, Kto.-Nr. 39 284 316 (BLZ 670 505 05) IBAN DE92 6705 0505 0039 2843 16, BIC: MANSDE66XXX Ein kritischer Journalismus kann helfen, Missbräuche und kriminelle Machenschaften zu verhindern; es ist ja gerade sein unverzichtbarer Auftrag. Ob den Journalisten der „Fleisch-Mafia“ am 6. Juli 2015 eine solche Hilfe gelungen ist, bleibt indes fraglich. Die Recherche fokussiert sich auf nahezu nur einen Geschäftsmann, der mit Scheingeschäften, Strohmännern und Briefkastenfirmen, noch dazu mit Urkundenfälschungen ein Netzwerk aufgebaut und mit dessen Hilfe Steuern und Sozialabgaben in Millionenhöhe hinterzogen und ausländische Arbeitnehmer ausgebeutet haben soll. Die Vorstellung eines seiner „Opfer“, das die Rechercheure im fernen Siebenbürgern ausfindig gemacht haben, ist durchaus bewegend. Die Einblendung von Ekelbildern sorgt indes für Stimmung. Doch was bedeutet das alles? Ist der angebliche Dunkelmann gleich ein Mafioso oder Pate, der über eine handlungsfähige kriminelle Organisation verfügt? Lässt sich der Einzelfall verallgemeinern? Und warum kann nicht davon berichtet werden, dass der Zoll, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn eingeschritten ist? Ist er strafrechtlich verurteilt worden? Ist es verantwortbar, dem Zoll eine „undichte Stelle“, der Staatsanwaltschaft Untätigkeit vorzuwerfen, ohne dass es dafür einen belastbaren Beleg gibt? Fehlt der Fakt, ist der Verdacht zur Stelle! Was bleibt, ist die Erfahrung, dass die Fleischindustrie, wie wohl bestimmte andere Branchen auch, für dubiose Machenschaften anfällig und damit gefährdet ist. Offen ist die Frage, ob nicht der Kostendruck, der durch die Handvoll Discounter und letztlich durch die Verbraucher auf die Schlachthöfen ausgeübt wird, eine strukturelle Ursache dafür ist, Kosten zu senken, wo es nur geht. Was aber bleibend entgegensteht, ist die auch forensisch belegbare Tatsache, dass die überwältigende Mehrzahl der fleischverarbeitenden Unternehmen die Gefahr vermeidet und nach Gesetz und Recht seriöse Arbeit leistet. Es darf nicht vergessen werden, dass diese Arbeit von der Gesellschaft verlangt wird. Ein schwarzes Schaf macht noch nicht die ganze Herde schwarz; das ist trivial, stimmt aber doch. Klischee, Verdacht und Sündenbock – hat eine Branche, die bedient, was jeder will, aber niemand tun mag, nicht auch einen fairen Journalismus verdient? Arbeitsgemeinschaft Werkverträge und Zeitarbeit Rechtsanwalt Professor Dr. Hansjürgen Tuengerthal / Dr. Frank Hennecke 68161 Mannheim, M 7, 3 Vorsitzender Prof. Dr. Hansjürgen Tuengerthal, stellvertr. Vorsitzender Siegfried Leister Geschäftsführer Michael Rothenhöfer Bankverbindung: Sparkasse Rhein Neckar Nord, Kto.-Nr. 39 284 316 (BLZ 670 505 05) IBAN DE92 6705 0505 0039 2843 16, BIC: MANSDE66XXX
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