Fleisch-Mafia ? Ein Standpunkt Es ist ja wahr: Fleisch essen wollen

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10.07.2015
Fleisch-Mafia ?
Ein Standpunkt
Es ist ja wahr: Fleisch essen wollen alle, selbst schlachten aber will niemand. Das ist grausam und blutig. Da schaut man lieber weg, lässt andere das Geschäft besorgen, verdrängt man
Ekel und Tod. Es klafft eine Bewusstseinslücke in der Gesellschaft. Die Lücke aber bleibt nicht
leer. Der Verdrängungskomplex sucht Entlastung des schlechten Gewissens, füllt die Lücke mit
Feindbildern, projiziert den eigenen Abscheu auf Sündenböcke. So trifft denn jede Skandalisierung derjenigen, die das Geschäft des Schlächters betreiben, immer auf fruchtbaren Boden. Die
Erinnerung an die Gammel-Fleisch-Skandale oder den Rinderwahnsinn verdirbt obendrein den
Geschmack und verdüstert das Meinungsklima. Und ein Enthüllungs-Journalismus, der Skandale aufdeckt, Missbräuche offenlegt und Übeltäter brandmarkt, kann allemal breite Zustimmung
und Sympathie erwarten. Hat man doch eine unsympathische Zielscheibe, die den psychologischen Verdrängungsmechanismus bedient. Für einen Politiker, der, wie dereinst Gabriel im
März dieses Jahres, auf die Fleischindustrie einhaut, wird die Entrüstung zum Stimmenfang.
So hat denn auch die ARD am 6. Juli 2015, abends gerade noch rechtzeitig vor dem Schlafengehen, von 22.00 – 22.30 Uhr die „Fleisch-Mafia“ aufs Korn genommen: „Das geheime
Netzwerk der Schlachthöfe“ war Gegenstand eines Dokumentarfilmes. Nun sind, das ist gewiss
zuzugeben, bestimmte Branchen für Fehlentwicklungen, für Missbräuche, ja für kriminelle Machenschaften anfällig; Unternehmen, deren Sozialprestige gering ist, haben alle Not, Arbeitnehmer oder auch Absatzmärkte zu finden, und sie finden sie dort, wo die soziale Sensibilität geringer ist und prekäre Notlagen die Menschen weniger empfindlich sein lässt. Das kann, muss aber
nicht in dubiosen Machenschaften enden. Die Rechtsordnung in Deutschland, in der Europäischen Union stellt in Kenntnis der Sachlage Standards und Normen auf, sorgt, wie es denn geht,
für Kontrolle, und wer sich daran hält, bleibt in der Legalität. Auch wenn, buchstäblich, sein
Geschäft schmutzig ist. Für die Fleischindustrie in Deutschland gelten die lebensmittel-, hygiene- und auch tierschutzrechtlichen Vorgaben und für die Arbeitnehmer dort die unter Beteiligung der Gewerkschaft zustandegekommenen Tarifverträge, der Mindestlohn, der Arbeitsschutz, das Sozialversicherungsrecht, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und die europäischen Richtlinien zur Arbeitnehmerentsendung und anderes mehr. Gewerkschaftliche Hilfsangebote stehen bereit, wenn sich jemand ausgebeutet oder betrogen sieht, sogar mit muttersprachlicher Beratung, wenn man denn die Arbeitnehmer aus Osteuropa im Auge hat. Das Problem ist
nicht ein wilder Kapitalismus, allenfalls die Wirksamkeit der Kontrolle. Da mag es vorkommen,
dass Unternehmen Schlupfwinkel suchen und das Gesetz umgehen wollen. Lässt sich das im
Prinzip verhindern? Kein Strafgesetzbuch hat je die Straftaten gleich mit abgeschafft. Wenn
bestimmte Branchen strukturell missbrauchsanfällig sind, kann eine Rechtsänderung, kann systematische Kontrolle entgegenwirken. Die Abschaffung der Branche selbst kommt wohl kaum
in Betracht und deren Diskriminierung ist wenig hilfreich..
Vorsitzender Prof. Dr. Hansjürgen Tuengerthal, stellvertr. Vorsitzender Siegfried Leister
Geschäftsführer Michael Rothenhöfer
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Ein kritischer Journalismus kann helfen, Missbräuche und kriminelle Machenschaften zu verhindern; es ist ja gerade sein unverzichtbarer Auftrag. Ob den Journalisten der „Fleisch-Mafia“
am 6. Juli 2015 eine solche Hilfe gelungen ist, bleibt indes fraglich. Die Recherche fokussiert
sich auf nahezu nur einen Geschäftsmann, der mit Scheingeschäften, Strohmännern und Briefkastenfirmen, noch dazu mit Urkundenfälschungen ein Netzwerk aufgebaut und mit dessen
Hilfe Steuern und Sozialabgaben in Millionenhöhe hinterzogen und ausländische Arbeitnehmer
ausgebeutet haben soll. Die Vorstellung eines seiner „Opfer“, das die Rechercheure im fernen
Siebenbürgern ausfindig gemacht haben, ist durchaus bewegend. Die Einblendung von Ekelbildern sorgt indes für Stimmung. Doch was bedeutet das alles? Ist der angebliche Dunkelmann
gleich ein Mafioso oder Pate, der über eine handlungsfähige kriminelle Organisation verfügt?
Lässt sich der Einzelfall verallgemeinern? Und warum kann nicht davon berichtet werden, dass
der Zoll, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn eingeschritten ist? Ist er strafrechtlich verurteilt
worden? Ist es verantwortbar, dem Zoll eine „undichte Stelle“, der Staatsanwaltschaft Untätigkeit vorzuwerfen, ohne dass es dafür einen belastbaren Beleg gibt? Fehlt der Fakt, ist der Verdacht zur Stelle!
Was bleibt, ist die Erfahrung, dass die Fleischindustrie, wie wohl bestimmte andere Branchen
auch, für dubiose Machenschaften anfällig und damit gefährdet ist. Offen ist die Frage, ob nicht
der Kostendruck, der durch die Handvoll Discounter und letztlich durch die Verbraucher auf die
Schlachthöfen ausgeübt wird, eine strukturelle Ursache dafür ist, Kosten zu senken, wo es nur
geht. Was aber bleibend entgegensteht, ist die auch forensisch belegbare Tatsache, dass die
überwältigende Mehrzahl der fleischverarbeitenden Unternehmen die Gefahr vermeidet und
nach Gesetz und Recht seriöse Arbeit leistet. Es darf nicht vergessen werden, dass diese Arbeit
von der Gesellschaft verlangt wird. Ein schwarzes Schaf macht noch nicht die ganze Herde
schwarz; das ist trivial, stimmt aber doch. Klischee, Verdacht und Sündenbock – hat eine Branche, die bedient, was jeder will, aber niemand tun mag, nicht auch einen fairen Journalismus
verdient?
Arbeitsgemeinschaft Werkverträge und Zeitarbeit
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