Temporäre und Externe Mitarbeitende bei der Swisscom

TEMPORÄRE UND
EXTERNE MITARBEITENDE
BEI SWISSCOM
Analyse der Vor- und Nachteile
EXTERNE UND TEMPORÄRE
MITARBEITENDE BEI SWISSCOM
HINTERGRUND
Die Branche Communication von transfair hat
sich mit dem Thema der externen und temporären Mitarbeitenden bei ihrem Sozialpartner
Swisscom befasst, um eine grössere Transparenz über die Anstellung von temporärem und
externem Personal bei Swisscom und bei den
von Swisscom beauftragten Unternehmen zu erlangen. Dieses Arbeitspapier ist als Hilfe bei der
Sozialpartnerschaft und als Information der Mitglieder in der Branche Communication gedacht.
Es wird anlässlich der Branchenversammlung
vom 26. November 2015 in Bern diskutiert.
Fest steht, dass Temporärarbeit auf dem
Arbeitsmarkt stark an Bedeutung gewonnen
hat: innerhalb von zehn Jahren (2004 bis 2014)
hat die Branche der Temporärarbeit jährlich um
8,25% 1 zugelegt.
Temporärarbeit wird als Personalverleih bezeichnet, wenn ein Arbeitgeber (Personalverleiher) Arbeitnehmer anstellt, um deren Dienste
an Drittbetriebe zu verleihen und selbst keine
eigene Produktions- oder Dienstleistungsfirma
führt. Der Arbeitsvertrag bezieht sich auf einen
einzelnen Einsatz. Der Arbeitgeber (Personalverleiher) beschäftigt die Arbeitnehmer nicht
selbst, sondern stellt sie den Einsatzbetrieben
zur Verfügung, welche für diese Vermittlung ein
Entgelt bezahlen.
Beteiligte im Personalverleih
Verleiher
1
Arbeitnehmer
2
3
Einsatzbetrieb
1 Arbeitsvertrag zwischen Verleiher* und Arbeitnehmer
2 Einsatzvereinbarung zwischen Verleiher und Einsatzbetrieb
3 Arbeitnehmer leistet Arbeit im Einsatzbetrieb
An der Leiharbeit oder Temporärarbeit sind drei
Akteure beteiligt: ein Arbeitgeber (Personalverleihagentur oder Personalverleiher), ein
Arbeitnehmer (temporäre Arbeitskraft) und
eine Firma, in der dieser Arbeitnehmer beschäftigt ist (Einsatzbetrieb). Der Arbeitnehmer ist
formell von der Personalverleihagentur angestellt. 2 Das Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (AVG) und
dessen Verordnung (AVV) regeln den Personalverleih in der Schweiz. Die Erscheinungsformen sind: Temporärarbeit, Leiharbeit und das
gelegentliche Überlassen von Arbeitnehmern
an Einsatzbetriebe.
Swissstaffing zählte im Jahr 2014 ca. 316’000
Temporärarbeitende. 2012 betrug der Anteil der
Temporärarbeitenden an allen Beschäftigten
2,2%. Dieser Anteil hat sich bis 2014 wahrscheinlich kaum verändert. Das Phänomen der
Temporär- oder Leiharbeit geht natürlich einher
mit einem bedeutenden finanziellen Aspekt:
für die ca. 168 Millionen Arbeitsstunden, die
von den Temporärarbeitenden 2014 geleistet
wurden (+4,5% gegenüber 2013) wurde eine
Lohnsumme von knapp 5 Milliarden Franken
investiert (+7,1% gegenüber 2013). Es ist daher
berechtigt, diese Arbeitsformen zu hinterfragen
und deren Auswirkungen auf die Branche Communication und insbesondere auf Swisscom zu
prüfen. Zudem werfen die Leiharbeit und die
Anstellung externer Arbeitnehmer Fragen zur
Datensicherheit und Arbeitsqualität auf. Und
es macht Sinn, die vom Unternehmen eingesparten Kosten (Kostenverlagerung) zu prüfen,
sofern überhaupt gespart wurde. Der Mangel
an Transparenz und die Gefahr, dass sich das
Phänomen weiter ausbreitet führt die Branche
Verleiher: auch Verleihbetrieb, Ausleihbetrieb, Personalverleiher genannt
Ganz allgemein birgt Temporärarbeit Vorund Nachteile. Bevor man Temporärarbeit
jedoch einschränkt, sollte man diese Vor- und
Nachteile verstehen und gewichten. Dies
gilt ganz besonders für ein Unternehmen wie
Swisscom, das vielfältige Tätigkeitsbereiche
und Mitarbeiterprofile beinhaltet. In diesem
Sinn hat sich eine Arbeitsgruppe mit der
Problematik beschäftigt und eine Reihe von
Fragestellungen definiert. Die Mitglieder von
transfair haben diese aufgrund ihrer Kenntnisse der internen Funktionsweise von Swisscom
und der am Arbeitsplatz erlebten Situationen
mit internen und externen Kollegen beleuchtet. Hiernach schildern wir die gestellten
Fragen im Detail und führen eingegangene
Lösungsansätze und unklare Punkte auf. Für
letztere erwarten wir Antworten und eine
Einschätzung vom Arbeitgeber. Schliesslich
formulieren wir einige Forderungen, die den
Fest- und Temporärangestellten von Swisscom
Gleichbehandlung und bestmöglichen Schutz
gewährleisten sollen.
transfair hat sich bereits 2008 mit dem Thema
beschäftigt und ein Hintergrunddokument über
die Temporärarbeit in den Branchen Post/
Logistik, öffentlicher Verkehr, öffentliche
Verwaltung und Communication erarbeitet.
Die jüngsten Entwicklungen und die Besonderheiten jeder Branche erfordern, dass man
sich nun eingehend mit den Fragen befasst und
die Vor- und Nachteile unter Berücksichtigung
des betroffenen Sozialpartners darzulegen
versucht.
Quelle swissstaffing (http://swissstaffing.ch/fr/branche/statistiques), Stand 09.11.2015.
Observatoire Romand et Tessinois de l’Emploi ORTE, Entwicklung der Temporärarbeit in der Westschweiz,
aktualisierte Version, Oktober 2013.
1
2
*
Communication dazu, nachfolgende Fragestellungen zu formulieren.
EINGEHENDE ANALYSE
DER VOR- UND NACHTEILE
Die Arbeitsgruppe hat sich folgende Fragen
gestellt:
• Welche «Spielregeln» hat Swisscom im
Bereich der Einsatzdauer und der Externalisierungsstrategie festgelegt?
• Wie viele temporäre und externe Mitarbeitende gibt es pro Bereich? Welches sind ihre
Profile und Qualifikationen?
• Wie hoch ist die Fluktuation der temporären/
externen Mitarbeitenden?
• Nach welchen Modellen, für welche Bedürf­
nisse und für welche Tätigkeiten wird auf
temporäre und externe Mitarbeitende
zurückgegriffen?
• Welches sind die Vor- und Nachteile für
Swisscom?
• Wie viele temporäre und externe Mitarbeitende wurden internalisiert?
Im Hintergrundpapier von transfair aus dem
Jahr 2008 waren wir zum Schluss gekommen,
dass «über alle Bereiche hinweg nicht mehr als
2% externe Mitarbeitende beschäftigt werden
sollen. In der Branche Communication soll dieser Anteil aufgrund besonderer Bedingungen
höchstens 4,5% pro Konzerngesellschaft betragen.» Wir waren ausserdem der Ansicht, dass
Temporärarbeit nur vorübergehend angewandt
und keinesfalls zum Dauerzustand werden
sollte. Wie sieht es bei Swisscom aus? Greift
Swisscom auf zu viele temporäre und externe
Mitarbeitende zurück? Recherchen unserer
aktiven Mitglieder ergeben, dass um die 30%
der Angestellten bei Swisscom Temporär- oder
Leiharbeit leisten, d.h. über ein Viertel des
Personalbestands. 3 Welche Auswirkungen hat
dies auf die fest angestellten Mitarbeitenden
bei Swisscom?
Die hiernach dargestellten Aspekte können aus
der Sicht des Arbeitgebers und aus der Sicht
des Arbeitnehmers beurteilt werden, sowie
unter Berücksichtigung der finanziellen und
insbesondere sozialen Dimension (zum Beispiel
im Blickwinkel der Vereinbarkeit von Privatund Berufsleben). Die blau hervorgehobenen
Punkte betreffen spezifisch Swisscom.
Diese Zahl ist mit einem Fragezeichen zu versehen. Es gibt verschiedene Arten von externen und temporären Anstellungen.
3
Vorteile der Temporärarbeit
Arbeitgeber
Arbeitnehmer
• Flexibles Personal und kurzfristige Personalausstattung (Verstärkung bei grösserer
Arbeitsbelastung, strategische Flexibilität,
Vertretung bei Abwesenheit und Urlaub)
• Unterstützung bei Einstellung und Auswahl
im Personalmanagement
• Weniger Pflichten für den Arbeitgeber
(Leiharbeit)
• Flexibilisierung der Arbeit zu Lasten des
Personals (das Unternehmen überträgt einen
Teil des unternehmerischen Risikos auf die
Angestellten)
• Hire & fire (anstellen und entlassen)
• Künstliche Dämpfung der Personalkosten
• Swisscom verbucht die Kosten der externen
Angestellten in der Investitionsrechnung
• Outsourcingmodell 1st-Level-Support hat
Vorteile für Swisscom RES
• Flexible Arbeitsmodelle
• Sprungbrett zu einer Festanstellung
(Eingliederung ins Berufsleben oder
Übergangslösung)
• Erwerbsmöglichkeit für Menschen mit
Integrationsschwierigkeiten
(gibt einen Einblick ins Unternehmen)
• Abwechslung anstatt Routine
Nachteile der Temporärarbeit
Arbeitgeber
Arbeitnehmer
• Der Arbeitgeber verliert seinen Einfluss
auf die Auswahl und die Qualifikation des
Personals
• Die Einführung in die Arbeit ist schwer
realisierbar oder inexistent. Im Field Service
ist teilweise spürbar, dass es den Temporärarbeitenden an gewissen Kompetenzen und
an Schulung mangelt
• Höhere Kosten (Löhne und Margen für die
Verleihfirma). Swisscom arbeitet unter anderem mit Worklink, Adecco etc. Wir schätzen
die Mehrkosten auf 40%
• Der Arbeitgeber kann Arbeitsanweisungen
geben, verfügt jedoch dem Arbeitnehmer
gegenüber nicht über vertragliche Rechte
• Weniger gute Arbeitsbedingungen
(Kündigungsschutz, Sozialversicherungen)
• Schwierigkeit, seine vertraglichen Rechte
in einer externen Firma geltend zu machen
• Unzureichende Integration und fehlende
soziale Beziehungen im Berufsleben
• Weniger Lohn im Vergleich zu einer Festanstellung. Der Arbeitgeber schiebt die Kosten
für die Margen der Verleihfirma auf die
Temporärarbeitenden ab
• Erhöhtes Unfallrisiko wegen unzureichender
Kenntnis der üblichen internen Abläufe
• Keine Identifikation mit dem Unternehmen,
weil der Temporärarbeitende als austauschbar betrachtet wird
Risiken der Temporärarbeit
Nachteile der Temporärarbeit
Arbeitgeber
Arbeitnehmer
Arbeitgeber
Arbeitnehmer
• Das Arbeitsvolumen ist erheblich gestiegen. Temporärarbeitende sind unerlässlich
geworden, anstatt eine vorübergehende
Verstärkung zu bringen
• In gewissen Fällen muss Swisscom eine
doppelte Infrastruktur zur Verfügung stellen
und doppelte Kosten tragen
• Hire & fire (anstellen und entlassen)
• Schwierigkeiten im Privatleben, z.B.
Wohnungssuche, Kinderbetreuung, Beginn
einer längeren Weiterbildung, zivile Einsätze
und Freizeit
• Mehr-Klassen-Belegschaft
• Ungewissheit für das fest angestellte
Personal (wann wird es mich treffen?)
• Falsche Hoffnung auf Integration. Wir
denken, dass nur einem geringen Teil der
Temporärarbeitenden eine feste Anstellung
angeboten wird
• Im 2014 ist der Durchschnittslohn (Lohnsumme geteilt durch Anzahl Mitarbeitende
= Durchschnittslohn) niedriger als im 2013,
während die Anzahl Mitarbeitende höher ist.
Wir gehen davon aus, dass dies im Zusammenhang mit den externen/temporären
Mitarbeitenden steht. Kann es sein, dass
letztere weniger verdienen?
• Ältere Mitarbeitende werden weiterhin via
Worklink angestellt, sie fühlen sich jedoch
an den Rand gedrängt und verlieren die
Motivation
• Schutzfunktion des GAV und des Sozialplans
fehlt
• Die Angestellten erhalten keine Unter­
stützung für Weiterbildung
• Datensicherheit
• Es kann sich schädigend auf die Kundenzufriedenheit und das Image von Swisscom
auswirken, wenn Dritte das Firmenimage
nach aussen tragen
• Verlust von Kenntnissen und Know-How und
Abhängigkeit von Externen
• Kenntnisse und Know-How werden an die
Konkurrenz weitergetragen (auch wenn ein
Konkurrenzverbot vorgesehen ist)
• Intern schiebt man den Vorwand vor, sparen
und den Gürtel enger schnallen zu müssen,
während die Swisscom-Zahlungen die Kassen der Verleihfirmen füllen
• Externe fühlen sich von der Notwendigkeit
der Anstrengungen zur Produktivitäts- und
Effizienzsteigerung nicht betroffen
• Weniger gute Chancen für eine langfristige
Integration auf dem Arbeitsmarkt
• Geringere finanzielle Stabilität und
Sicherheit
• Mangelnde Zukunftsplanung für junge
sowie erfahrenere Generationen
• Verlagerte Verantwortlichkeit des
Arbeitgebers
• Berufsunfallrisiko
• Externe in Scheinselbstständigkeit
(Risiken im Bereich der Sozialversicherungen, insbesondere der beruflichen Vorsorge
und der Steuern)
• Swisscom stellt Externe als LangzeitDienstleister an (über Alcatel, Sysco,
Integrator, usw.). Diese sind wesentlich
teurer als interne Mitarbeitende.
• Datensicherheit
• Umgehung und Schwächung des GAV
Chancen der Temporärarbeit
Arbeitgeber
Arbeitnehmer
• Try & Hire (probeweise Anstellung)
• Rückkehr in die Erwerbstätigkeit
• Sprungbrett für eine Karriere
• Zusätzliche Berufserfahrung (ergänzt den
Lebenslauf)
• Try & Hire (probeweise Anstellung)
SCHLUSSFOLGERUNG UND FORDERUNGEN
Unsere Recherchen haben ergeben, dass es besonders schwierig ist, einen Gesamtüberblick
und konkrete Informationen zu erhalten. Es entsteht jedoch der Eindruck, dass die Nachteile
und Risiken zahlreicher sind als die Vorteile und
Chancen, sowohl auf der Arbeitgeber- als auch
auf der Arbeitnehmerseite. Aus diesem Grund
formulieren wir folgende Forderungen:
• Wir bitten Swisscom, uns Zahlen und Fakten
vorzulegen, welche die oben beschriebenen
positiven und negativen Aspekte untermauern oder relativieren.
• Das Zurückgreifen auf externe und temporäre Mitarbeitende muss auf ein vertretbares
Mass eingeschränkt werden, damit der
Arbeitgeber daraus Nutzen zieht, ohne die
Anstellungsbedingungen und die Qualität der
Leistungen zu gefährden.
• Der Anhang 2 des GAV Swisscom sieht vor,
dass bei Weiterbeschäftigung über die Maximaldauer von 12 Monaten ein unbefristeter
Einzelarbeitsvertrag auf der Basis des GAV
mit den Mitarbeitenden abgeschlossen wird.
Wir bezweifeln, dass diese Einschränkung
und die Bestimmungen des Anhangs 2 wirklich eingehalten werden. Sollte dies nicht
der Fall sein, will transfair prüfen, ob andere
Bestimmungen des GAV auf die Temporärarbeitenden oder externen Angestellten
angewandt werden müssen, um deren Schutz
auszudehnen (insbesondere in Bezug auf
Löhne und Überstunden).
• Wir fordern die Aufstellung einer Charta
«Best Practices» für die Einbindung und Integration von temporärem und externem Personal in den Einheiten und Tätigkeitsgebieten
von Swisscom. Die Charta könnte sich an die
Weisungen des Bundesrates zum Abschluss
von Personalverleihverträgen anlehnen.
• Wir empfehlen Swisscom, bereits vor der
Anstellung eines externen oder temporären
Mitarbeitenden zu prüfen und zu diskutieren,
ob die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung besteht.