Interview mit Claudia Haebler - ehe- familien

Interview mit Claudia Haebler Brenner,
Paar- und Familientherapeutin an der
Ehe- Familien- und Partnerschaftsberatung im Bezirk Dielsdorf
personen kompetent zu beraten. Zudem
bot ich viele Kurse für Paare an. Um up to
date zu bleiben, besuche ich auch heute
Weiterbildungen, die mir immer wieder
hilfreiche Anregungen bieten.
Nun, da meine Kinder erwachsen sind,
kann ich mich beruflich noch mehr engagieren und freue mich, an der Paarberatungsstelle in Regensdorf tätig zu sein.
Meine Arbeit besteht darin, gut zuzuhören, mich in meine Klienten
einzufühlen und sie mit kompetenten Anregungen und Hinweisen auf
ihrem Weg zu begleiten.
Welches ist Ihr beruflicher Werdegang?
Zuerst absolvierte ich eine kaufmännische
Lehre in einem Reisebüro, was mir Spass
machte. In meiner Freizeit engagierte ich
mich für die Gründung und den Betrieb
des Jugendhauses in meiner Heimatgemeinde. Dort lernte ich eine Sozialarbeiterin kennen, die mir schon bald sagte:
„Mein Beruf wäre doch auch etwas für
dich“. Und da ich wichtige Entscheidungen
in meinem Leben oft spontan mit einem
guten Bauchgefühl fälle, absolvierte ich
wenig später die Schule für Soziale Arbeit
in Zürich. Meine erste Arbeitsstelle war im
Jugendhaus Winterthur. Diese Stadt ist
seither mein Lebensmittelpunkt.
Auch die darauf folgende Tätigkeit als
Betreuerin in der Drogenklinik Sonnenbühl
gefiel mir gut, obwohl sie manchmal recht
belastend war. An meiner dritten Arbeitsstelle in der Jugend- und Familienberatung
reifte der Entschluss, mich zur Paar- und
Familientherapeutin weiterzubilden und
wenn möglich in eigener Praxis zu arbeiten.
Im Herbst 1992 war es soweit: Ich eröffnete meine Praxis für Beziehungstherapie in
Winterthur. Sehr spannende – und sehr
arbeitsintensive - Jahre folgten. Als Familienfrau hatte ich drei Kinder und ein Haus
zu versorgen. Beruflich sammelte ich meine ersten Erfahrungen als Paartherapeutin
und als Mediatorin. Daneben absolvierte
ich während insgesamt zehn Jahren eine
psychotherapeutische Weiterbildung, die
mir alles nötige Wissen und Können vermittelte, um Paare, Familien und Einzel-
Was fasziniert Sie an der beraterischen
Arbeit?
Diese Arbeit gefällt mir sehr gut, weil ich
viele verschiedene Menschen kennen lerne und mich auch persönlich einbringen
kann. Nicht, dass ich nun viel über mich
selbst erzählen würde! Meine Arbeit besteht vielmehr darin, gut zuzuhören, mich
in meine KlientInnen einzufühlen und sie
mit kompetenten Anregungen und Hinweisen auf ihrem Weg zu begleiten. In
diesem Sinne ist die Persönlichkeit eines
Therapeuten gewissermassen auch sein
Arbeitsinstrument. Das ist zwar anspruchsvoll, bringt mich aber auch persönlich weiter. Immer wieder lerne ich in der Beratung
von Paaren und Einzelpersonen auch
etwas für mein eigenes Leben. Deshalb
wird es mir dabei nie langweilig!
Wie würden Sie Ihren persönlichen
Beratungsstil beschreiben?
Meine langjährige Weiterbildung in
Familiendynamischer Beziehungstherapie
steht auf verschiedenen Pfeilern: Sie beinhaltet einerseits ein eigenes therapeutisches Konzept, welches ein rasches und
genaues Verständnis der Beziehungsdynamik in einer Partnerschaft oder
Familie, sowie grundlegender Probleminhalte ermöglicht. Andererseits ist es eine
integrative Therapieform, die zentrale
Erkenntnisse und Methoden aus den drei
wichtigen Schulen der Psychoanalyse, der
systemischen Therapie, sowie der humanistischen Psychotherapie vereinigt. Nach
vielen Jahren Berufserfahrung habe ich
meinen eigenen Arbeitsstil entwickelt, in
welchem ich gerne meiner Intuition folge.
Dass diese mich selten im Stich lässt, ist
aber nur dank dem gleichzeitig ablaufenden Prozess, in dem ich mein Wissen abrufe und einordne, möglich. In diesem Sinne ist die therapeutische Arbeit eine komplexe Tätigkeit, die auf verschiedenen Ebenen meine volle Aufmerksamkeit fordert.
Am wichtigsten sind jedoch die Wertschätzung und Empathie, welche ich meinen Klienten entgegenbringe. Nur wenn
sie sich von mir verstanden und ernst
genommen fühlen, möchten sie sich von
mir begleiten und beraten lassen. Die
vertrauensvolle Beziehung zwischen
Therapeut und Klienten ist ein zentraler
Punkt, damit eine Therapie gelingen kann.
Ein Beispiel: Kürzlich kam ein jüngeres
Ehepaar in meine Praxis. Die Frau erzählte, dass sich seit einiger Zeit immer wieder
kleinere Vorfälle ereignen, die sie sehr
verunsichern und an der Treue ihres
Mannes zweifeln lassen. Es wurde rasch
deutlich, dass dies eigentlich harmlose
Missverständnisse waren, sie diesen
Ereignissen aber eine negative Bedeutung
zuschrieb, die nur in ihrer Phantasie
existierte. Der Mann legte glaubhaft dar,
dass er seine Partnerin liebt und er nicht
auf die Idee käme, sie zu betrügen.
Gerade deshalb fühlt er sich manchmal so
unverstanden und hilflos, dass er sehr
wütend und laut wird. Vor kurzem war ein
Konflikt dermassen eskaliert, dass
schliesslich beide die Beziehung in Frage
stellten.
Nachdem beide nun ihre Version erzählt
hatten, sagte ich : „Mir scheint, dass es
hier stark um das Thema Misstrauen
geht.“ Als sie dies bestätigten, fragte ich
die Frau: „Könnte es sein, dass dieses
Thema in ihrem Leben schon länger eine
grosse Rolle spielt? Ich kann mir vorstellen, dass Sie durch frühere Erfahrungen
gelernt haben, dass Zweifel oft mehr angebracht sind als Vertrauen, weil dieses
von wichtigen Bezugspersonen in der
Kindheit und/oder von ehemaligen Liebespartnern missbraucht wurde.“ Auch dies
bejahte sie sofort. So konnten wir uns auf
das Beratungsziel einigen, gemeinsam
einen besseren Umgang mit Eifersucht
und Misstrauen zu erlernen, indem offene
Kommunikation und konstruktive Konfliktlösungen eingeübt werden.
In langjährigen Paarbeziehungen ist die
Sachlage jedoch oft komplizierter und die
problematischen Beziehungsmuster eher
festgefahren. In jedem Fall aber ist eine
Paarberatung immer auch ein Training in
Beziehungsfähigkeit.
Als Folge von schlechter Kommunikation kann eine seelisch-körperliche
Entfremdung zwischen den Partnern
entstehen. Damit wird auch die offene
sexuelle Begegnung oder die gegenseitige Verlässlichkeit schwieriger.
Welches sind die hauptsächlichen
Probleme, mit denen Paare zu Ihnen
kommen?
Am häufigsten höre ich in der ersten
Sitzung: „Wir möchten unsere Kommunikation verbessern, denn wir können nicht
(mehr) gut miteinander reden“.
Konkret sieht das dann von Paar zu Paar
unterschiedlich aus. Die einen schweigen
sich an, während andere streiten, aber nie
zu einer Lösung kommen. Als Folge von
schlechter Kommunikation kann eine
seelisch-körperliche Entfremdung zwischen den Partnern entstehen. Damit wird
auch die offene sexuelle Begegnung oder
die gegenseitige Verlässlichkeit schwieriger. Beziehungskonflikte spielen sich jedoch auf verschiedenen Ebenen ab. Die
Kommunikation ist gleichsam die oberste,
den Klienten am ehesten bewusste
Schicht. Dahinter sind für den geübten
Paartherapeuten problematische Beziehungsmuster wie gegenseitige Beschuldigung, Rückzug, Machtkampf oder überzogenes Misstrauen erkennbar. Doch
weshalb schleichen sich diese Muster in
unsere Partnerschaft ein? Es sind wohl
unbewusste Schutzmechanismen, mit deren Hilfe wir zu vermeiden suchen, dass
frühere seelische Verletzungen erneut auftreten. Doch da wir dem Partner nahe
sind, sind wir hier eben auch verletzlich.
So wirken die unbewussten Schutzmechanismen oft paradox, und alte seelische
Verletzungen werden in der aktuellen
Paarbeziehung wieder neu inszeniert.
Es geht also kurz gesagt darum, die
Schutzmechanismen und die daraus entstehenden Beziehungsmuster zu erkennen, zu verstehen, richtig einzuordnen und
somit sich selbst und den Partner als die
Menschen zu sehen, die sie heute wirklich
sind. Dann ist eine positive Veränderung
bei alltäglichen Widrigkeiten wie der
Kommunikation oft gar nicht mehr allzu
schwierig.
Sie haben drei Bücher für Paare geschrieben – Was war Ihre Motivation
dazu?
Verschiedenes: Erstens ist es toll, neben
der täglichen therapeutischen Arbeit einmal ein konkretes „Ergebnis“ in den Händen zu halten. Zweitens hoffe ich, mithilfe
meiner Bücher (siehe Anhang) einer grösseren Gruppe von Menschen hilfreiche
Anregung zur offenen und positiven Gestaltung ihrer Beziehungen vermitteln zu
können. Ich empfinde die Entwicklung der
Beziehungsfähigkeit als einen wichtigen
Pfeiler auf unserem Weg zu einer Gesellschaft mit reifen, verantwortungsbewussten und liebesfähigen Menschen.
Drittens ist das Schreiben eine zusätzliche
Weiterbildung für mich. Mit jedem Buch
lerne ich wieder viel Neues dazu.
sich vor einer Trennung zuwenig Gedanken, dass das Leben in einer Patchworkfamilie für Kinder und Erwachsene auch
sehr schwierig sein kann.
Die Idee der gemeinsamen Weiterentwicklung in einer langjährigen Partnerschaft
setzt diesem Trend also eine spannende
Alternative entgegen. Denn nichts fordert
uns persönlich so heraus wie dieser Prozess des gemeinsamen Wachsens und
Reifens.
Aber manchmal ist eine Trennung nicht zu
vermeiden. Ich hole die Paare immer dort
ab, wo sie persönlich stehen.
Die Entwicklung der Beziehungsfähigkeit ist ein wichtiger Pfeiler auf unserem Weg zu einer Gesellschaft mit
reifen, verantwortungsbewussten und
liebesfähigen Menschen.
Was ist aus Ihrer Sicht für das Gelingen
einer Paarbeziehung wichtig?
Ich möchte hier stichwortartig ein paar
„Rezept-Vorschläge“ und hilfreiche
Zutaten für eine glückliche Beziehung
nennen:
-
Worauf führen Sie die hohe
Scheidungsrate zurück?
Das Leben in der Paarbeziehung und
Familie hat sich durch die Emanzipation
der Frauen in den letzten 40 Jahren stark
verändert. Auch die Frauen haben heute
ein eigenes Leben (ökonomisch, sozial)
neben der Sorge für die Kinder und den
Partner. Das macht eine Trennung und
Scheidung erst möglich. Damit einhergehend hat sich die Bedeutung von Scheidung verändert. Eine geschiedene Person
ist heute sozial gleichwertig mit einer
verheirateten. Ein weiterer Punkt ist, dass
sich die Möglichkeiten der Partner-wahl
durch das Internet stark vergrössert
haben. So erweist sich nun die serielle
Monogamie (man lebt nacheinander in
mehreren Lebensabschnitts-Partnerschaften) als das Trendmodell der Gegenwart
und wohl auch der näheren Zukunft.
Doch auch diese Lebensform birgt ihre
Stolpersteine. Viele Menschen machen
-
Toleranz und Akzeptanz , den
anderen so nehmen, wie er ist
Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit
und Respekt
Liebe, Zuneigung und gegenseitige
aktive Wertschätzung
Konstruktive Kommunikation und
Konfliktlösung
Gemeinsame Interessen, Hobbys
und Freunde
Gemeinsame Verantwortung für
die Kinder
Sich gegenseitig nicht einengen,
eigene Freiräume behalten
Treue
Zärtlichkeit und eine befriedigende
sexuelle Begegnung
Ausgewogenheit im Geben und
Nehmen
Übereinstimmende Werte und
Ansichten, gleiche Wellenlänge
Und natürlich: Im Gespräch
bleiben.
In diesem Sinne: Bleiben Sie dran!
Bücher von Claudia Haebler Brenner:
- "Beziehungs-Guide, Liebe von A bis Z"
( 2010)
- "Das zweite Ja"
(2006)
- "Frauen zwischen zwei Männern"
(2002)