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Sind RCTs immer
das Maß der Dinge ?
F. Hessel
Healthcare Management
SRH Hochschule Berlin
14. Oktober 2015, Berlin
STAATLICH
ANERKANNTE
HOCHSCHULE
HISTORIE:
Eine exemplarische individuelle RCT-Karriere
› 
1980ger Jahre: Medizinstudium:
LEERE DER LEHRE
„Der Begriff RCT kommt im Curriculum gefühlt nicht vor“
› 
1990 – 1995: Klinische Tätigkeit im Universitätsklinikum
EMINENZBASIERUNG
„Keine Diskussion ! Das haben wir schon immer so gemacht !“
› 
1995 – 2002: Etablierung von HTA und gesundheitsökonomischer Evaluation
THE DECISION HAS TO BE MADE
„Schlechte Evidenz ist besser als gar keine.“
› 
2002: Gründung des IQWiG und Erfindung der Nutzenbewertung
WIE MÜSSEN PERFEKTE RCTs AUSSEHEN ?
„Evidenzlage bestimmt GKV-Erstattungsfähigkeit“
› 
2011: Weiter Erstarken des G-BA und Erfindung des AMNOG
VALUE-BASED PRICING
„Evidenzlage bestimmt Preis von Arzneimitteln mit.“
› 
2015: QUALITÄT UND VERSORGUNGSFORSCHUNG IM FOKUS
© Franz Hessel
Einige exemplarische aktuelle Stichworte
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Erprobungsregelung
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Potentialanalyse
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Innovationsfont
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Systemische Qualitätssicherung
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Sicherheit von Medizinprodukten
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Regionale Unterversorgung
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E-health
› 
Big Data und Routinedaten
WOHIN GEHT DIE REISE JETZT ?
KÖNNEN WIR MIT BIG DATA WIRKLICH ALLE PROBLEME LÖSEN ?
© Franz Hessel
Grundfrage dieses Workshops:
„Wie und wo ergänzen wir in der
(medizinischen) Entscheidungsfindung
das in den letzten 20 Jahren etablierte,
auf bias-minimierte RCTs basierende
Fundament der Evidenzbestimmung
sinnvoll mit Erkenntnissen, die durch
andere Studiendesigns gewonnen
werden?
© Franz Hessel
Damit Sie mich nicht falsch verstehen...
›  Höchste methodische Standards in der klinischen
Forschung und der Nachweis der Wirksamkeit durch
RCTs mit optimaler Bias-Kontrolle sind absolut
notwendig für die Zulassung von Arzneimitteln (und
genauso Medizinprodukte hoher Risikoklassen) !
Therapien ohne nachgewiesenen Zusatznutzen
müssen aus ethischen und ökonomischen Gründen
aus der (GKV-)Versorgung ausgeschlossen werden.
ABER (=HYPOTHESE):
›  Derzeit werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt
›  Es ist nicht ausgeschlossen, dass potentiell
nutzenstiftenden Therapien nicht beim Patienten
ankommen.
© Franz Hessel
Das „IQWiG-Prinzip“
Kein Zusatznutzen
Studienlage
RCT liegt vor
Kein Bias
Bewertung
Wahrheit
Kein Zusatznutzen
Kein Zusatznutzen
RCT liegt nicht vor
Bias
Kein valide
Aussage möglich
Zusatznutzen
Kein Zusatznutzen
Bias per Design unterstellt
Kein valide
Aussage möglich
Zusatznutzen
Kein Zusatznutzen
Geringe Wahrscheinlichkeit
tatsächlich vorhandenen
Zusatznutzen zu verneinen.
Vorhandene Wahrscheinlichkeit
tatsächlich vorhandenen
Zusatznutzen zu verneinen.
Vorhandene Wahrscheinlichkeit
tatsächlich vorhandenen
Zusatznutzen zu verneinen.
Änderung nur durch RCT
mit höherer Evidenz
ZENTRALE FRAGE:
ZENTRALE FRAGE:
© Franz Hessel
Kann Bias in RCT
vermieden werden?
Kann RCT durchgeführt
werden?
Bias in RCTs
› 
Fischöl und kardiale Ereignisse:
- Auch Kontrollgruppe nimmt omega-3-haltige Nahrungsmittel zu sich
- Keine Phase I-II Studien zur Pharmakokinetik und –dynamik vorliegend
! Studien verwenden Dosierung, bei der sich keine lineare Dosis-WirkungsBeziehung zeigt
Michael J. James, Thomas R. Sullivan, Robert G. Metcalf and Leslie G. Cleland (2014). Pitfalls in the use of randomised
controlled trials for fish oil studies with cardiac patients. British Journal of Nutrition, 112, pp 812-820. doi:10.1017/
S0007114514001408.
› 
Psychosoziale Interventionen oder Pflege:
- keine ausreichende Standardisierung der Intervention möglich
- Verblindung problematisch
Bottomley A: To randomise or not to randomise: methodological pitfalls of the RCT design in psychosocial intervention
studies. Eur J Cancer Care (Engl). 1997 Sep;6(3):222-30.
Carolyn Hicks, Nurse Researcher. 6, 1, 19-32
› 
Operationen
- Verblindung problematisch
© Franz Hessel
RCTs sind nicht möglich (?)
› 
Rehabilitiationsmaßnahmen von RV („Kur“)
- Gesetzlicher Anspruch auf Reha
› 
Biomarker
- zuvor als wirksam bewiesene Therapie kann nicht vorenthalten werden
› 
Gesundheitsökonomische Untersuchungen
- zuvor als wirksam bewiesene Therapie kann nicht vorenthalten werden
GRUNDSATZPROBLEME RCTs DURCHZUFÜHREN
›  Ethische Gründe sprechen gegen Randomisierung
›  Persönliche Haltung der Patienten (z.B. bei alternativen Heilmethoden)
›  Finanzierungsprobleme (z.B. Diagnostik)
›  Rekrutierung
- seltene Erkrankungen (z.B. auch bei genetischer Stratifizierung)
- Teilnehmer nicht in der Lage ihr Einverständnis zu Rx zu geben
© Franz Hessel
Research - Practice – Gap
Abbildung der Routineversorgung
› 
Die aus Zulassungssicht sinnvolle Forderung nach bias-minimierten RCTs
bildet nur zufällig die für die Routineversorgung – und damit für GKVErstattungsentscheidungen relevanten – Fragestellungen ab.
› 
Herausforderungen hinsichtlich:
- Vergleichstherapie
- praktische Durchführung der Intervention im Routinebetrieb (z.B. Setting)
- Indikation bzw. Patientenpopulation (z.B. Kinder, Ethnien...)
- Ko-Morbidität
- Multi-Medikation
und vieles mehr
› 
Unabhängig davon, ob die Durchführung einer bias-minimierten RCT
prinzipiell möglich ist, erscheint es unmöglich für alle für den
Versorgungsalltag oft entscheidenden Fragestellungen neue RCTs
durchzuführen.
© Franz Hessel
Was nun ?
Der Versuch eines Ausblicks
› 
RCTs sind nicht zu ersetzen und sollten, wenn immer möglich,
durchgeführt werden.
› 
Abgeben der Verantwortung im Sinne von Abwarten ob valide RCTs
irgendwann vorliegen, ist in meinen Augen keine gute Lösung.
Es besteht die Gefahr nutzenstiftenden Verfahren aus methodischem
Dogmatismus den Zugang zur Patientenversorgung zu verweigern.
MÖGLICHER WEG:
› 
Einfordern „guter RCTS“ kombiniert mit einem verantwortungsvollen
Zurück zu Archie Cochrane‘s „Best available evicence“ ?
› 
Bewusste, strengen Regeln folgende Öffnung der akzeptierten Evidenz
auch für nicht-randomisierten Studiendesign bei Forschungsfragen, für
die keine oder keine Bias-freien RCTs möglich sind ?
› 
Genaue Definition der versorgungsrelevanten Fragestellungen und
darauf abgestimmte evidenzhierarchisch optimalen Studiendesigns
© Franz Hessel
Ein paar Zitate…
© Franz Hessel
Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit !
[email protected]
© Franz Hessel