Naturgarten Das Weidentor als Eingangsportal in den Garten. WEIDEN SCHAFFEN KLEINE WELTEN Der Maschendrahtzaun wurde entfernt und durch einen lebendigen Weidenzaun ersetzt. 42 Bioterra 3/2012 Mit Weiden kann man im Garten Räume gestalten – in doppeltem Sinn: Weidenwände sorgen für Nischen, wodurch ein kleiner Garten grösser und ein weitläufiger spannender wirkt. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie bei der Gestaltung mit Weiden achten müssen und wie die Gebilde zu pflegen sind. Naturgarten Von Peter Richard Als kleiner Bub half ich meinem Vater oft, Stecklinge und Steckhölzer zu schneiden und in vorbereitete Frühbeete zu stecken. Die Arbeit mit dem lebendigen Pflanzenmaterial hinterliess immer ein gutes Gefühl bei mir. Aufmerksam verfolgte ich die Stecklinge fast täglich in der Baumschule und konnte kaum warten, bis die ersten Knospen sprossen. Immer waren es die Weidenstecklinge, die zuerst austrieben. Schon nach wenigen Wochen wuchsen aus den scheinbar toten Stängeln neue Pflanzen heran. Und nach einigen Wochen waren die Austriebe gar so lang, dass sie zurückgestutzt werden mussten. Dann holten wir die bewurzelten Steckhölzer aus dem Beet und pflanzten die Sprösslinge in Reihen in die Baumschule. So konnte ich mitverfolgen, wie aus einem Weidensteckholz innerhalb von zwei bis drei Jahren ein stattlicher Strauch wuchs. Die Arbeit mit Weiden birgt etwas zutiefst Befriedigendes. Es beginnt mit der Weidenernte, vorzugsweise nach dem Blattfall im Spätherbst oder im Winter. An einem schön kalten, sonnigen Wintertag an einem Bachbord die feinen Ruten zu schneiden, anschliessend zu bündeln und für die Weiterverarbeitung vorzubereiten, ist eine wunderbare Arbeit. Weidenzweige eignen sich besonders gut, weil sie schön biegsam sind. Auch Hasel, Esche, Hartriegel oder Erle können für Flechtwände im Garten verwendet werden. Geflochtene Sichtschutzwände, Raumteiler, Rankwände, gar Lauben und Pavillons lassen sich aus den flexiblen Ruten binden und flechten. Im Handumdrehen entstehen intime Gartenzimmer, lauschige Nischen und verborgene, stille Orte im Garten – ganz und gar ohne Bagger und grossen Bauaufwand! Tatsächlich trifft dies für einfachere Gestaltungselemente zu. Wer sich allerdings an grössere Vorhaben wagen möchte, sollte sich auf jeden Fall Hilfe bei einer Fachperson holen, sei dies in der Planung oder beim Bau von Weidenbauten. ETWAS KOPFARBEIT MUSS SEIN Bevor wir mit der Weidenernte beginnen, braucht es eine Vision, wie unser Garten aussehen soll; ein Konzept, das unsere Vorstellungen und Bedürfnisse auf den Punkt bringt. Die Idee für einen Garten entsteht immer im Kopf: Es sind Wünsche, Träume, Bilder, Assoziationen, die im besten Fall zu einem guten Gartenkonzept führen. Das Gestaltungskonzept zeigt die räumliche und formale Struktur eines Gartens auf. Die verschiedenen «Gartenzimmer» sind eine logische Entwicklung aus dem Ort, den klein-kli- Nach einigen Jahren übernimmt eine Klematis die ehemalige Funktion der Weidenruten. Senkrecht eingeflochtene Astruten in eine Metallkonstruktion. matischen Verhältnissen, den Wünschen und Vorstellungen der zukünftigen Benutzer und dem vorhandenen Zeitund Geldbudget. In naturnahen Gärten verwenden wir regionale, möglichst naturbelassene Materialien. Wir setzen vorwiegend heimische Pflanzen und schaffen damit die Grundlage für eine gewisse Dynamik und Entwicklung. Das Gartenkonzept ist die Basis für einen reichen und schönen Garten. Professionelle Hilfe in diesem Bereich ist ratsam. So bekommt die Bauherrschaft für einen bescheidenen Aufwand einen guten Plan geliefert. LEBENDI G E BAU TEN Welche Weidenarten eignen sich? Purpur-Weide Salix purpurea, Korb-Weide Salix viminalis, Grau-Weide Salix cinerea, Reif-Weide Salix daphnoides, Silber-Weide Salix alba, Bruch-Weide Salix fragilis, Lavendel-Weide Salix elaeagnos. Für Gestaltungselemente mit totem Astmaterial eignen sich alle heimischen Weidenarten, ausserdem Hasel, Hartriegel, Esche, Berg- und Spitzahorn, Erle. Fotos: Peter Richard MUT ZU KLAREN FORMEN Dem Naturgarten haftet leider das Klischee eines amorph gestalteten, unförmigen Etwas an. Eine unmotivierte Aneinanderreihung von verschiedenen Biotopen ohne formales Konzept. Diese Vorstellung ist aus den Köpfen kaum zu verbannen. Die Form des Gartens bringt nicht weniger, sondern noch mehr Natur in den Garten. Die Form ist der Ausdruck des Gestalters, der Stempel des Erfinders und sagt nichts über die Natürlichkeit eines Gartens aus. Ein streng geometrisch gestalteter Platz mit einem durchlässigen Belag und an den Rändern verwachsenen Bereichen bioterra 3/2012 43 Naturgarten Zaun aus lebenden Weidenruten. Weidenpavillon und als Grundstruktur eine Metallrohrkonstruktion. MI T W EIDEN GARTENRÄUME GESTALTEN Naturgarten-Fachbetriebe von Bioterra beraten Sie gerne! Über 40 Naturgarten-Fachbetriebe von Bioterra planen, gestalten und pflegen naturnahe Gärten. Wenden Sie sich an diese Experten, sei es für die Umgestaltung Ihres Gartens, für den Bau einer Trockenmauer oder für die Bepflanzung mit einheimischen Wildblumen. Die Adressen finden Sie unter www.bioterra.ch/Betriebe/Fachbetriebe Naturgarten. 44 Bioterra 3/2012 ist genau so naturnah wie ein Platz, der geschwungen gestaltet wird. Im Gegenteil: Naturformen nachzuahmen, wirkt oft künstlicher, als wenn die Natur über Jahre selber ihre Form «gestalten» kann – durch die Dynamik der Bepflanzung und die entsprechende Naturgartenpflege. Räumliche Gestaltung bedeutet, den ganzen Gartenraum, das Grundstück, in verschiedene Räume aufzuteilen, analog der Aufteilung in einem Haus in Wohn- und Esszimmer, Schlafzimmer und Küche. Besonders für kleine Gärten ist diese räumliche Aufteilung sehr wichtig, weil so gefühlsmässig mehr Raum entsteht und der Garten spannender wirkt. Die «Wände» zwischen den einzelnen Zimmern werden je nach Funktion sehr unterschiedlich ausfallen. Ein Strauch reicht oft, um in einem kleinen Garten eine Nische davor und dahinter zu schaffen. Flecht- oder Rankwände können unliebsame Blicke vom Nachbarn abhalten. Eine Laube oder ein Baumdach schützt vor Sonne, Wind und Einblick. LEBENDIGE WEIDENBAUTEN Die Regenerationsfähigkeit der Weide ist eine ihrer hervorragenden Eigenschaften für die Verwendung im Garten. Man braucht ein Stück Weidenholz nur in den Boden zu stecken, und schon wächst ein neuer Baum oder Strauch heran. Wer den richtigen Ort dafür findet – Weiden sind Sonnenanbeter – und genügend Geduld und Zeit mitbringt, kann durchaus mit Weidenstecklingen beginnen. Meistens sind die Weidenhäuser, die für kleine Kinder gesteckt wurden, verwaist, wenn sie zur vollen Grösse herangewachsen sind, weil die Kinder in der Zwischenzeit das Gymnasium besuchen und andere Interessen verfolgen in ihrer Freizeit. Etwas schneller geht es mit Flechtwänden aus gesteckten Weiden. Nach vier bis fünf Jahren sind sie so gross, dass sie bereits Sichtschutz übernehmen können. Für Weidenhäuser oder Pergolen empfiehlt sich der Bau mit vorgefertigten Bündeln aus dicken Weiden, die zu einer Kuppel zusammengefügt werden und mit dem ersten Austrieb bereits schon etwas Sicht- und Lichtschutz bieten. Für solche Weidenbauten sollte man sich einen Fachmann holen. Nicht zu unterschätzen ist die Pflege von lebendigen Weidenbauten. Unansehnliche, verwucherte Weidenbüschel, die kaum mehr zu identifizieren sind als Laube oder Gartenhaus, sind oft das Resultat. Lebendige Weidenbauten, also auch Sichtschutzwände, müssen jährlich geschnitten werden. Seitenäste werden teilweise in die Wände oder die Kuppeln eingeflochten, damit sie auch nach 10 Jahren noch schön dastehen. GESTALTUNG MIT TOTEM ASTMATERIAL Unter Bauten aus totem Astmaterial versteht man Wände, Lauben oder Zäune, die aus Ästen gebaut werden, die nach dem Verarbeiten nicht austreiben. Besonders als Raumteiler oder als Sichtschutz sind Flechtwände sehr beliebt. Ganz einfach, mit senkrecht eingeschlagenen Holzpfosten, die dann verflochten werden, lassen sich zum Beispiel archaische Weidenzäune bauen. Anspruchsvollere, in der Regel auch feinere Flechtwände brauchen eine Stütze in Form eines Netzes. Ein Armierungsnetz bietet eine wunderbare Netzstruktur. An senkrechten Metallpfosten befestigt, können Flechtwände auch auf kleinstem Raum ge- Fotos: Peter Richard Naturgarten baut werden. Je nach Maschenweite des Netzes wird die Flechtwand feiner oder gröber. Für feinere Flechtwände eignen sich allerdings nur dünne Ruten. Das bedeutet einen erheblichen Aufwand zum Aussortieren. Zudem sind fein gewobene Wände auch zum Einflechten viel aufwendiger. Übrigens eine schöne Winterarbeit, wenn es nicht gerade frostig kalt ist! Flechtzäune aus totem Astmaterial halten in der Regel fünf bis acht Jahre. Danach müssen die Ruten ausgetauscht werden. Wem das zu viel Aufwand ist, pflanzt einfach nach dem Einflechten geeignete Kletterpflanzen an die Flechtwand. Clematis-Arten, Geissblatt, Zaunrübe, Efeu, Hopfen oder Bittersüsser Nachtschatten übernehmen dann nach einigen Jahren die Funktion der Weidenruten. Ist die Wand richtig zugewachsen, können die sich zersetzenden Weiden in der Wand belassen werden. So entsteht ganz nebenbei ein wunderbares Kleinbiotop für Insekten und Vögel. Gartenbauten aus totem Astmaterial sind in der Regel etwas aufwendiger in der Erstellung, aber deutlich pflegeleichter als lebendige Bauten. Ausserdem bieten sie mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Flechtwände können vertikal, horizontal oder in freien Formen geflochten werden. Unterschiedliche Flechtdichten ergeben verschiedene Lichtund Schatteneffekte. Es lassen sich Fenster in unterschiedlichen Formen ausbilden, die Durchblicke in andere Gartenbereiche oder in die Landschaft ermöglichen. Mit mobilen Flechtwänden kann man einen intimen Gartenbereich schaffen.
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