Sind wir bei Trost? - wtb

„Sind wir bei Trost?“ zur Jahreslosung 2016, Jes 66, 13a ‐ Reihe „Anders lesen“ wtb. Eine Dienstleistung der Evangelisch‐reformierten Landeskirchen. www.wtb.ref.ch „Sind wir bei Trost?“ Material zur Jahreslosung 2016, Jes 66, 13a Aus der Reihe: Anders lesen Zu diesem Material Der vorgeschlagene Umgang mit der Jahreslosung lebt von einer doppelten, sich verschränkenden Sichtweise auf den Text. Wir lesen den Text biblisch orientiert mit dem Fokus, ihn verstehen zu wollen und zugleich spirituell suchend, als die, die sich von diesem Text ausrichten lassen wollen auf unserem Weg durch das Jahr. Beide Sichtweisen wollen miteinander in einen Dialog treten. Sie ergänzen sich. Wir nehmen zum einen ernst, dass der Text vor sehr langer Zeit von bestimmten Menschen an bestimmte Menschen in einer bestimmten Situation gerichtet worden ist. Was wollte der Text damals sagen, das so wichtig ist, dass es die Zeit überdauern konnte? Um welche Gottesbeziehungen, Haltungen, Werte ging – und geht – es? Danach zu fragen, bewahrt uns womöglich davor, die Bibel für eigene Zwecke zurechtzubiegen. Dabei wollen wir den Text beim Wort, aber nicht wörtlich nehmen Zum anderen wollen wir eine Verbindung zwischen dem eigenen privaten und gesellschaftlichen Leben und diesem Losungstext aufdecken und finden. Wir gehen davon aus, dass die Worte der Bibel unser Leben ausrichten. Ein Bibeltext ist in unserem Verständnis immer zugleich auch Wort Gottes, also Evangelium und Gesetz für uns, kritisiert uns und lädt uns zugleich ein, uns in Bezug auf das Thema in unserem Leben anfragen und nach uns fragen zu lassen. In unserem Konzept geht es nicht darum, diese Dimension allen Anwesenden, die eine Auseinandersetzung mit dem Text suchen, zu unterstellen, sondern bewusst mit ihr zu rechnen. Fulbert Steffensky hat Spiritualität einmal als „gerichtete Aufmerksamkeit“ übersetzt. Wir rechnen damit und bieten an, die Bibel als spirituelle Lehrerin zu lesen. Nach unserer Erfahrung gibt es in jedem Bibellesen den Bezug zu persönlichem Glauben und Zweifeln. In jedem Bibellesen begegnet uns der von Einzelpersonen hergestellte Bezug zu persönlichen Überzeugungen und Konzepten. Die im gemeinsamen Lesen immer drängender werdende Frage für uns ist, wie wir die Offenheit behalten, dass wir in den Texten nicht nur lesen, was wir selbst bereits zu wissen meinen, sondern auch, was uns neu ansprechen kann. Es ist unsere dezidierte Absicht, diese Art der Nachhaltigkeit des Lesens zu vergrössern. Wir bieten darum in unseren Verlaufsskizzen verschiedene Erlebnisebenen und Diskussionsebenen für das Thema des Textes an. Seien Sie mit uns abenteuerlustig, probieren Sie die Vorschläge aus und schreiben Sie uns, wie Sie diese Herangehensweise gefunden haben! Angela Wäffler‐Boveland, Brigitte Becker S. 1 „Sind wir bei Trost?“ zur Jahreslosung 2016, Jes 66, 13a ‐ Reihe „Anders lesen“ wtb. Eine Dienstleistung der Evangelisch‐reformierten Landeskirchen. www.wtb.ref.ch Verlauf Zeit 15’ Was 1. Ankommen womit Begrüssung Gruppe: Vorstellungsrunde Ablauf 25’ 15’ 2. Einstimmen EA: Mindmaps zu „Trost“ und „Mutter“ Flipcharts, Stifte PL: Gespräch über die Mindmaps Text lesen und in die Kreismitte legen 3. Vertiefen Bibel Textblätter 3.1 Trost: GA: welche Trostgeschichten kommen uns in den Sinn? (eigene, literarische, …) erzählen und an den konkreten Beispielen ausloten, ob Trost ein soziales Gefälle nötig hat: Gibt es Trost in gleichwertigen Beziehungen oder nur in Hierarchien? 15’ Input zu Trost: ergänzende Informationen Begriffsklärung: Wortbedeutung und Gesamtbiblischer Gebrauch: wo kommt Trost vor? Wie kommt Trost vor? Perspektive der Hoffnung; Schmerz vergeht Was ist echter Trost? Wie wirkt er? Wo braucht es Trost? Welchen Trost brauche ich?  Überschuss aus der Bibel: Lebensperspektive S. 2 „Sind wir bei Trost?“ zur Jahreslosung 2016, Jes 66, 13a ‐ Reihe „Anders lesen“ wtb. Eine Dienstleistung der Evangelisch‐reformierten Landeskirchen. www.wtb.ref.ch 5’ Sind wir bei Trost? PA: gemeinsam eine Übersetzung ins Schweizerdeutsch formulieren: was heisst „bei Trost sein“? 15’ PL: offene Debatte: Gesellschaftlich abgrenzende Formulierung Was hat Trost mit Vernunft zu tun? Mit Masshalten? (nicht über die Stränge schlagen)  Woher kommt die Redewendung? 10’ EA: tapen: wie ist denn ein Mensch, der bei Trost ist Tape‐Rollen für alle 20’ Pause 15’ 3.2 Mutter: Informationen auf theologischer Ebene: Mutter‐Konzepte bei Jesaja; historisch‐religiöser Kontext Barmherzigkeit – Gebärmutter (Barm‐Uterus) Rächäm und Rachamin Bilder zu Aschera, Beziehungsebenen/ Beziehungsqualitäten Unbedingt – bedingungslos Gottesbilder: metaphorische Gottesrede Nicht Mutter‐ sondern Gotteserfahrung Nicht idealisierte und emotionalisierte Mütterlichkeit Nicht Geburtlichkeit  Wir reden nicht über unsere Mütter sondern über Gottes Barmherzigkeit S. 3 „Sind wir bei Trost?“ zur Jahreslosung 2016, Jes 66, 13a ‐ Reihe „Anders lesen“ wtb. Eine Dienstleistung der Evangelisch‐reformierten Landeskirchen. www.wtb.ref.ch 10’ 4. Umsetzen Soziometrische Aufstellung (und je Stimmen einholen): Wozu verlockt der Vers? Welche Handlungs‐Impulse gibt er? ‐
passiv / empfangend – aktiv / mitteilend ‐
kollektiv – individuell ‐
Zuspruch und Anspruch Haltung einüben: sich darauf ausrichten Trösten als Handeln 15’ 15’ 5’ 5. Weitergehen Vier Workshop‐Inseln: Jes 66,13b selbst übersetzen ‐
Lebendige Skulpturen ‐
Bilder aus Elektrodraht ‐
Papier zum reissen ‐
Sprache am Text Ergebnisse würdigen, kommentieren 6. Abschluss Wort zum Mitnehmen: Leitvers für das Jahr 2016 Karten mit Jes 66,13a und Platz für eigenen Satz dazu Elektrodraht; farbiges Papier; Textkarten S. 4 „Sind wir bei Trost?“ zur Jahreslosung 2016, Jes 66, 13a ‐ Reihe „Anders lesen“ wtb. Eine Dienstleistung der Evangelisch‐reformierten Landeskirchen. www.wtb.ref.ch Informationen zu „Trost“ Trost empfängt ein Mensch für seelischen oder körperlichen Schmerz, häufig in der Trauer. Er kann ausgedrückt werden durch Worte, Gesten oder Berührungen. Danach sind wir „getröstet“. Wir sprechen aber auch vom Trostpflaster, dem „sich mit etwas (oder jemanden) trösten“ und davon, jemanden zu vertrösten. Neben dem Trostvorgang sind so in der Sprache Worte präsent, die zeigen, dass nicht immer wirklich Trost geschieht, Trost ist ein Geschehen, das nicht gelingen muss. Bis ins Mittelalter war das deutsche Wort Trost ein umgangssprachlicher eher rechtlich gemeinter Begriff, der „Treue zu etwas“ und „jemanden trauen“ bedeutete. Erst durch christliche Missionare, die das Wort als Synonym für das lateinische „cosulatio“ verwendeten, bekam er dann eine Bedeutung, die mit dem Inneren des Menschen mehr verbunden ist. Heute ist wer „getröstet“ ist, einer, der eine „innere Festigkeit“ erlangt. Wer „nicht bei Trost“ ist, ist darum einer, dem diese Festigkeit fehlt. Im AT ist „Trost“ durch die Bücher hindurch etwas, was Menschen bei Gott finden (z.B. Ps 73, 26), bzw. etwas, was Gott direkt tut, wie in unserem vorliegenden Losungstext. In ihm ist auch deutlich, wie stark die Perspektive der Hoffnung mit dem Trost zusammen kommt: 13b, der Versteil, der der Auswahl der Jahreslosung fehlt, nimmt noch einmal das Wort „trösten“ (nacham) auf, um es mit Jerusalem zu verknüpfen. „Wie eine Mutter tröstet, so will ich euch trösten und an Jerusalem sollt ihr getröstet sein“. So geschieht der Trost von Gott häufig durch eine konkrete Hoffnung, die in diesem dritten Teil des Jesajabuches eine massgebliche Rolle spielt, die Zusage der Rückkehr aus dem Exil nach Jerusalem. Die Erfahrung des Trostes kann aber schon in der Gegenwart Gottes liegen (dein Stecken und Stab trösten mich, Psalm 23,4), „Trost“ kann selbst ein Name Gottes sein (Jer 14, 8 u.ö.) Im NT ist der Heilige Geist, Paraklet, wörtlich der „Herbeigerufene“ mit dieser Hoffnung gebenden und tröstenden Kraft die Erfahrung der Menschen. Von ihm ist vor allem im Johannesevangelium die Rede (Joh 14, 16; 15,26 u.ö.). Ihn hat Luther mit „Tröster“, Zwingli aber mit „Beistand“ (NZB„Fürsprecher“) übersetzt. Dieser den Menschen Beistehende vertritt unsere Bitten (Röm 8). Getröstete sind zugleich fest gemachte Menschen, was die Bibel in gerechter Sprache dazu führt, den Gottesnahmen in Röm 15, 5 (der Gott des Trostes....) zu übersetzen mit „Die Quelle der Kraft stand zu halten“. S. 5 „Sind wir bei Trost?“ zur Jahreslosung 2016, Jes 66, 13a ‐ Reihe „Anders lesen“ wtb. Eine Dienstleistung der Evangelisch‐reformierten Landeskirchen. www.wtb.ref.ch Informationen zu „Mutter“: Die Bibel vergleicht das Verhältnis zwischen Gott und Menschen mit einer verbindlichen, wenn auch nicht krisenfreien Beziehung. Gott begegnet darum mehrheitlich personal, als das göttliche Du, das Beziehung, Verlässlichkeit und Treue zusagt und einlöst. Menschen können nur von Gott reden, indem sie von solchen Begegnungen erzählen: persönlich betroffen oder literarisch oder vom Hörensagen. Dabei entstehen viele verschiedene Bilder von Gott, die solche Begegnungen auf den Punkt bringen wollen. Viele dieser Bilder sind männlich besetzt. Doch im Buch Jesaja begegnet Gott überraschend häufig mütterlich (Jes 7,14; 9,5; 37,3; 49,15 und öfter), verbunden mit Barmherzigkeit und Erbarmen. Auffällig ist, dass Gott von sich selber im Jesajabuch weiblich‐barmherzig spricht: nicht in kriegerischen Bilder, nicht herrschaftlich und erhaben, sondern in herzlicher Verbundenheit. Wo Gott barmherzig erscheint, ergeben sich weibliche Vorstellungen. Gleichzeitig vermeidet Jesaja durch vorsichtige, manchmal sogar umständliche Formulierungen, dass Gott z.B. mit der kanaanitischen Muttergottheit Aschera* verwechselt wird. Sprachlich sind Barmherzigkeit und Mutterleib eng mit einander verbunden: Das hebräische Wort rächäm (Mutterleib; Gebärmutter, Uterus) hat im Plural rachamin (Barmherzigkeit, Grossherzigkeit, Mitgefühl) eine erweiterte Bedeutung, die den engen Rahmen von Mütterlichkeitsideologien sprengt. Es geht bei dem Stammwort, das Mutterleib und liebende Barmherzigkeit umfasst, weniger um idealisierte und emotionale Mutterbeziehungen oder um die eigene Geburtlichkeit, als um eine Haltung der unbedingten und bedingungslosen Empathie Gottes. Mit Barmherzigkeit verbunden ist jedoch weniger das Gefühl des Erbarmens, des Bedauerns oder des Leidtuns, angesichts katastrophaler Umstände, als vielmehr eine Haltung zugewandter Anteilnahme, die sich in jeder Situation tatkräftig erweist. Das Verb racham (liebhaben) weist auf eine stabile Beziehung zwischen Gott und seinem Volk. Mit Barmherzigkeit beginnt – wie in einem Geburtsvorgang – etwas völlig Neues, das für alle Beteiligten mit Anstrengung bis zur Erschöpfung verbunden ist, zugleich jedoch ein Ziel in Aussicht stellt, das das Leben hoffnungsvoll und erfüllt in Gottes Gegenwart erscheinen lässt. Nicht zufällig verwendet die Bibel das Wort „Barmherzigkeit“ in einem Atemzug mit Recht, Gerechtigkeit und Gnade. Der Profet Jona empört sich geradezu über diese barmherzige Seite Gottes (Jona 4,2), während Jesus in der Bergpredigt die Barmherzigen „selig“, nämlich zu Gott gehörend, nennt. Im Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner werden die Zuhörenden herausgefordert, sich mit dieser Haltung der Barmherzigkeit zu identifizieren – bedingungslos und besonders dann, wenn der andere Mensch fremd, bedürftig und untröstlich ist. Damit wird klar, dass diese Haltung der mütterlichen Zuwendung nicht allein Gott und den Frauen vorbehalten bleibt, sondern auch allen Männern gut ansteht. S. 6 „Sind wir bei Trost?“ zur Jahreslosung 2016, Jes 66, 13a ‐ Reihe „Anders lesen“ wtb. Eine Dienstleistung der Evangelisch‐reformierten Landeskirchen. www.wtb.ref.ch Der untere Teil solcher Pfeilerfiguren wurde von Hand geformt, der obere aus dem Model gepresst. Die Figur repräsentiert wahrscheinlich die aus der Bibel bekannte Aschera. Im 8./7. Jh. v. Chr. gab es sie in fast jedem judäischen Haushalt. Sie verkörpert in erster Linie den Segen der Brüste (Gen 49,25), aber auch das freundliche Antlitz der Gottheit (vgl. Num 6,24‐26). Terrakotta; H. 16 cm; Palästina/Israel; 8./7. Jh. v. Chr.; VFig 1998.3. http://www.bible‐orient‐
museum.ch/old/sammlungen/gattung/_seiten/gattung_tonf
igur_de.php
Quelle (eingefügt im Oktober 2015) Asherah was the name of a Canaanite goddess. Part of the Canaanite pantheon, she became in Semitic mythology, a mother goddess. Her name is attested to in a number of ancient Near Eastern sources including the Khirbet el‐Qom and Kuntillet Ajrud inscriptions, where the phrase ‘YHVH (and) his asherah’ is detected. The Bible mentions her at least forty times. https://www.pinterest.com/pin/364439794817692455/ Quelle (eingefügt im Oktober 2015) Lit: Matthias Krieg ua, vertieft. Das Seminar zur Zürcher Bibel; Zürich 2007, S. 158ff S. 7