MANZ · INTERN] Porträt des Monats: Das Verwaltungsgericht Wien in der Muthgasse im 19. Bezirk ist ein schmuckloser Bau, das Innere zweckmäßig. Wer in den Gerichtsbereich will, muss eine bewachte Sicherheitsschleuse passieren. „Riegel B“ heißt der Trakt, in dem sich das Büro des Präsidenten Dieter Kolonovits befindet. Seit seiner Ernennung im Mai 2013 kümmert er sich darum, dass die 83 Richter und 28 Rechtspfleger trotz der vielen Umstrukturierungen ihrer Arbeit nachgehen können. „Richter und Richterinnen sind in der Ausübung ihres Amtes unabhängig, Respekt konnte ich mir durch fachliche Kompetenz und ein gemeinsames Arbeitsethos verschaffen“, sagt er. Dass er eines Tages den Richterberuf ergreifen würde, hat sich schon früh abgezeichnet. Kolonovits, am 30. August 1969 als Sohn von Burgenlandkroaten in Oberwart geboren, hat schon als Gymnasiast seine Hausübungen im Gerichtssaal gemacht. Sein Vater war Justizbeamter in Oberwart, sein Sohn holte ihn oft ab und musste warten. „Den Alltag im Gericht habe ich früh mitbekommen“, sagt er. Die Schule absolvierte er engagiert, über Jahre als Klassensprecher. Seiner pazifistischen Biologielehrerin und den vielen Diskussionen über den Sinn des Wehrdienstes hat er es zu verdanken, dass er sich 1987 für ein Jahr freiwillig zum Bundesheer meldete. Abgesehen davon, dass er dort den Sport für sich entdeckt hat, lernte er auch, was Teamgeist bedeutet, sagt er heute. 1988 übersiedelte er nach Wien und inskribierte an der Fakultät für Rechtswissenschaften. An der Universität sollte ihn Robert Walter maßgeblich prägen. „Seine klaren Standpunkte, seine Streitbarkeit und seine glänzende Argumentation habe ich immer bewundert“, erinnert er sich. Walter „entdeckte“ Dieter Kolonovits in einem Dissertantenseminar und bot ihm 1993 eine Assistentenstelle an. Bevor er sie annahm, verbrachte er ein Jahr als Fulbright-Stipendiat in New York, um sich mit dem Case-Law-System auseinanderzusetzen. Dass die Bibliotheken der Universitäten dort bis drei Uhr früh geöffnet haben, ist nur einer von vielen Gründen, warum er ein „Big Apple-Fan“ ist. Zurück in Wien begann er an der Universität zu arbeiten, machte das Gerichtsjahr und trieb seine Dissertation voran. Walter involvierte den jungen Assistenten auch als Autor für den „Grundriss zum österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht“. Seit Oktober 2014 hat Dieter Kolonovits gemeinsam mit Gerhard Muzak R E C H T A K T U E L L # 0 5 | M a i 2 015 und Karl Stöger die Verantwortung für das als „Walter/ Mayer“ bekannte Standardwerk vollständig übernommen. Für Kolonovits ein Vermächtnis, das er auch als Präsident des Verwaltungsgerichts weiterführt. Dass er von der Universität in den Richterberuf wechseln würde, darüber dachte er die ersten 20 Jahre seiner akademischen Karriere nur manchmal nach. Einmal bei der Promotion, als Walter ihm ein handsigniertes Exemplar seiner Habilitation „Verfassung und Gerichtsbarkeit“ aus dem Jahre 1960 schenkte. 1999 habilitierte sich Kolonovits selbst im Verfassungs- und Verwaltungsrecht, engagierte sich als Experte in den kontroversen Diskussionen der damaligen Zeit, wenn es im Ortstafelkonflikt um die Rechte von Minderheiten ging, oder in rechtsdogmatischen Fragen der NSWiedergutmachung. 2002/03 verbrachte er während der Schüssel/Haider-Regierung im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts, wurde als Experte in den Europarat gewählt. Kolonovits engagierte sich aber auch in der Lehre, nahm eine rege Gutachtertätigkeit auf und nahm weiter öffentlich in politischen Diskussionen Stellung, wenn er als Experte darum gebeten wurde. „Es ist Teil des Jobs eines unabhängigen Wissenschaftlers“, sagt er. 2013 schließlich kam der berufliche Umstieg ins Verwaltungsgericht, ein Schritt, mit dem er sich sehr wohl fühlt. Seit Kurzem hat er nun auch wieder mehr Zeit für seine beiden Kinder. Zusammen mit seiner Frau – sie ist ebenfalls Juristin – verbringt die Familie gerne Zeit in den Bergen beim Wandern. © FotoWilke – Mediendienst.com Verfassung und Selbstverständnis Dieter Kolonovits DIETER KOLONOVITS ist einer der renommiertesten Verfassungsrechtler des Landes. Der MANZ-Autor hat seinen beruf lichen Fokus von der Universität auf den Richterberuf gelegt. „Den Alltag im Gericht habe ich früh mitbekommen“ Aktuell begleitet Kolonovits seinen Sohn, der in einem Verein spielt, jedes Wochenende auf den Fußballplatz. „Ich war ja eher ein bequemes Kind“, meint er. Eines hat er seinen Kindern weiter voraus: Dieter Kolonovits wurde zweisprachig erzogen, „meine Kinder verstehen nur ein bisschen Kroatisch, sie sind eben Wiener“, sagt er und freut sich aber trotzdem, wenn sie den Großeltern im Burgenland „Guten Appetit“ und „Gute Nacht“ in seiner zweiten Muttersprache wünschen. Karin Pollack 13
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