Zerspanung 2.0

Verarbeitung
SSAKE Knebel
Zerspanung 2.0
Werkzeuginnovation bringt Späne schnellstmöglich an die Luft
AKE Knebel hat auf der Ligna eine neue Generation von Zerspanungswerkzeugen präsentiert. Optimierter Spanabfluss verbessert Oberflächenqualität, Standzeit und die Leistungsaufnahme.
B Hannes Plackner P Metamob (4), Hannes Plackner
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Wer vergangene Woche die Ligna auf der Suche nach echten Innovationen durchstreifte,
blieb hoffentlich am Stand von AKE Knebel
stehen. Der Baden-Württemberger Werkzeughersteller stellte eine Reihe neuer Produkte vor. Das Motto lautete wenig bescheiden: „Zerspanung 2.0 – vergiss alles, was du
bislang über Zerspanung wusstest.“
Tatsächlich stellen AKE Knebels Werkzeuge die Lehrbücher auf den Kopf. Ausgangspunkt war die Einführung der sogenannten Supersilent-Kreissägeblätter (s.
Holzkurier Heft 35/13, S. 10–11). Das patentierte und mehrfach ausgezeichnete System
hat keinen klassischen Spanraum mehr. Anstatt die Späne vor der Schneide herzuschieben, werden sie seitlich am Sägekörper geführt.
Die
Auswirkungen
davon
beeindrucken. Die Schallenergie sinkt um
99 %, das Blatt schneidet flüsterleise. Gleichzeitig verbesserten sich die Schnittqualität
und die Flexibilität.
Zwei Jahre später hat die Balinger Werkzeugschmiede nicht nur eine größere Säge
mit 35 cm Durchmesser auf den Markt gebracht. Das Prinzip wurde auf Finger- und
Falzfräser ausgeweitet. Zudem wurde die Supersilent – liebevoll Susi genannt – weiterentwickelt. Das waren die Highlights in der
Ligna-Holzwerkstoffhalle 26. Am zweiten
AKE-Stand in der sägewerksdominierten
Halle 27 standen die Distanzringe aus einem
gänzlich neuen Material im Mittelpunkt.
Weg mit dem Span von der Schneide
Grundidee der Zerspanung 2.0 ist es, den
Span möglichst schnell von der Schneide
und dem Werkzeugkörper zu entfernen.
„Der Span soll in den Luftraum gelangen
1Konzeptstudie des Fingerfräsers „2.0“, den
AKE Knebel auf der Ligna vorgestellt hat
2Der optimierte, hakenförmige Spanraum
der Harmony-Fräser lenkt die Späne beim
Schaftfräser nach außen
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3Die Supersilent-Sägeblätter haben keinen
Spanraum, dafür außen einen Chipbelt
4Die vielseitige Solution 2.0 teilt Platten
horizontal mit Höchstgeschwindigkeit im
Fertigschnitt auf
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und dort das tun, was er möchte: sich umgehend entspannen“, erklärte Geschäftsführer
Alexander Knebel am Messestand in Hannover. Für die gängigsten Werkzeugtypen haben die Balinger schon eine Lösung ausgearbeitet. Bei Supersilent-Kreissägen werden
die Späne auf den sogenannten Chipbelt geleitet. Die äußere Zone des Blattkörpers ist
dünner. Polykristalline Diamant-Schneidezähne in T-Shirt-Form lenken den Span nach
innen. Der wird im Chipbelt ohne Mehrfachzerspanung nach außen befördert.
Ein Highlight am Stand war die Konzeptstudie eines spanflussoptimierten Z3-Fingerfräsers. Anders als bisher strömen die
Späne nicht an benachbarten Schneiden
vorbei. Die Partikel landen gleich nach dem
Schnitt in einem spiralförmig verlaufenden
Spanraum. Bevor sie mit einer anderen
Schneide in Kontakt kommen können, entfernen sie sich aufgrund der Fliehkraft aus
dem Werkzeug.
Bei den Fräsern der Harmony-Serie wird
mit ziehendem Schnitt gearbeitet. Hier verwendet AKE Knebel einen strömungsoptimierten Spanraum, der die Holzpartikel
nicht mehr unkontrolliert freigibt. Vielmehr
werden sie um die Folgeschneide herum geführt. Der Anteil der sinnlosen Mehrfachzerspanung sinkt.
Alle erwähnten Werkzeuge besitzen Diamantschneiden, können also mit Erodiermaschinen auch bei beengten Geometrien
geschärft werden. Hartmetallklingen brauchen dagegen Platz für eine Schleifscheibe,
aber auch für solcherart bestückte Kreissägen hat AKE Knebel eine Version 2.0 präsentiert: die „Solution 2.0“. Dieses Hochleistungs-Fertigschnittsägeblatt verfügt über
einen Spanraum und einen Chipbelt. Damit
ist es perfekt für die horizontale Plattenbearbeitung im Fertigschnitt geeignet.
Für vertikalen Plattenzuschnitt, wie etwa
in Baumärkten, entwickelte AKE Knebel eine
abgewandelte Version der Supersilent 3.0.
Selbst bei schlecht gewarteten Maschinen
bringt sie einen sauberen Schnitt.
Weniger spanen, mehr schneiden
Ob Späne vor oder hinter der Schneide abgeführt werden, mag nach technischem Klein-
Die ausgestellten Werkzeuglösungen sorgten am
AKE Knebel-Lignastand für großes Interesse
Geschäftsführer Alexander Knebel präsentiert seine
Werkzeuginnovationen auf der Ligna
kram klingen. Angesichts der Menge an gesägtem und gefrästem
Holz bringen kleine Verbesserungen enorme Einsparungen. AKE
Knebels Innovationen haben das Potenzial, die Holzverarbeitung effizienter und hochwertiger zu machen. Beispiele aus der Praxis:
• Supersilent Universal-Sägeblätter schneiden selbst Holz quer zur
Faser so exakt, dass der Schleifvorgang entfallen kann.
• Dank PKD-Schneiden verarbeiten die Werkzeuge „praktische alle“
Holzwerkstoffe. Rüstzeiten fallen weg.
• Die Oberflächenqualität ist besser. Bei der Livevorführung bei
einem benachbarten CNC-Maschinenhersteller überzeugten sich
die Ligna-Gäste davon. Der 2.0-Fingerfräser hinterließ Flanken
und Nutgrund in einer Multiplexplatte spürbar glatter als ein –
ebenfalls neues – Werkzeug herkömmlicher Machart.
• Wegen geringerer Luftverwirbelungen sind die Werkzeuge deutlich leiser, was den Arbeitskomfort steigert.
• Die Standzeit steigt, da die Klingen nicht mehrfach zerspanen. Aus
der Praxis werden beim Fingerfräser etwa um 70 % längere Wechselintervalle gemeldet.
• Kreissägeblätter sind dünner und verbessern damit die Ausbeute.
200 kg weniger auf der Sägewelle
Weiterentwicklungen zeigte AKE Knebel auch für die Sägewerke. In
Halle 27 stand ein oftmals unterschätztes Element im Mittelpunkt:
der Distanzring, häufig auch Schablone genannt. Seine Aufgabe ist
es, die Sägeblätter auf Distanz zu halten. Typischerweise kommt
Stahl oder Aluminium zum Einsatz. Nun bietet AKE Knebel Distanzringe aus einem Werkstoff, welcher kryptisch mit „Light Technical
Material“ (LTM) umschrieben wird. Anwendungstechniker Wolfgang Lenhart verrät bloß, dass es sich um ein Polymer mit Fasermatten handelt. Ansonsten fällt auf: LTM ist schwarz und leicht. Sogar
gegenüber Aluminium lassen sich damit 40 % an Gewicht einsparen
– bei gleicher Verschleißfestigkeit. Eine voll bestückte Nachschnittwelle, etwa für die Palettenholzproduktion, verschlankt sich gegen-
AKE Knebel
Standort: Balingen (Zentrale), Niederlassungen in Prien/DE, Rietberg/DE, Vertrieb geschieht weltweit
Geschäftsleitung: Alexander Knebel
Mitarbeiter: rund 450
Umsatz: 41 Mio. €/J
Sortiment: Werkzeuge für die Industrie (Holz, Metall,
Kunststoff) sowie für Heim- und Handwerker
Werkzeuge für die Holzindustrie: Kreissägeblätter,
Zerspaner, Bohrungsfräser, Schaftfräser, Bohrer, Messer, Spannsysteme, Diamantwerkzeuge
Auszeichnungen: Industriepreis 2015 – Best Of,
Reddot Award 2014 – Honourable Mention, 1. Platz
beim Ligna Innovationspreis 2013, 1. Platz beim
Woodex Innovationspreis 2013, Hauptpreis beim
VR-InnovationsPreis Mittelstand 2014 (Auswahl)
Anwendungstechniker Wolfgang Lenhart mit dem
Distanzring aus Light Technical Material
über Stahl um über 200 kg. Entsprechend geringer sind die Massen,
die in der unausweichlichen Unwucht auf die Lager drücken. Die
Laufruhe und damit die Schnittqualität sind natürlich ebenfalls besser, wenn bei über 3000 Upm weniger Gewicht an der Welle hängt.
Die Sägewerker interessierten sich zudem für die neuen Wellenschutzfräser. Diese Werkzeuge schützen die Sägewellen vor Stammteilen, typischerweise Wurzelanläufen. Eine weitere AKE Knebel-Innovation war ein Spiralfräser mit nur 10 mm Schnittbreite. Der wird
der Vorschnittsäge vorgeschaltet und räumt ebenfalls überschüssiges
Material weg. Aufgrund der schmalen Schneiden fräst sich das Werkzeug leichtgängiger durchs Holz. Ein Verlangsamen des Vorschubs ist
nicht mehr nötig. Auf Trends bei Sägeblättern angesprochen, nannte
Lenhart zudem Chrombeschichtungen. Das verhindert verbrannte
Blätter. Gleichzeitig wird die Pflege vereinfacht: „Da wischt man nach
der Schicht einfach mit einem Lappen drüber“.
Die über 400 Mitarbeiter von AKE Knebel stellen rund 1800 Werkzeuge pro Tag her. Das Baden-Württemberger Unternehmen hat
keine eigene Entwicklungsabteilung. Trotzdem entstanden in Balingen zahlreiche Innovationen. „Ich sehe immer wieder, dass der Mitbewerb versucht, uns zu kopieren“, meinte Knebel. Keine Frage – als
mittelständiger Werkzeugbauer muss man sich immer weiterentwickeln, um einen Vorsprung zu wahren. Gleichzeitig sind die Kopien
auch eine Art Auszeichnung. „Denn gibt es einen besseren Beleg für
die technische Überlegenheit?“//
Innovationskultur
und Erstausstatter
Seit 55 Jahren werden in Balingen Werkzeuge für Holzverarbeiter erzeugt
AKE Knebel wurde 1960 gegründet. Über die Jahrzehnte wuchs der
Baden-Württemberger Betrieb zu einem führenden Hersteller von
Säge- und Fräswerkzeugen heran. Tochterunternehmen gibt es in
Tschechien, Polen und Rumänien, aber auch in Malaysia, China und
Thailand. Herzstück ist die Produktion in Balingen. Echtes Werkzeugmacherhandwerk verbindet sich dort mit Hightech-Maschinen
zu einer gefragten Werkzeugschmiede. Industrieroboter gibt es dort
ebenso wie Mitarbeiter, welche die Sägeblättspannung mit Hammerschlag perfektionieren.
Die Qualität macht sich bezahlt. Bei den leistungsfähigsten Sägelinien der Welt (etwa Linck oder EWD) werden AKE Knebel-Produkte
als Erstausstattungswerkzeuge verwendet. Großes Renommee haben sich die Balinger bei der Problemlösung erarbeitet. Funktionierten das Sägen oder Fräsen nicht zufriedenstellend, fanden die Experten mit ihrer jahrzehntelanger Erfahrung noch oft eine Lösung.
Bei der Innovation verlässt AKE Knebel die üblichen Wege. Nach der
Vorstellung der Supersilent-Sägen mussten laut einem Hochschulprofessor sogar „die Lehrbücher umgeschrieben werden“. Ein Sägeblatt ohne Spanraum habe es zuvor einfach nicht gegeben.
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