2015 Aufgabe I Plakatentwurf „Ma(h)lzeit“

Abiturprüfung Kunsterziehung (Bayern G 8) 2015
Aufgabe I
Plakatentwurf „Ma(h)lzeit“
Aufgabe mit bildnerisch-praktischem Schwerpunkt
Grafikagentur „Why Sensation – Young British Artists from the Saatchi
Not Associates“:
Collection, 1997, Ausstellungsplakat, Offsetdruck
1. Bildnerisch-praktischer Teil
Ein Galerist organisiert in seinen Räumen eine Ausstellung mit dem
Titel „Ma(h)lzeit“. Er wird Bilder junger Künstler zeigen, die sich mit
dem Thema „Essen“ auseinandersetzen. Zur Vernissage wird eine
Koch-Performance vor den Gemälden stattfinden.
Gestalten Sie für diese Ausstellungseröffnung ein Plakat, das den
Schriftzug „Ma(h)lzeit“ enthält!
a) Ideensammlung und Skizzen
Sammeln Sie zunächst zeichnerisch und/oder malerisch auf einem
großen Blatt Motive, die im Zusammenhang mit den Themenbereichen „Essen / Kochen“ und „Kunst / Kunstschaffen“ stehen! Denken Sie dabei auch an die möglichen Utensilien und Werkzeuge
aus beiden Bereichen! Erproben Sie gegebenenfalls das Entstehen
von malerischen Spuren mit adäquaten Materialien und Arbeitsvorgängen!
Überlegen Sie sich nun, wie aus den Kombinationen von Einzelmotiven aus beiden Bereichen ungewöhnliche Bildideen entstehen!
Visualisieren Sie skizzenhaft geeignete Kombinationen, achten Sie
dabei auf eine große Variationsbreite und eine ansprechende Blattgestaltung!
b) Konzepte zum Plakatentwurf
Entwerfen Sie auf der Grundlage Ihrer Ideensammlung mindestens
drei formal unterschiedliche Plakatvorschläge! Binden Sie bewusst
den Ausstellungstitel „Ma(h)lzeit“ als Schriftzug in das Layout ein
und entwerfen Sie die Schrift sinnfällig!
Die einzelnen kleinformatigen Entwürfe sollen auf einem Zeichenblatt ansprechend präsentiert werden.
c) Plakat „Ma(h)lzeit“
Gestalten Sie auf der Grundlage Ihres wirkungsvollsten, zugkräftigsten Entwurfs ein Plakat für die Ausstellung! Wählen Sie die für
Ihre Ausführung geeigneten bildnerischen Mittel!
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2. Schriftlich-theoretischer Teil
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Vor Ihnen liegt die Abbildung eines Plakates zur Ausstellung „Sensation“ aus dem Jahr 1997. Die legendäre, kontrovers diskutierte Ausstellung versammelte Werke der „Young British Artists“ aus der
Sammlung Saatchi und wurde in London, New York und Berlin gezeigt.
„Young British Artists“ bezeichnet eine in den 90er-Jahren junge Generation zum Teil sehr erfolgreicher britischer Künstler.
a) Plakatanalyse „Sensation“
Schildern Sie zunächst welche Wirkung das Plakat auf Sie ausübt!
Analysieren Sie anschließend die wesentlichen formalen Aspekte
von Motiv und Layout des Plakates!
Bewerten Sie die Qualität des Plakates und begründen Sie Ihr Urteil fundiert!
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b) Kunstgeschichtliche Reflexion
Zeitgenössischen Künstlern wird häufig vorgeworfen, bestimmte
Werke seien nur um der Provokation willen entstanden, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Nehmen Sie Stellung zu der Frage, ob Provokation ein legitimes
und brauchbares Mittel der Kunst ist, um mit dem Betrachter in
Kommunikation zu treten. Binden Sie geeignete Beispiele aus der
Kunstgeschichte anschaulich in Ihre Argumentation ein und ziehen
Sie auch den Vergleich zum Grafikdesign.
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(Summe: 60)
Materialien und Hilfsmittel
Reproduktionen des Plakates „Sensation“
Ton-, Mal- und Zeichenpapiere verschiedener Größen und Stärken bis DIN A2, Bleistifte verschiedener Härtegrade, Zeichenkohle, Zeichenkreide, Bunt- und Filzstifte, Farbkreiden, Flüssigfarben wie
Wasser-, Gouache- oder Acrylfarben, Schere, Cutter, Klebstoff
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Grafikagentur „Why Not Associates“: Sensation – Young British Artists from the Saatchi Collection, 1997,
Ausstellungsplakat, Offsetdruck
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Lösungsvorschläge
2. Schriftlich-theoretischer Teil
a) Plakatanalyse „Sensation“
Das Plakat zeigt eine ausgestreckte Zunge und die Unterseite eines Bügeleisens auf zwei gleichgroßen Fotos übereinander und damit das Nebeneinander zweier nicht-zusammengehöriger Dinge – dazu noch den großen Schriftzug „Sensation“: drei Informationen, deren Zusammenhang sich zunächst nicht
eindeutig erschließt.
Am auffälligsten ist die Zunge, die einem entgegengestreckt wird. Eine unverschämte, freche Geste – wobei die Zungenspitze lang nach unten gezogen ist,
als würde jemand versuchen, an etwas zu schlecken. Die individuellen Unebenheiten und die feuchte, glänzende Oberfläche sind zwar alltäglich, aber
offen gezeigt wirken sie ungewohnt, intim, vielleicht auch ekelhaft. Die Zunge
weckt ganz unterschiedliche Assoziationen: Eine witzige Grimasse, das Nachahmen eines hechelnden Hundes, ein intimes Abschlecken, vielleicht ist sie
Teil einer medizinischen Untersuchung? Darunter befindet sich das Bügeleisen, ein schlichtes, neu erscheinendes Haushaltsgerät auf schwarzem Hintergrund. Die frontal ausgerichtete Unterseite mit der Spitze nach oben wirkt
technisch, sachlich und professionell inszeniert – alles andere als ein Schnappschuss – wie eine Aufnahme eines Designgegenstands oder Kunstwerks.
Wenn man den Blick nicht auf eines der beiden einzelnen Fotos, sondern auf
das Plakat als Ganzes richtet, scheinen sich Zungenspitze und Bügeleisenspitze auf den ersten Blick zu treffen. Diese Stelle ist durch einen roten Punkt gekennzeichnet. Wird am Bügeleisen geschleckt? Ist es etwa sogar heiß?
Schmerz durchfährt einen beim bloßen Gedanken daran – ein Akt der Selbstverletzung, des Masochismus? Symbolisiert der Punkt das schmerzhafte baldige Zusammentreffen, steht er für etwas Gefährliches, Spannendes oder gar
Verbotenes? Ist das die Sensation, die uns das Plakat verheißt? Dieser Begriff
ist auffällig in Großbuchstaben in die Mitte gesetzt, wohl als Ausstellungstitel
für die Werke junger britischer Künstler aus der Sammlung Saatchi, wie es
kleiner darüber zu lesen ist. Das Plakat wirkt streng geordnet, löst aber viele
verschiedene Assoziationen aus und bleibt auch auf den zweiten Blick vieldeutig.
Bei der formalen Analyse fällt auf, dass eine dünne rote Linie waagrecht genau
durch die Mitte verläuft und die Bildfläche in zwei exakt gleich große Hälften
teilt. In beiden liegt jeweils in der horizontalen Mitte nur ein einziges Bildmotiv, oben die Zunge, unten das Bügeleisen. Diese sind in etwa gleich groß,
ihre Form ähnelt jeweils einem schmalen, gleichschenkligen, konvex gewölbten Dreieck, dessen Spitze zur Bildmitte zeigt und dessen Basis parallel zum
nahen, äußeren Bildrand liegt. Die Basis nimmt etwas mehr als ein Drittel der
Bildbreite ein. Die Formen der Hauptmotive zeigen eine eindeutige Richtungstendenz zum Mittelpunkt, aber auch zueinander und erinnern an eine Sanduhr.
Dadurch, dass die beiden Gegenstände horizontal annähernd symmetrisch sind
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