PRAXIS Bild: Manuela Talenta PRAXIS Fussgängerbrücke über die Lorze in Cham Der grosse Calatrava soll eine kleine Brücke bauen Die Gemeinde Cham (ZG) plant eine kleine Fussgängerbrücke über die Lorze. Bauen soll sie niemand geringerer als Stararchitekt Santiago Calatrava. Dass die Werke des Spaniers hin und wieder den Kostenrahmen sprengen oder nicht den Bauvorschriften entsprechen, stört den Gemeinderat nicht. Von Manuela Talenta Sorgloses Cham hatten von Anfang an ein genaues Budget.» Dieses betrug rund 500 000 Franken; Geld, das die Stimmbürger bereits 2013 bewilligt hatten. In zwischen soll die Brücke jedoch 750 000 Franken kosten. Baumann erklärt: «Das ist nur, weil Calatrava uns eine längere Brücke vorschlug, Wir waren selbst etwas als wir es geplant hatten. Statt 14 Meerstaunt, als Calatrava zusagte. ter soll sie nun 24 Meter lang werden.» Doch der Gemeinderat räumt Markus Baumann, ein: «Gut, wahrscheinlich ist auch Verkerhs- und Sicherheitschef der Gemeinde Cham Calatravas Architektur mit ein Grund für die Verteuerung.» Aber auf den bewilligten Kredit habe das k einen Da ist er nicht der einzige. Doch in Anbetracht des Einfluss. Denn die zusätzlichen Kosten würden Rufs des spanischen Stararchitekten: Ist man in vom Bund übernommen respektive dessen Ag Cham denn nicht besorgt, dass das Projekt viel glomerationsfonds. «Wir haben für verschiedene teurer werden könnte als geplant? Baumann winkt Projekte Gelder aus diesem Fonds beantragt und ab. «Darüber machen wir uns keine Sorgen. Wir für die Lorzebrücke eine Zusage bekommen.» ➝ Bild: zvg Dieser Mann soll nun also in der Zentralschweizer Gemeinde Cham eine Fussgängerbrücke über die Lorze bauen. «Wir waren selbst etwas erstaunt, als Calatrava zusagte, nachdem wir eine spontane Anfrage an ihn gestartet hatten», sagt Gemeinderat Markus Baumann. Der Verkehrs- und Sicherheitschef ist selbst Architekt und kennt Calatravas Werke natürlich. «Mir gefällt, was er entwirft.» Bild: zvg K eine Frage: Santiago Calatrava gehört zu den Grossen seiner Gilde. Die Werke des Architekten aus Valencia sind gewagt und stechen aus der Masse hervor. Der Spanier hat schon auf der ganzen Welt gebaut – und seine Spezialität sind Brücken. Calatrava ist aber auch in die Schlagzeilen geraten, weil seine Bauten dann und wann den Kostenrahmen sprengen; und zwar gleich um mehrere Millionen. Auch von Baumängeln an seinen Werken liest man immer wieder. So könnte die Calatrava-Brücke über die Lorze aussehen. Hier soll die Brücke den Fluss überspannen. 20 baublatt Nr. 38, Freitag, 18. September 2015 Nr. 38, Freitag, 18. September 2015 baublatt 21 PRAXIS ich sehr schade», sagt Baumann. Man hoffe weiter. Unvorhergesehene Mehrkosten Was die Qualität des geplanten Bauwerks angeht, so macht man sich in Cham keine Sorgen. «Wir haben hier Fachleute, die so etwas beurteilen können», ist Baumann überzeugt. Es sei zum Beispiel nicht möglich, dass die Menschen auf der Brücke ausrutschen könnten. Denn sie würde einen Holzboden erhalten. Damit spricht der Gemeinderat auf ein bestimmtes Bauwerk von Santiago Calatrava an: die Fussgängerbrücke Zubizuri in der spanischen Stadt Bilbao. Sie wurde von 1994 bis 1997 gebaut. Ihr Boden ist aus Glas – und darauf rutsch- beschwert, wird er von der Zeitung «Der Westen» zitiert. Auch der im Jahr 2011 eingeweihte Kongresspalast in der nordspanischen Stadt Oviedo fiel in Ungnade. Wie berichtet wurde, musste Calatrava wegen mangelhafter Arbeit Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen. ten immer wieder Passanten aus, wenn es nass war. Calatrava wurde des Baupfuschs bezichtigt, wie die Medien berichteten. Das Problem wurde schliesslich gelöst, indem man den Boden mit einem Teppich aus Kunststoff bedeckte. Ebenfalls in die Schlagzeilen schaffte es die Ponte della Costituzione über den Canal Grande in Venedig. Die Querung aus Glas und Stahl geriet laut Wikipedia einerseits wegen seines «ultramodernen Aussehens» in die Kritik, und andererseits, weil die Arbeiten viel mehr Zeit und Geld beanspruchten als geplant. Ausserdem machten es die Stufen Rollstuhlfahrern unmöglich, die Brücke zu passieren. Der Architekt wiegelte ab. Die Pläne hätten ein Jahr lang öffentlich ausgelegen, und keiner habe sich Olympisches Feuer und eine Sichel Doch nicht alles, was Santiago Calatrava entworfen hat, ist mangelhaft, ganz im Gegenteil. Viele seiner Projekte wurden hochgelobt, und mehr als einmal hat der spanische Architekt sogar Pionierarbeit geleistet. Zum Beispiel mit dem Bau der Puente del Alamillo über den Guadalquivir in Sevilla. Das für die Expo 1992 gehört der 136 Meter hohe Telefonturm im spanischen Barcelona. Er wurde 1991 anlässlich der Olympischen Spiele errichtet, die im folgenden Jahr dort stattfanden. Seine einzigartige Form soll an einen Sportler erinnern, der die olympische Flamme trägt. Das Auditorio de Tenerife (1997 bis 2003) auf den Kanaren ist gar zu einem Wahrzeichen geworden. Das Auffallendste an diesem Werk ist sicher der Sockel. Er schwingt sich sichelförmig bis 57 Meter hoch und endet nach etwa 100 Metern in einer Spitze über dem muschelförmigen Dach des Gebäudes. Eine Funktion hat die Sichel jedoch nicht – sie wird nur zur Beleuchtung des Konzertgebäudes von oben genutzt. ■ Bild: wikimedia.org, Christoph Radtke, CC Ponte della Costituzione, Venedig Bild: Toni_V, CC BY-SA 2.0, wikimedia.org Skandalfreie Bauten Bild: wikimedia.org, Forgemind ArchiMedia, CC Skandalbauten entworfene Bauwerk war die allererste Schrägseilbrücke der Welt, die ganz ohne Rückverankerung auskommt. Calatrava hat in ganz Europa und darüber hinaus seinen architektonischen Fingerabdruck hinterlassen – auch in der Schweiz. Beim Neubau des Bahnhofs Stadelhofen in Zürich (1983 bis 1990) entwarf er eine Perronüberdachung aus Beton und Stahl. Sogar eins von Calatravas frühesten Werken steht in der Schweiz: die Dachkonstruktion über dem Eingang, im Zentralbereich, in der Mediothek und in der Aula der Kantonsschule Wohlen (AG), die von 1984 bis 1988 erweitert wurde. Die besonders spaktakulären Bauten des Architekten stehen aber im Ausland. Zu ihnen Bild: flickr.com, Vaidas M, CC Geld allein macht aber noch keine Brücke; besonders keine, die zehn Meter länger werden soll als ursprünglich vorgesehen. Denn sie braucht mehr Platz. Doch über diesen verfügt die Gemeinde nicht: Grund und Boden gehören nämlich nicht ihr, sondern Privaten. Nur wenn diese bereit sind, Teile ihres Lands abzugeben, kann Calatravas Vorschlag realisiert werden. Die Verhandlungen haben kürzlich begonnen. Baumann: «Es zeigt sich, dass es sehr schwierig werden wird, eine Einigung zu finden.» So schwierig, dass man auch über Alternativen nachdenkt. «Möglicherweise wird es letztlich doch nur eine ganz normale Verbindung zwischen den beiden Ufern sein.» Damit wäre Calatrava wieder aus dem Spiel. «Das fände Bild: wikimedia.org, Jsmq, CC Palacio de Congresos, Ovieda Zubizuri-Brücke, Bilbao 22 baublatt Nr. 38, Freitag, 18. September 2015 Bahnhof Stadelhofen, Zürich Bild: CC BY-SA 2.0, wikimedia.org Bild: wikimedia.org, Didier Descouens, CC Santiago Calatrava Telefonturm, Barcelona Ponte del Alamillo, Sevilla
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