epi-info Fernreisen und Epilepsie www.diakonie-kork.de 1 Fernreisen auch mit Epilepsie möglich In der heutigen Welt gehören Fernreisen auch für die viele Menschen mit einer Epilepsie zum Alltag, sei es als Urlaubsreise oder aus sonstigen Gründen. Bei ihnen ist die Liste der Dinge, an die sie bei der Vorbereitung denken müssen, allerdings noch ein wenig länger als bei Menschen ohne Epilepsie. Der Tagesablauf und besonders auch Schlaf-Wach-Rhythmus sollten nicht allzu sehr durcheinander geraten bzw. ein schrittweiser Übergang erfolgen. Für Fernreisen wie auch alle anderen Aktivitäten gilt, dass das Leben nicht ohne Risiken ist, und man letztlich immer den Nutzen dagegen abwägen muss. Ob eine Reise problemlos möglich ist und wann sie möglicherweise zu belastend und risikoreich wird, hängt in erster Linie von der Art und Schwere der Epilepsie ab. Was sollte beachtet werden? Reisezeit Sofern man nicht durch schulpflichtige Kinder oder aus anderen Gründen dazu gezwungen ist, ist es meist günstiger und angenehmer, außerhalb der Hochsaison zu verreisen. Nicht nur die manchmal allzu große Hitze, sondern auch die allgemeine Hektik in den Sommermonaten Juli und August an vielen Urlaubsorten kann sich als nachteiliger und unnötiger Stress erweisen. Reiseziel und Unterkunft Im Prinzip ist heute fast jedes Reiseziel auch für Menschen mit Epilepsie geeignet, manchmal muss von der jeweiligen Landesbotschaft ein Visum eingeholt werden. Bei der Auswahl des Hotels bzw. der Unterkunft kann man sich nicht immer auf die Beschreibungen in Prospekten verlassen. Eine zunehmend genutzte Alternative sind Informationen im Internet mit Bewertungsportalen durch frühere Gäste. Bei einer gleichzeitig bestehenden Behinderung sollte man dies angeben, auch weil inzwischen für viele Urlaubsorte entsprechende Spezialangebote zur Verfügung stehen. Frühzeitige Buchung und Reiserücktrittversicherung Ein frühzeitiges Buchen empfiehlt sich nicht nur wegen der dann oft günstigeren Preise, sondern auch, weil man dann meist noch eine bessere Auswahl hinsichtlich Direktverbindungen und günstiger Anschlussverbindungen ohne allzu lange Wartezeiten hat. Bei Bedarf sollte unter Beachtung der jeweiligen Versicherungsbedingungen eine Reiserücktrittversicherung abgeschlossen werden. Alleine oder in Begleitung? Ob eine Begleitperson erforderlich ist, hängt von der Art und Schwere der Epilepsie ab. Bei Kindern mit Epilepsie stellt sich häufiger die Frage nach Klassenfahrten oder anderen Reisen, z.B. mit Sport- oder sonstigen Vereinen. Sofern die Lehrer bzw. Betreuer entsprechend informiert sind, brauchen Kinder wegen ihrer Epilepsie meist nicht zu Hause zu bleiben. www.diakonie-kork.de 2 Impfschutz bzw. Malariaprophylaxe Zu diesen Fragen sei auf das entsprechende separate epi-info („Impfungen und Malariaprophylaxe bei Epilepsie“) verwiesen. Essen und Trinken In vielen „exotischen“ Urlaubsländern sind die hygienischen Verhältnisse anders als bei uns, und man kann sich sehr leicht eine Magen-Darm-Infektion mit Durchfall und Erbrechen zuziehen. In manchen Ländern ist daher davon abzuraten, Salat, rohes Gemüse, ungeschälte Früchte oder Eiscreme zu essen oder sich die Zähne mit Leitungswasser zu putzen. Bei einem stärkeren Durchfall wird die Aufnahme von Medikamenten aus dem Darm vermindert, was zu vermehrten Anfällen führen kann. Auch bei Erbrechen innerhalb einer Stunde nach Einnahme der Medikamente ist eine nochmalige bzw. zusätzliche Gabe sinnvoll. Gerade bei hohen Temperaturen muss man zwar auf eine ausreichende Trinkmenge achten, ohne aber innerhalb kurzer Zeit allzu große Mengen zu trinken. Zusätzliche Versicherung erforderlich? Vor Reiseantritt sollte man sich vergewissern, dass die bestehende Krankenversicherung im Bedarfsfall auch die Behandlungskosten im Urlaubsland übernimmt (Auslands-Krankenschein). Wenn eine Reise-Zusatzversicherung erforderlich ist, sollte man sorgfältig auch auf das „Kleingedruckte“ achten, weil manche Gesellschaften u.a. Menschen mit Epilepsie nicht oder nicht ohne weiteres versichern. Einige verlangen zuvor ein ärztliches Attest oder einen Risikozuschlag in Form einer erhöhten Prämie. Auf die Reiserücktrittsversicherung wurde schon hingewiesen. Diese sind nicht teuer und ermöglichen es, bei einer unvorhergesehenen Verschlechterung der Epilepsie oder aus sonstigen krankheitsbedingten Gründen auch kurzfristig ohne finanzielle Nachteile von der Buchung zurückzutreten. Flugreisen und Zeitverschiebung Auch Flugreisen sind für die meisten Menschen mit Epilepsie möglich. Die meisten Fluggesellschaften fordern ein ärztliches Attest, das Angaben über den Anfallstyp, die Medikamente sowie eventuelle allgemeine Verhaltensregeln enthalten und gegebenenfalls auf die Notwendigkeit einer Begleitperson hinweisen sollte. Einzelne Gesellschaften verlangen auch eine spezielle Bescheinigung über eine Flugtauglichkeit. Schlafentzug und „Jetlag“ Bei Fernreisen ist besonders darauf zu achten, dass sich durch die Zeitverschiebung der Schlaf-Wach-Rhythmus ändert. Dies bezieht sich nicht nur auf den Flug selbst, sondern betrifft meist auch die folgenden Tage. Wann immer möglich sollte man seinen normalen Rhythmus nicht abrupt umstellen. www.diakonie-kork.de 3 Medikamente Medikamenteneinnahme Das „A und O“ ist eine regelmäßige Einnahme der Medikamente. Bei Flügen nach Westen wie z.B. in die USA kommt es zu einem „Zeitgewinn“ (der Reisetag verlängert sich) und bei Flügen nach Osten (z.B. nach Thailand) zu einem „Zeitverlust“ (der Reisetag verkürzt sich). Je nach Ausmaß der Zeitverschiebung sollte man die Dosis der Medikamente am Reisetag erhöhen bzw. vermindern entsprechend der beiden nachfolgenden Formeln anpassen: zusätzlich benötigte Dosis Anzahl „gewonnener“ Stunden x Tagesdosis 24 verringerte Tagesdosis 24 minus „wegfallende“ Stunden x Tagesdosis 24 Wann zusätzliche Dosen eingenommen beziehungsweise „überflüssige“ weggelassen werden sollten, hängt neben dem Ausmaß der Zeitverschiebung auch von der Halbwertszeit der Medikamente und Tageszeit des Fluges ab. Als Alternative zu diesen Berechnungen kann man bei kürzeren Reisen auch einfach das Einnahmeschema seiner Tabletten mehr oder weniger unverändert beibehalten, wobei man sich z.B. einer zweiten Uhr mit der „Heimatzeit“ bedienen kann. Im Zweifelsfall sollte man mit seinem Arzt Rücksprache nehmen. Immer ausreichend Vorrat mitnehmen! Es ist immer günstig, einen ausreichenden Vorrat der benötigten Antiepileptika mitzunehmen. Bei größeren Medikamentenmengen kann der Zoll Schwierigkeiten machen, weshalb man sich von seinem Arzt eine Bescheinigung der erforderlichen Medikamente ausstellen lassen sollte. Wegen der Gefahr eines Gepäckverlusts empfiehlt es sich auch immer, die Medikamente im Handgepäck mitzunehmen. Sie sollten stets in den Originalverpackungen bleiben, die optimalen Schutz vor Feuchtigkeit oder Verunreinigungen bieten. Zusätzliche Medikamente Als zusätzlicher Anfallsschutz können, besonders bei schweren Epilepsien oder starker Zeitverschiebung, vorübergehend Benzodiazepine (wie z.B. Tavor® oder Frisium®) eingenommen werden. Die Auswahl des Präparates und die Dosierung besprechen Sie am besten mit Ihrem behandelnden Neurologen. www.diakonie-kork.de 4 Aktivitäten am Reiseziel Autofahren. Die Mitnahme eines internationalen Führerscheins ist empfehlenswert. Es gelten die jeweiligen Bestimmungen, die nicht mit denjenigen in Deutschland übereinstimmen müssen. In manchen Ländern wie z.B. in den USA können darüber hinaus von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich sein. Schwimmen und Wassersport. Beim Schwimmen und andere Wassersportarten (siehe auch epi-info „Sport und Epilepsie“ sollten die folgenden Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden: Rücksprache wegen der Schwimmtauglichkeit mit dem Arzt Nur in ausgeruhtem Zustand und bei Wohlbefinden ins Wasser! Immer gemeinsam mit einem erfahrenen Schwimmer ins Wasser, der über die Epilepsie und angemessene Erste-Hilfe-Maßnahmen unterrichtet ist. Möglichst nur in einem Schwimmbecken (Pool) und nur bei ausreichend langer Anfallsfreiheit in offenen Gewässern (Fluss, See oder Meer) schwimmen; im Zweifelsfall eine Schwimmweste tragen sowie Bademeister / Aufsichtspersonen über die Epilepsie informieren Bei häufigeren und schweren Anfällen im Nichtschwimmerbecken bleiben Tauchen ist nur bei ausreichend langer Anfallsfreiheit und mit einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung erlaubt Bootsfahrten nie alleine unternehmen Bei Fotosensibilität Tragen einer polarisierten Sonnenbrille www.diakonie-kork.de 5 Verfasser: Dr. med. Günter Krämer Facharzt für Neurologie FMH Neurozentrum Bellevue Theaterstr. 8 CH-8001 Zürich [email protected] Die Informationen dieses Informationsblattes wurden unter größter Sorgfalt nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zusammengetragen. Die Angaben können die Erteilung medizinischer Anweisungen und Ratschläge jedoch nicht ersetzen. Bei weiteren Fragen oder gesundheitlichen Problemen wenden Sie sich bitte an Ihren behandelnden Arzt. Für Interessierte zum Weiterlesen Krämer G. Epilepsie. Die Krankheit erkennen, verstehen und gut damit leben. 4. Auflage. TRIAS Verlag in Medizinverlage Stuttgart (MVS), Stuttgart 2013 Krämer G. Diagnose Epilepsie. Kurz & bündig: Wie Sie die Krankheit verstehen, die besten Therapien für sich nutzen und ihren Alltag optimieren. 2., aktualisierte Auflage. TRIAS Verlag in Medizinverlage Stuttgart (MVS), Stuttgart 2012 Krämer G, Appleton R. Epilepsie – Ein illustriertes Wörterbuch für Kinder und Jugendliche und ihre Eltern. 4. Auflage. Bad Honnef, Hippocampus-Verlag 2010 Krämer G, Daniel-Zeipelt A. Epilepsie – 100 Fragen, die Sie nie zu stellen wagten. 3., unveränderte Auflage. Hippocampus Verlag, Bad Honnef 2014 International Bureau for Epilepsy (IBE). The Traveller’s Handbook for People with Epilepsy. Dublin, The International Bureau for Epilepsy ohne Jahr (2013); im Internet abrufbar unter www.ibe-travelhandbook.org Epilepsiezentrum Kork Landstraße 1 77694 Kehl-Kork Telefon (07851) 84-0 E-Mail [email protected] Internet www.diakonie-kork.de Stand: 10.2015 www.diakonie-kork.de 6
© Copyright 2024 ExpyDoc