TK1: Was ist Aufklärung Textsorten: Zusammenfassung, Analyse und Interpretation; itm7/SJ 2015/16 Mit literarischen Texten arbeiten: Einen Text zusammenfassen, analysieren und interpretieren. Am Beispiel von Aphorismen „Ich fürchte, unsere allzu sorgsame Erziehung liefert uns nur Zwergenobst.“ (Lichtenberg) Aussagen wie diese bezeichnet man als Aphorismen. Aphorismen sind kurze, pointierte Sinnsprüche, die einen komplexen Gedanken „auf den Punkt bringen“. Wenn wir einen Aphorismus verstehen wollen, müssen wir nach der Pointe und deren Bedeutung fragen. Das gelingt vermutlich nicht nebenher. Und es setzt voraus, dass wir den Text nicht nur oberflächlich oder wörtlich verstehen. Wir müssen vielmehr in die Tiefenstruktur des Textes vordringen, zwischen den Zeilen lesen können, hinter dem Gesagten das (Mit)gemeinte entdecken. Insofern eigenen Aphorismen sich hervorragend zum Analysieren und Interpretieren. Wir fassen den Inhalt eines Aphorismus zusammen, wenn wir sagen, wenn wir den Inhalt in eigenen Worten widergeben. (Viel können wir in diesem Fall ja nicht kürzen). Wir analysieren einen Aphorismus, wenn wir seine eigentliche Bedeutung (die Pointe, das Thema, die zweite Ebene, …) herausarbeiten. Und wir interpretieren einen Aphorismus, wenn wir diese Bedeutung in einen größeren politischen oder sozialen oder psychologischen oder persönlichen (am besten: beispielhaften) Zusammenhang stellen. Dabei können wir nach folgendem Schema vorgehen: Wir fassen die Aussage nochmals in indirekter Form (Konjunktiv) zusammen (= Beschreibung, Paraphrasierung) Wir erklären, worauf die Aussage hinauslaufen soll; wir suchen nach der „eigentlichen Bedeutung“; wir „decodieren“ den Text (=Analyse); wir erklären die Bedeutung eventuell zusätzlich durch Vergleich mit einem passenden Beispiel. Wir nehmen zur Kernaussage persönlich / subjektiv Stellung, indem wir der Aussage zustimmen, ihr widersprechen, sie bewerten usw. Ein Lösungsbeispiel zum oben erwähnten Aphorismus könnte also folgendermaßen aussehen: Analyse und Interpretation zum Aphorismus: „Ich fürchte, unsere allzu sorgsame Erziehung liefert uns nur Zwergenobst.“ (Lichtenberg) In einem seiner Aphorismen sagt Lichtenberg, er befürchte, eine allzu sorgsame Erziehung liefere Zwergenobst. [Daten und Zusammenfassung im Konjunktiv] Das zentrale Thema in diesem Aphorismus ist Erziehung. Dabei vergleicht Lichtenberg die Erziehungsbemühungen von Eltern oder Lehrern mit Obstbauern, die versuchen, die Eigenschaften von Obst zu verbessern. [Umschreibung, Paraphrasierung] Menschen versuchen, über Auswahl, Zurückschneiden und andere Eingriffe die natürlichen Eigenschaften von Pflanzen und Tieren so zu verbessern. Kulturpflanzen sollen bunter, schöner, ertragreicher als natürliche Pflanzen sein. Nutztiere legen mehr Eier (Hühner), produzieren mehr Milch (Kühe) oder mehr Fleisch (Schweine) als ihre wild lebenden ursprünglichen Verwandten. [eigene Beispiele] TK1: Was ist Aufklärung Textsorten: Zusammenfassung, Analyse und Interpretation; itm7/SJ 2015/16 Da ist es natürlich nahe liegend, auch Menschen durch Erziehung zu verbessern. [Rückkehr zum Aphorismus; Schließen des Kreises] Für die Aufklärung, der Lichtenberg zuzuordnen ist, ist die Erziehung zentral. Denn durch die Erziehung entscheidet sich, ob aus einem kleinen Kind später tatsächlich ein „optimierter“, gebildeter Mensch (im Sinn der Aufklärung) werden kann. Dabei sollen seine „wilden“ und „unzivilisierten“ natürlichen Anlagen so „zurückgestutzt“ werden, dass er nachdenkt und vernünftig handelt und nicht einfach seinen Gefühlen und Trieben „freien Lauf lässt“. Aber es gibt auch eine Schattenseite: Früher hat es brutale Erziehungsmethoden gegeben, die wir heute als „Folter“ bewerten würden. Viele Eltern und Lehrer haben Kinder geschlagen oder psychisch gequält, wenn sie den Lernstoff nicht verstanden haben oder wenn sie ungehorsam waren. Außerdem hatten viele Kinder, die z. B. in Internaten eine „höhere Bildung“ erhielten, hatten kaum Freizeit und kaum Möglichkeiten, kreativ zu sein, sich frei zu bewegen, zu träumen. Häufig sind sie so zu gelehrten, aber psychisch geschädigten Erwachsenen geworden. [Analyse; Bezugspunkt: Philosophie der Aufklärung] Erziehung ist außerdem immer wieder missbraucht worden, um Kinder für bestimmte Zwecke „zurechtzubiegen“. Ein extremes Beispiel dafür ist der Nationalsozialismus. Das offen propagierte Ziel der nationalsozialistischen Erziehung war es, männliche Kinder zu strammen und gehorsamen Soldaten zu erziehen (flink wie Windhunde, hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder) und aus Mädchen führerergebene „Gebärmaschinen“ zu formen. Freiheit, Selbstbestimmung, vor allem aber kritisches Denken hatten keinen Platz. Der Mensch war ausschließlich Mittel zum Zweck. [Interpretation, eigenes Beispiel) Der Aphorismus ist aber auch erstaunlich zeitlos und aktuell. Gerade heute wollen Eltern oft „das Beste“ für ihr Kind. Aber was ist „das Beste“? Manche Eltern spielen ihren Kindern schon vor der Geburt oder spätestens im Kleinkindalter chinesische Sprachkassetten vor (weil sie dann im späteren Berufsleben angeblich einen Konkurrenzvorteil haben), bringen sie in teure Privatkindergärten und Eliteschulen, fahren sie mit dem Auto zum Klavierspielen, zum Ballett-Unterricht und in den Reitclub. Aber vielleicht übersehen sie in ihrem erzieherischen Ehrgeiz, dass ihr Kind im freien Spiel viele wertvolle Erfahrungen machen könnte, die sich nicht planen und organisieren lassen. Und sie übersehen, dass Kinder auch unverplante Zeit (und manchmal sogar Langeweile) brauchen, damit sie Fantasie, Kreativität, eine eigene Persönlichkeit entwickeln können. [Interpretation: argumentative Stellungnahme / Wertung] Bilder zum Thema 1 1 2 Bildquelle: http://www.gegen-stimmen.de/2011/01/schwarze-padagogik-aus-gutersloh/ Bildquelle: http://www.eltern.de/familie-und-urlaub/freizeit/dossier-lernen-musik.html 2
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