Kunst mit Erlebnischarakter - Straubing-Sand

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Montag, 21. Dezember 2015
STRAUBINGER RUNDSCHAU
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STRAUBINGER
RUNDSCHAU
www.straubinger-tagblatt.de
Straubinger
Winterzauber
Christkindlmarkt: Betrieb von
10 bis 20 Uhr; 19 Uhr Öffnung des
14. Fensters des Adventskalenders (Preis: 200-Euro-Gutschein
von Intersport Erdl; Sonderpreis:
200-Euro-Gutschein von Juwelier
Christ)
Knusperhäusl: Basteln von
wunderschönen
Christbäumen
und Gestalten von Salzteigkreationen mit dem Bündnis für Familie, 15 bis 18 Uhr (Teilnahme kostenlos)
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Zum Thema
Scheinbar schwerelos schweben die Kleiderbügel zwischen den Bäumen entlang des Europarings im Industriegebiet Straubing-Sand. Bis Anfang Januar ist das außergewöhnliche Kunstwerk von Max Messemer zu sehen. Ein nebeliger Tag ist für einen Kunstspaziergang ideal.
Kunst mit Erlebnischarakter
Im Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
kein Baum sieht den andern,
jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
als noch mein Leben Licht war;
nun, da der Nebel fällt,
ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
der nicht das Dunkel kennt,
das unentrinnbar und leise
von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist einsam sein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Hermann Hesse
Der direkte Draht
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Max Messemer fasziniert mit seinem Projekt im Industriegebiet – Bis Januar zu sehen
Von Josef Unterholzner
Am Samstagvormittag wurde im
Industriegebiet
Straubing-Sand
eine außergewöhnliche Kunstaktion eröffnet. Künstler und Kunsterzieher Max Messemer hatte entlang
des Europarings im Industriegebiet
Straubing-Sand zwischen der doppelreihigen Allee von Ahornbäumen
Schnüre gespannt und an diesen
rund 6000 meist schwarze Kleiderbügel befestigt. Das Zusammenspiel von Baumallee, scheinbar
schwebenden Kleiderbügeln und
dichten Nebelschwaden faszinierte
die rund 50 Besucher der Ausstellungseröffnung. Bis Anfang Januar
ist die Kunstaktion zu sehen und
bietet sich gerade an den bevorstehenden Feiertagen für einen gemütlichen Kunstspaziergang an.
Vernissagen sind ja manchmal etwas eigen. Wie Künstler eben auch.
Der kleinste gemeinsame Nenner
war bisher die abendliche Stunde,
zu der die Freunde der Bildenden
Kunst sich versammelten, um die
jüngsten Arbeiten eines Künstlers
War selbst sichtlich beeindruckt von seiner Installation: Max Messemer.
zu bewundern, über seine außergewöhnlichen Ideen und deren Umsetzungen zu philosophieren und
den Tag ruhig ausklingen zu lassen.
Ganz anders Max Messemer. Er
lud am vierten Adventsamstag, an
dem die Vorbereitungsphase auf
Weihnachten gewöhnlich einen ersten siedenden Höhepunkt erreicht,
um 8 Uhr morgens (das morgens
stand extra auf der Einladungskarte drauf, weil jeder normale Kunstinteressierte sonst von einem Tippfehler ausgegangen und zur gewohnten Zeit um 20 Uhr abends gekommen wäre) vor das Innovationsund Gründerzentrum des Industriegebiets Straubing-Sand.
| 2,7 Kilometer Kunst
Die Schnitzer sagen Danke
Die Krippenausstellung im Karmelitenkloster ging gestern zu
Ende. Mit einem herzlichen Dankeschön für die überwältigende Unterstützung durch die Straubinger
Bevölkerung verabschieden sich
Schnitzer Emil Isaac (rechts) und
Fremdenführer Hassan Al Ahmad
für heuer aus Niederbayern. Bereits
am heutigen Montag treten sie die
Heimreise an. „Es ist sehr bewegend
für uns, wie viele Menschen an unserem Schicksal Anteil nehmen“,
gesteht Hassan Al Ahmad. Die ungewisse Zukunft des Karmelitenklosters macht natürlich auch den
Schnitzern Sorgen. Der starke
Rückhalt in der Bevölkerung lässt
sie aber zuversichtlich in die Zukunft blicken. An der Klosterpforte
sind zu den üblichen Öffnungszeiten täglich von 9.15 bis 11.30 Uhr
auch weiterhin die beliebten Olivenholzherzen und Scherbenengel
und andere kleine Geschenke aus
dem Heiligen Land erhältlich. -fun-
Bei dichtem Nebel traf sich dann
auch eine überraschend große Schar
Kunstbegeisterter, um Max Messemers Installation bei einer 2,7 Kilometer langen Wanderung rund um
den Europaring am eigenen Leib zu
erfahren. Doch das Aufstehen und
Wandern und Frieren im Nebel hat
sich gelohnt: Die schwebenden
Kleiderbügel in der scheinbar in der
Unendlichkeit
verschwindenden
Baumallee boten eine ganze Fülle
sehr beeindruckender Bilder. Fasziniert packten die Gäste ihre Handys
aus und alles, was sonst noch fotografieren kann, um ihre Eindrücke
festzuhalten.
Zehn Tage lang habe er an der Installation gearbeitet, erzählte Max
Messemer beim Rundgang. Bei der
BayWa im Industriegebiet habe er
kiloweise Sisalschnüre gekauft, die
normalerweise in der Landwirtschaft zum Bündeln von Heu oder
Stroh verwendet werden. Rund 6,5
Kilometer Schnur spannte Messemer zwischen den Baumreihen. An
diese Schnüre hängte er dann rund
6000 überwiegend schwarze, gelegentlich auch weiße Kleiderbügel.
Dreieinhalb Monate lang hatte Messemer jeden Kleiderbügel gesammelt, den er bekommen konnte. Vor
allem die Mitarbeiter des ZAW-SR
erwiesen sich dabei als eifrige Helfer. Und weil der kleinste Windstoß
die Bügel von der Leine wehen würde, wie Messemer bei den ersten
Versuchen festgestellt hatte, musste
jeder Bügel einzeln mit einem kleinen Stück Draht am Sisalband befestigt werden. Eine Heidenarbeit,
die in erster Linie die Fingerspitzen
arg in Mitleidenschaft zog.
Doch die Mühe hat sich gelohnt,
wie Messemer sichtlich zufrieden
nach dem Rundgang feststellte. Er
versuche als Lehrbeauftragter am
Straubinger Wissenschaftszentrum
mit den Studenten das Thema
Nachwachsende Rohstoffe künstlerisch zu bearbeiten und habe bei
seinem Kleiderbügel-Projekt festgestellt, dass das Industriegebiet
Straubing-Sand nicht nur voller
funktionaler Betriebsgebäude und
Werkhallen, sondern diese regelrecht in ein großes Biotop eingebettet seien.
| Biotop Industriegebiet
Bäche, Tümpel und Teiche würden eine große Vielfalt an Leben ermöglichen, die man in einem Indus-
triegebiet nie vermuten würde, sagte Messemer. Deshalb hoffe er, dass
seine Installation über die Feiertage
viele Spaziergänger nach Straubing-Sand locke, die sich nicht nur
über seine Kunst freuen, sondern
vielleicht nebenbei feststellen, was
sich hier alles getan hat und darüber nachdenken, was sich in Sachen
Nachwachsende Rohstoffe in Straubing und Umgebung in Zukunft tun
wird.
Das hörte Stefan Niedermeier,
stellvertretender
Geschäftsleiter
der Zweckverbands Industriegebiet
Straubing-Sand, natürlich gern.
Seit über zehn Jahren gehören regelmäßige Kunstausstellungen im
Gründerzentrum zum Alltag des
ZVI. Das Risiko einer Vernissage
zur frühen Morgenstunde kurz vor
Weihnachten habe sich jedoch gelohnt. Weil Messemer die Kleiderbügel als Platzhalter für Menschen
interpretierte, hoffte Niedermeier,
dass sich die Zahl der derzeit 2650
im Industriegebiet Straubing-Sand
beschäftigten Mitarbeiter auf rund
6000 erhöhen werde. Mit dem Gedicht „Im Nebel“ von Hermann
Hesse, dessen erste Zeile („Seltsam
im Nebel zu wandern“) Max Messemer als Titel für seine Installation
gewählt hatte, gab Niedermeier den
Kunstfreunden reichlich Stoff zum
Grübeln mit.
| Grübeln dank Bügeln
„Sehr geehrte Frühaufsteher“,
begrüßte Aiterhofens Bürgermeister und stellvertretender ZVI-Vorsitzender Manfred Krä die Vernissagengäste und gestand, dass ihn die
schwebenden Kleiderbügel schon
bei der Anfahrt vom Auto aus beeindruckt haben. „Ich hab mir das
nicht so vorstellen können, aber die
Bügel bringen einen wirklich zum
Nachdenken.“
CSU-Stadtrat Peter Ries war vermutlich der einzige, der an diesem
Samstag länger als sonst üblich geschlafen hatte: „Normalerweise
treffe ich mich samstags um 7 Uhr
mit meiner Laufgruppe zum Joggen.“ Bei heißem Kaffee und Tee
und angeregten Gesprächen klang
die ungewöhnliche Vernissage im
wohlig warmem Gründerzentrum
aus. Die Installation ist bis mindestens 2. Januar entlang des Europarings im Industriegebiet StraubingSand zu sehen. Weil Max Messemer
die Bügel mit Schneehäubchen und
voller Raureif sehen will, ist eine
Verlängerung wahrscheinlich.