Tablettencoaten neu definiert

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Der zur Achema vorgestellte Trommelcoater
GCC verfügt über eine
neuartige Luftführung
und einen längeren und
aufgeräumten Sprüharm, der per Laser-Abstandsmessung während des Prozesses
automatisch positioniert wird.
Die Coatingzeit lässt
sich um bis zu 30 Prozent reduzieren
Der Coater kann mit einer Befüllmenge ab
10 % betrieben werden.
Tablettenbett beim
Entleervorgang: Durch
Umkehren der Drehrichtung werden die
Tabletten restlos
ausgetragen
Der Autor:
Armin Scheuermann
ist Chefredakteur von
CHEMIE TECHNIK und
Pharma+Food
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Achema Highlights 2015
Glatt stellt neuen Coater GCC vor
Tablettencoaten
neu definiert
Turbulenz ist der Feind des gleichmäßigen Coatings. An
der Luftführung hängt beim Tablettencoating nicht nur
die Qualität des Überzugs, sondern auch die Prozessdauer, die Sauberkeit der Trommel und des Sprüharms
sowie Flexibilität der Maschine. Der Pharma-Maschinenspezialist Glatt hat auf der Achema einen neuen
Trommelcoater vorgestellt, bei dem nicht nur die Luftführung ganz neu gedacht wurde: Auch Containment,
Reinigung und hohe Flexibilität bei der Chargengröße
gehörten zu den Entwicklungszielen.
Als ältestes Verfahren zur Beschichtung und Veredelung von Arzneiwirkstoffen ist das Trommelcoating ein
echter Klassiker. Tabletten, Kapseln oder sehr große
Pellets werden in Trommelcoatern mit Zuckerüberzügen, Lacken und sogar Wirkstoffen überzogen. Die
Schicht um die Tablette hat entscheidenden Einfluss auf
die Wirkstofffreisetzung. Das Coating erleichtert dem
Patienten außerdem die Einnahme und auch ein unangenehmer Geschmack des Wirkstoffs lässt sich durch
Coating maskieren.
In den vergangenen Jahren zielte die Weiterentwicklung bestehender Trommelcoater vor allem darauf,
einzelne Aspekte wie das Handling für den Bediener zu
vereinfachen, die Steuerung auf den neuesten Stand zu
bringen oder die Reinigungseigenschaften zu verbessern. „Auch wir standen vor der Überlegung, ob wir
unsere bestehenden Maschinen – darunter der Coater
GC Smart – weiter verbessern wollen“, sagt Pascal Moritz, Geschäftsführer der Schweizer Glatt AG – einem
Tochterunternehmen des Pharmamaschinen-Spezialisten Glatt aus dem südbadischen Binzen. „Wir haben
uns entschieden, eine komplett neue Maschine zu konstruieren, weil erst im Zusammenspiel der verschiedenen verbesserten und neuen Funktionen ein Quantensprung erreicht wird“, erläutert Moritz die Überlegung,
die zur Entwicklung des auf der Achema erstmals vorgestellten Coaters GCC führte. „Unser Ziel lautete, den
Coatingprozess schneller und besser zu machen“, ergänzt Dr. Jochen Thies, Entwicklungsleiter bei Glatt.
Die wichtigsten Verfahrensschritte beim Filmcoating
sind Sprühen, Trocknen und Mischen. Daneben werden
Der Trommelcoater wurde von Grund auf neu konstruiert
Pharmatechnik
Pascal Moritz ist Geschäftsführer der Glatt AG
in Pratteln
Wir haben uns entschieden, eine
komplett neue Maschine zu konstruieren, weil erst im Zusammenspiel der verschiedenen verbesserten und neuen Funktionen ein
Quantensprung erreicht wird
Aspekte des Containments, der
Reinigung und der Handhabung für die Prozessbetreiber
immer wichtiger. Um die Leistung zu erhöhen, wurde die
Trommel des GCC gegenüber
dem Vorgängermodell GC
Smart etwas verlängert. „Das
schafft Platz für ein bis zwei zusätzliche Düsen“, konkretisiert
Thies. Um bis zu 30 Prozent soll
dadurch die Coatingzeit sinken.
Doch eine höhere Sprühleistung
erfordert gleichzeitig auch mehr
Luft, um die im Sprühlack enthaltene Flüssigkeit abzuführen.
Und mit „viel hilft viel“ ist es
hier nicht getan. Denn die Kunst
besteht darin, überall in der voll
perforierten Trommel des Coaters dieselben, laminaren Strömungsverhältnisse einzustellen,
um eine gleichmäßige Sprühbeschichtung und Trocknung zu
erreichen. Sonst kann es vorkommen, dass Tabletten nicht
nur ungleichmäßig beschichtet
werden, sondern auch miteinander verkleben.
Erreicht wird die gleichmäßige Durchströmung der Trommel und des Tablettenbetts
durch einen neu konstruierten
Diffusor. Während bei anderen
Herstellern und Maschinen der
Luft-Einlass über einen an der
sich drehenden Trommel anliegenden Schuh erfolgt, sorgt der
Diffusor für eine sehr gleichmäßige Verteilung der Luft
über eine große Fläche der perforierten Trommel. Wie gut das
funktioniert, lässt sich auch an
der vergleichsweise geringen
und gleichmäßigen Verschmutzung der Düsen und des Sprüharms ablesen. Doch auch die
bei Glatt genutzte Computersi-
mulation zeigt, wie gleichmäßig Trommel und Tablettenbett
durchströmt werden. Im Bild
sind Bereiche mit laminarer
Luftströmung blau eingefärbt.
Deutlich zu erkennen ist dabei,
dass der Sprüharm sich an der
Stelle mit der niedrigsten LuftStrömungsgeschwindigkeit befindet.
Neuer Düsenarm
automatisch justierbar
Ein weiterer Schlüssel zu gleichmäßigen und präzise beschichteten Tabletten ist die Konstruktion und Einstellung der Sprühdüsen. Diese hat der Hersteller
gemeinsam mit dem Düsenspezialisten Schlick entwickelt. Die
Besonderheit: Jede Düse auf
dem Sprüharm kann einzeln angesteuert und individuell eingestellt werden. Bei den bislang
genutzten GCSD-Düsen waren
dazu für jede Düse drei Luftleitungen und eine Produktleitung
für den Coatinglack notwendig
– auf dem Düsenarm ein ziemlicher Schlauchsalat. „Unsere
Kunden wünschten sich von
uns, dass wir den Sprüharm vereinfachen, ohne den Vorteil der
individuellen Steuerung einzelner Düsen aufzugeben“, erklärt
Moritz. Gelungen ist dies nun,
indem die drei Luftleitungen in
den Sprüharm integriert wurden. Dadurch wird die Reinigung des Sprüharms deutlich
vereinfacht. „Wir hatten uns außerdem die Aufgabe gestellt,
dass möglichst viele gleiche Teile von den bisher verwendeten
Düsen genutzt werden sollen.
Bis auf den Düsenkörper wurde
das auch erreicht“, sagt Thies.
Neben der Konstruktion der
CHEMIE TECHNIK · Achema Highlights 2015
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Pharmatechnik
gestellt werden, dass keine unvollständig befilmten Tabletten während des Prozesses im Entleerkanal landen
und dort verbleiben. Gelöst wurde das mit einer Klappe, die während des Coatings den Entleerkanal verschließt und erst beim Entleervorgang – für den die
Drehrichtung der Trommel analog zur Ziehung der
Lottozahlen umgekehrt wird – öffnet.
Bilder: Glatt
Der Sprüharm ist mit
einem Laser-Abstandssensor ausgestattet.
Dadurch kann der Abstand zwischen Düse
und Tablettenbett
automatisch geregelt
werden
Düsen und des Sprüharms spielt aber noch ein weiteres
Detail eine wichtige Rolle für ein gleichmäßiges Coating: „Der Abstand zwischen Düse und Tablettenbett
muss in einem sehr engen Spektrum angepasst werden“,
erklärt Thies. Dazu hat der Hersteller in seinen Sprüharm eine Laserabstandsmessung integriert und steuert
darüber den Abstand zwischen Düse und Tablettenbett
vollautomatisch. „Die Elektronik dazu ist eigentlich
Standard“, beschreibt Thies, „die Kunst besteht darin,
Sensor und Elektronik vor den Umgebungsbedingungen zu schützen.“ Nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch automatische Reinigungsprozesse sowie
Sprühnebel setzen der Optik im wahrsten Sinne des
Wortes zu. Neben der Abstandsmessung übrigens auch
bei der Infrarot-Temperatursensorik ein Problem. Um
dieses zu lösen, sind die Sensoren in
einem speziellen Gehäuse untergebracht und werden im Prozess und
während Reinigung per Druckluft
gespült.
Durch die hohe Sprüh- und Luftleistung des neuen Coaters lässt sich
einerseits eine engere Toleranz bei
der Beschichtung erreichen (Coating Uniformity), doch für Hersteller, die Präparate nach einem validierten Rezept herstellen, dürfte der
Zeitfaktor die wichtigere Rolle spielen: Der geforderte
Lackauftrag wird nach sehr viel kürzerer Zeit erreicht.
Kleine Batches ab 10 % Befüllmenge möglich
Luftströmung im Coater. Per Computersimulation werden hier drei
vertikale Schnitte
durch den Coater gezeigt (vorne, mitte, hinten). Die Luft strömt
vom Diffusor (rechts
unten) in Richtung Abluftschuh (links unten).
Bereiche mit turbulenter Strömung sind rot
eingefärbt. Zu erkennen ist, dass in der
Trommel um den
Sprüharm die niedrigste Strömungsgeschwindigkeit herrscht
(dunkelblau)
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Achema Highlights 2015
Für zahlreiche „Aha-Erlebnisse“ unter den Achema-Besuchern sorgte vor allem auch die Flexibilität der Maschine: Während für Trommelcoater ein Arbeitsbereich
zwischen 30 und 100 % Befüllmenge üblich ist, lassen
sich mit der neuen Maschine auch kleine Batches verarbeiten, bei denen der Füllgrad bei lediglich 10 % liegt.
Vor allem für Testzwecke ein nicht zu unterschätzender
Faktor. „Diese niedrige Füllmenge lässt sich ohne aufwändige Umbaumaßnahmen erreichen“, sagt Pascal Moritz: „Lediglich die Mischelemente müssen entfernt
werden.“ Für das gleichmäßige Durchmischen solch
kleiner Tablettenmengen reichen dann die fest eingebauten Austragselemente.
Überhaupt hat der Maschinenhersteller sich im Hinblick auf die immer wichtigere Forderung der Pharmaindustrie nach „Full Containment“ intensiv mit dem
Problem des Tablettenaustrags auseinander gesetzt.
Nicht nur die automatische restlose Entleerung muss
dabei gegeben sein, sondern es muss konstruktiv sicher
Containment von Charge zu Charge
Um echtes Containment zu erreichen, sind die seitlichen
Inspektionstüren sowie die vordere Tür des Coaters mit
aufblasbaren Dichtungen ausgestattet und das Coating
geschieht im Unterdruck. Damit auf keinen Fall Luft aus
dem hinter der Wand untergebrachten Antriebs- und
Technikbereich in den Prozessraum gezogen wird, wurde die dafür zuständige Abdichtung neu konzipiert und
mit einer Leckageüberwachung ausgestattet. Gleichzeitig wird so sichergestellt, dass keine hochaktiven Substanzen in den Wartungsbereich gelangen. Auch die
Probenahme während des Prozesses erfolg unter „Full
Containment“-Bedingungen. Befüll- und Entleervorgänge lassen sich ebenfalls im geschlossenen Zustand
durchführen.
„Containment bedeutet aber auch Reinigung“, erklärt Dr. Jochen Thies. Diese lässt sich beim neuen
GCC komplett automatisch durchführen. Dazu sind
zwischen Coatergehäuse und Trommel sowie in der
Trommel selbst Zielstrahlreiniger installiert. Auch der
Dr. Jochen Thies ist Entwicklungsleiter bei Glatt in Pratteln
Unser Ziel lautete, den Coatingprozess
schneller und besser zu machen
Düsenarm ist mit rotierenden Reinigungsdüsen ausgerüstet, welche die Coatingdüsen von vorne abstrahlen.
„Der Coater ist so konstruiert, dass er auch CIP-fähig
ist“, erklärt Thies. Damit sich schon vor der Reinigung
möglichst wenig Rückstände im Coater ablagern, haben die Elemente der Maschine glatte Oberflächen,
wenig Ecken und Kanten und bei der Konstruktion
wurden Hinterschneidungen vermieden.
„Wir haben uns bei der Neuentwicklung viele Gedanken zu den einzelnen Funktionen und Verbesserungen gemacht und sicherlich dabei zahlreiche Highlights gesetzt. Aber entscheidend ist das Zusammenspiel der einzelnen Eigenschaften – und das wird erst in
der Praxis deutlich“, fasst Pascal Moritz zusammen:
„Um das zu erleben, laden wir Interessierte Produzenten ein, den Coater bei uns im Labor zu testen – wir
sind sicher, dass wir hier einen neuen Benchmark gesetzt haben.“ l
Einen Link zu einer Videopräsentation finden Sie
unter www.pharma-food.de/1501pf913 oder per
QR Code.