bremer kirchenzeitung D a s e v a n ge l ische Ma g a zin M ä r z - Ju n i 2 0 1 6 Frühlingszwitschern Lebensfest Ostern „Werkopa“ in der Kita Frohe & gesegnete Ostern 4 14 Inhalt 3 Christian Jeltsch: Das Böse nach der Tagesschau 4 Vogel-Entdeckertour: Das große Frühlingszwitschern 6 „Bei Null“: Frau & Arbeit brachte die Wende 8 Trauerfeiern in Mexiko und Afrika: „Geweint wird natürlich auch“ 16 10 Lebensfest inmitten der Trauer? – Gedanken zu Ostern 12 Im Einklang mit der Schöpfung: Alles öko im Frühlingsgarten 22 14 Straßen-Praktikant: Zwei Wochen bei der Aufsuchenden Seelsorge 16 Paarberatung: Wenn das Fundament rissig wird 18 Ausstellung in der Kulturkirche: Apokalypse 19 In Bewegung: Angebote für die Pilgersaison 2016 20 Durststrecke: Wasser für alle ist in der City Mangelware 22 Ehrenamtlicher „Werkopa“: Stapellauf in der Kita 24 Frei denken, frei glauben, frei leben: Anne Wizorek Unser Titelbild Impressum Rainer Oettel (epd-Bild), Familiengottesdienst zu Ostern in der Dorfkirche Lohmen (Sachsen) am 5. April 2015. Die bremer kirchenzeitung erscheint vier Mal im Jahr als Beilage zum Weser-Kurier und den Bremer Nachrichten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion dar. Herausgeber: Bremische Evangelische Kirche (Mitglied im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik), Franziuseck 2-4, 28199 Bremen Redaktion: Sabine Hatscher & Matthias Dembski Titelfoto: epd-Bild Grafische Realisation: Rank - Grafik-Design Druck, Vertrieb & Anzeigen: Bremer Tageszeitungen AG, Hagen Röpke; Tanja Bittner und Vincent Koss (verantwortlich) Telefon 0421/36 71 – 41 40 oder [email protected] Die nächste Ausgabe der bremer kirchenzeitung erscheint am 11. Juni 2016. Anzeigen Christian Jeltsch zu Gast in der Kirche Unser Lieben Frauen Donnerstag, 28. April, 19.30 Uhr „Immer wieder sonntags: Das Böse nach der Tagesschau“ in der Reihe „Die Macht des Bösen – was das Böse macht“ Das Böse nach der Tagesschau Christian Jeltsch über Politik im Tatort, das Böse in der Bibel und guten Stoff für Drehbücher Tatort „Der hundertste Affe“ Pfingstmontag, 16. Mai, 20.15 Uhr, im Ersten Manchmal habe er das Gefühl, die Tagesschau sei viel böser als der Tatort danach, meint Christian Jeltsch. Er muss es wissen, denn er schreibt für die Radio Bremen-Krimis Drehbücher. „Der hundertste Affe“, sein fünfter Bremer Tatort, läuft am Pfingstmontag. „Schwarz-Weiß gibt es im Tatort nicht mehr. Die Figuren sind nicht mehr so einfach zu durchschauen. Was Böse ist, lässt sich nicht so einfach sagen. Der Grat zwischen dem Guten und dem Bösen ist oft schmal.“ Manchmal starten die bösen Figuren mit einer guten Absicht, so wie in Jeltschs neuestem Tatort, bei dem es um Gentechnik geht. „Wer kein Gehör für seine guten Anliegen findet, driftet vielleicht ab und versucht es mit bösen Methoden.“ Jeltschs Tatorte haben meist einen politischen Hintergrund. „Politische Themen sind als Einzelstücke im Fernsehen kaum noch unterzubringen. Investigativer Journalismus, der politische Missstände aufdeckt und hinterfragt, ist teuer und findet heute leider viel zu selten Gehör. Politische Stoffe unter dem Label Tatort zu transportieren ist leichter. Da sind sechs bis acht Millionen Zuschauer dabei, die mit keinem dokumentarischen Format zu erreichen sind.“ Die Kunst eines Drehbuchs liege darin, eine Botschaft zu haben, ohne belehrend zu sein. „Die Zuschauer kommen selber ins Nachdenken, aber sie sind mit Recht sensibel, wenn ihnen vorgegeben wird, was sie glauben sollen. Ein Tatort ist dann gut, wenn man wahrhaftige, nachvollziehbare Figuren erzählt. Das gilt auch für die ‚Bösen‘, die faszinierend und spannend erzählt werden müssen.“ Das Ermittlerteam und ein paar Hauptpersonen stehen vorher fest, ansonsten ist er frei, seine Geschichte zu entwickeln. Die Drehorte sucht später der Regisseur aus. Jeltsch wohnt mittlerweile in Bayern, hat aber lange Zeit in Bremen gelebt und als Regieassistent gearbeitet. „Ich mag die Stadt, die sehr offen und gleichzeitig übersichtlich ist. Bei Radio Bremen ist die Zusammenarbeit fast familiär und sehr vertrauensvoll. Ich werde informiert und wir reden zum Beispiel darüber, wie die Rollen besetzt werden und der Film umgesetzt wird.“ Drehbuchautoren brauchen eine Botschaft, ist Jeltsch überzeugt: „Wer nur danach fragt, was die Sender wollen, liegt falsch. Hierzulande wird eher der Regisseur mit dem Film verbunden, nicht der Autor.“ Die verkauften sich oft unter Wert: „Denn unser Job als Autoren ist es, nicht nur die Geschichten zu schreiben, sondern auch die Sender davon zu überzeugen, sie überhaupt zu erzählen.“ Gespräch: Matthias Dembski | Foto: privat „Gott hat dem Menschen Freiheit und Verantwortung gegeben“ Mit dem Baum der Erkenntnis sei der biblischen Erzählung nach das Böse bereits im Paradies in die Welt gekommen: „Man kann das auch als großes Geschenk sehen, denn damit haben die Menschen die freie Entscheidung bekommen, zwischen Gut und Böse zu wählen. Gott ist wahnsinnig großzügig, den Menschen diese Freiheit und damit eine große Verantwortung zu geben. Das finde ich toll.“ Er sei „kein kirchlicher Christ“, meint Jeltsch, aber er habe eine große Bewunderung für Menschen mit einem tiefen Glauben,. „Der hilft ihnen im Leben.“ Doch das berechtige niemanden zu agressiver Mission. „Die Kunst einer Religion liegt in der Toleranz, egal an wen und was man glaubt. Es gibt unterschiedliche Wege, und es geht nicht um richtig oder falsch. Wer einen anderen Glauben bekämpft, hat wahnsinnige Angst, der andere könnte mehr recht haben als man selbst.“ Dass weltweit das Pendel des Fundamentalismus gerade ausschlage, findet er ebenso spannend wie beängstigend. „Menschen sind noch immer leicht mit einfachen Botschaften und Schlagworten zu erreichen.“ Christian Jeltsch, Tatort-Autor Bei der Gentechnik verschwimmt die Grenze von Gut und Böse Seine Stoffe findet der Drehbuchautor auch bei der täglichen Zeitungslektüre. „Man muss aufmerksam auch ausländische Presse lesen und wach durch die Welt gehen. Auf den Stoff des jetzigen Tatorts bin ich durch eine Dokumentation über den Agrotechnik-Konzern Monsanto gekommen, die auf Arte lief. Um das Böse möglichst plastisch darzustellen, recherchiert Jeltsch auch, wie Verbrechen technisch und organisatorisch funktionieren. „Das sind Grenzbereiche, denn der Tatort soll ja keine Anleitung zur Kriminalität sein.“ www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2016 3 Das große Frühlings-Zwitschern Kommt ein Vogel geflogen... Buchtipp Was fliegt denn da? 346 Vogelarten Europas (Kosmos-Naturführer) von Detlef Singer, 12,99 Euro. Passender Ting-Hörstift zum Anhören der Vogelstimmen ca. 36 Euro Blaumeise Mit Eberhard Gutjahr auf Mittwoch, 27. April, 10 Uhr Sonnabend, 30. April, 7 Uhr Treffen jeweils vor dem Hauptgebäude (Verwaltung) der Stiftung Friedehorst Rotdornallee 64, 28717 Bremen-Lesum www.friedehorst.de Eberhardt Gutjahr hört den Kleiber und die Mönchsgrasmücke im Friedehorst-Park sofort aus dem großen Vogelkonzert heraus. „Da hinten sitzen sie alle“, sagt der HobbyVogelkundler und zeigt auf den Rand des Parks. „Hecken und Sträucher sind für die Vogelbeobachtung gerade im Frühjahr besonders geeignet, weil sie noch kein dichtes grünes Blattwerk tragen.“ Denn dort brüten die gefiederten Freunde. Im Schutz des Buschwerks stimmen sie ihren Gesang an, um ihr Revier abzustecken oder Partner anzulocken. Vögel kennenlernen mit Humor und Anekdoten „Das ist ein Rotkehlchen“, erkennt der Vogelkundler sofort am Gesang. „Das reiht seine Töne wie einen Perlenschnur.“ Sagt‘s und zieht sein Bestimmungsbuch mit einem elektronischen Audio-Stift heraus. Ein Tippen auf die Buchseite, und schon ist das Rotkehlchen aus der Ton-Konserve zu hören. „Mal schauen, ob das Rotkehlchen dahinten auf unseren Freund aus der Ton-Aufnahme antwortet.“ Tatsächlich nimmt das eben verstummte Rotkehlchen seinen Gesang sofort wieder auf. „Dieses Buch nehme ich auf meinen Führungen immer mit, denn damit lässt sich der Gesang der einzelnen Vogelarten wunderbar noch einmal vorführen“, sagt Gutjahr. Zur Vogelbestimmung braucht er es nicht mehr, denn seit seiner Jugendzeit ist er Vogelkundler aus Leidenschaft. Ende April führt er durch den Friedehorst-Park – mitten in der Brutsaison der vielen Singvogelarten, die auch hier zu Hause sind. Dabei erfahren die Teilnehmer auch, wie schwer beispielsweise Weidenmeise- und Sumpfmeise auseinanderzuhalten sind, und wie man die Tannenmeise erkennt, die nur die Größe einer Blaumeise hat. Wer mit Eberhard Gutjahr unterwegs ist, entdeckt die Vielfalt heimischer Singvögel mit Humor und vielen kleinen Geschichten. 4 bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de Amsel Kohlmeise Vogel-Entdeckertour „Der Zaunkönig ist das Wappentier aller Baufirmen, die Einfamilienhäuser hochziehen. Denn er baut gleich mehrere Nester und führt sein auserwähltes Weibchen von Musterhaus zu Musterhaus. Aber nur ein Nest wird bezogen.“ Wenn der Vogelkundler den schlagenden Gesang der Buchfinken einmal vorgemacht hat, vergisst man ihn nicht mehr. „Die Finken erweitern ihr typisches Schlagen im Laufe des Frühjahrs. „Erst mit der letzten Silbe ist ihr Gesang vollständig.“ Dann hat der Frühling Einzug gehalten. Rauchschwalbe Top-Ten Sperling unserer Gartenvögel Buchfink Rotkehlchen Zaunkönig Hausrotschwanz Die Vogeluhr läuft ab zwei Uhr morgens Gutjahrs Herz schlägt neben selbstgemachter Jazz-Musik seit Kindesbeinen für die Natur. So forstete er mit Jugendlichen nach den großen Waldbränden im niedersächsischen Wendland in den 1970er Jahren den Wald wieder auf. „In sechs Jahren haben wir 1,12 Millionen Bäume neu gesetzt.“ Seit langem hat er bei Rotenburg ein eigenes, vier Hektar großes Waldstück im Moor gepachtet, das er ökologisch bewirtschaftet und renaturiert hat. „Auch dort habe ich natürlich Nistkästen aufgehängt“, sagt der Vogelfreund, der schon in Kindertagen in den Truper Blänken hinter Borgfeld mit einem selbstgebastelten Feldstecher aus Pappröhren auf Entdeckungstour ging. „Damit konnte man zumindest das Sichtfeld besser fokussieren, auch wenn er nichts vergrößert hat.“ Heute streift er mit seinen Enkeln oder bei Führungen immer noch durch die Natur. „Die Vogeluhr beginnt im Frühjahr bereits um zwei Uhr morgens zu laufen: Dann ist zunächst einsam der Gartenrotschwanz zu hören, der nachts fast aktiver ist als die Nachtigall.“ Mit jeder Stunde wird das Vogelstimmenkonzert vielstimmiger. „Bis zu den Spätaufstehern wie den Amseln, die erst ab 10 Uhr zu hören sind.“ Text/Fotos: Matthias Dembski/Panthermedia Illustrationen: Ulrike Rank Vogelfreundlicher Garten: Tipps & Tricks Nistkästen aufhängen: Auf unterschiedlich große Einfluglöcher für verschiedene Arten achten. Nisthilfen für Katzen unzugänglich aufhängen. Freie Flugöffnung möglichst auf Ost/Südost ausrichten (Morgensonne!). Jungvögel brauchen beim Ausfliegen Bäume / Sträucher in der Nähe. Nistkästen spätestens im Februar reinigen! Tränken und Badeschalen aufstellen. Sandhaufen für ein Sandbad aufschütten. Heimische Heckenpflanzen setzen: Wildrose, Heimbuche, Hagebutte, Pfaffenhütchen oder Kornelkirsche sind vogelfreundliche Pflanzen. Hecken dürfen zwischen März und September nicht zurück geschnitten werden (Nist- & Brutzeit). Vermeintlich elternlose (unverletzte) Jungvögel auf der Straße nicht „aufsammeln“. Sie werden von den Elterntieren weiter versorgt. Winterfütterung: In unserem Klima unnötig. Der Winter ist die Auslese der Natur für kranke und alte Vögel. Wer dennoch füttert, kann die gefiederten Freunde aber gut beobachten. Weitere Infos zum Vogelschutz im eigenen Garten: www.nabu.de www.bund.net www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2016 5 „Bei Null“ Heike S. drohte die Altersarmut – hier beschreibt sie, wie mit „Frau & Arbeit“ die Wende kam Stark, stolz, stur: Fragen an die Frau des Jahres Inge Danielzick, Frau des Jahres Als mein Mann 1992 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, stand ich als 36-jährige Mutter mit drei minderjährigen Kindern plötzlich allein da – mein jüngster Sohn war erst zwei Jahre alt. Ich habe nur noch funktioniert, erst die Beerdigung organisiert, später Renten- und Versicherungspapiere zusammengesucht – für Trauer blieb wenig Raum, vor allem, weil ich für meine Kinder stark sein wollte. Ich fühlte mich, als säße ich in einem Zug, der immer schneller fährt und die Ereignisse am Bahnsteig zurücklässt, deretwegen ich in diesen Zug überhaupt einsteigen musste. Man fährt von Aufgabe zu Aufgabe und funktioniert, kann sich aber mit dem Verlust und der Trauer kaum auseinandersetzen. Große Sprünge sind nicht drin Sehr früh begann ich nachzudenken, wie es für mich finanziell und damit beruflich weitergeht. Ich hatte glücklicherweise Anspruch auf eine „große Witwenrente“, die es damals noch gab, weil ich ein Kind unter 10 Jahren hatte und selbst noch keine 40 Jahre alt war. Mit Kindergeld, Waisenrente und Wohngeldzuschuss hätte ich mich finanziell noch einige Zeit über Wasser halten können. Große Sprünge wie ein Urlaub waren nicht drin. Aber was wäre meine Perspektive, wenn die Kinder kein Kindergeld mehr bekämen, weil sie aus dem Haus gehen? Mein ältester Sohn war schon 15. Es musste sofort etwas passieren. Ich hatte eine Ausbildung bei der Bundespost gemacht, die aber längst überholt war. Mit 21 Jahren hatte ich geheiratet, dann kamen bald die Kinder, und ich bin aus dem Berufsleben ausgestiegen. „Ich stehe beruflich bei Null“, dachte ich damals. Welche Kompetenzen sollte ich schon haben, so lange, wie ich aus dem Erwerbsleben raus war? Ich hatte unsere Familie organisiert, zwischendurch verschiedene MiniJobs als Serviceassistentin, in einem Modehaus, in der Gastronomie und an der Tankstellenkasse gehabt. Wie vielfältig meine Erfahrungen waren, war mir nicht bewusst. Entdeckt, was in mir steckt In der Kirchengemeinde, wo ich mit meinem Sohn zum Spielkreis ging, stieß ich auf einen Flyer von „Frau & Arbeit“, einem kirchlichen Coachingprogramm für Frauen, die eine Perspektive für den beruflichen Wiedereinstieg suchen. Der Kurs „mittendrin und auf der Suche“ war 6 bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de wie für mich gemacht – ich meldete mich an. Dort habe ich festgestellt, was ich eigentlich alles konnte – auch wenn es zunächst nur Kleinigkeiten zu sein schienen. Frauen neigen dazu, zu sagen: „Das kann ja jede, das ist nichts Besonderes.“ Im Kurs von Frau & Arbeit habe ich neu entdeckt, was alles in mir steckt. In den drei Monaten habe ich alle Infos bekommen, wie ich mit meinem Leben weitermachen kann. Das war eine große Ermutigung. Umschulung und Bewerbungstraining Danach habe ich eine Umschulung zur Bürokauffrau begonnen, die mich vor allem fit im Umgang mit dem PC machen sollte, damals eine Neuerung. Dazu gehörte auch ein Bewerbungstraining, bei dem man sich passende Stellenanzeigen heraussuchen und sich dort bewerben sollte. Ich fand ein passendes Inserat. Eine Beratungsstelle suchte eine Verwaltungskraft für die Terminvergabe und Buchhaltung. Vor allem sollte man Lust auf Publikumskontakte haben. Eigentlich genau das, was ich nach der Umschulung machen wollte. Erst kurz vor Fristende habe ich meine Bewerbung in den Briefkasten der Beratungsstelle geworfen. Ein paar Tage später wurde ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen, was ziemlich gut lief. Obwohl sich fast 30 qualifizierte Frauen beworben hatten und ich mit der Umschulung noch nicht fertig war, bekam ich die Stelle – für mich war das ein Glücksfall, weil ich sehr selbstbestimmt arbeiten kann. Mittlerweile bin ich seit 20 Jahren hier. Jetzt, mit Anfang 60, sehe ich, dass mich diese Chance vor der Altersarmut bewahrt hat. Mir gefällt mein Leben, so wie es heute ist. Frauenbildung, berufliche Perspektiven und eine gerechte Entlohnung für Frauen: Seit 1978 arbeitet Inge Danielzick bei der Bremischen Evangelischen Kirche und setzt sich dafür ein, Frauen stark zu machen. Jetzt wurde sie dafür als Bremer Frau des Jahres geehrt. Wer ist heute besonders von Armut bedroht? Immer mehr Alleinerziehende sind in Bremen gegen den Bundestrend auf Hartz IV angewiesen, 42 Prozent sind ohne Job, 70 Prozent davon haben keine Berufsausbildung. Sie sind auch von Altersarmut bedroht. Wir dürfen uns mit diesen erschreckenden Zahlen nicht abfinden. Diese Frauen brauchen Möglichkeiten, sich zu vernetzen und sich über Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren. Was tun Sie konkret, um alleinerziehende Frauen zu unterstützen? Über unser Netzwerk „Paula +“ beraten wir sie im Mehrgenerationenhaus Matthias Claudius in der Neustadt und bieten eine Onlineplattform mit Infos von MutterKind-Kuren bis hin zu Weiterbildungsangeboten an. Mit einem individuellen Langzeit-Coaching werden sie wirkungsvoll unterstützt. Außerdem arbeiten wir als Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt in der Bremer Armutskonferenz und im Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen mit. Auch innerkirchlich setze ich mich immer wieder dafür ein, dass sozialdiakonische Arbeit den Stellenwert bekommt, den sie angesichts der Bremer Armuts-Problematik braucht. Gerechtigkeit für Frauen liegt Ihnen am Herzen – in Bremen wie global... Solange das Durchschnittseinkommen von Frauen in Bremen 23 Prozent unter dem von Männern liegt, ist in puncto Gleichstellung noch einiges zu tun. Da dürfen Frauen nicht nachlassen, gerade wenn es um die Bezahlung in Berufen geht, die künftig immer wichtiger werden wie beispielsweise in der Pflege. Arbeitslosigkeit und Armut sind auch in Europa, besonders in Griechenland, aber auch weltweit ein Problem. Deshalb engagiere ich mich zum Beispiel über die Clean Clothes Campaign (CCC) für die Rechte von Textilarbeiterinnen und im Verein Sympathia für Solidarität mit Griechenland. Wir klären über politische Zusammenhänge auf und leisten konkrete Hilfe, unter anderem durch Medikamenten- und andere Spendensammlungen. www.paulaundkind.com www.kirche-bremen.de So hoch sind die Renten Bezogen auf 1.000 Versichertenrenten* in der gesetzlichen Rentenversicherung Text: Matthias Dembski | Foto/Grafik: Picture Alliance Frau & Arbeit Kornelia Lerche Telefon 0421/346 15 58 [email protected] www.frauundarbeit.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2016 7 „Día de los muertos“ in Mexiko „Geweint wird natürlich auch“ Trauerfeiern in Mexiko und Westafrika sind auch Lebensfeste Lebensfest xxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxx Die „catrinas“, Bilder und Skulpturen bekleideter Skelette, gehören in Mexiko ganz selbstverständlich zum „día de los muertos“ (Tag der Toten), der Anfang November gefeiert wird. Es ist einer der wichtigsten Feiertage in dem mittelamerikanischen Land mit der weltweit drittgrößten Zahl an Christen. Ein Fest für die Toten Die auf uns befremdlich wirkende Dekoration gehört ganz selbstverständlich zu dem Volksfest, mit dem die Mexikaner an ihre Verstorbenen erinnern und ihre Wiederkehr an diesem Tag feiern. Denn nach dem Volksglauben kommen die Verstorbenen einmal im Jahr zurück. Familie und Freunde feiern deshalb an den ersten beiden Novembertagen bei Essen, Musik und Tanz ein heiteres Fest. Die Stimmung ist ausgelassen wie auf einem Jahrmarkt, blumengeschmückte Totenaltäre vor den Häusern und ein extra gebackenes „Totenbrot“ sind Teil des Festes. Bestattung in Eigenregie Anzeigen Die Mexikaner haben ein unverkrampftes Verhältnis zum Tod, was sich nicht nur an den Dekorationen zum Tag der Toten zeigt. So gibt es keine Bestatter, die sich um die Beisetzung des Verstorbenen kümmern. Das erledigen die Familien in Eigenregie: Sie waschen ihre Verstorbenen, kleiden sie ein und legen sie in den Sarg, in dem die Verstorbenen zu Hause aufgebahrt werden. Eine Colaflasche aufs Grab Am Vorabend der Beisetzung versammeln sich Familie, Freunde und Nachbarn vor dem Haus des Verstorbenen. Man sperrt die Straße ab, damit kein Verkehrslärm die Gedenkfeier stört. Es gibt Kaffee, Tee und Gebäck, und der engste Angehörigenkreis hält eine Nachtwache. Bis zum Morgen wird gebetet, um den Toten ins Jenseits zu leiten. Ein Fahrzeugcorso geleitet den Sarg dann zum Friedhof. Dort verabschiedet sich die Trauergemeinde erneut am offenen Sarg, bevor er beigesetzt wird. Man stellt Dinge aufs Grab, die der Verstorbene mochte, vielleicht eine Colaflasche oder Agavenmost. Neun Tage dauert die Trauerzeit („novenario“). Jeden Abend wird vor dem Haus des Verstorbenen gebetet. Am zehnten Tag nach dem Tod findet nach mexikanischer Tradition zu Hause ein großer Gottesdienst mit anschließendem Essen statt. 8 bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de Hunderte von Gästen feiern tagelang Auch in Westafrika ist die Bestattung ein großes Fest. „Der Aufwand ist ungleich größer als in Deutschland, weil hunderte Gäste kommen, und sich der Abschied über mehrere Tage erstreckt“, erzählt Pastor Hannes Menke, der lange in Togo und Ghana gearbeitet hat. „Dafür gibt es eine Spendensammlung innerhalb der Familie, damit hunderte von Gästen über mehrere Tage anständig bewirtet werden können. Die Missionare haben das anfangs kritisiert, weil sie dahinter den Glauben an die Ahnen als Geister vermuteten: Um die Ahnen gnädig zu stimmen, bringt man sie besonders gut unter die Erde. Letztlich hat sich das Christentum aber mit der traditionellen Kultur verbunden.“ „Die Familie auffangen und unterstützen“ Der große Aufwand der Trauerfeier hat auch eine seelsorgerliche Funktion: „Es geht darum, die Familie aufzufangen und zu unterstützen“, erklärt Pastor Jean Tamedzo aus Togo, der jetzt in Bremen lebt. Chöre aus der Gemeinde singen für die Familie, Pastor und Kirchenvorsteher kommen zu Besuch. „Die Menschen bei uns haben weniger Berührungsängste, auf Trauernde zuzugehen, und die sind froh, wenn Gäste kommen.“ Weil Trauerfeiern in Togo und Ghana so viele Gäste haben, dauern die Vorbereitungen einige Wochen, manchmal Monate. Je nachdem, wie weit entfernt Verwandte leben. Der Leichnam wird im Kühlhaus aufbewahrt. Beerdigungen finden in der Regel sonnabends statt. „Dann hat man das Gefühl, dass alle Welt zu irgendeiner Beerdigung unterwegs ist“, erzählt Hannes Menke. „Dabei zu sein ist wichtig, weil alle, die zurückbleiben, am Grab das Leben neu feiern. Die Verstorbenen sind nicht weg sondern bleiben ein Teil der Gemeinschaft.“ Man trägt schwarze, aber auch rote und manchmal weiße Kleidung. „Ich habe auch schon erlebt, dass extra für die Trauerfeier Stoffe gedruckt werden.“ Särge als Auto oder Turnschuh gestaltet geschlossen und zum Ort der Trauerfeier gebracht. Der Sarg ist in Togo schlicht, manchmal weiß, um die Freude über ein langes Leben auszudrücken. Im benachbarten Ghana bevorzugt man poppig-bunte Gestaltungen. Vom Auto bis zum Turnschuh gibt es alle denkbaren Sargformen. „Der Sarg drückt in Ghana etwas über den Verstorbenen aus“, erklärt Hannes Menke. „Am Tag der Beisetzung gibt es auch fröhliche Lieder, die die Person gern gesungen hat.“ Nach der Trauerfeier wird getanzt „Geweint wird selbstverständlich auch, natürlich trauern die Menschen, aber gerade bei älteren Verstorbenen stehen Freude und Dankbarkeit für ein langes Leben und der Stolz darauf im Mittelpunkt, was der Verstorbene geleistet hat“, sagt Jean Tamedzo. „Nach der Beisetzung feiern alle ein großes, positives Fest. Es entstehen neue Beziehungen in der großen Familie, alte Kontakte leben wieder auf. Es ist ein Fest der Lebenden, bei dem getanzt, Musik gemacht, gut gegessen und auch gelacht wird.“ Text: Matthias Dembski /Fotos: dpa picture allicance Messe Leben & Tod „Leben ist Vielfalt – Sterben auch?!“ Freitag, 29. bis Sonnabend, 30. April in der Messe Bremen Auch die christlichen Kirchen, Diakonie und Caritas sind in der Halle 6 mit einem Stand vertreten. Lebensfest Sonnabend, 30. April 2016, ab 15.30 Uhr Am Freitagabend beginnen die Feierlichkeiten mit einem Abendessen und einem Gottesdienst im Haus des Verstorbenen. „Wenn der Pastor weg ist, feiern die Gäste ein großes Fest und holen mitten in der Nacht den Leichnam aus dem Kühlhaus ab. Er wird zu Hause aufgebahrt.“ Nach einer Morgendandacht wird der Sarg Eintritt frei Lebensfest mit kulinarischen und musikalischen Beiträgen aus verschiedenen Kulturen und Religionen. www.leben-und-tod.de www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2016 9 Lebensfest inmitten der Trauer? G ott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. „Wenn der Tag gekommen ist und ich meine Augen schließe und mich mein Löwenmut verlässt. Wenn der Tag gekommen ist und ich mit dem Wasser fließe, hoffe ich, dass ihr mich nicht vergesst.“ * Die Bibel, Johannes-Evangelium, Kapitel 4, Vers 16 Zitat aus dem Song „Das Leben ist schön“ von Sarah Connor Als ich von Sarah Connor das erste Mal das Lied „Das Leben ist schön“ gehört habe, hat mich der Text sehr angerührt. Was für schöne Gedanken und Wünsche die Sängerin da beschreibt. Sie möchte bei ihrer Beerdigung lachende, tanzende, fröhliche Menschen haben, die vor Glück weinen. Dann das einfache und doch so wahre Fazit: „Das Leben ist schön, auch wenn es vergeht.“ Zu meinem Mann sagte ich: „Mal sehen, wie lange es dauert, bis ich das Lied auf einer Trauerfeier höre.“ Das passierte dann tatsächlich ein paar Wochen später. Als das Lied in der Waller Friedhofskapelle erklang, flossen sehr viele Tränen. Nicht vor Glück, sondern vor Schmerz, weil da jemand endgültig nicht mehr da sein wird. Der Sarg der Verstorbenen machte allzu deutlich, dass die gesungenen Worte nicht mit dem Gefühl der Menschen zusammenpassten. Anderen Kulturen fällt es leichter, den Blick nach vorne zu richten Ich fühlte mich an eine andere Trauerfeier vor ein paar Jahren erinnert. Ein junger Mann war kurz vor seiner Hochzeit gestorben. Alle waren fassungslos, sprachlos. Eine sehr dynamische Freundin der Familie nahm die Organisation der Trauerfeier in die Hand. Frisch aus Amerika kommend und so von der dort herrschenden Kultur beeindruckt, wollte sie eine „Celebration of life“ feiern. Fröhliche Lieder, helle Kleidung, bunte Blumen, eine Bilderpräsentation aus dem Leben des Verstorbenen. Es sollte ein Fest des Lebens werden. Als dann der Sarg inmitten des Arrangements stand, wurde umso deutlicher: Das Feiern des Lebens war nur als Rückblick ohne Zukunft möglich. Andere Kulturen und Religionen begehen ihre Trauerfeiern anders als wir. Die bekommen es hin, dass nicht die Trauer beherrschend ist sondern die Freude darüber, dass nun etwas Neues beginnt. Der Blick nach vorne, die Hoffnung auf etwas Besseres machen den Abschied vom Gewesenen leichter. Da frage ich mich schon, warum uns das in unserem kulturellen Kreis nicht so gelingt. Ist es der protestantische Ernst oder die oft betonte deutsche Schwermut? Vielleicht. 10 bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de Nicht vor Glück geweint Als meine Eltern gestorben sind, ist mir nicht nach feiern, tanzen, lachen zumute gewesen. Vor Glück habe ich damals nicht geweint, so wie Sarah Connor singt. Aber eigentlich hat sie recht! Denn unser Glaube sagt uns genau das mit jedem Osterfest zu: Jesus hat den Tod besiegt. Wenn das kein Grund zum Feiern und Lachen ist! Ostern bedeutet doch auch, dass es weitergeht. Anders, nicht mehr hier auf der Erde, bei all den Menschen, mit denen man verbunden ist. Sondern es beginnt ein Leben bei Gott. Wie das aussieht, in welcher Form, das weiß ich nicht. Davon hat Jesus nichts erzählt. Er hat aber gesagt, dass wir dann ganz bei Gott sein werden. Bei dem Gott, der uns geschaffen hat. Der uns hier auf Erden in seinen Händen gehalten hat und von dem Jesus sagt, dass Gott die Liebe ist. Eine Liebe, die nie aufhört, die tief und ehrlich ist. Die unsere Seele trägt und umhüllt. In unserem Leben und über den Tod hinaus. Leider macht diese Zusage den Tod, die Trauer und den Abschied nicht immer leichter. Aber dieses Versprechen kann uns trösten, kann uns Hoffnung geben und uns helfen, weiter zu gehen. In die Zukunft zu sehen und die Schönheit des Lebens zu genießen. Und das ist dann doch ein Grund zum Lachen, Tanzen und Feiern. Wahrscheinlich hat Sarah Connor das Lied ganz anders gemeint, aber für mich ist es ein schönes Bild für Ostern. Wenn ich in diesem Jahr Ostereier bemale, werde ich auf eines schreiben: das Leben ist schön! Frohe Ostern! * Laut der Hilfsorganisation „Safe the Children“ haben in Syrien 250.000 Kinder nicht genug zu essen. Ihnen fehlt es vor allem an Brot. Pastorin Sabine Kurth arbeitet in Walle. Foto: Ulrike Rank www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2016 10 Alles öko im Frühlingsgarten Vogel-Kinderstube Sträucher und Hecken sind wertvolle Brutund Ruhezonen für Vögel. Zapfen tragende Nadelgehölze und Beerensträucher freuen Vögel ebenfalls. Nistkästen mit unterschiedlich großen Einfluglöchern helfen den gefiederten Freunden beim Brüten. Wenn es im Frühjahr wieder grün wird, geht‘s für Hobbygärtner raus auf die Scholle. Wer naturnah gärtnert, bewahrt die Schöpfung. Anstrich ohne Chemie Heimisch statt exotisch Kirschlorbeerhecken sind eine hochgiftige, ökologische Pest. Besser heimische Gehölze als gemischte Hecke pflanzen. Buche, Schlehe, Pfaffenhütchen, Kornelkirsche, Weißdorn, Beerensträucher, Kätzchenweiden und Kletterpflanzen wie Wilder Wein, Efeu oder ungefüllte Kletterrosen freuen Mensch und Tier. Chemie belastet Menschen, Tiere und Pflanzen. Im Naturgarten hat sie nichts zu suchen. Wer seinen Zaun streicht, nimmt am Besten eine Lasur auf Basis von Leinöl, Wachs oder Harz. Die gibt‘s auch in vielen fröhlichen Farben. Beete nur lockern Umgraben ist – außer bei schwerem Lehmboden – nicht nötig. Es zerstört das Ökosystem im Boden, wo auf jedem Quadratmeter Billionen Bakterien, Milliarden Strahlenpilze, Millionen Einzeller und 200 Regenwürmer leben. Umgraben bringt diese fruchtbare Ordnung durcheinander, Auflockern reicht! Nicht „ausfegen“ Laub sollte im Herbst liegenbleiben, denn darunter leben Spinnen und Insekten, die Vögeln als Nahrung dienen. Auch Igel freuen sich über einen Laubhaufen – als Kinderstube und Winterquartier. Je mehr „Unordnung“ im Garten, desto besser für die Tierwelt! Wiese statt Rasen Insektenfreundlich Bienen, Hummeln und Co. sind als Blütenbestäuber unersetzlich. Je bunter und blütenreicher ein Garten ist, desto besser. Auch ein Insektenhotel darf nicht fehlen. Staudengärten und Obstbäume sind eine Bienen- und Augenweide – und im Herbst kann geerntet werden! 12 bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de Rasenflächen können zu Lebensräumen werden, wenn man einen Teil zum Beispiel als Wildblumenwiese für Hummeln, Bienen & Co. anlegt – was nebenbei auch noch schön aussieht! Kompost statt Torf Herkömmliche Blumenerde enthält meist Torf. Der Abbau zerstört Moore, jahrhundertealte Lebensräume. Dabei kann man Blumenerde auch selber herstellen und wird dabei auch noch Gartenabfälle los. Diese Erde kann man auch auf dem Recyclinghof kaufen. Illustration: Andrea Imwiehe www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2016 13 Straßen-Praktikant Perspektivwechsel: Der Schulpraktikant Leonard Komar begleitete Diakon Harald Schröder in der Bremer City Zwei Wochen unterwegs mit der Aufsuchenden Seelsorge Der Wind weht eisig, das Thermometer bewegt sich um null Grad. Lutz (alle Namen von der Redaktion geändert) sitzt vor der Hauptpost an der Domsheide auf dem Boden. Nur zwei Pappen trennen ihn vom kalten Pflaster. „Einen Kaffee nehme ich gerne.“ Harald Schröder und sein Schülerpraktikant Leonard Komar (17) sind mit dem Rucksackcafé unterwegs – Seelsorge auf der Straße bei denjenigen, an denen die Passanten sonst meist vorbeieilen. Noch ein Leckerli für den Hund, ein kurzes Gespräch – und es geht weiter zum nächsten Sitzplatz. In der Sögestraße treffen die beiden Karla und Stefan. Auch sie freuen sich über einen heißen Kaffee gegen die Kälte und fragen den Streetworker gleich nach einem alten Bekannten: „Den Jochen haben wir schon lange nicht mehr gesehen, wo ist der abgeblieben?“ Harald Schröder kennt seinen Schlafplatz und kann den beiden Auskunft geben. „Sehen wir uns am nächsten Montag in der Winterkirche beim Mittagessen?“, fragt er zum Abschied. Sie nicken, dann ziehen Schröder und sein Praktikant weiter. Die Stadt mit anderen Augen sehen Zwei Wochen lang hat Leonard Komar, Schüler des Nebelthau-Gymnasiums, sein Diakonisches Praktikum bei der Aufsuchenden Seelsorge gemacht. „Ich hatte vorher keinen Kontakt zu wohnungslosen Menschen, aber jetzt sind meine Berührungsängste weg: Hand geben und einfach miteinander sprechen! Ich habe auf der Straße viele freundliche und interessante Menschen getroffen.“ Jetzt sieht er die Stadt mit anderen Augen, entdeckt Schlafplätze oder Gepäck-Verstecke, an denen er vorher vorbeigelaufen ist. In Bremen leben geschätzt ca. 600 Menschen auf der Straße. 251 Obdachlose wohnen in Notunterkünften, Auf der Straße zu leben heißt... ... Tag für Tag, bei Wind und Wetter, draußen zu bestehen „Schicksale haben mich echt berührt“ „Die Lücke zwischen Leuten mit Job und Wohnung und denen auf der Straße wird größer. Manchen sieht man die Armut nicht an, weil sie es schaffen, mit viel Organisationstalent eine bürgerliche Fassade aufrecht zu erhalten. Das Bild des stinkenden Wohnungslosen mit zerfetztem Mantel und verfilzten Haaren stimmt nicht immer.“ Leonard hat Flugzeugbauer und Bibliothekare getroffen, die auf der Straße gelandet sind. „Manche Schicksale haben mich echt mitgenommen.“ So wie das eines 25-jährigen Obdachlosen, der gern Konditor lernen würde. „Für ihn hoffe ich, dass er noch die Kurve kriegt und ihm jemand eine Chance gibt. Andere, so wie Martin auf der Brücke am Wallgraben, werden für den Rest ihres Lebens buchstäblich auf der Straße sitzen – weil sie nie mehr einen Job bekommen, es vielleicht auch nicht mehr wollen. Irgendwann schwinden die Kräfte, und sie können sich zu nichts mehr aufraffen.“ Das Leben auf der Straße ruiniere die Gesundheit: „Einige Leute, die ich getroffen habe, werden dieses Jahr nicht überleben“, sagt Leonard. „Das ist hart. Andererseits hat mich beeindruckt, wie sehr wohnungslose Menschen zusammenhalten. Wenn etwa jemandem der Schlafsack geklaut wurde, organisiert ein anderer einen neuen.“ „Ohne Ehrenamtliche läuft nichts“ Es werde ihn weiter beschäftigen, wie schnell Menschen aus der bürgerlichen Existenz abrutschen und auf der Straße landen können. „Wenn man sieht, wie rappelvoll es im Bremer Treff, einer kirchlichen Begegnungsstätte, in der Winterkirche oder bei den Suppenengeln ist, weiß man, wie viele Menschen Hilfe brauchen.“ Doch die ist oft nur mit Hilfe von Ehrenamtlichen zu bewerkstelligen. „Ohne sie würde das soziale Netzwerk zusammenbrechen“, meint Leonard. „Das ist bedenklich, weil es immer mehr dauerhaft arme Menschen gibt. Das kann man nicht alles Ehrenamtlichen aufbürden, die wenigen Hauptamtlichen eher schlecht bezahlen und die meist befristeten Hilfsprojekte auf Spendenbasis finanzieren.“ „Helfen, damit niemand abrutscht“ Der Leistungsdruck in der Gesellschaft nehme ständig zu. „Man braucht heute schon das Abi, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Wer die Leistung nicht bringen kann, für den sieht‘s düster aus.“ Leonard selber hat sich ein Ziel gesetzt: „Armut ist Scheiße – aber keine Schande. Sollte ich später beruflich irgendwo Verantwortung tragen, dann möchte ich auch soziale Ziele verfolgen und die Menschen um mich herum im Blick behalten. Jeder braucht eine Chance, und wenn es ihm nicht gut geht, Hilfe, um nicht abzurutschen und auf der Straße zu landen.“ Text: Matthias Dembski | Fotos: Matthias Dembski ... arbeitslos zu sein, mehr als 90 Prozent sind erwerbslos ... isoliert zu leben, abgeschnitten von sozialen Kontakten, Kultur und Freizeitangeboten Anzeige ... vertrieben zu werden: „Reiche“ Stadtteile sind für Wohnungslose „No go areas“ ... einen eingeschränkten Aktionsradius zu haben und nicht mobil zu sein ... kein Bankkonto zu haben ... keine Postanschrift zu haben, das heißt, für Behörden, Freunde und Familie nicht erreichbar zu sein ... nicht wählen zu können, weil die Wahlbenachrichtigung nicht zugestellt werden kann ... ohne Wasserversorgung und Toiletten leben zu müssen ... abgeschnitten von Bildung und Medien zu leben ... mangelernährt und bewegungsarm zu sein ... kaum Zugang zu medizinischer Versorgung zu haben ... ohne Privatsphäre auf dem Präsentierteller zu leben ... schutzlos Wind und Wetter sowie Gewalt ausgesetzt zu sein ... arm zu sein, nicht konsumieren zu können, weil Geld fehlt Seelsorge auf der Straße Harald Schröder Telefon 0421/897 418 27 [email protected] ... betteln zu müssen und deswegen diskriminiert zu werden ... keine Wohnung mehr zu bekommen, in Abbruchhäusern, unter Brücken oder in Notunterkünften schlafen müssen 14 bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de www.menschenrecht-auf-wohnen.de www.nebelthau-gymnasium.de www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2016 15 Familien- & Lebensberatung der Bremischen Evangelischen Kirche vertrauliche Beratung (Schweigepflicht) offen für alle (unabhängig von Konfession & Religion) Beratung soll nicht an den Finanzen scheitern, Eigenbeteiligung von einem Prozent des Nettoeinkommens pro Sitzung ist erwünscht. Psychologische Beratung bei Konflikten und in Lebenskrisen, z.B. durch gesundheitliche, berufliche oder persönliche Probleme Beratung bei Partnerschafts-/ familiären Problemen sowie Erziehungsfragen Mediation: Vermitteln, um den Streit zu versachlichen Elterntraining „Kinder im Blick“ für Eltern in Trennung und Scheidung Schwangerenberatung, Infos zu Pränataldiagnostik und vertraulicher Geburt Unterstützung bei Fragen und Problemen in der Schwangerschaft Schwangerschaftskonflikt-Beratung (mit Beratungsschein) Kontakt: Telefon 0421/33 35 63 [email protected] Als Paar in der Beratung Wenn das Fundament rissig wird Irgendwann wuchs sich der ganz normale Alltagswahnsinn bei Kathrin (31) und Markus (36) zur Krise aus, deshalb gehen sie jetzt zur Paarberatung der Evangelischen Familien- und Lebensberatung. Seit 12 Jahren sind sie ein Paar, mittlerweile haben sie zwei kleine Kinder im Kita-Alter. Sie arbeiten in Berufen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, gleichzeitig studieren sie noch, um später bessere berufliche und finanzielle Perspektiven zu haben: „Ein bewegter und voller Alltag, aber es wurde einfach irgendwann zu viel, die Fetzen flogen fast dauerhaft“. Der vollgeschriebene Kalender über der Küchenbank zeigt, wie das Leben dieser Familie Kopf steht und was Markus und Kathrin alles „auf dem Zettel haben“. Kathrin: Unsere Auseinandersetzungen wurden immer heftiger. Schon an Kleinigkeiten wie „Du hast den Tisch nicht abgewischt“ konnte sich ein Konflikt entzünden, bei dem wir oft beleidigend wurden. Streitigkeiten schaukelten sich oft ins Grundsätzliche hoch, und wir haben uns gegenseitig mit Worten verletzt. Wir haben Grenzen überschritten, so dass wir irgendwann gesagt haben: Jetzt brauchen wir Hilfe von Außen, sonst geht unsere Beziehung kaputt, und unsere Kinder leiden darunter. Markus: Es war ein Pingpongspiel, unser Streit war nicht produktiv. Wir haben uns im Kreis gedreht. Aus dieser Spirale wollten wir beide raus – ohne eine Trennung, wobei auch diese Möglichkeit im Raum stand. Aber mit drei Kindern sucht man erstmal nach anderen Lösungen. Wir waren uns einig, dass das Fundament unserer Partnerschaft Risse bekommen hat. Wir waren nur noch erschöpft, leicht reizbar und hatten kaum Freiraum, überhaupt über irgendwas zu sprechen. Ständig wuseln die Kinder herum, ansonsten ist man damit beschäftigt, denn Alltag am Laufen zu halten. Dort, wo wir abends aufgehört hatten zu streiten, fingen wir am nächsten Morgen wieder an. Es war einigermaßen ausweglos, über Wochen und Monate hinweg. 16 bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de Kathrin: Ich möchte nicht, dass unsere Kinder das Gefühl haben, dass man so mitei- Markus: Das gab’s vorher vielleicht auch schon, aber wir haben uns nicht mehr nander umgeht, wenn man sich lieb hat. Meine Kinder sollen lernen, wie man höflich gesagt, dass es uns gut tut. Wir haben gelernt, anders über uns selber nachzudenken und respektvoll miteinander umgeht. Davon waren wir weit entfernt. und verständlich auszudrücken, was uns verletzt und belastet. Markus: Kathrin hat sich dann über die Beratungsmöglichkeiten für Paare in Bremen informiert, wir haben gemeinsam die Evangelische Familien- und Lebensberatung ausgesucht. Innerhalb von drei Wochen hatten wir einen Termin. Die Chemie zwischen der Beraterin und uns stimmte, was für eine solche Beratung ganz wichtig ist. Markus: Wenn heute jemand von uns am Ende ist und eine Auszeit braucht, können wir uns ein Signal geben und uns zurückziehen. Dafür haben wir in der Beratung Verabredungen getroffen. So sind wir raus aus dem Teufelskreis, dass solche Situationen eskalieren. Ich finde die Beratung sehr praxisorientiert. Gelöst haben wir unser Problem dann, wenn wir uns selber den Freiraum zum Gespräch auch außerKathrin: Mir waren Instrumente wichtig, mit denen wir unsere Streitigkeiten in den halb der Beratung schaffen. Selbst wenn wir uns jetzt noch trennen würden, haben Griff bekommen und zum Kern vordringen, warum es zwischen uns so schwierig ist. wir eine Kommunikation miteinander gefunden, die wir so vorher nie hatten. Markus: Mittlerweile sind wir seit vier Monaten dabei und gehen alle zwei Wochen zur Beratungsstelle. Wenige Male hatten wir auch ein Kind dabei, wenn es mit der Betreuung schwierig wurde. Wir haben endlich einen Raum gefunden, wo wir uns in Ruhe mit dem auseinandersetzen können, was zwischen uns steht. Kathrin: Wir haben ein neues Fundament gefunden, auch wenn die Krise nicht völlig überwunden ist. Unsere Lebensumstände, den Stress und die Belastungen können wir kurzfristig nicht verändern. Aber wir haben einen anderen Umgang damit gefunden. Stresswellen sind noch da, etwa wenn Semesterarbeiten geschrieben werden müssen. Aber wir haben neue Kraftquellen gefunden, jeder für sich und miteinander. Kathrin: Ich habe die Sichtweisen meines Mannes besser verstehen gelernt, die Ich werde zum Beispiel jetzt eine Mutter-Kind-Kur beantragen, ein ganz konkreter mir vorher nicht zugänglich waren. Wir haben inzwischen einmal monatlich eine Lichtblick. Verabredung miteinander nur als Paar – ohne Kinder. Wir brunchen zum Beispiel am Wochenende im Café. Diese Idee führte dazu, dass wir uns als Paar wieder angenä- Markus: Wir lassen unsere Probleme nicht mehr so lange vor sich hin gären, sonhert haben. Ich habe neu gelernt, meinen Mann wertzuschätzen. dern haben Strategien gefunden, sie schneller miteinander zu klären. Die Zahl und Intensität der Konflikte hat sich deutlich reduziert. Die Beratung kann einem Paar Markus: Das ist bei uns ein großes Thema, nicht nur die negativen Seiten des sehr helfen, wenn man sich darauf einlässt, statt endlos zu leiden. Anderen zu kritisieren, sondern auch neu zu entdecken, was toll an meiner Partnerin ist. Kathrin: Es muss nicht alles zerbrochen und kaputt sein, bevor man sich Hilfe holt. Kathrin: Ich habe viele Kleinigkeiten entdeckt: wann er mich umarmt und es mir gut Gesprächsprotokoll: Matthias Dembski | Illustration: Elke R. Steiner tut, dass er am Wochenende Frühstück macht, während ich noch liegenbleiben kann. Jubiläum 50 Jahre Beratungsstelle Sonntag, 17. April, 18 Uhr, Gottesdienst und Empfang: „Sehnsuchtsort Familie“ Kulturkirche St. Stephani Bremen Donnerstag, 21. April, 19.30 Uhr, Ritual und Krise in der Liebe, Vortrag von Wolfgang Schmidbauer Kulturkirche St. Stephani Bremen Eintritt : 10 / 5 / 3 Euro www.kirche-bremen.de Scheidungen in Deutschland Ehescheidungen mit und ohne minderjährige Kinder in Deutschland von 2006 - 2013; Quelle: Statista www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2016 17 Die Apkalypse ist zehn Tonnen schwer und hat fast sechs Meter Durchmesser. Aufgespannt auf 433 Europaletten entfaltet die Künstlerin Patricia Lambertus in der Kulturkirche St. Stephani ihr vier Meter hohes Enthüllungs-Panorama mit endzeitlichen Motiven. Von der Vertreibung aus dem Paradies bis zum Hölleninferno zeigt ihre Collage die kleinen und großen Dramen der Menschheitsgeschichte. Düstere Weltuntergangsszenarien haben Menschen seit jeher fasziniert: So verwendet Lambertus mittelalterliche Gemälde von Cranach, Wohnzimmertapeten mit Schlacht-Motiven aus dem 19. Jahrhundert und zeitgenössische Motive aus dem Internet. Auch Dürers apokalyptische Reiter tauchen in verfremdeter Form neben Nazi- und IS-Propaganda-Motiven auf. Ausstellung in der Kulturkirche Apokalypse Schon im Paradies lauert das Böse Immer wieder mischt sie Militärmuster unter HeileWelt-Motive wie eine Karibik-Idylle mit untergehender Sonne. Die Gewalt und das Böse fallen immer wieder in die Welt ein – bis zur Totalzerstörung, die am Schluss des Panoramas steht. Wer sich innerhalb des Rodells aus Europaletten im Kreis dreht, kann die bildliche Reise durch die Menschheitsgeschichte wieder von vorne beginnen – im Paradies, wo das Böse in Gestalt von Kriegsgerät bereits lauert. Ob sich die Lust der Menschen am selbstgemachten Untergang stoppen lässt? – Das unglaublich detailreiche Panorama von Patricia Lambertus, das sie während ihres zehnmonatigen Kulturkirchen-Stipendiums aus unzähligen Bildfragmenten am PC entworfen hat, gibt keine Antwort, aber es liefert beeindruckend-beklemmende Bilder, die nachdenklich machen. In Bewegung Alles um uns herum wird schneller – vielleicht liegt genau darin das Geheimnis, warum Pilgern heute so im Trend liegt. Wer pilgert, hält den Alltag an. Und wer sich auf den Weg macht, gewinnt neue Erfahrungen mit sich und auch mit Gott. Ob Trauer, Abschiede, berufliche und persönliche Neuanfänge – beim Pilgern kann man über vieles nachdenken. Hape Kerkeling hat seine Erfahrungen so beschrieben: „Pilgern ist die Suche nach Gott! Und wer nach Gott sucht, wird unweigerlich über das eigene Ich stolpern!“ Wer sich mit Leib und Seele auf den Glaubensweg machen will, hat dazu im Pilgerjahr 2016 viele Gelegenheiten. der Mönche, die das Christentum im Mittelalter in den Norden brachten. Vorbei an Jahrhunderte alten, aus Feld- und Backstein errichteten Kirchen, quer durchs wunderschöne Alte Land mit seinen ObstbaumPlantagen, setzt man in Wischhafen über die Elbe. Zum Mönchsweg gibt es auch einen Infoabend. Auf dem Pilgerweg „Ochtum, Marsch und Moor“ kann man ebenfalls per Rad eine geführte Tour ab Hasbergen unternehmen. Auch in der Stadt kann man pilgern: Einmal monatlich startet das „Stadt-Pilgern“ am Kapitel 8 an der Domsheide, „Pilgern am Samstag“ startet in Bremen-Nord von der Christophorus-Gemeinde aus. Viele Pilgerwege in Bremen und „umzu“ Vom Pilgern erzählen Gleich drei Pilgerwege laden in Bremen und „umzu“ dazu ein, sich auf den Weg zu machen: Der berühmte Jakobsweg verläuft durch die Hansestadt, der Mönchsweg nimmt hier seinen Ausgang, und wer regional unterwegs sein möchte, der wählt den Pilgerweg „Ochtum, Marsch und Moor“. Für Neueinsteiger: Auf allen Wegen sind auch Tagesetappen möglich. Wer nicht auf Schusters Rappen sondern im Fahrradsattel unterwegs sein möchte, für den ist der Mönchsweg, ein Radfern-Pilgerweg, das richtige. Er folgt den Spuren Erstmals können sich Bremer Pilgerinnen und Pilger zum „Saisonabschluss“ mit Gleichgesinnten austauschen - nach einer Dankandacht im Dom in der PilgerKlause im Lighthouse an der Weser. Wer andere für das Pilgern begeistern und dabei begleiten möchte, ist bei der Pilgerbegleiter-Ausbildung des Evangelischen Bildungswerks richtig, die das nötige Handwerkszeug und reichlich Praxiserfahrungen vermittelt. Text: Matthias Dembski / Foto: Ulrike Rank Angebote für die Pilgersaison 2016 Hier finden Sie alle Termine und Angebote zum Pilgerjahr 2016 in Bremen und „umzu“. www.kirche-bremen.de Anzeige Text & Foto: Matthias Dembski »Apokalypse« Ausstellung in der Kulturkirche St. Stephani Das Panorama von Patricia Lambertus ist noch bis zum 6. Mai 2016 zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 11 bis 17 Uhr (Stephanikirchhof 8), Eintritt frei So 20. März, 18 Uhr Kulturgottesdienst „Wer hat Angst vor der Apokalypse?“ mit Pastorin Diemut Meyer, Patricia Lambertus, Frank Laukötter, Musik: Bremer Kantorei St. Stephani unter Leitung von Tim Günther www.kulturkirche-bremen.de 18 bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2016 19 Wasser für alle ist in der Bremer City Mangelware Durststrecke Der nächste Sommer kommt bestimmt, und damit wird das Wasser-Problem von Jörg (Name von der Redaktion geändert) wieder größer. Jörg lebt in der Bremer Innenstadt, aber er ist – wie geschätzt 600 Menschen – obdachlos. Er macht Platte und hat deshalb ein Wasserproblem. „Kein Trinkwasser, kein Klo, keine Waschmöglichkeit“, fasst er zusammen. Trinkwasser muss er kaufen und mit sich herumschleppen, wenn denn das erbettelte Geld dafür gerade da ist. Öffentliche Toiletten gibt es in der City nicht mehr, und die vier „Netten Toiletten“ in Cafés, Geschäften und Gastronomiebetrieben kommen für ihn nicht in Frage. „So wie ich aussehe, komme ich nicht an der Kuchentheke vorbei und möchte mich auch nicht begaffen lassen, nur weil ich mal muss.“ Toiletten, Duschen und Waschmaschinen fehlen Anzeigen „Armut stinkt“, stellt Diakon Harald Schröder fest. Das meint er nicht abschätzig sondern ganz sachlich: „Wer auf der Straße lebt und keine Möglichkeit hat, sich regelmäßig zu waschen oder zu duschen, riecht natürlich irgendwann.“ Selbst wenn Wohnungslose einmal die seltene Gelegenheit haben, sich zu duschen, stellt sich das Problem der Wechselkleidung. Wer seine ganze Habe mit sich trägt, hat selten eine zweite Wäsche- und Oberbekleidungsgarnitur dabei. Im Bremer Treff, der kirchlichen Begegnungsstätte, gibt es zwar Duschen und Waschmaschinen, aber die Warteliste ist so lang, dass es teils Wochen dauert, bis man an der Reihe ist. Die Innere Mission bietet im Café Papagei am Bahnhof eine Dusche für Männer und im „Frauenzimmer“ Duschmöglichkeiten für Frauen, die nicht ganz so überlaufen sind. „Wir suchen aber noch dringend Sponsoren für den Strom- und Wasseranschluss und für eine ProfiWaschmaschine und einen Wäschetrockner“, sagt Rüdiger Mantei, Leiter des Café Papagei. Auch er bestätigt die katastrophale Toilettensituation für wohnungslose Menschen in der Bremer City. „Da muss sich dringend etwas verändern.“ führen, um öffentliche Trinkwasserbrunnen in der Stadt aufzustellen. Vorgabe: Sie sollen „insbesondere durch Spenden und/oder Sponsoring“ finanziert werden. In Städten wie Hamburg, Berlin oder Dortmund gibt es bereits ein dichtes Brunnennetz. In Dortmund verteilen sich 31 formschöne Brunnen über das gesamte Stadtgebiet, deren Betrieb der regionale Versorger DEW 21 als sein „gesellschaftliches Engagement“ betrachtet. „Hamburg Wasser“ bietet an neun Orten in der Elbmetropole kostenloses Trinkwasser an. In Bremen sind Aufstellungs- und Folgekosten, aber auch technische Fragen und Grundeigentumsverhältnisse nach wie vor ungeklärt, und es gibt immer wieder Bedenken der Behörden. Die aus Kirchenmitteln finanzierten Brunnen sind ein erster Tropfen auf den heißen Stein. 3.000 Euro hat der Brunnen an St. Johann gekostet, 14.000 Euro werden für den künstlerisch aufwändigeren, weil denkmalgerechten Brunnen an der Kirche Unser Lieben Frauen fällig. Auch die laufenden Verbrauchskosten zahlen die Kirchengemeinden. Harald Schröder erinnert an eine Stelle in der Bibel, wenn er die unzureichende Wasser- und Toilettensituation für wohnungslose Menschen kritisiert: „Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Auch wer kein Geld hat, soll kommen“, heißt es in der Bibel im Buch Jesaja (Kapitel 55, Vers 1). „Natürlich gibt es ein Menschenrecht auf Wasser und Toiletten, aber leider keine Möglichkeit, es praktisch durchzusetzen. Letztlich werden wohnungslose Menschen auf diese Weise aus der Innenstadt vertrieben.“ Auch wenn ein zweiter kirchlicher Trinkwasserbrunnen sprudelt: Die Durststrecke für wohnungslose Menschen in der Bremer Innenstadt geht erstmal weiter. bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de Diakon Harald Schröder Telefon 0421/89 74 18 27 [email protected] Spendenkonto Gemeinde Unser Lieben Frauen Stichwort „Rucksack-Café“ IBAN: DE49 2905 0101 0001 0904 06 BIC: SBREDE22XXX Café Papagei Treffpunkt für Menschen auf der Straße Rüdiger Mantei, Leitung Telefon 0421/17 50 46 92 [email protected] Spendenkonto Verein für Innere Mission IBAN: DE22 2905 0101 0001 0777 00 BIC: SBREDE22XXX www.kirche-bremen.de www.inneremission-bremen.de Vier nette City-Toiletten Trinken ist lebenswichtig Bremen hat keine öffentlichen Toiletten mehr. Früher wandte die Stadt mehr als eine Million Euro jährlich dafür auf. Seit 2013 gibt Bremen Trinken ist gesund und lebensnotwendig. 20 mit Menschen, die in Armut leben Text: Matthias Dembski | Foto/Grafiken: Ulrike Rank Anderswo läuft‘s Weil es in Bremen bislang keine öffentlichen Trinkwasserbrunnen gibt, ist Harald Schröder gemeinsam mit Kirchengemeinden aktiv geworden. Im letzten Jahr konnte an der katholischen Propsteikirche St. Johann eine Wasser-Zapfstelle eröffnet werden, im Mai soll ein zweiter Brunnen an der Kirche Unser Lieben Frauen folgen. Die Bürgerschaft hat den Senat im vergangenen September gebeten, Gespräche mit örtlichen Wasserversorgern zu Aufsuchende Seelsorge Wasser ist ein Muntermacher in jeder Jahreszeit! für die „Nette Toilette“, vorwiegend in der Gastronomie, 75.000 Euro jährlich aus. Mindestens 1,5 Liter sollte jeder Mensch täglich trinken, je nach Alter, Witterung und Anstrengung Grundleistungsempfänger bekommen 35 Cent auch mehr. Wer weniger als 1 Liter trinkt, gefährdet Wassergeld pro Quadratmeter. Bei einer seine Gesundheit. Trinken sollte man den ganzen Tag 40 Quadratmeter-Wohnung sind das 168 Euro im Jahr. – möglichst gleichmäßig verteilt! Wasser, ungezuckerte Bei 600 Obdachlosen „spart“ die Stadt über Kräuter- und Früchtetees und Saftschorlen im 100.000 Euro im Jahr, weil Menschen ohne Verhältnis 1:3 sind die besten Durstlöscher. Wohnung kein Wassergeld bekommen. www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2016 21 Stapellauf in der Kita Karl-Heinz Kröber ist als ehrenamtlicher „Werkopa“ in der Kita aktiv und baut mit Kindern kleine Holzboote Mit Kindern Boote bauen Material ein Holzbrett (etwa 10 cm breit, etwa 2 cm dick) Schaschlikspieße für die Masten Papier für die Segel, Bunstifte zum Bemalen der Segel und zum Beschriften des Schiffchens und des Kapitänshäuschens Holzleim Polsternägel, am besten aus Messing, ca. 1,5 cm lang Wollfäden für die Reling Werkzeug: Stichsäge, Handbohrer für Holz, Hammer, Schleifpapier/Feile Auf dem Brett den Schiffskörper aufzeichnen, mit der Stichsäge aussägen. Sägekanten glatt schleifen oder feilen. Einen viereckigen Holzklotz als Kapitänshäuschen aussägen. Position des Häuschens und der Masten aufzeichnen, Mastlöcher bohren. Am Rand des Schiffskörpers im Abstand von ca. 1,5 cm Nägel einschlagen, mit Wolle die Reling darum wickeln. Das Kapitänshäuschen mit Holzleim auf dem Schiffskörper festkleben. Masten am Ende mit Holzleim einstreichen und in die vorgebohrten Löcher stecken. Segel bemalen und auf die Masten stecken. Anzeigen Vorsichtig und konzentriert fährt Ilsabe (5) mit der elektrischen Stichsäge durch das Holz. Karl-Heinz Kröber führt die Säge sicherheitshalber mit. Der Werkraum der evangelischen Kita Haus Blomendal ist wie jeden Donnerstag wieder eine Bootswerft. Zum Bootsbau-Team gehört erstmals Tessa (4), die in der kommenden Woche ihr eigenes Boot bauen wird. Heute ist sie Bootsbau-Assistentin für ihre Kindergartenfreundin Ilsabe. „Geschafft, jetzt kannst du das abgeschnittene Holzstück in die Abfallkiste werfen“, sagt Karl-Heinz Kröber, der die Aktion anleitet. Der 67-jährige pensionierte Bahnbeamte, der früher als Stellwerk-Leiter arbeitete, ist seit 10 Jahren ehrenamtlicher „Werkopa“ in der Blumenthaler Kita. „Als ich mit 56 Jahren in den Vorruhestand ging, war für mich klar: Nur zu Hause rumsitzen kommt nicht in Frage!“ Mittlerweile hat Kröber selber fünf Enkel. „So hatte ich immer Kontakt mit dem Kindergartenalter.“ Eine Nachbarin, die in Haus Blomendal als „Vorlese-Oma“ aktiv war, überzeugte ihn, dort mal vorbeizuschauen. „Eine super Mannschaft und ein tolles Klima“, stellte Kröber schnell fest – und blieb. „Ich hatte ein wenig handwerkliche Vorbildung und Lust, mit den Kindern einfache Schiffsmodelle zu bauen.“ In der Kita gibt es einen Werkraum mit einer Kinderwerkbank und Werkzeug. „Eigentlich bauen wir seit zehn Jahren unverändert dieselben Schiffchen ohne viel Schnickschnack“, meint Kröber. Doch die Kinder in Haus Blomendal lieben die Schiffchen. „Die Nachfrage ist ungebrochen, weil jede Woche nur zwei Kinder gemeinsam ein Boot bauen können“, erzählt Kröber. Tessa überlegt schon, wen sie in der kommenden Woche als Assistentin auswählt, wenn sie ihr eigenes Boot baut. „Vielleicht nehme ich Charlene mit.“ Im Laufe des Kita-Jahres kommen alle Kinder dran, die Arbeit in Zweier-Teams hat sich bewährt. „So kann ich die Arbeiten gut anleiten und die Kinder haben die nötige Ruhe, wenn sie mit Hammer oder Feile hantieren.“ Denn Nägel einzuschlagen oder mit dem Handbohrer die Löcher für die Masten zu bohren, ist gar nicht so einfach. „Eine Ergotherapeutin hat mir mal gesagt, wie gut solche Werkarbeiten die Feinmotorik fördern“, erzählt Kröber. „Mädchen sind übrigens oft geschickter, Jungs gehen eher grob zur Sache.“ Individuell werden die Boote durch die Bemalung, den Namen auf dem Kapitänshäuschen und die Farbe der Reling, die mit Wolle um die zuvor eingeschlagenen kleinen Messingsnägel gewickelt wird. Ilsabe geht diese Arbeit leicht von der Hand. Gekonnt wickelt die Fünfjährige den roten Wollfaden um die Nagelköpfe. „Ich helfe dir beim Knoten und Abschneiden, halt‘ den Faden gut fest“, sagt Kröber. Nachdem Masten, Segel und das Kapitänshäuschen angebracht sind, läuft das fertige Schiff nach einer Dreiviertelstunde vom Stapel. Durch Freiwillige wie Karl-Heinz Kröber können Kitas solche zusätzlichen Angebote machen. Mehr als 150 Menschen engagieren sich ehrenamtlich in kirchlichen Kitas. bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de Text/Fotos: Matthias Dembski Schiffsmodell seit zehn Jahren ein Dauerbrenner Ehrenamtliche bereichern den Kita-Alltag 22 Sie sind aber niemals Lückenbüßer sondern bereichern mit ihren Fähigkeiten und ihrer Kreativität den Kita-Alltag – ob als Übersetzerin für Flüchtlings-Eltern, in Büchereien oder Garten-Projekten oder auch als Hausaufgabenhilfen in Horten. Als „Werkopa“ ist Karl-Heinz Kröber für die Blumentaler Kinder ein echtes Highlight. „Ich bekomme von den Kindern ganz viel Spaß und die Freude zurück. Das motiviert mich, auch nach zehn Jahren immer noch weiterzumachen. Selbst wenn ich mich mal aufraffen muss – nach fünf Minuten in der Kita bin ich wieder begeistert bei der Sache. Die Arbeit mit den Kindern ist auch eine Herausforderung, die mich fit hält.“ Ehrenamtlich aktiv in Evangelischen Kitas Gesucht Unterstützung beim Gärtnern Ein ehrenamtliches Übersetzerteam Back- & Kochkünstler/innen oder ein festes Grillteam für Kita-Feste Bastel- & Handwerks-Expert/innen für die Spielplatz- und Außengelände-Gestaltung, kleine Reparaturen oder Werk-Projekte Ausflugsbegleitungen Lesepaten und Geschichtenerzählerinnen Hausaufgabenhelfer/innen im Hort Mitzubringen erweitertes Führungszeugnis Lust, Ideen & Kreativität, mit Kindern Projekte zu gestalten Kontakt & Infos „Aktiv evangelisch“ Evangelisches Informationszentrum Kapitel 8 Telefon 0421/33 78 220 [email protected] www.aktiv-evangelisch.de www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2016 23 500 Jahre Reformation »H at euch das Christus gelehrt oder seine Apostel, die Propheten oder Evangelisten? Zeigt mir, wo das steht, ihr hohen Meister! Ich finde an keinem Ort in der Bibel, dass Christus noch seine Apostel oder Propheten jemanden eingekerkert, verbrannt noch gemordet haben oder sie des Landes verwiesen. (…) Man weiß wohl, wie weit man der Obrigkeit gehorsam sein soll. Aber über das Wort Gottes haben sie nicht zu gebieten, weder Papst, Kaiser noch Fürsten. Argula von Grumbach (1492-1554), Brief an die Universität Ingolstadt « voller Vorurteile, Gewaltdrohungen und Hass ist nicht das Netz, das wir anstreben sollten. Hasskommentare sollen letztendlich auch dazu dienen, andere Menschen zu entmenschlichen und sie verstummen zu lassen. Wir schränken aber unsere Meinungsfreiheit ein, wenn wir solche verbale Gewalt zulassen und einfach als Teil der Netzkultur akzeptieren. Die Polizei sollte beispielsweise Anzeigen ernstnehmen und ihnen nachgehen. Stattdessen bekommen feministische Aktivistinnen aber noch immer Aussagen zu hören wie: „Dann schreiben Sie doch nichts ins Internet.“ Anne Wizorek Autorin und Beraterin für digitale Medien, löste auf Twitter (#aufschrei) eine deutschlandweite Sexismus-Debatte im Netz aus. Zehntausende Menschen, vor allem Frauen, twittern seit 2013 über ihre Erfahrungen mit Sexismus im Alltag. Gerade seitdem ich zu feministischen Themen im Internet blogge, erlebe ich täglich durch Hasskommentare, wie tief verwurzelt Diskriminierung leider immer noch ist. Wichtig ist aber zu verstehen: Nicht das Netz macht Menschen sexistisch oder rassistisch, sondern es bringt bereits bestehende Einstellungen zum Vorschein. Wir sind in Sachen Gleichberechtigung, Gewaltfreiheit, Toleranz und Gesprächskultur eben leider noch nicht so weit, wie wir gern glauben möchten. Hier kommt auch das Problem der Mehrfachdiskriminierung verschärfend hinzu: Eine Schwarze Frau wird im Netz noch mal anders angegriffen als zum Beispiel ich es werde. Darüber möchte ich aufklären, denn ein Internet 24 Was hätten die Reformatorinnen der Kirche heute gesagt? Ein wichtiges Anliegen war Argula von Grumbach ein gewaltfreier Glaube. Heute kämpft die Bloggerin Anne Wizorek gegen Hass-Postings und Gewalt im Netz. Bereits 2013 konnten wir bei der Debatte um den Hashtag „Aufschrei“ sehen, wie viele Leute Ausreden dafür hatten, warum ein weißer Mann sexuell belästigen darf und das ja „alles nicht so schlimm“ sei. Nach den Silvester-Übergriffen von Köln sind es nun oft dieselben Leute, die sexualisierte Gewalt plötzlich schlimm finden, aber eben nur, weil sie von Männern mit Migrationshintergrund kam. Sexualisierte Gewalt ist aber eben niemals in Ordnung, egal von wem sie ausgeht. aber, um die Aussage einer Person richtig einzuordnen. Manches, was an Aggressionen im Netz passiert, hat auch mit diesem Umstand zu tun. Wir sollten daher dringend so früh wie möglich ein Fach „Medienpädagogik“ an den Schulen einführen, um einen kompetenten Umgang mit dem Internet und anderen Medien zu vermitteln. Dazu gehört auch, die Glaubwürdigkeit von Quellen im Netz besser einzuschätzen. Das Internet muss endlich als Arbeits- und Lebensraum ernst genommen werden, der uns viele positive Möglichkeiten bietet. Es darf wiederum kein Raum sein, wo es als normal gilt, dass Menschen beschimpft und bedroht werden. An Bewegungen wie Pegida sieht man auch Risiken des Internets: Menschen können sich dort wie in einer Blase abschotten und nur noch die Infos suchen, die ihr Weltbild untermauern – gegen Feministinnen genauso wie gegen Flüchtlinge. Wir brauchen deshalb auch mehr Medienkompetenz. Wenn wir über Bildschirme miteinander kommunizieren, fehlen uns Gesten, Tonfall und Mimik. Diese braucht unser Hirn Wenn ich – wie einst Luther – heute eine These an die Kirchentür in Wittenberg anschlagen würde, dann hieße die: Glaubt Frauen! Glaubt ihnen, wenn sie euch von Sexismus berichten. Egal, ob es um die kleinen alltäglichen Diskriminierungen und Herabwürdigungen oder um Gewalterfahrungen geht. Spielt das nicht herunter und erfindet keine Ausreden nach dem Motto: Selber schuld! – Deshalb wäre es ein wichtiger Schritt, Frauen einfach ernst zu nehmen und aus ihren Erfahrungen endlich Konsequenzen zu ziehen. www.annewizorek.de Twitter #Aufschrei bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de
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