Wasser für alle ist in der Bremer City Mangelware Durststrecke Der nächste Sommer kommt bestimmt, und damit wird das Wasser-Problem von Jörg (Name von der Redaktion geändert) wieder größer. Jörg lebt in der Bremer Innenstadt, aber er ist – wie geschätzt 600 Menschen – obdachlos. Er macht Platte und hat deshalb ein Wasserproblem. „Kein Trinkwasser, kein Klo, keine Waschmöglichkeit“, fasst er zusammen. Trinkwasser muss er kaufen und mit sich herumschleppen, wenn denn das erbettelte Geld dafür gerade da ist. Öffentliche Toiletten gibt es in der City nicht mehr, und die vier „Netten Toiletten“ in Cafés, Geschäften und Gastronomiebetrieben kommen für ihn nicht in Frage. „So wie ich aussehe, komme ich nicht an der Kuchentheke vorbei und möchte mich auch nicht begaffen lassen, nur weil ich mal muss.“ Toiletten, Duschen und Waschmaschinen fehlen Anzeigen „Armut stinkt“, stellt Diakon Harald Schröder fest. Das meint er nicht abschätzig sondern ganz sachlich: „Wer auf der Straße lebt und keine Möglichkeit hat, sich regelmäßig zu waschen oder zu duschen, riecht natürlich irgendwann.“ Selbst wenn Wohnungslose einmal die seltene Gelegenheit haben, sich zu duschen, stellt sich das Problem der Wechselkleidung. Wer seine ganze Habe mit sich trägt, hat selten eine zweite Wäsche- und Oberbekleidungsgarnitur dabei. Im Bremer Treff, der kirchlichen Begegnungsstätte, gibt es zwar Duschen und Waschmaschinen, aber die Warteliste ist so lang, dass es teils Wochen dauert, bis man an der Reihe ist. Die Innere Mission bietet im Café Papagei am Bahnhof eine Dusche für Männer und im „Frauenzimmer“ Duschmöglichkeiten für Frauen, die nicht ganz so überlaufen sind. „Wir suchen aber noch dringend Sponsoren für den Strom- und Wasseranschluss und für eine ProfiWaschmaschine und einen Wäschetrockner“, sagt Rüdiger Mantei, Leiter des Café Papagei. Auch er bestätigt die katastrophale Toilettensituation für wohnungslose Menschen in der Bremer City. „Da muss sich dringend etwas verändern.“ führen, um öffentliche Trinkwasserbrunnen in der Stadt aufzustellen. Vorgabe: Sie sollen „insbesondere durch Spenden und/oder Sponsoring“ finanziert werden. In Städten wie Hamburg, Berlin oder Dortmund gibt es bereits ein dichtes Brunnennetz. In Dortmund verteilen sich 31 formschöne Brunnen über das gesamte Stadtgebiet, deren Betrieb der regionale Versorger DEW 21 als sein „gesellschaftliches Engagement“ betrachtet. „Hamburg Wasser“ bietet an neun Orten in der Elbmetropole kostenloses Trinkwasser an. In Bremen sind Aufstellungs- und Folgekosten, aber auch technische Fragen und Grundeigentumsverhältnisse nach wie vor ungeklärt, und es gibt immer wieder Bedenken der Behörden. Die aus Kirchenmitteln finanzierten Brunnen sind ein erster Tropfen auf den heißen Stein. 3.000 Euro hat der Brunnen an St. Johann gekostet, 14.000 Euro werden für den künstlerisch aufwändigeren, weil denkmalgerechten Brunnen an der Kirche Unser Lieben Frauen fällig. Auch die laufenden Verbrauchskosten zahlen die Kirchengemeinden. Harald Schröder erinnert an eine Stelle in der Bibel, wenn er die unzureichende Wasser- und Toilettensituation für wohnungslose Menschen kritisiert: „Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Auch wer kein Geld hat, soll kommen“, heißt es in der Bibel im Buch Jesaja (Kapitel 55, Vers 1). „Natürlich gibt es ein Menschenrecht auf Wasser und Toiletten, aber leider keine Möglichkeit, es praktisch durchzusetzen. Letztlich werden wohnungslose Menschen auf diese Weise aus der Innenstadt vertrieben.“ Auch wenn ein zweiter kirchlicher Trinkwasserbrunnen sprudelt: Die Durststrecke für wohnungslose Menschen in der Bremer Innenstadt geht erstmal weiter. bremer kirchenzeitung März 2016 · www.kirche-bremen.de Diakon Harald Schröder Telefon 0421/89 74 18 27 [email protected] Spendenkonto Gemeinde Unser Lieben Frauen Stichwort „Rucksack-Café“ IBAN: DE49 2905 0101 0001 0904 06 BIC: SBREDE22XXX Café Papagei Treffpunkt für Menschen auf der Straße Rüdiger Mantei, Leitung Telefon 0421/17 50 46 92 [email protected] Spendenkonto Verein für Innere Mission IBAN: DE22 2905 0101 0001 0777 00 BIC: SBREDE22XXX www.kirche-bremen.de www.inneremission-bremen.de Vier nette City-Toiletten Trinken ist lebenswichtig Bremen hat keine öffentlichen Toiletten mehr. Früher wandte die Stadt mehr als eine Million Euro jährlich dafür auf. Seit 2013 gibt Bremen Trinken ist gesund und lebensnotwendig. 20 mit Menschen, die in Armut leben Text: Matthias Dembski | Foto/Grafiken: Ulrike Rank Anderswo läuft‘s Weil es in Bremen bislang keine öffentlichen Trinkwasserbrunnen gibt, ist Harald Schröder gemeinsam mit Kirchengemeinden aktiv geworden. Im letzten Jahr konnte an der katholischen Propsteikirche St. Johann eine Wasser-Zapfstelle eröffnet werden, im Mai soll ein zweiter Brunnen an der Kirche Unser Lieben Frauen folgen. Die Bürgerschaft hat den Senat im vergangenen September gebeten, Gespräche mit örtlichen Wasserversorgern zu Aufsuchende Seelsorge Wasser ist ein Muntermacher in jeder Jahreszeit! für die „Nette Toilette“, vorwiegend in der Gastronomie, 75.000 Euro jährlich aus. Mindestens 1,5 Liter sollte jeder Mensch täglich trinken, je nach Alter, Witterung und Anstrengung Grundleistungsempfänger bekommen 35 Cent auch mehr. Wer weniger als 1 Liter trinkt, gefährdet Wassergeld pro Quadratmeter. Bei einer seine Gesundheit. Trinken sollte man den ganzen Tag 40 Quadratmeter-Wohnung sind das 168 Euro im Jahr. – möglichst gleichmäßig verteilt! Wasser, ungezuckerte Bei 600 Obdachlosen „spart“ die Stadt über Kräuter- und Früchtetees und Saftschorlen im 100.000 Euro im Jahr, weil Menschen ohne Verhältnis 1:3 sind die besten Durstlöscher. Wohnung kein Wassergeld bekommen. www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2016 21
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