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Nutzenbewertung
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Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, auch NUB genannt,
basieren teilweise auf neuen medizintechnischen Produkten. NUB sind nicht
Teil des Leistungskatalogs und dürfen grundsätzlich nicht im ambulanten
Bereich, das heißt außerhalb von Kliniken, zu Lasten der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) eingesetzt werden. Damit NUB Teil des
Leistungskatalogs werden können, muss ihr Nutzen nachgewiesen werden.
Denn aus den Beiträgen der Versicherten sollen keine neuen Methoden
finanziert werden, die mehr als bisher eingesetzte Verfahren kosten, ohne dass
ein Mehrnutzen gegenüber den etablierten Verfahren gezeigt werden kann.
Dieser Mehr- oder Zusatznutzen wird im Rahmen einer Nutzenbewertung
durch den G-BA geprüft.
Medizinprodukte sind meist Teil einer medizinischen Leistung. Diese ist ihrerseits oft
eine Diagnose- oder Behandlungsmethode. Ist eine neue medizinische Leistung nicht
Teil des sogenannten Leistungskatalogs für den nicht-stationären Sektor, etwa im
Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgebildet, darf sie nicht zu Lasten der
Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden. Wünschen sich Hersteller
und Anwender, dass die neue Leistung durch die GKV finanziert wird, muss eine
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) in den EBM aufgenommen
werden. Verantwortlich für die Aufnahme in den Leistungskatalog ist der
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Das Verfahren zur Nutzenbewertung erfolgt im Wesentlichen in zwei Stufen:
Prüfung der Relevanz und Bewertung der Methode. Wird der Antrag auf
Bewertung einer NUB als relevant eingestuft, folgt auf der nächsten Stufe die
Bewertung der NUB nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin.
Im kommenden Jahr wird ein weiteres Bewertungsverfahren eingeführt für
Untersuchungs- und Behandlungsverfahren, die auf neuen Methoden und dem
Einsatz von Medizinprodukten der Risikoklassen IIb und III beruhen. Wie diese
Nutzenbewertung von NUB konkret aussehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt
(November 2015) noch unklar. Es ist zu erwarten, dass sich das im Laufe des ersten
Quartals 2016 klären wird.
Drei Antragswege
Bisher führt der G-BA die Nutzenbewertung gemäß § 135 SGB V und § 137 SGB V
durch. Es gibt drei Wege, in den Leistungskatalog EBM aufgenommen zu werden:
Ein Mitglied des G-BA stellt nach Paragraph 135 SGB V einen Antrag an den GBA, eine NUB zu bewerten.
Der Hersteller kann nach Paragraph 137e Absatz 7 SGB V beim G-BA einen
Antrag auf Erprobung stellen.
Eine oder mehrere Kliniken stellen einen NUB-Antrag an das Institut für das
Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), um bei entsprechendem NUB-Status über
ein Zusatzentgelt verhandeln zu können. Handelt es sich im Antrag um
Medizinprodukte der Risikoklassen IIb und III oder um implantierbare
Medizinprodukte, deren Anwendungen besonders invasiv sind, dann müssen die
Krankenhäuser das Antragsmaterial an den G-BA senden. Das Gremium in Berlin
prüft dann, ob „1. der Nutzen der Methode unter Anwendung des
Medizinprodukts als hinreichend belegt anzusehen ist, 2. der Nutzen zwar als
noch nicht hinreichend belegt anzusehen ist, aber die Methode unter Anwendung
des Medizinprodukts das Potenzial für eine erforderliche Behandlungsalternative
bietet, oder 3. die Methode unter Anwendung des Medizinprodukts kein
Potential für eine erforderliche Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil
sie als schädlich oder unwirksam anzusehen ist.“ (§ 137 h Abs. 1 SGB V)
Wie die Nutzenbewertung im dritten Punkt konkret aussehen wird, ist zum jetzigen
Zeitpunkt (November 2015) noch unklar und wird erst im ersten Quartal 2016
bekannt gegeben. (§ 137 f SGB V)
Einordnung des Antrags durch den G-BA
Bevor der G-BA eine NUB gemäß § 135 SGB V auf Antrag bewertet, prüft er diesen
auf seine Wichtigkeit. Es findet eine Priorisierung statt. Sofern die Mitglieder des GBA das Thema als wichtig erachten, wird das Beratungsthema im Bundesgesetzblatt
veröffentlicht. Der G-BA lädt über diese Veröffentlichung die Sachverständigen der
medizinischen Wissenschaft und Praxis, Dachverbände von Ärztegesellschaften,
Spitzenverbände der Selbsthilfegruppen und Patientenvertretungen sowie
Spitzenorganisationen der Hersteller von Medizinprodukten und –geräten ein, einen
Fragebogen zu beantworten und so eine erste Einschätzung zum angekündigten
Beratungsgegenstand abzugeben (Verfahrensordnung Kapitel 2 Paragraph 6
Absatz 2).
Der G-BA prüft für Klinik und Praxis, welchen Nutzen die Maßnahme hat und ob sie
medizinisch notwendig ist. Danach werden die Wirtschaftlichkeit und die
medizinische Notwendigkeit getrennt nach Klinik und Praxis bewertet
(Verfahrensordnung Kapitel 2 § 7).
Bewertung nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin
Die Bewertung als solche findet nach den Kriterien der sogenannten
evidenzbasierten Medizin statt. Der G-BA schreibt hierzu: „Evidenzbasierte Medizin
bedeutet, Entscheidungen über den zu erwartenden Nutzen einer medizinischen
Methode auf der Basis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnis zu treffen.
Hierfür werden wissenschaftliche Studien zu dem entsprechenden Thema
systematisch gesucht und die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit und
Übertragbarkeit auf das aktuelle Problem beurteilt.“ (1)
Die Bewerter definieren eine Forschungsfrage und recherchieren relevante Literatur.
Sie durchforsten Datenbanken systematisch im Hinblick auf die zugrunde liegende
Frage nach entsprechenden relevanten Studien. Insbesondere vergleichende
Studien, in die Patienten zufällig dem einen oder anderen Studienarm zugeteilt
werden, sind wichtig. Der Vergleich bezieht sich dabei auf die zu untersuchende
neue Methode und die bisher durchgeführte etablierte Methode. Die gefundenen
Studien prüfen die Bewerter auf ihre Qualität und fragen, ob sie in den für die
Bewertungsfrage entsprechenden Versorgungskontext übertragbar und relevant
sind.
Das gesamte Material wird dann zusammengeführt und im Hinblick auf die zu
beantwortende Frage beurteilt (Verfahrensordnung Kapitel 2 Paragraph 10 und 11).
Das erfolgt anhand einer Reihe unterschiedlicher Kriterien: Dient die neue Methode
der Früherkennung? Sind für die neue Methode Vor- oder Frühstadien der zu
behandelnden Krankheit erfassbar? Lassen sich Krankheitszeichen überhaupt
eindeutig erfassen? Gibt es genügend Ärzte sowie Einrichtungen, um die neue
Methode einzusetzen? Welche Kosten entstehen? Welche Kosten können verhindert
werden (Verfahrensordnung Kapitel 2 § 10 Abs. 1)?
Orientierung am Patientennutzen
Zentral für die Bewertung einer NUB ist der Patientennutzen. Hierzu heißt es
wörtlich: „Bei der Bewertung sollen insbesondere auch die Verwendung
patientenrelevanter Zielgrößen, wie beispielsweise Mortalität (Anm.: Sterblichkeit),
Morbidität (Anm.: Krankheitszustand) und Lebensqualität, Versorgungsaspekte von
Alter, biologischem und sozialem Geschlecht sowie lebenslagenspezifischen
Besonderheiten, besondere Belange behinderter und chronisch kranker Menschen
und die eingesetzten Maßnahmen zur Vermeidung von verzerrten
Studienergebnissen berücksichtigt werden.“ (Verfahrensordnung Kapitel 2 § 11 Abs.
7)
Die so erstellte Nutzenbewertung dient dem G-BA dazu, eine Gesamtbewertung
vorzunehmen. Hierbei prüft der G-BA den diagnostischen und therapeutischen
Nutzen der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und
Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen
erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung (SGB V § 135 Abs. 1 Nr. 1). Eine
Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach der
Verfahrensordnung (Kapitel 2 § 12 Abs. 1) kann erst erfolgen, wenn neben der
Empfehlung des G-BA zur Anerkennung als NUB eine Empfehlung über die
notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie
Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung und die erforderlichen
Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung (SGB V § 135 Abs. 1 Nr. 1). Das heißt,
die Anwendung der neuen Methode muss dokumentiert werden.
Entscheidung und Verfahrensdauer
Die Anerkennung einer NUB und die Aufnahme in den Leistungskatalog können
erfolgen, wenn der G-BA die medizinischen, wirtschaftlichen und gesetzlichen
Kriterien als erfüllt ansieht (Verfahrensordnung Kapitel 2 Paragraph 12 Absatz 1). Ist
dies nicht der Fall, wird die neue Methode nicht in den Leistungskatalog EBM
aufgenommen, und es erfolgt keine Erstattung durch die gesetzlichen
Krankenkassen. Auch ist möglich, dass eine NUB ohne Nutzennachweis nicht mehr in
der Klinik eingesetzt werden darf.
Der G-BA hat bei der Nutzenbewertung nach dem Sozialgesetzbuch § 135 SGB V
Abs. 1 Fristen zu berücksichtigen: „Hat der Gemeinsame Bundesausschuss in einem
Verfahren zur Bewertung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode
nach Ablauf von sechs Monaten seit Vorliegen der für die Entscheidung
erforderlichen Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse noch keinen
Beschluss gefasst, können die Antragsberechtigten nach Satz 1 (Anm.: Mitglieder des
G-BA) sowie das Bundesministerium für Gesundheit vom Gemeinsamen
Bundesausschuss die Beschlussfassung innerhalb eines Zeitraums von weiteren
sechs Monaten verlangen. Kommt innerhalb dieser Frist kein Beschluss zustande,
darf die Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen oder
vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden.“
Allerdings zogen sich einzelne Verfahren unter Umständen Jahre hin, weil vor der
Nutzenbewertung einer NUB nicht die notwendigen wissenschaftlichen Erkenntnisse
vorlagen.
Neue Qualität der Nutzenbewertung im kommenden Jahr
Wie die Nutzenbewertung nach § 137e bzw. 137h SGB V konkret aussehen wird, ist
zum jetzigen Zeitpunkt (November 2015) noch unklar. Das Bundesministerium für
Gesundheit wird bis zum Jahresende in einer Verordnung wesentliche Punkte klären.
Der G-BA wird auf Grundlage dieser Verordnung seine Verfahrensordnung
anpassen, so dass im ersten Quartal 2016 vermutlich mehr Klarheit über die
Nutzenbewertung herrschen wird.
Literaturverzeichnis
(1) G-BA: Bewertungsgrundlagen, www.gba.de/institution/aufgabe/arbeitsweise/bewertungsgrundlagen/; aufger.
31.07.2015