Vom Irrglauben der Maximierung des Unternehmenswertes beim IPO Der Börsengang als Mittel zum Zweck - nicht Selbstzweck Manuel Knaus, Dr. Elmar Jakob aus: Transkript, Nr. 4/2001, 7. Jahrgang, S. 18,19 Für viele junge, innovative Wachstumsunternehmen, insbesondere für solche der Biotechnologie, ist der Börsengang (Initial Public Offering) erklärtes Ziel in der Unternehmensentwicklung. Auf dem anspruchsvollen Weg bis zur Börsenreife ist beim Management dieser Gesellschaften häufig eine starke Fokussierung auf den möglichen Emissionserlös bzw. auf die Höhe der beim IPO realisierbaren Unternehmensbewertung zu beobachten. Durch diese Fokussierung begeben sich immer wieder Unternehmen in die Gefahr, das IPO, das unumstritten ein wichtiger Meilenstein in der Unternehmensentwicklung ist, als Selbstzweck im Sinne einer Maximierung des Unternehmenswertes zum IPO anzusehen. Eine solche Priorisierung ist jedoch fehlleitend, da das IPO immer ein Mittel zum Zweck sein muß. Die mit einem Börsengang verbundenen Ziele der Finanzierung und damit der Möglichkeit der Erschließung zukünftiger Wachstumspotentiale durch entsprechende Investitionen aus dem Emissionserlös sind eben dieser Zweck. Der Börsengang ist somit vielmehr als Startschuß für die Realisierung der geplanten Wachstumsstrategie anzusehen, denn als eigenständiges Ziel an sich. Ein Börsenaspirant sollte zum Zeitpunkt des IPO über eine Wachstumsstrategie mit diversen Wachstumshorizonten (neue Produkte, Internationalisierung, Akquisitionen, etc.) verfügen, die langfristig nachhaltige Wachstumspotentiale versprechen. Verfolgt das Unternehmen seine Wachstumsstrategie mit der nötigen Stringenz unter Verwendung des Emissionserlöses zur Finanzierung der notwendigen Investitionen, so wird dieser mitunter relativ schnell aufgebraucht sein. Zur Erschließung weiterer Wachstumpotentiale wird dann häufig bereits nach ein bis zwei Jahren „frisches Geld“ durch eine Kapitalerhöhung (Secondary Offering) benötigt, sofern die Neuinvestitionen nicht aus dem operativen Cash Flow finanziert werden können. Dies ist gerade bei Unternehmen im Segment der Biotechnologie, insbesondere im biopharmazeutischen Bereich, aufgrund der oftmals in ferner Zukunft liegenden „Blockbuster“-Umsatzpotentiale nichts Ungewöhnliches. Für die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Secondary Offerings ist neben den zu diesem Zeitpunkt gegebenen Wachstumsaussichten vor allem die Kursperformance seit dem IPO von entscheidender Bedeutung. Vor diesem Hintergrund müssen die Anstrengungen von Börsenkandidaten, eine möglichst hohe Emissionsbewertung zu erzielen, sehr kritisch evaluiert werden. Selbstverständlich sollte das Unternehmen beim IPO keinen Wert „verschenken“. Ein Überreizen der Emissionsbewertung kann jedoch die Post-IPO-Performance, gerade in Zeiten turbulenter Aktienmärkte nachhaltig gefährden, wodurch einer eventuell benötigten neuen Kapitalaufnahme am Aktienmarkt die Grundlage entzogen werden kann. Viele der am Neuen Markt notierten Unternehmen sehen sich aktuell mit dieser Problematik konfrontiert und müssen sich trotz Börsennotierung am Private Equity-Markt bedienen, welches nicht immer von Erfolg gekrönt sein muß. Eine Auktion, in Zeiten hoher Zeichnungsgewinne für Anleger als Alternative zum gängigen Bookbuilding als Preisbildungsverfahren diskutiert, macht für ein IPO kaum Sinn. 1 Insbesondere Mitarbeiterbeteiligungsprogramme geraten bei einem durch Auktion ermittelten „maximalen“ Preis leicht unter Druck – mit der Konsequenz frustrierter Mitarbeiter. Emittent und Zeichner müssen beide gewinnen. Der bei einer Auktion gewünschte, stichpunktbezogene Ausgleich von Angebot und Nachfrage ist daher nicht selten eine Mausefalle. In diesem Zusamenhang ist erwähnenswert, daß dem zumeist am Unternehmen beteiligten Management sowie den Mitarbeitern und Investoren eine hohe Unternehmensbewertung zum IPO im Sinne der Maximierung des Wertes ihres eigenen Anteils am Unternehmen aufgrund der Lock-up Periode, bzw. den Ausübungsfristen bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, ohnehin wenig nutzt. Im Gegenteil: Unternehmener und Manager, die ein IPO anstreben, um einen persönlichen „Exit“ zu realisieren, werden kaum Investoren finden, die diesem Unternehmen Vertrauen entgegenbringen. Die Höhe der Emissionsbewertung sollte somit auch bei der Auswahl der Emissionsbanken nicht das entscheidende Kriterium sein. Die Sicherstellung eines optimalen Emissionspreises hängt nicht selten mehr von der persönlichen Verläßlichkeit der Verfahrensbeteiligten ab. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Emissionskonsortium (Beauty Contest) können die Bewertungsvorschläge der Banken allenfalls als indikativ für die spätere, tatsächlich realisierbare IPO-Bewertung angesehen werden. Unternehmen sind bei der Auswahl der Konsortialbanken und vor allem des Konsortialführers gut beraten, weniger Wert auf die absolute Höhe der Bewertung, sondern viel mehr auf die von potentiellen Emissionsbanken vorgestellten Bewertungsmethoden zu legen. Hierbei ist es im Sinne einer ungefähren Planungssicherheit bezüglich des zu realisierenden Emissionserlös wichtig, besonderen Wert auf die Konsistenz der Bewertungsmethoden einer Bank zum Zeitpunkt des Beauty Contest und zum späteren Emissionszeitpunkt zu legen. Dass sich das Bewertungsresultat kapitalmarktorientierter Bewertungsverfahren (Multiples von börsennotierten Vergleichsunternehmen - „Peer-Group“) in diesem Zeitraum ändern kann und ändern wird, liegt in der Natur sich ständig ändernder Preise an den Aktienmärkten. 2
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