Vergiss mein nicht - Verband der Privaten Krankenversicherung eV

Interview
Kalkuliert
Gesundheit
Eine Demenz-Expertin der
Pflegeberatung COMPASS
über Auswirkungen für
Patienten und Angehörige
Die Berechnung der
Beiträge in der Privaten Krankenversicherung
folgt strengen Regeln
Ein Internetportal hilft
Patienten dabei, ihre
Arztbriefe besser zu
verstehen
Ausgabe 7 | September 2015
Das Magazin des
Verbandes der Privaten
Krankenversicherung e.V.
Vergiss mein nicht
Demenz spielt in der Öffentlichkeit eine immer größere Rolle
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe von PKV publik berichten wir über eine erschreckende
Zahl: 18 Prozent der Deutschen sind der
Meinung, dass geringe Mengen Alkohol
während der Schwangerschaft unbedenklich sind (siehe Seite 14). Das ist das
Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des
PKV-Verbandes.
Volker Leienbach, Direktor des Verbandes
der Privaten Krankenversicherung e.V.
Diese viel zu sorglose Einstellung vieler
Menschen steht im Widerspruch zu allen
wissenschaftlichen Erkenntnissen: Schätzungen zufolge kommen in Deutschland
jährlich etwa 10.000 Kinder mit alkoholbedingten Schädigungen auf die Welt.
Viele davon leiden unter dem Fetalen Alkoholsyndrom, einer schwerwiegenden
geistigen und körperlichen Behinderung.
Eindeutig warnt daher auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, vor jeglichem Alkoholkonsum: „Es gibt keine unschädliche Menge
in der Schwangerschaft.“
Nun gibt es aber auch Anlass zur Hoffnung, dass diese Botschaft dank intensiver Aufklärungsarbeit allmählich ankommt. Denn die Umfrage-Ergebnisse
zeigen zugleich, dass die Akzeptanz von
Alkohol während der Schwangerschaft
bei Jüngeren deutlich geringer ist als bei
älteren Menschen. So halten in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen nur 4 Prozent
der Befragten kleine Mengen Alkohol bei
werdenden Müttern für vertretbar. Von
den über 55-jährigen Befragten sagen
dies 23 Prozent. Das zeigt, dass Aufklärungskampagnen wirken. Die von der Pri-
Impressum ISSN 0176-3261
vaten Krankenversicherung finanzierte
Kampagne „Alkohol? Kenn Dein Limit.“
der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA) richtet sich gezielt an
Jugendliche und junge Erwachsene und
damit an zukünftige Eltern.
Dass Aufklärungsarbeit wirkt, hat jüngst
auch eine Untersuchung der BZgA belegt
(siehe PKV publik 6/2015). Sie zeigt, dass
der Alkoholkonsum in allen Altersklassen der angesprochenen Zielgruppen seit
dem Kampagnenstart von „Kenn Dein
Limit.“ im Jahr 2009 deutlich zurückgegangen ist. Gleichwohl konsumieren zu
viele junge Menschen noch immer zu viel
Alkohol. Die Umfrageergebnisse zeigen,
dass Aufklärungskampagnen Zeit brauchen, bis sie wirken. Die Private Krankenversicherung steht daher auch weiterhin
zu ihrem Engagement in der Alkoholprävention und wird die Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auch in Zukunft weiter finanzieren.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr
Volker Leienbach
PKV publik | Ausgabe 7 | September 2015
Herausgeber Verband der Privaten
Krankenversicherung e.V.
Postfach 51 10 40 · 50946 Köln
Gustav-Heinemann-Ufer 74 c · 50968 Köln
Telefon (0221) 99 87-0 · Telefax -39 50
www.pkv.de · [email protected]
Erscheinungsweise 10 Ausgaben / Jahr
Verantwortlich Dr. Volker Leienbach
Redaktion Stephan Caspary, Stefan Reker,
Anne Timm, Jens Wegner
Weitere Autoren Dr. Anne Barzel, Sabine Heche,
Gesche Ketels, Jochen Scholl
Fotos Getty: Bojan Kontrec, Christine Rose Photography, Deborah Cardinal; Blend Stock: Terry Vine
Verlag Versicherungswirtschaft GmbH
Klosestr. 20-24 · 76137 Karlsruhe
Druckerei Rotadruck, Berlin
Abonnementpreis Jährlich 11,00 Euro
inkl. Versand und MwSt.
Nachdruck der Texte nach Absprache
Nächste Ausgabe am 15.10.2015
I N H A LT
„Vergiss mein nicht“: Unter diesem Motto steht die „Woche
der Demenz“, die im September erstmals in Deutschland
stattfindet.
4
In dieser Ausgabe
Vergiss mein nicht
4
Demenz spielt in der Öffentlichkeit eine immer größere Rolle
„Wir sind auf einem guten Weg.“
8
Susanne Hilsenbek, Pflegeberaterin und Demenz-Expertin bei COMPASS, im Interview
Genau kalkuliert
10
Die Beitragsberechnung in der Privaten Krankenversicherung erfolgt nach strengen Regeln
Klare Regeln: Die Beitragskalkulation in der PKV
10
„Die Patienten sind mündiger geworden.“
12
Das Internetportal „washabich.de“ hilft Patienten, ihre Arztbriefe zu verstehen
Meldungen14
Gastbeitrag
15
Eine neues Therapiekonzept unterstützt Schlaganfallpatienten dabei, ihren Arm wieder besser zu bewegen
13
12
Was hab‘ ich? Ein Projekt hilft Patienten, ihre Arztbriefe zu verstehen
PKV publik | September 2015
3
TITEL
Vergiss mein nicht
Das Thema Demenz spielt in der Öffentlichkeit eine immer größere Rolle
Es ist ein langsamer aber stetiger
Bewusstseinswandel, der sich in
der öffentlichen Wahrnehmung vollzieht: Das Thema Demenz rückt immer
mehr in den Mittelpunkt, wenn es um
die Frage geht, wie unsere Gesellschaft
mit der wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen umgehen soll. Denn dass
die Alterung unserer Bevölkerung einen
steigenden Pflegebedarf mit sich bringen
wird, dürfte mittlerweile wohl den meisten bewusst sein. 4,5 Millionen Pflegebedürftige wird es nach Prognosen des
Statistischen Bundesamtes im Jahr 2050
geben. Heute sind es 2,6 Millionen. Doch
lange Zeit konzentrierte sich die Diskussion vor allem auf körperliche Gebrechen,
die ein hohes Lebensalter gewöhnlich mit
sich bringt. Über Demenzerkrankungen
hingegen wurde lange Zeit – sei es aus
Unwissenheit, Scham oder sonstigen
Gründen – nur am Rande gesprochen.
Dabei leben in Deutschland schon heute
etwa 1,5 Millionen Menschen mit De-
4
menz. Und jedes Jahr bringt rund 300.000
85 Jahren, damit liege die Wahrscheinlichkeit, eine Demenz zu entwickeln, bei
Neuerkrankungen. Die Häufigkeit der demenziellen Erkrankungen steigt mit dem
etwa 25 bis 30 Prozent, rechnete der Direktor am Institut für NeurowissenschafAlter stark an. In der Altersgruppe der
60-Jährigen ist nur jeder Hundertste beten und Medizin am Forschungszentrum
troffen, bei den 80-Jährigen jeder ZehnJülich vor. Darüber hinaus seien viele
weitere Menschen, die Angehörige pflete und bei den 90-Jährigen und älteren
jeder Dritte. Aufgrund einer steigenden
gen müssten, mittelbar betroffen.
Lebenser war tung
Schon heute leben
Unter dem Begriff
und der damit einin Deutschland etwa
hergehenden wachDemenz wird in
senden Zahl alter
1,5 Millionen Menschen
der Medizin ein
und hochbetagter
anhaltender oder
mit Demenz.
Menschen ist mit eifortschreitender Zuner weiteren Zunahme zu rechnen. Ohne
stand herabgesetzter Fähigkeiten in den
Fortschritte bei Prävention und Therapie
Bereichen des Gedächtnisses, des Denkönnte sich die Anzahl der demenziell
kens und anderer Leistungen des Gehirns
erkrankten Menschen im Jahr 2050 auf
verstanden. Die nach dem deutschen
Neuropathologen und Psychiater Alois
etwa drei Millionen erhöhen.
Alzheimer benannte Alzheimerkrankheit
So sprach etwa Prof. Gereon Fink in eistellt mit 60 Prozent die häufigste Ursanem Zeitungsinterview von einem „Fläche einer Demenzerkrankung dar. Eine
chenbrand“, der auf uns zukomme (Köldemenzielle Erkrankung kann durch
Neurologen, Gerontologen oder geriatner Stadt-Anzeiger vom 18.08.2015).
rische Psychiater diagnostiziert werden.
Unsere Lebenserwartung liege bei etwa
September 2015 | PKV publik
TITEL
In unserer Gesellschaft wird es immer mehr Menschen mit Demenz
geben. Höchste Zeit also, dass diesem wichtigen Thema mehr Beachtung geschenkt wird. Im September findet in Deutschland erstmals „Die Woche der Demenz“ statt.
Derzeit sind noch keine Wirkstoffe zur
Heilung demenzieller Erkrankungen vorhanden. Jedoch gibt es einige verfügbare
Medikamente, die eine symptomatische
Linderung der Leistungseinbußen bewirken und die Lebensqualität von Erkrankten sowie deren Angehörigen verbessern
können.
Inzwischen ist das Thema Demenz endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen. So findet vom 21. bis zum 27.
September 2015 erstmals in Deutschland
„Die Woche der Demenz“ statt. Diese
wird – in Anlehnung an „Remember me“,
das Motto des diesjährigen Welt-Alzheimer-Tages – unter dem Leitgedanken
„Demenz – Vergiss mich nicht“ stehen.
Die Schirmherrschaft übernehmen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe.
mografiestrategie der Bundesregierung
ins Leben gerufen wurde und an der der
PKV-Verband beteiligt ist. Im Mittelpunkt
der Allianz stehen die Fragen des Alterns
in Würde sowie einer qualitativ hochwertigen Pflege und Versorgung. In einer Gesellschaft des langen Lebens wird
auch die Zahl der Menschen mit Demenz
weiter zunehmen. Eine demenzielle Erkrankung ist oftmals schambesetzt und
wird tabuisiert. Erkrankte und Angehörige fühlen sich isoliert.
Den Umgang mit der Erkrankung Demenz zu verändern, gehört zu den großen gesundheits- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen, denen nur
mit vereinten Kräften begegnet werden
kann. Der Allianz für Menschen mit Demenz gehören fünf Bundesministerien
an. Sie bündeln ihre Aktivitäten und
setzen sich für eine Verbesserung der
Lebensqualität Betroffener und ihrer Angehörigen ein. Die Umsetzung der vereinbarten Ziele und Maßnahmen erfolgt
zudem gemeinsam mit Verantwortlichen
aus den Bereichen Politik und Wissenschaft, Medizin, Pflege, Verbänden,
privater und gesetzlicher Krankenversicherung, Pharmaindustrie, Wirtschaft,
Gewerkschaften, Trägern der Sozialhilfe,
Medien und auch Vertretern der Betroffenen selbst. Durch diese breite Basis
erfolgt die Zusammenführung und Bündelung der Kräfte aller Verantwortlichen
auf Bundes-, Landes- und kommunaler
Ebene.
Die an der Allianz beteiligten Gestaltungspartner haben sich zu einer Vielzahl
Die Woche der Demenz geht zurück auf
eine Vereinbarung der Gestaltungspartner der Allianz für Menschen mit Demenz (www.allianz-fuer-demenz.de) im
September 2014, die im Rahmen der De-
PKV publik | September 2015
5
TITEL
von Vereinbarungen und Maßnahmen
auf vier Handlungsfeldern (Wissenschaft
und Forschung, Gesellschaftliche Verantwortung, Unterstützung von Menschen mit Demenz und deren Familien,
Gestaltung des Unterstützungs- und
Versorgungssystems) verständigt, die in
unterschiedlicher Trägerschaft und Verantwortung umgesetzt werden. Bereits
Anfang 2016 soll ein erster Fortschrittsbericht vorgelegt werden.
Mit dem PSG II werden durch die Verbesserung der Beratungsstrukturen,
ein neues Begutachtungsverfahren,
Verbesserungen im Leistungsrecht und
weitere Regelungen auch wesentliche
Maßnahmen der Allianz für Menschen
mit Demenz umgesetzt. Auch die Private Krankenversicherung unterstützt die
Ziele des Gesetzentwurfs ausdrücklich.
Insbesondere wird eine noch differenziertere Leistungs- und Angebotspalette
im Rahmen der Pflegeversicherung ermöglicht, die eine wohnortnahe Pflege
sowohl für Menschen mit körperlichen
Einschränkungen als auch für Menschen
mit kognitiven Beeinträchtigen (z. B. Demenz) unterstützt.
Der wohl wichtigste Schritt hin zu einer
besseren Versorgung von Menschen mit
Demenz ist die geplante Pflegereform,
für die unter dem Namen „Pflegestärkungsgesetz II“ (PSG II) seit August ein
Regierungsentwurf vorliegt.
Vergleich zwischen heutigen und geplanten Leistungen
der Pflegepflichtversicherung
k Geplante Leistungen nach Pflegegrad (PG) ab 2017 in Euro
PG1
Geldleistung
ambulant
PG2
1251
Sachleistung
ambulant
Leistungsbetrag
stationär
125
PG3
PG4
PG5
316
545
728
901
689
1.298
1.612
1.995
770
1.262
1.775
2.005
1 hier keine Geldleistung, sondern eine zweckgebundene Kostenerstattung.
Quelle: Regierungsentwurf zum Pflegestärkungsgesetz II
k Leistungsbeträge nach heutigen Pflegestufen (PS) in Euro
PS0
EA2
PS I
PS I
EA2
PS II
PS II
EA2
PS III
Geldleistung
ambulant
123
244
316
458
545
728
Sachleistung
ambulant
231
468
689 1.144 1.298 1.612 1.995
Leistungsbetrag
stationär
123 1.064 1.064 1.330 1.330 1.330 1.995
2 EA = erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz
6
Härtefall
-
Schon bei der Begutachtung der Versicherten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit werden nach den Plänen der
Bundesregierung wesentlich mehr Kriterien zur Anwendung kommen als heute.
So werden etwa psychische Probleme
oder auch die Fähigkeit bzw. der Wunsch
nach sozialen Kontakten der Betroffenen
abgefragt. Ziel ist es, möglichst genau zu
erfassen, welche Bedürfnisse der Einzelne konkret hat. Damit sollen nach Angaben der Bundesregierung körperlich,
geistig und psychisch bedingte Pflegebedürftigkeit vollkommen gleichrangig als
Einschränkungen angesehen und bewertet werden.
So wird in Zukunft auch die Einstufung
in fünf Pflegegrade, die die heutigen
drei Pflegestufen ersetzen, eine bessere Differenzierung möglich machen (s.
Tabelle). Vollkommen neu ist dabei der
Pflegegrad 1. Hier werden Menschen
eingestuft, für die zum Beispiel schon
eine Verbesserung des Wohnumfeldes
eine wichtige Unterstützung im Alltag
darstellt. Damit werden viele Menschen
erstmals einen Anspruch auf Leistungen
aus der Pflegeversicherung haben. Bis zu
eine halbe Million Leistungsempfänger
wird es dann mittelfristig laut Prognose
der Bundesregierung zusätzlich geben.
Bei der Überleitung bisheriger Leistungsbezieher von den heutigen Pflegestufen
in die zukünftigen Pflegegrade soll ebenfalls ein besonderes Augenmerk auf die
Menschen mit Demenz gelegt werden.
Für die Überleitung gibt die Bundesregierung zwei Grundsätze vor: Niemand soll
durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs schlechter gestellt
werden und niemand, der bereits Leistungen bezieht, soll einen neuen Antrag
auf Begutachtung stellen müssen.
Um diesen Grundsätzen gerecht zu werden, sollen Menschen mit körperlichen
Einschränkungen im Vergleich zu ihrer aktuellen Pflegestufe jeweils in den
nächst höheren Pflegegrad überführt
werden. Wer also heute die Pflegestufe I
September 2015 | PKV publik
TITEL
hat, kommt in den Pflegegrad 2, wer Pflegestufe III hat, kommt in den Pflegegrad
4. Menschen mit geistigen Einschränkungen kommen im Vergleich zur heutigen
Pflegestufe in den übernächsten Pflegegrad. Also: Von der heutigen Pflegestufe
0 etwa in Pflegegrad 2; oder von Pflegestufe II in den neuen Pflegegrad 4.
Neben diesen Neuregelungen sieht der
Gesetzentwurf der Bundesregierung
noch weitere Änderungen vor. So sollen
etwa pflegende Angehörige bessergestellt werden. Zuvor muss der Entwurf
allerdings noch Bundestag und Bundesrat passieren. Nach aktueller Planung
soll das Gesetz aber am 18. Dezember
endgültig verabschiedet werden.
Neben Regierung und Gesetzgeber sowie
vielen anderen Gestaltungspartnern tragen auch der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Private Pflegepflichtversicherung permanent dazu bei,
die Situation der Pflegebedürftigen allgemein und der Menschen mit Demenz im
besonderen zu verbessern:
Pflegeberatung
Durch die umfassende und aufsuchende
Pflegeberatung der COMPASS Private
Pflegeberatung wird dem besonderen
Beratungsbedarf im Zusammenhang
mit Pflegebedürftigkeit Rechnung getragen. In Kooperation mit der Deutschen
Alzheimer Gesellschaft ausgebildete Demenzberaterinnen und Demenzberater
decken den speziellen Informationsbedarf der Ratsuchenden ab (s. auch Interview auf Seite 8). Bei der Verbesserung
der Lebenssituation von Menschen mit
Demenz und deren Angehörigen kommt
der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI daher eine besondere Bedeutung zu.
Online-Portal „www.pflegeberatung.de“
Neben der Pflegeberatung durch COMPASS steht seit Ende 2014 zusätzlich ein
Online-Portal als Ratgeber im Pflegefall
PKV publik | September 2015
bereit. Unter „www.pflegeberatung.de“
erhalten Betroffene und pflegende Angehörige Antworten zu wichtigen Fragen der persönlichen Pflegeplanung. So
finden sie zum Beispiel Informatio­nen
zu Pflegeheimen, ambulanten Diensten,
Tages- und Nacht­pflege, Betreuungsangeboten sowie weiteren Entlastungsmög­
lichkeiten. Zudem gibt es viele Informationen zum Thema Demenz, die
kontinuierlich ergänzt werden. Mithilfe
von Checklisten und Tests kann zum
Beispiel geprüft werden, ob eine Pflegestufe beantragt werden sollte. Mit einem
Rechner lassen sich die Kosten von Pflegediensten speziell für die individuell benötigten Leistungen abschätzen.
Wissenschaft und Forschung
Zur Verbesserung der Versorgungs praxis trägt auch die Stiftung Zentrum für
Qualität in der Pflege (ZQP) bei. Das
ZQP wurde 2009 als unabhängige und
gemeinnützige Stiftung der Privaten
Krankenversicherung errichtet und hat
seither rund 70 Projekte/Studien zum
Thema Qualität in der Pflege initiiert.
Die Ergebnisse stehen in Online-Portalen
sowie als Fach- und Verbraucherbroschüren allen Interessierten zur Verfügung.
Die allgemeine Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Demenz ist ein
Schwerpunktthema des Zentrums für
Qualität in der Pflege.
Umfrage: Pflegende Angehörige fühlen sich oft überlastet
Pflegende Angehörige klagen über erhebliche psychische Belastungen.
Das ist das Ergebnis einer Forsa-Befragung im Auftrag der COMPASS
Private Pflegeberatung. Dabei wurden im Juni 2015 mehr als 1.000 Menschen mit privater Pflegeerfahrung befragt, darunter 318 Angehörige
von Menschen mit Demenz. Fast jeder Dritte sagt: „Die Pflege hat mich
selbst in eine depressive Phase gebracht.“ Auffällig ist, dass bei einer
Demenzerkrankung die Belastungserscheinungen bei den pflegenden
Angehörigen noch höher sind. Hier liegt der Anteil sogar bei 40 Prozent.
Über drei Viertel der Angehörigen eines Demenzpatienten fühlen sich
manchmal oder sogar häufig überfordert.
www.compass-pflegeberatung.de
Angehörige, die einen Menschen mit Demenz pflegen:
Wie oft kommt es vor, dass Sie sich mit der Pflege überfordert
fühlen?
53 %
selten
manchmal
16 %
5%
25 %
nie
häufig
Quelle: Forsa-Umfrage; Juni 2015; n=318; weiß nicht/keine Angabe = 1 %
7
INTERVIEW
„Wir sind auf einem guten Weg.“
Susanne Hilsenbek arbeitet seit sechs Jahren bei der privaten Pflegeberatung COMPASS und ist auf
das Thema Demenz spezialisiert. Zuvor leitete die gelernte Krankenschwester über 10 Jahre einen
ambulanten Pflegedienst. Im Interview mit PKV publik spricht sie über die zunehmende Bedeutung
des Themas Demenz, die Herausforderungen für pflegende Angehörige und einen neuen Umgang
mit dem Thema in der Öffentlichkeit.
Frau Hilsenbek, Sie sind Demenz-Expertin
bei COMPASS. Was kann man sich darunter vorstellen?
Hilsenbek: Zunächst einmal bin ich Pflegeberaterin vor Ort. Das heißt, ich arbeite von zu Hause und fahre in meinem
Umkreis im Saarland zu Klienten, die
einen Beratungswunsch haben. Rund 90
Prozent der Beratungen finden bei den
Betroffenen zu Hause statt, manchmal
berate ich aber auch im Pflegeheim oder
im Krankenhaus.
Natürlich haben alle Pflegeberaterinnen
und Pflegeberater bei COMPASS ein solides Grundwissen zum Thema Demenz.
Sonst könnten wir gar nicht in diesem Bereich arbeiten. Dafür ist das Thema mittlerweile viel zu verbreitet, als dass wir darüber nur mit einzelnen Experten beraten
könnten. Ich bin aber die Ansprechpartnerin für das gesamte Team, wenn es um
Sonderfragen zum Thema geht. Demenzielle Erkrankungen können ja sehr unterschiedlich sein, und dementsprechend
verschieden ist der Umgang damit. Zum
anderen bin ich als Demenzexpertin dafür verantwortlich, in der Öffentlichkeit
dafür zu sorgen, dass das Thema Demenz
breit aufgestellt ist. Dazu gehört zum Beispiel die Vernetzung der Beratungsangebote vor Ort.
Seit wann interessiert Sie das Thema
Demenz?
Hilsenbek: Das Thema Demenz begleitet
mich, seitdem ich in der Pflege arbeite.
Über die Jahre habe ich gemerkt, dass
die Demenz­erkrankungen stetig zuneh-
8
men. Und ich habe erfahren, dass die Bedass man sich früher nicht so sehr mit
treuung von Menschen mit Demenz ganz
dem Thema auseinandergesetzt hat.
besondere Herausforderungen stellt und
Früher hörte man oft von Angehörigen,
viel Wissen über die Krankheit erfordert.
die vielleicht „etwas sonderbar“ oder
Deswegen habe ich angefangen, mich
„ein bisschen durcheinander“ waren.
fortzubilden und habe Schulungen beAber das hatte noch nicht den Namen
sucht, wie etwa bei der Deutschen AlzDemenz. Dadurch, dass so etwas aber
heimer Gesellschaft und bei anderen Träinzwischen eben immer häufiger vorgern, die theo­retisches Grundwissen über
kommt, rückt es gleichzeitig immer mehr
die verschiedenen
in den Blickpunkt
Demenz ist oft ein Abschied
Formen und Verder Öffentlichkeit.
aus der gemeinsamen
läufe der Demenz
Denn immer mehr
vermittelt haben.
Lebenswirklichkeit.
Denn da gibt es
Menschen sind ja
mit den gleichen Fragen konfrontiert:
große Unterschiede, die auch unterschiedliche Vorgehensweisen erfordern.
Wie werden Betroffene versorgt? Wie leben sie in Städten, wo sehr viele alte MenUnd so habe ich mich sukzessive immer
weiter in das Thema hineingearbeitet.
schen alleine sind, weil die Kinder nicht
vor Ort leben und die sozialen Netzwerke
Woran lässt sich die zunehmende
nicht so stark sind wie auf dem Land.
Bedeutung von Demenzerkrankungen
festmachen?
Wie unterscheidet sich die Pflege eines
Menschen mit Demenz von der Pflege
Hilsenbek: In den sechs Jahren, die ich
eines Betroffenen mit körperlichen
für COMPASS arbeite, habe ich eine deutEinschränkungen?
liche Zunahme an Beratungsanfragen erfahren, bei denen es um einen Menschen
Hilsenbek: Eine Herausforderung liegt
mit Demenz ging. Da ist ein deutlicher
darin, mit einer immer schlechter werAnstieg spürbar. Während meiner Zeit im
denden Orientierung der Betroffenen
ambulanten Pflegedienst war das Thema
klar zu kommen. Stellen Sie sich einen
Angehörigen vor, der körperlich noch in
noch weniger präsent. Da standen körperliche Einschränkungen deutlich im
guter Verfassung ist, den Sie aber nicht
Vordergrund. Da merkt man, dass sich
alleine lassen können, weil er normaetwas verschiebt.
le Alltagstätigkeiten nicht mehr sicher
durchführt. Es besteht die Gefahr, dass
Was meinen Sie, woran das liegt?
er wegläuft oder dass er den Herd anlässt
und dass dadurch gefährliche Situationen
Hilsenbek: Das ist zum einen natürlich
entstehen. Das haben Sie in der Regel bei
altersbedingt. Die Zahl der hochbetagten
Menschen mit körperlichen Gebrechen
Menschen, die eher von einer Demenz
nicht. Natürlich kann es sein, dass die
betroffen sind, steigt an. Hinzu kommt,
körperliche Beanspruchung bei pflegen-
September 2015 | PKV publik
INTERVIEW
den Angehörigen sehr hoch ist, weil gehoben, getragen oder gelagert werden
muss. Das gibt es bei einem Menschen mit
Demenz oft nicht. Aber die Angehörigen
sind rund um die Uhr auf den Beinen, sie
sind eingespannt, weil kein Tag wie der
andere ist und sie nicht wissen, was in der
nächsten Minute passieren wird. Und das
ist natürlich vor allem eine riesengroße
psychische und emotionale Belastung.
Spiegelt sich das auch in den Beratungen
wider?
Hilsenbek: Selbstverständlich. Ständig
präsent sein zu müssen, immer da­rauf
achten zu müssen, was passiert und
nicht zu wissen, ob der Alltag heute mal
glatt durchläuft –­ Das ist eine immense
Belastung.
Hinzu kommt die psychische Belastung,
die dadurch entsteht, dass man zusehends
einen Menschen verliert, der einem ein
Gegenüber ist. Zum Beispiel Ehepaare,
die 50 oder 60 Jahre miteinander gelebt
und alles miteinander geteilt haben. Und
plötzlich erkrankt ein Partner an Demenz
und verabschiedet sich aus der gemeinsamen Lebenswirklichkeit. Das ist ein
großer emotionaler Verlust. Gleichzeitig
steigt aber die Notwendigkeit zur Betreuung und zur Beaufsichtigung stark an.
Das belastet die Betroffen sehr stark.
lernen, sich mit der Krankheit besser auseinanderzusetzen und mit schwierigen
Situationen umzugehen. Angehörige in
ihrer Kompetenz zu stärken ist sicher das,
was ihnen am meisten helfen kann.
Werden die Angebote angenommen?
Hilsenbek: Ja. Aber oft erleben wir, dass
Angehörige erst sehr spät Hilfe akzeptieren. Zum Teil pflegen sie ihre Partner
zwei bis drei Jahre, bis sie eine Beratung
in Anspruch nehmen. Und oft dauert es,
bis sie es nicht mehr als persönliches Versagen empfinden, wenn sie ihren Partner
mal in eine Kurzzeitpflege geben. Wir
müssen ihnen dann zeigen, dass das ein
verantwortungsvoller Umgang mit der
eigenen Kraft ist.
Wie beraten Sie Menschen, bei denen
bereits eine Demenz festgestellt wurde?
Hilsenbek: Bei Menschen, die selbst mit
einer beginnenden Demenz konfrontiert
werden, muss ganz klar die Vorsorge im
Mittelpunkt stehen. Wie bereite ich mich
darauf vor? Wie kläre ich Vollmachten?
Wie informiere ich mein Umfeld, was ich
gerne möchte und was ich nicht möchte.
Dafür ist es natürlich wichtig, dass eine
Demenz möglichst früh erkannt wird,
damit die Betroffenen noch Zeit haben, sich vorzubereiten und sich damit
auseinanderzusetzen.
Wie können Sie den Angehörigen helfen?
Hilsenbek: Das Wichtigste ist, dass wir
den Angehörigen helfen, aus dieser permanenten Überlastungssituation herauszukommen. Dafür müssen sie ihre Angehörigen gut aufgehoben und umsorgt
wissen – entweder zu Hause oder in der
Betreuungseinrichtung. Dazu raten wir
sehr oft, weil das Momente sind, in denen die Angehörigen wieder Kraft tanken
können. Oft empfehlen wir, dass die Angehörigen regelmäßig feste Tage einplanen, in denen sie Zeit für sich haben.
Außerdem geben wir einen Überblick
über Kurse, in denen die Angehörigen
PKV publik | September 2015
Das Pflegestärkungsgesetz II soll
Verbesserungen für Menschen mit
Demenz bringen. Wie beurteilen Sie
die geplanten Neuregelungen?
Hilsenbek: Dass es mehr Leistungen für
Menschen mit Demenz, aber auch für die
pflegenden Angehörigen geben soll, halte ich für unbedingt erforderlich, damit
mehr Entlastungsangebote in Anspruch
genommen werden können. Oft scheitert
das ja auch daran, dass es eben auch finanziell eng ist. Zudem haben wir schon
in der Vergangenheit erlebt, dass sich mit
mehr Leistungen auch bessere Strukturen vor Ort herausbilden und mehr Ange-
Susanne Hilsenbek
ist Demenzberaterin bei der privaten Pflegeberatung COMPASS.
bote entstehen. Das ist gerade in ländlichen Regionen sehr wichtig. Was ich mir
zudem noch wünschen würde ist, dass es
etwas übersichtlicher wird, welche Leistungen Pflegebedürftige oder Angehörige in Anspruch nehmen können. Immer
wieder erleben wir in der Beratung, dass
die Menschen gar nicht wissen, wo sie
Unterstützung erhalten können.
Wie ist Ihr Ausblick in die Zukunft?
Hilsenbek: Wir sind auf dem richtigen
Weg. Wenn ich mir ansehe, wo wir in
der Diskussion in der Pflegebedürftigkeit
herkommen, bin ich zuversichtlich: Noch
vor 20 bis 30 Jahren war ja auch der Umgang mit Menschen mit einem körperlichen Handicap in der Öffentlichkeit sehr
schwierig. Das war eigentlich gar kein
Thema und kaum jemand wollte darüber
reden. Inzwischen ist das ganz selbstverständlich. Wir haben hier eine weitgehende Integration in unseren Alltag
erlebt. Und das wird mit Menschen mit
Demenz genauso sein. Aber das braucht
einfach Zeit. Ich bin mir sicher, dass man
in der nächsten Generation ganz anders
mit dem Thema umgeht.
9
Genau kalkuliert
Die Beitragsberechnung in der Privaten Krankenversicherung erfolgt nach strengen Regeln
Das deutsche Gesundheitssystem
wird von Gesetzlicher und Privater
Krankenversicherung getragen. Zusammen garantieren sie eine hervorragende
medizinische Versorgung für alle Menschen. Dennoch unterscheiden sich beide Versicherungssysteme erheblich. Das
gilt nicht nur für die Leistungs-, sondern
auch für die Finanzierungsseite. Wer sich
für einen Wechsel in die Private Krankenversicherung (PKV) interessiert, sollte
sich daher informieren, wie dort die Beitragskalkulation funktioniert.
Die Beiträge in der PKV werden risikogerecht, solidarisch und generationengerecht kalkuliert. Die Kalkulation
erfolgt auf der Grundlage gesetzlicher
Vorschriften und unter Einbeziehung
zahlreicher Statistiken. Das gilt für die
Beiträge der Neuversicherten ebenso wie
für Beitragsanpassungen.
Risikogerecht bedeutet in der PKV, dass
zu Beginn der Versicherung das Alter und
10
der Leistungsumfang den Beitrag mitbestimmen. Je älter jemand bei Vertragsabschluss ist und je höher der gewählte
Leistungsumfang ist, desto höher ist auch
der Beitrag. Außerdem findet eine Gesundheitsprüfung statt. Bei relevanten
Vorerkrankungen erhebt der Versicherer
zum Ausgleich der zu erwartenden Mehrleistungen gegenüber anfänglich gesunden Versicherten einen Risikozuschlag.
Kosten beteiligt. Da die Lebenserwartung
und der Anteil der Rentner an der Bevölkerung steigen, wächst die finanzielle Belastung der Jüngeren kontinuierlich.
Die Versicherten in der PKV bilden Solidargemeinschaften. Nach ihrem Eintrittsalter und Tarif sind die Versicherten in
Kollektiven zusammengefasst, in denen
die Beiträge aller die Krankheitskosten
des Einzelnen finanzieren.
In der Privaten Krankenversicherung
zahlen die Versicherten hingegen in jungen Jahren einen höheren Beitrag, als
kalkulatorisch notwendig wäre. Der sich
ergebende Mehrbeitrag – Alterungsrückstellungen genannt – wird verzinslich
angelegt. Im Alter werden diese Alterungsrückstellungen für die höheren
Gesundheitsausgaben der Versichertengemeinschaft verwendet. So sorgt in der
Privaten Krankenversicherung jede Generation für sich selbst vor.
Mit zunehmendem Alter mehren sich
Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte
und Medikamentenbedarf. Da die Gesetzliche Krankenversicherung nach dem
Umlageverfahren funktioniert, ist die junge, erwerbstätige Generation überdurchschnittlich an der Finanzierung dieser
Allerdings können sich die kalkulierten
Ausgaben durch die allgemeine Inflation,
den medizinisch-technischen Fortschritt
oder eine insgesamt steigende Lebenserwartung ändern. Diese Kosten dürfen von
der PKV jedoch nicht vorauseilend eingerechnet werden. Um den vereinbarten
September 2015 | PKV publik
PKV
Die Beitragskalkulation in der Privaten Krankenversicherung unterscheidet sich deutlich von der Gesetzlichen Krankenversicherung. Wir informieren über die wichtigsten Aspekte.
Versicherungsschutz dauerhaft erfüllen
zu können, dürfen und müssen die Unternehmen die Beiträge daher anpassen.
Leistungseinschränkungen von Seiten
des Versicherers sind nicht zulässig.
Um rechtzeitig auf entsprechende Veränderungen reagieren zu können, ist die
PKV gesetzlich verpflichtet, jährlich die
tatsächlichen mit den kalkulierten Ausgaben zu vergleichen. Bei einer Abweichung über einen in den Versicherungsbedingungen festgelegten Wert hinaus
müssen die Versicherer ihre Rechnungsgrundlagen überprüfen. Bestätigt die
Überprüfung die Abweichung, muss das
Versicherungsunternehmen die Beiträge
anpassen.
Für die Richtigkeit der Kalkulation bürgt
im Unternehmen der Verantwortliche
Aktuar. Darüber hinaus muss ein unabhängiger mathematischer Treuhänder
jeder Beitragsanpassung zustimmen. Die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht die korrekte
Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben.
Jede Beitragserhöhung ist zur dauerhaften Erfüllbarkeit der Verträge not-
PKV publik | September 2015
wendig. Falls die Beiträge dadurch für
einzelne Versicherte allerdings zu hoch
werden, haben die Kunden mehrere
Möglichkeiten, zu reagieren. Vor einer
Beitragsanpassung weist das Unternehmen seine Kunden schriftlich auf das
Tarifwechselrecht hin. Selbst bei vergleichbaren Leistungen kann ein anderer
Tarif unter Umständen günstiger sein.
Damit die Versicherten jederzeit die für
sie beste Tarifoption finden und auswählen können, hat die Branche einen Leitfaden zum Tarifwechsel erarbeitet, der die
geltende Rechtslage konkretisiert, aber
auch deutlich über die gesetzlichen Vorgaben des Tarifwechselrechts hinausgeht
und den Versicherten größtmögliche
Transparenz garantiert.
Neben einem Tarifwechsel kann der Versicherte auf einzelne Tarifbausteine wie
zum Beispiel die Chefarztbehandlung
verzichten, um einen niedrigeren Beitrag zu zahlen. Bei finanzieller Überforderung kann er außerdem in einen der
Sozialtarife der Privaten Krankenversicherung – den Standardtarif oder den
Basistarif – wechseln. Jeder, der über
eine Beitragsreduzierung nachdenkt,
sollte grundsätzlich erst einmal alle Op-
tionen mit seinem Versicherungsunternehmen besprechen.
Weitere Informationen zur Beitragskalkulation in der Privaten Krankenversicherung gibt es in einer neuen Broschüre,
die auf der Internetseite des PKV-Verbandes heruntergeladen werden kann.
PKV-Info
Die Beitragskalkulation in
der
Privaten Krankenversicherun
g
www.pkv.de/service/broschueren/
verbraucher
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INTERVIEW
„Die Patienten sind mündiger geworden.“
Arztbriefe sind für Patienten oft schwer zu verstehen. Über das Internetportal „washabich.de“ übersetzen Ärzte und Medizinstudenten medizinische Befunde in eine leicht verständliche Sprache.
Mitgründerin und Geschäftsführerin Anja Bittner spricht im Interview mit PKV publik über Qualitätssicherung, politische Unterstützung und Zukunft des Projekts.
Frau Bittner, mit dem Projekt „Was
hab‘ ich?“ übersetzen Sie für Patienten
Arzt­befunde in eine leicht verständliche
Sprache. Wie kam es zu dieser Idee?
Samstag und Sonntag geöffnet. Insgesamt übersetzen wir ungefähr 150 Befunde pro Woche – das sind fast 25.000 seit
Beginn unserer Arbeit.
Bittner: Im Januar 2011 bat mich eine
Wie gehen Patienten vor, wenn Sie ihren
Service in Anspruch nehmen wollen?
Freundin, ihr einen medizinischen Befund ihrer Mutter zu erklären. Im NachBittner: Wenn sie einen Platz im virtuhinein kam die Frage auf, was Sie wohl
ellen Wartezimmer bekommen haben,
ohne meine Hilfe gemacht hätte? Eine
Antwort darauf hatten meine heutigen
erhalten die Patienten nach wenigen
Tagen einen Link,
Kollegen – Johannes
über den sie ihren
Bittner und Ansgar
„Wir übersetzen rund 150
Jonietz – und ich
Befund auf unserer
Befunde pro Woche - das
Webseite einsennicht. Also wollten
sind fast 25.000 seit Beginn
den können. Dafür
wir herausfinden, ob
unserer Arbeit.“
laden sie ihren Bees noch mehr Menschen gibt, die ihre
fund hoch, senden
Arztbriefe besser verstehen wollen. Vier
ihn uns per Fax oder tippen die wichtigen
Tage später gingen wir mit unserer InterTextstellen ab. Zusätzlich benötigen wir
netseite „washabich.de“ online. Wenige
das Geschlecht und das Geburtsjahr des
Minuten später kam die erste Anfrage,
Patienten. Darüber hinaus erfragen wir
nach einigen Tagen waren wir völlig
keine persönlichen Daten. Lediglich eine
überlastet. Wir wussten nun also, dass
E-Mailadresse muss der Nutzer angeben,
es da einen Bedarf gab. So fingen wir an,
damit wir ihn über die Fertigstellung der
ein Netzwerk aus Medizinern aufzubauBefundübersetzung informieren können.
en und unsere Website nach und nach zu
professionalisieren.
Wie viele Mitarbeiter sind bei Ihnen
beschäftigt?
Wird das Angebot heute noch immer viel
genutzt?
Bittner: Unser ehrenamtliches Team umfasst knapp 1.300 Mediziner aus DeutschBittner: Ja. Wir haben inzwischen ein
land, Österreich und der Schweiz. Davon
virtuelles Wartezimmer eingerichtet, um
sind immer etwa 200 Mediziner aktiv,
unsere Arbeit gerecht verteilen zu könübersetzen also Befunde oder beantwornen: Jeden Morgen um 7 Uhr können
ten Fachfragen von anderen Medizinern
Patienten sich mit ihrer E-Mailadresse
im Netzwerk.
registrieren. Wenn unsere Kapazität für
den Tag erreicht ist, schließen wir das
Übrigens ist für uns die Zahl der erreichten Mediziner sehr wichtig – denn jeder
Wartezimmer und die Patienten können
es am nächsten Tag wieder versuchen.
neue Helfer erhält von uns eine Schulung
in laienverständlicher Kommunikation.
Unser Wartezimmer hat übrigens auch
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Dadurch erklären unsere Mediziner nicht
nur die eingesendeten Befunde besser,
sondern sie können das Gelernte auch in
ihrem Berufsalltag einsetzen und so anderen Patienten noch besser helfen.
Zusätzlich zu unserem ehrenamtlichen
Team haben wir ein kleines hauptamtliches Team: In unser „Was hab’ ich?“-Zentrale in Dresden sind wir zu sechst – wir
drei Gründer sowie zwei Ärztinnen und
eine Kommunikationswissenschaftlerin.
Nun enthalten Arztbriefe sensible Daten.
Wie wird die Anonymität der Patienten
gewahrt und wie sichern Sie die Qualität?
Bittner: Die persönlichen Daten unserer
Nutzer zu schützen, ist uns ein großes
Anliegen. Wir bitten daher die Patienten
bei Einsendung ihres Befundes alle persönlichen Daten zu schwärzen. Zusätzlich werden die Daten auf unserer Seite
über eine sichere Datenverbindung übertragen, so wie es auch beim Online-Banking der Fall ist. Der Zugriff auf Befunde
ist zudem unseren Medizinern nur in einem passwortgeschützten Bereich möglich und selbstverständlich unterliegen
wir alle der Schweigepflicht.
Die Qualität der Übersetzungen sichern
wir durch ein aufwändiges Einarbeitungs- und Betreuungssystem für unsere
ehrenamtlichen Mediziner. Mitmachen
kann nur, wer mindestens im 8. Fachsemester Medizin studiert. Jeder neue Ehrenamtler erhält eine Ausbildung zum
Übersetzer. Dabei lernt man mit Hilfe
eines erfahrenen und speziell geschulten
Übersetzers unter 1:1-Betreuung unsere
Leitlinien zum leicht verständlichen Er-
September 2015 | PKV publik
INTERVIEW
klären kennen und übt, diese anzuwenden. Erst nach Abschluss dieser Ausbildung dürfen die Übersetzer eigenständig
Befunde erklären. Zusätzlich haben wir
ein Netzwerk aus erfahrenen Ärzten,
die unseren Medizinern bei Fachfragen
weiterhelfen. Für onkologische Fragestellungen gibt es sogar die Möglichkeit,
direkt den Krebsinformationsdienst des
Deutschen Krebsforschungszentrums um
fachliche Unterstützung zu bitten.
Ihr Angebot ist für die Patienten kostenlos.
Wie finanzieren Sie sich?
Bittner: Genau – Patienten können unser
Angebot kostenlos nutzen. So stellen wir
sicher, dass jeder Patient, unabhängig
von seinen finanziellen Möglichkeiten,
unser Angebot nutzen kann.
Durchschnittlich jeder dritte Nutzer von
„Was hab’ ich?“ spendet etwas an uns.
Zusätzlich erhalten wir Unterstützung
zum Beispiel von der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung und von Stiftungen.
Außerdem führen wir unter anderem
Projekte gemeinsam mit der Bertelsmann
Stiftung und dem AOK Bundesverband
durch, die uns eine Querfinanzierung
unseres Angebots ermöglichen. Natürlich sind wir auch immer auf der Suche
nach weiteren Unterstützern.
Bekommen Sie auch Unterstützung von der
Politik?
Bittner: Für uns war es von Anfang an
wichtig, die Ärzteschaft hinter uns zu
wissen. Wir möchten mit unserem Angebot die Arzt-Patient-Kommunikation
unterstützen, die aus vielerlei Gründen
oft nicht optimal funktioniert. Das ist
bei Weitem nicht immer die Schuld des
Arztes. Die politische Brücke zur Ärzteschaft haben wir erfolgreich geschlagen
– die beiden großen Ärztegewerkschaften Marburger Bund und Hartmannbund
sind Unterstützer unseres Projektes.
Auch das Bundesministerium für Gesundheit unterstützt uns. In der Vergan-
PKV publik | September 2015
genheit war diese Unterstützung vor
allem ideell – so wurde beispielsweise
der ehemalige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr noch zu seiner Amtszeit
unser Botschafter und wir stehen in regelmäßigem Austausch mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung,
Karl-Josef Laumann. Seit diesem Jahr
erhalten wir für ein Forschungsprojekt
auch finanzielle Förderung.
Unter dem Stichwort „Patientenkompetenz“
wird ja zunehmend diskutiert, wie die
Kommunikation im Gesundheitsbereich
verbessert werden kann. Ist es nicht zunächst Aufgabe der Ärzte, ihre Briefe so zu
formulieren, dass der Patient sie versteht?
Bittner: Die medizinische Fachsprache
hat, wie jede andere Fachsprache auch,
durchaus ihre Berechtigung. Arztbriefe
sind zunächst einmal ein Kommunikationsmittel zwischen Ärzten, und dort ist
die Fachsprache als schnelles und präzises Ausdrucksmittel sehr sinnvoll. Bei
„Was hab’ ich?“ entsteht beispielsweise
aus einem einseitigen Arztbrief oft eine
fünfseitige Übersetzung. Wenn man also
die Fachsprache umgehen wollte, würden
sowohl beim schreibenden als auch beim
lesenden Arzt ein hoher Zeitaufwand entstehen, der an anderer Stelle fehlt.
Trotzdem existiert natürlich ein Bedarf
beim Patienten. Für die Kommunikation
zwischen Ärzten gibt es den Arztbrief, für
die Patienten gibt es keine schriftlichen
Informationen. Das ist deswegen kritisch, weil Patienten sich von der Menge
an Informationen, die im Arztgespräch
ausgetauscht werden, bei Weitem nicht
alles merken können. Studien zufolge
gehen bis zu 80 Prozent der Informationen direkt wieder verloren – nicht verwunderlich, denn die Patienten sind gerade in den wichtigen Gesprächen, etwa
über eine neu festgestellte Erkrankung,
sehr aufgeregt. Eine leicht verständliche
schriftliche Information nach dem Gespräch kann also helfen, die besprochenen Dinge noch einmal aufzugreifen. In
einem Pilotprojekt werden wir das jetzt
Anja Bittner
ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von „Was hab‘ ich?“
überprüfen: Patienten werden nach dem
Krankenhausaufenthalt nicht nur einen
Arztbrief erhalten, sondern zusätzlich
eine verständliche Version – den Patientenbrief. Diese Version werden wir für
die Klinik erstellen und dann in ihrem
Namen an die Patienten versenden. Wir
erwarten sehr viel von diesem Ansatz
und sind gespannt auf die Reaktionen
und unsere Forschungsergebnisse.
Wie wird sich das Arzt-Patienten-Verhältnis in den nächsten Jahren verändern?
Das Arzt-Patienten-Verhältnis hat sich
bereits verändert. Die Patienten sind
mündiger geworden, möchten mitentscheiden oder zumindest genau informiert sein. Die Selbstverständlichkeit des
Informationsbedarfs wird in den nächsten Jahren zunehmen. Die junge Ärztegeneration lernt inzwischen bereits im Studium viel über Kommunikation. Darüber
hinaus wird die Telemedizin sicher große
Veränderungen für das Arzt-Patient-Verhältnis mit sich bringen.
https://washabich.de
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MELDUNGEN
Alkohol in der Schwangerschaft
Trotz der bekannten Risiken schon
kleiner Mengen Alkohol für ein
ungeborenes Kind, hält fast ein Fünftel der Deutschen ein „gelegentliches
Gläschen Bier oder Sekt“ auch während der Schwangerschaft für vertretbar. Das ist das Ergebnis einer Umfrage
des Meinungsforschungsinstituts INSA
im Auftrag des Verbandes der Privaten
Krankenversicherung. Allerdings zeigt
die Umfrage auch einen positiven Trend:
Die Akzeptanz ist bei Jüngeren deutlich
geringer als bei älteren Menschen. So
halten in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen nur 4 Prozent der Befragten kleine
Mengen Alkohol für vertretbar. Bei den
über 55-Jährigen sind es 23 Prozent. Das
ist ein Indiz dafür, dass Aufklärungskampagnen wie „Alkohol? Kenn Dein
Limit.“ wirken. Die von der PKV finanzierte Kampagne von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung richtet
Kein Problem mit
Wartezeiten
„Ein gelegentliches Gläschen
Bier oder Sekt ist auch
während der Schwangerschaft vertretbar.“
stimme
nicht zu
keine
Angabe
stimme
zu
10 %
18 %
72 %
Quelle: Insa-Umfrage; Juni 2015; n=2178
Laut der Versichertenbefragung
2015 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind die Deutschen
im Allgemeinen zufrieden mit den Wartezeiten auf einen Arzttermin. Rund ein
Drittel der knapp 5.000 Befragten gab an,
dass es beim letzten Arztbesuch gar keine
Wartezeit gegeben habe. Mit 30 Prozent
ist dieser Wert bei gesetzlich Versicherten nur geringfügig niedriger als bei Privatversicherten (33 Prozent). Lediglich
13 Prozent (gesetzlich) bzw. 8 Prozent
(privat) der Patienten gaben an, über drei
Wochen auf einen Termin gewartet zu haben. Doch müsse die Zahl relativiert werden, sagte der KBV-Vorsitzende Andreas
Gassen. Denn bei vielen Terminen handele es sich um „planbare, nicht akute Arztbesuche wie Vorsorge und Kontrolluntersuchungen oder Impfungen.“
Deutscher Preis für Patientensicherheit
GKV vor höheren
Zusatzbeiträgen?
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) vergibt zum dritten
Mal den Deutschen Preis für Patientensicherheit. Gesucht werden nachhaltige
Best-Practice-Beispiele und herausragende praxisrelevante Forschungsarbeiten
zum Thema Patientensicherheit und Risikomanagement. Dabei kann es sich beispielsweise um Methoden zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit,
zielgerichtete Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für medizinische Berufsgruppen, Ideen zur Optimierung von
Infrastruktur und Ablauforganisation
oder Modelle für eine patientenzentrierte Kommunikation handeln.
Die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung, Doris Pfeiffer, rechnet mit steigenden Zusatzbeiträgen der
gesetzlichen Kassen: „Unter dem Strich
rechnen wir im Durchschnitt aller Krankenkassen damit, dass die Zusatzbeiträge Anfang 2016 um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte angehoben werden müssen. […]
Für 2019 rechnen wir mit einer Erhöhung des Durchschnitts auf insgesamt
1,4 bis 1,9 Prozent“, sagte sie in einem
Interview mit der Passauer Neuen Presse. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl
Lauterbach sagte im Interview mit dem
Deutschlandfunk, gesetzlich Versicherte müssten sich dauerhaft an steigende
Beiträge gewöhnen: „Das wird eine Zukunftsentwicklung sein, wo es nur eine
einzige Richtung gibt [...] Es wird nicht
vermeidbar sein langfristig, dass die Beitragssätze steigen.“
Die mit insgesamt 19.500 Euro dotierte
Auszeichnung richtet sich an Kliniken
und Praxen, aber auch an Apotheken,
Healthcare-Anbieter, Gesundheitsämter
und Krankenkassen.
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Der Deutsche Preis für Patientensicherheit soll dazu beitragen, dass praxisrelevante Erkenntnisse in die Breite getragen
werden. Er fördert zudem fach- und berufsübergreifende Lehre und Bildung und
honoriert Lösungen sowie neue Konzepte
zur Vorbeugung von unerwünschten Ereignissen und vermeidbaren Fehlern.
Um den Preis bewerben können sich
sämtliche Akteure im Gesundheitswesen, die Projekte für Patientensicherheit
erfolgreich entwickelt und umgesetzt
haben. Bewerbungsschluss ist der 2. November 2015. Der Preis wird auf der Jahrestagung des Aktionsbündnisses für Patientensicherheit im April 2016 in Berlin
verliehen.
Weitere Informationen: www.aps-ev.de/
deutscher-preis-fuer-patientensicherheit/
der-preis
September 2015 | PKV publik
BLICKWINKEL
GASTBEITRAG
Home CIMT: Schlaganfallpatienten trainieren den Armeinsatz im Alltag
Das neue Therapiekonzept home CIMT kann Schlaganfallpatienten
dabei helfen, ihren Arm im Alltag häufiger und besser zu gebrauchen.
Von Dr. med. Anne Barzel und Gesche Ketels
Constraint-induced movement
therapy (CIMT) ist eine aktivierende Therapieform für Patienten mit
motorischen Beeinträchtigungen des
Armes nach Schlaganfall, die am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
(UKE) seit 15 Jahren angeboten wird.
CIMT, auch als Taub’sches Training oder
Forced-use Therapy bezeichnet, ist geeignet für Schlaganfallpatienten, deren
gelähmter Arm zumindest teilweise wieder funktionsfähig ist, und bei denen der
Schlaganfall mindestens 6 Monate zurückliegt. Ein vergleichbares Therapiekonzept in der ambulanten Versorgung
fehlt bisher. Daher entwickelte eine Forschergruppe am UKE um Dr. Anne Barzel
(Institut für Allgemeinmedizin) und Gesche Ketels (Physiotherapie) die modifizierte Form home CIMT.
Home CIMT wird über vier Wochen bei
den Patienten zu Hause eingesetzt und
von ambulant tätigen Ergo- oder Physiotherapeuten geleitet, die an einer
zertifizierten Fortbildung teilgenommen
haben. Die Patienten üben in Begleitung
eines nicht-professionellen Übungsbegleiters (z. B. eines Angehörigen) täglich
2 Stunden an insgesamt 20 Tagen. Die
Therapeuten legen zusammen mit den
Patienten alltagsrelevante Ziele fest (z. B.
Essen mit Messer und Gabel, aus einer
Tasse am Henkel fassend trinken). Sie
begleiten das Übungsprogramm in wöchentlich durchgeführten Hausbesuchen
und überprüfen gemeinsam mit den Patienten die Zielerreichung. Zusätzlich wird
empfohlen, den gesunden Arm bis zu 4
Stunden täglich zu immobilisieren, zum
Beispiel durch einen Spezialhandschuh,
PKV publik | September 2015
um den verstärkten Einsatz des durch
den Schlaganfall betroffenen Armes bei
Alltagsaktivitäten zu unterstützen.
In einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Förderschwerpunkt „Versorgungsnahe Forschung –
Patientenorientierung und Chronische
Krankheiten“ geförderten randomisiert-kontrollierten Studie untersuchte
die Forschergruppe in Physio- und Ergotherapiepraxen, ob home CIMT bei
Schlaganfallpatienten den Gebrauch
des Armes bei Alltagsaktivitäten besser
fördert als übliche Physio- und Ergotherapie. Alle Patienten erhielten über vier
Wochen eine wirksame Therapie, entweder home CIMT oder übliche Therapie. Die Studie zeigte eine Verbesserung
des Armeinsatzes in beiden Gruppen.
Jedoch beurteilten Patienten der home
CIMT-Gruppe den Armgebrauch im Alltag signifikant besser als Patienten der
Kontrollgruppe*.
Die Forschergruppe strebt die Einführung dieses neuen Therapiekonzepts in
die ambulante Versorgung an. Eine Fortbildung für Therapeuten ist in Vorbereitung, damit möglichst vielen Betroffenen
home CIMT angeboten werden kann.
* Barzel A, Ketels G, Stark A, Tetzlaff B,
Daubmann A, Wegscheider K, van den
Bussche H, Scherer M. Home-based
constraint-induced movement therapy for
patients with upper limb dysfunction after
stroke (HOMECIMT): a cluster-randomised,
controlled trial. Lancet Neurol. 2015; 14:
863-902.
Weitere Informationen unter: www.uke.de/
institute/allgemeinmedizin/index_96591.php
Dr med. Anne Barzel (l.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für
Allgemein­medizin, Gesche Ketels ist im Leitungsteam der Physiotherapie am
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Außerdem in der Forschergruppe: Anne
Stark, Britta Tetzlaff, Prof. Karl Wegscheider und Prof. Dr. med. Martin Scherer.
15
Ihr persönlicher Ratgeber. Hier finden Sie geeignete
Pflegeanbieter in Ihrer Nähe, Checklisten zur optimalen
Vorbereitung und Möglichkeiten zum Austausch mit
anderen Betroffenen.
Eine Initiative der
Privaten Krankenversicherung