Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht des Gemeindetags Baden-Württemberg für die Jahre 2014 bis 2015 Den Geschäftsbericht für den Zeitraum 2014 bis 2015 legt der Gemeindetag Baden-Württemberg den Mitgliedsstädten und -gemeinden zur Mitgliederversammlung am 15.10.2015 in Ditzingen vor. Aus dem Geschäftsbericht werden die laufenden Schwerpunkte der Arbeit des Gemeindetags ersichtlich. Sie ergeben sich aus den jeweils zu Jahresbeginn veröffentlichten „Bilanzen und Perspektiven“ (BWGZ 1/2014 und BWGZ 1/2015). Bestandteile des vorliegenden Geschäftsberichts sind auch die Berichte der Verwaltungsschule des Gemeindetags Baden-Württemberg, der Gt-service Dienstleistungsgesellschaft mbH des Gemeindetags sowie des Europabüros der baden-württembergischen Kommunen mit Sitz in Brüssel. Betriebskostenförderung Foto: Gemeindetag Baden-Wüttemberg Entwicklungen der Förderbeträge von 2009 bis 2014 Frühkindliche Bildung und Betreuung Betreuungsquote Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) wurden zum Stichtag 01.03.2015 bundesweit 694.500 Kinder unter 3 Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Nach den vorläufigen Ergebnissen waren dies 31.800 Kinder beziehungsweise 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Mehrzahl der Eltern von Kindern unter 3 Jahren nutzt die Tagesbetreuung in Einrichtungen (85,4 Prozent). Mit einem Anteil von bundesweiten 14,6 Prozent spielte die Kindertagespflege bei einer Tagespflege- 892 mutter oder einem Tagespflegevater nach wie vor noch eine deutlich geringere Rolle. Im März 2015 gab es bundesweit 54.422 Einrichtungen (+1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr) sowie 44.098 Tagespflegeeltern (-1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr). In Baden-Württemberg werden 87 Prozent der Kleinkinder in Kindertageseinrichtungen und 13 Prozent durch eine Tagespflegeperson betreut. Die landesweite Betreuungsquote erhöhte sich von 27,7 Prozent auf 28,8 Prozent bzw. insgesamt 79.185 unter Dreijährige. Die jüngsten Zahlen zeigen deutlich, dass der Ausbau in den Städten und Gemeinden voranschreitet, aber bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Pakt für Familien mit Kindern Gemäß dem zwischen der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden am 01.12.2011 unterzeichneten „Pakt für Familien mit Kindern“ beteiligt sich das Land seit 2014 mit 68 Prozent der kommunalen Brutto-Betriebsaus gaben an der Kleinkindbetreuung auf der Grundlage der Ergebnisse der Jahresrechnungsstatistik des Vorvorjahres und der Zahl der betreuten Kinder unter drei Jahren auf der Basis der Kinder- und Jugendhilfestatistik zum 01.03. des Vorjahres. Der verbleibende Anteil von 32 Prozent wird durch die Kommunen bzw. ergänzend durch Elternbeiträge und Trägeranteile finanziert. Dadurch soll sichergestellt werden, dass auch bei einem weiteren Anstieg der Betreuungsquote und/ oder der Steigerung der Betreuungskosten für die Kleinkindbetreuung (U3) sich die Förderung des Landes in gleicher Weise zeitnah erhöht. 2012 und 2013 Übergangsweise hatte das Land in den Jahren 2012 und 2013 im Wege von Festbeträgen bei der Betriebskostenförderung in Höhe 315 Mio. Euro und 325 Mio. Euro zusätzlich zu der bisher vereinbarten Mitfinanzierung von 129 Mio. Euro bzw. 152 Mio. Euro seiner Verpflichtung zur Mit finanzierung des Ausbaus der Kleinkind- Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 betreuung Rechnung getragen. Bereits für das Jahr 2012 erhöhte sich dadurch die Betriebskostenförderung nach § 29c FAG für die Kleinkindbetreuung auf 444 Mio. Euro und für das Jahr 2013 auf 477 Mio. Euro. Unter Berücksichtigung der Bundesmittel für die Betriebskostenförderung von 65 Mio. Euro und 90 Mio. Euro in den beiden Jahren standen 2012 der Betrag von 509 Mio. Euro und 2013 der Betrag von 568 Mio. Euro insgesamt an Fördermittel zur Verfügung. 2014 Mit der prozentualen Beteiligung des Landes von 68 Prozent an den Betriebskosten ab 2014 ist eine Dynamisierung des Landesanteils verbunden, so dass sich der Landesanteil sowohl in Bezug auf einen weiteren Anstieg der Betreuungsquote über die für 2013 angestrebten 34 Prozent der unter 3-Jährigen hi naus und in Bezug auf zukünftige Kostensteigerungen in gleicher Weise zeitnah fortentwickelt. Geschäftsbericht des Gemeindetags Baden-Württemberg 2013 bis 2015 Inhaltsverzeichnis • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Im Hinblick auf den für 2014 mit dem Land vereinbarten Paradigmenwechsel bei der Betriebskostenförderung bei der Kleinkindbetreuung wurde seitens der Geschäftsstellen des Gemeindetags Baden-Württemberg und des Städtetags Baden-Württemberg im Jahr 2013 auch hinsichtlich der Haushaltsplanungen für das Haushaltsjahr 2014 stets darauf hingewiesen, dass mit einem Rückgang der bisherigen Förderbeträge gerechnet werden muss, ohne dessen Umfang konkret einschätzen zu können. Begründet war dies durch den Umstand, dass sich die Erhöhung der Festbetragsförderung seitens des Landes um 315 Mio. Euro für das Jahr 2012 und um 325 Mio. Euro an den Ausbauzielen zur Erreichung einer Betreuungsquote von 34 Prozent für die unter 3-Jährigen orientierte, denen zum damaligen Zeitpunkt eine noch deutlich geringere Betreuungsquote und somit auch ein deutlich geringeres Platzangebot gegenüber standen. Die deutliche Erhöhung der Betriebskostenförderung für die Kleinkindbetreuung beinhaltete somit auch die politische Zielsetzung seitens des Landes, den Gemeindetag Baden-Württemberg • • • • • • Frühkindliche Bildung und Betreuung Bildung und Schule Schulsozialarbeit Zukunftsplan Jugend Bildungskongress auf der didacta Menschen mit Behinderung – Inklusion Bundesteilhabegesetz Bund-Länder-Arbeitsgruppe: Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg Wohn-/Teilhabe- und Pflegegesetz – WTPG Hausärztliche Versorgung in Baden-Württemberg Gesetz zur Stärkung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg – Landesgesundheitsgesetz (LGG) Gesetz zur Verbesserung von Chancengleichheit und Teilhabe – Partizipations- und Integrations gesetz (PartIntG) Aktuelle Situation der Flüchtlingshilfe in Baden-Württemberg Unterbringung von Obdachlosen und Flüchtlingen in kommunalen Unterkünften Bürgerschaftliches Engagement Änderung des Feuerwehrgesetzes (FwG) Kostenersatz Feuerwehr Feuerwehrbeschaffungskartell: Eckpunkte des DStGB-Abschlussberichts Änderung des Bauplanungsrechts – Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern Novellierung der Landesbauordnung vom Landtag beschlossen Novellierung der Gutachterausschussverordnung – Die Reform ist da Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes Änderung des Bestattungsgesetzes – VGH: Kein Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit in kommunalen Friedhofssatzungen Zuverlässigkeit von Hochwassergefahrenkarten – Bauen in Überschwemmungsgebieten – Hochwasserschutzregister Neue Förderrichtlinien Wasserwirtschaft – Änderungswünsche des Gemeindetags wurden berücksichtigt Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK), Strategie zur Anpassung an den Klima wandel in Baden-Württemberg und Klimaschutzpakt mit den Kommunen Novelle des Landesnaturschutzgesetzes beschlossen und in Kraft getreten Neues Jagdrecht inzwischen komplett – Ab jetzt gilt das Motto „Und ewig grüßt die Jagdgenossenschaftsversammlung“ Ausbau der Kleinkindbetreuung im Lande zu forcieren und die Gewährleistung des am 01.08.2013 in Kraft getretenen Rechtsanspruches sicherzustellen. Dies ist, wie heute feststellbar, auch gelungen. Auf der Grundlage der Bruttobetriebskosten des Jahres 2012 und der Zahl der nach der Kinder- und Jugendhilfestatistik zum 01.03.2013 betreuten unter 3-Jährigen hatte dies zur Folge, dass sich für das Haushaltsjahr 2014 der Betrag für die Betriebskostenförderung in der Kleinkindbetreuung nach § 29c FAG (U3) auf 9.421 Euro je Kind (Gewich- • Erschließungsbeitragsrecht • Erschließungsverträge und städtebauliche Verträge nach dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung • Novelle des Landesgemeindeverkehrs finanzierungsgesetzes (LGVFG) • Landestarif • Rad- und Fußgängerverkehr aufwerten • Regiobusse • Erneuerbare Energie – aber wie? • Energieaudit • Breitbandförderung im Rahmen der Breitband initiative Baden-Württemberg II – VwV Breitbandförderung • Neue Schlüsselzahlen für den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer • Gewerbesteuer • Die Reform der Grundsteuer – immer noch unerledigt • Insolvenzanfechtung; Entgegenkommen der Gemeinde kann „bestraft“ werden • Kassenwesen, Zahlungsverkehr • Neues Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) – Stand der Umstellung und Sachstand der Evaluierung • Besteuerung der öffentlichen Hand • Novelle des Eigenbetriebsrechts • Novelle des Gemeindewirtschaftsrechts und des GKZ • Freihandelsabkommen TTIP, CETA und plurilaterales Dienstleistungsabkommen TiSA • Kommunale Wirtschaftsförderung – Neuer Arbeitskreis im Gemeindetag • Kartellverfahren Rundholzvermarktung • Unterhaltungspflicht der Städte und Gemeinden für Kirchtürme • Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an Brennpunkten – der Runde Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ kreißt und gebiert eine Maus • nitiative des Gemeindetags Baden-Württemberg gegen Wohnungseinbrüche • Kommunales und Wahlen • Interfraktionelle Einigung zur direkten Demokratie in der Landesverfassung • Bundesmeldegesetz und Ausführungsvorschriften dazu lassen erhöhten Aufwand bei den Meldebehörden befürchten • Zensus 2011 – Stand der Zensusverfahren • EDV in der Verwaltung • Personal • Deutsch-griechische kommunale Zusammenarbeit • Das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen 2014/2015 • Überarbeitung des kommunalen Aktenplans – „Kommunaler Aktenplan ‘21“ tung 1,0) gegenüber 12.852 Euro je Kind (Gewichtung 1,0) im Jahr 2013 belief und somit drastisch zurückging. Der durch den 2014 eingetretene Wechsel in der Fördersystematik kalkulierte Rückgang der Förderbeträge überstieg jedoch mit minus 25 Prozent bzw. 3.431 Euro je Ganztagesplatz bei weitem die Erwartungen und führte 2014 gegenüber dem Vorjahr wie auch den Haushaltsplanungen zu eklatanten Finanzierungsdefiziten in der Kleinkindbetreuung. In Abhängigkeit von der Gemeindegröße erreichten die Einnahmeausfälle für die Städte bis zu 893 Geschäftsbericht siebenstellige Größenordnungen. Entsprechend kamen Zweifel auf, ob die Ermittlung der Gesamthöhe der Landesbeteiligung systematisch wie auch in Bezug auf die statistischen Zahlen im Vergleich zur Kostensituation in der Kleinkindbetreuung ihre Richtigkeit hatte. Der Gemeindetag hat die Ergebnisse der Jahresrechnungsstatistik in Bezug auf die gesamten Einnahmen und Ausgaben für die Kinderbetreuung (0 bis 6 Jahre) und insbesondere für die Kleinkindbetreuung (0 bis 3 Jahre) nochmals auf den Prüfstand gestellt und ergänzend dazu die in § 29c Abs. 2 FAG festgeschriebene Methodik der Ermittlung des Landesanteils von 68 Prozent hinterfragt. Entwicklungen der Förderbeträge für das Jahr 2015 Neben einer zweifellos geringeren Betreuungsquote und durchschnittlich geringeren Platzkosten wurde in diesem Papier als eine maßgebliche weitere Ursache für den eklatanten Rückgang der Fördersumme und des Förderbetrags je betreutem Ganztagsplatz ein zu niedriger sich aus der Jahresrechnungsstatistik ergebender prozentualer Ansatz der Elternbeiträge von lediglich 8 Prozent bei der Ermittlung der vereinbarten Landesbeteiligung von 68 Prozent festgestellt und nachgewiesen und dessen Anpassung auf 20 Prozent gegenüber dem Land gefordert (vgl. Gemeinde finanzbericht 2014, BWGZ 15-16/2014, Seite 873 ff). Erst auf dieser Grundlage war es den kommunalen Landesverbänden gelungen, in Verhandlungen mit dem Land BWGZ 19 | 2015 im Rahmen der Gemeinsamen Finanzkommission unter der Leitung von Finanzminister Dr. Nils Schmid, ab 2015 folgende Korrektur der Berechnung des Kleinkindlastenausgleichs nach § 29c FAG zu vereinbaren: „Um die vereinbarungsgemäße Beteiligung des Landes von 68 Prozent an den Brutto-Betriebsausgaben der Kleinkindbetreuung auf Basis der Jahresrechnungsstatistik des zweitvorangegangenen Jahres zu gewährleisten, ist die Vereinbarung im Pakt für Familien mit Kindern vom 1. Dezember 2011 an die gegenwärtige Entwicklung anzupassen. Zu diesem Zweck sind die der Vereinbarung zugrunde gelegten Elternanteile mit Wirkung ab dem Jahr 2015 von bisher 8 Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen sowie die künftig zu berücksichtigenden Elternanteile von 20 Prozent und die Berechnungssystematik einschließlich der Kosten für interne Leistungsverrechnungen (innere Verrechnungen), auf Basis der Jahresrechnungsstatistik 2015, im Jahr 2017 auf Änderungsbedarf zu überprüfen und ggf. anzupassen.“ Konkret führt dies auf der Basis der Kleinkindförderung nach § 29c FAG im Jahr 2015 zu einer Anhebung des Fördervolumens um insgesamt zirka 204 Mio. Euro auf 659 Mio. Euro gegenüber 455 Mio. Euro im Jahr 2014. Bezogen auf das Jahr 2014 hat dies 2015 eine Erhöhung des Förderbetrags je voll gewichtetem Ganztagsplatz von 9.421 Euro um zirka 2.210 Euro auf zirka 12.330 Euro zur Folge. Weiter ist für 2015 die Erweiterung von bisher 3 auf künftig 5 bzw. 6 Förder stufen zu beachten. Änderung der bisherigen Parameter in der FAG-Fördersystematik im U3-Bereich Neuausrichtung der Kindergarten förderung (U3) nach § 29c FAG Um den Kommunen eine möglichst kostenbezogene Förderung der Betriebsausgaben für die U3-Betreuung in Höhe der Landesförderung von 68 Prozent dem Grunde nach sicherzustellen, bedarf es auch einer weitergehenden Differenzierung der in § 29c FAG verankerten bisherigen Parameter in der Fördersystematik für die Kommunen. Dies sind die Zeit- und Betreuungskorridore sowie die Gewichtungsfaktoren. Die Änderung des § 29c FAG erfolgte einschließlich einer analogen Anpassung der Fördersystematik in der Kinder tagespflege. Neuausrichtung der Kindergarten förderung nach § 29b (Ü3) FAG Im Gegensatz zur Förderung der Kleinkindbetreuung (U3) nach § 29c FAG beteiligt sich das Land an der Kindergartenförderung (Ü3) nach § 29b FAG mit Ausnahme in Bezug auf den Orientierungsplan nicht mit originären Landesmitteln bzw. anteilig an den dafür entstehenden Kosten. Der verstärkte Elternwunsch nach verlängerten Öffnungszeiten und die damit einhergehende Erweiterung des Betreuungsumfangs sowie die damit verbundenen unterschiedlich hohen Kosten sprachen auch bei der Kindergartenförderung für eine Fortentwicklung der bestehenden Parameter der FAG-Fördersystematik in Anlehnung an die nach § 29c FAG vorgesehene Änderung. Interkommunaler Kostenausgleich Die gemeinsamen Empfehlungen von Gemeindetag und Städtetag zum interkommunalen Kostenausgleich werden auf die neuen Stufen und die Entwicklung der Förderbeträge nach §§ 29b und c FAG für die Kleinkind- und Kindergartenbetreuung für das Jahr 2015 nach § 8a Abs. 6 KiTaG ab dem 01.01.2015 entsprechend angepasst. Flexibilisierungspaket Land, Kommunen und Träger brachten zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs am 01.08.2013 das befristete Flexibili- 894 Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Förderfähig sind jeweils nur neugeschaffene Plätze für Kinder unter 3 Jahren. Die Festbeträge je zusätzlich geschaffenem Betreuungsplatz betragen für Kindertageseinrichtungen − bei Neubau 12 000 Euro − bei Umbau 7 000 Euro − bei Umwandlung 2 000 Euro, höchstens jedoch 70 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben. Änderung der bisherigen Parameter in der FAG-Fördersystematik im Ü3-Bereich sierungspaket auf den Weg, um kurzfristig genug Plätze in Kindertageseinrichtungen vorhalten zu können. Dies ermöglichte es den Trägern, bei kurzfristig auftretenden Handlungsbedarf durch eine Selbstverpflichtungserklärung schnelle pragmatische Lösungen zu finden. Dieses Flexibilisierungspaket lief zum Bedauern des Gemeindetags Baden-Württemberg nach mehrheitlicher Entscheidung auf Landesebene fristgerecht zum 31.07.2015 aus. Die geringe Inanspruchnahme der Maßnahmen zeigt den verantwortungsbewussten Umgang der Träger mit den flexiblen Lösungsansätzen, aber auch die Notwendigkeit der zur Verfügung gestandenen Handlungsoptionen. Bei einzelnen Maßnahmen gelang es jedoch, sie dauerhaft in das Betriebserlaubnisverfahren des KVJS zu integrieren. Dies betrifft vor allem die Lösungen zu Vertretungskräften. Weitere Maßnahmen des Flexibilisierungspakets werden künftig wieder nur durch eine Antragstellung beim KVJS möglich sein. Gerade auch in Bezug auf kurzfristig zu realisierende Plätze für Flüchtlingskinder ist das Auslaufen des Flexibilisierungspakets zu bedauern, bedarf es doch aus Sicht des Gemeindetags auch künftig eines schnellen Lösungswegs. Umsetzung Krippeninvestitionsprogramme Mittlerweile läuft das 3. Bundesprogramm zur Förderung der Investitionsmaßnahmen zum Ausbau der Kleinkindbetreuung. Die Eckpunkte der Bundesprogramme zusammengefasst: Gemeindetag Baden-Württemberg „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2008 – 2013 (1. Tranche) Ausbau von Betreuungsplätzen im U3 Bereich Januar 2008 2,15 Milliarden Euro für Investitionskosten, davon entfallen auf BadenWürttemberg 296.769.496 Euro Maßnahmenbeginn: 18. Oktober 2007 Nachweis Betriebserlaubnis bis spätestens: 31. August 2015. „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2013 – 2014 (2. Tranche) Weitere 580,5 Millionen Euro für Investitionen, davon entfallen auf Baden-Württemberg 78.158.734 Euro Maßnahmenbeginn: 1. Juli 2012 Nachweis Betriebserlaubnis bis spätestens: 31. Dezember 2016. „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2015 – 2018 (3. Tranche) Weitere 550 Millionen Euro, davon entfallen auf Baden-Württemberg 73.762.468 Euro Maßnahmenbeginn: 1. April 2014 Nachweis Betriebserlaubnis bis spätestens: 30. November 2019 Ziel: Schaffung/Förderung weiterer 30.000 Plätze (bisher 780.000) „Gesetz zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung“ 2016: 230,0 Mio. Euro 2017: 220,0 Mio. Euro 2018: 100,0 Mio. Euro davon Baden-Württemberg 73,8 Mio. Euro. Bisherige Förderbestimmungen sollen bestehen bleiben. Insbesondere begrüßen wir die Fristverlängerung zur Vorlage der Betriebserlaubnis und der Bestätigung der Inbetriebnahme um weitere 2 Jahre. Neue Fristen: Investitionsprogramm 2008 – 2013: 31.August 2017 Investitionsprogramm 2013 – 2014: 31. Juli 2018 Investitionsprogramm 2015 – 2018: 30. November 2019. Mit dem Investitionsprogramm 2015 – 2018 sind nun auch erstmalig Zuschüsse für Küchen möglich. Ein entscheidendes Problem ergibt sich daraus, dass beim dritten Förderprogramm des Bundes lediglich Maßnahmen ab dem 01.04.2014 förderfähig sind. Damit sind Anträge, die nach Überzeichnung oder Auslaufen zum 31.12.2013 des zweiten Förderprogramms begonnen wurde, nicht förderfähig sind, wohingegen Maßnahmen, die nach dem 01.04.2014 begonnen wurden, wieder eine Förderung durch das Bundesprogramm erhalten. Investitionsprogramm Land Die kommunale Seite konnte in den Verhandlungen mit dem Land im Rahmen der gemeinsamen Finanzkommission ferner erreichen, dass das Land statt einer Korrektur der Zuweisungsbeträge bereits ab dem Jahr 2014 ein einmaliges Förderprogramm aus Landesmitteln von 50 Mio. Euro für investive Maßnahmen in der Kleinkindbetreuung ab 2015 auflegt. In dieses wurden Maßnahmen, die zwischen dem 01.07.2012 und dem 01.04.2014 bereits begonnen wurden und soweit diese beim Investitionsförderungsprogramm des Bundes 2. Tranche 2013 – 2014 nicht berücksichtigt werden konnten, mit einbezogen. 895 Geschäftsbericht Dies bedeutet konkret, dass Städte und Gemeinden, deren Förderanträge für investive Maßnahmen in der Kleinkindbetreuung im Zusammenhang mit der 2. Tranche des Investitionsförderungsprogramms des Bundes unter Vorbehalt zur Verfügung stehender Fördermittel nach dem 01.07.2012 positiv beschieden wurden und diese vor dem 01.04.2014 begonnen haben, nunmehr dafür noch Fördermittel erwarten können. Weiterer Förderschwerpunkt ist der qualitative Ausbau der Kleinkindbetreuung. Hier stehen für bauliche Maßnahmen, die der Erweiterung von Betreuungszeiten oder der Inklusion von Kindern mit Behinderung dienen, Fördermittel zur Verfügung. Kindertagespflege Ende Juli 2013 hat das Kultusministerium erstmals eingeladen zu einem „Runden Tisch Kindertagespflege“ mit dem Ziel, einen verlässlichen Rahmen für Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung von Kindertagespflege zu definieren. Schwerpunktmäßig wurden folgende Themen erörtert und einer gemeinsamen Haltung zugeführt: 1. Harmonisierung der Elternbeiträge (Ziel Wahlfreiheit zwischen Kindertageseinrichtung und Kindertagespflege), 2. Entbürokratisierung der Abrechungsmodalitäten für die laufende Geldleistung an die Tagespflegepersonen durch die Jugendämter, 3.Entbürokratisierung durch generell pauschale und pauschalierte Finanzregelungen, 4.Rahmenbedingungen für Fachliche Begleitung, Beratung und Vermittlung für Tagesmütter, 5. Rahmenbedingungen für Tagespflege in anderen geeigneten Räumen, 6. Änderung der VwV Kindertagespflege. Im Sinne einer hohen Akzeptanz der Kindertagespflege ist es unabdingbar, dass die Elternbeiträge in der Kinder tagespflege vergleichbar sind mit den Elternbeiträgen in den Kinderkrippen/ Kindertageseinrichtungen; außerdem ist es zielführend, die bisher sehr ver- 896 BWGZ 19 | 2015 waltungsaufwendige und spitz abgerechnete Betreuungsleistung der Tagespflegepersonen (Tagesmütter) entbürokratisierend und in pauschalierter Weise vorzunehmen. Zudem wesentlich ist die Frage der Ausgestaltung der fachlichen Begleitung für Tagespflegepersonen, die nach der gesetzlichen Vorgabe (§ 23 SGB VIII und § 8b KiTaG für BadenWürttemberg) zu erbringen ist und dafür 15 Prozent der zugewiesenen FAGMittel zu verwenden sind. „Der Runde Tisch empfiehlt als wichtige Weichenstellung (zur Weiterentwicklung der fachlichen Begleitung in der Kindertagespflege) eine Bandbreite beim Personalschlüssel von 1 zu 90 bis 1 zu 130. Zur Weiterentwicklung des Personalschlüssels soll im 4. Quartal 2016 neu beraten werden.“ Weiter konnte auch erreicht werden, dass das bereits von den kommunalen Landesverbänden und dem KVJS – Landesjugendamt – erarbeitete Papier für die Praxis zu dem immer wichtiger werdenden Thema Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen ebenfalls die Zustimmung des Runden Tisches findet und somit mit den Empfehlungen des Runden Tisches veröffentlicht wird. Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag versprechen sich von dem Papier eine unterstützende Handreichung für die Praxis, die zum weiteren Aus- und Aufbau der Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen hilfreich ist. Weiterentwicklung der Verwaltungs vorschrift zur Kindertagespflege Die bisherige VwV Kindertagespflege aus dem Jahr 2006 war von Anfang an zeitlich befristet bis zum 31.12.2013 und wurde überarbeitet und neugefasst. Die neu gefasste VwV Kindertagepflege vom 12.12.2013 ist am 01.01.2014 in Kraft getreten. Im Kern geht es um die Fortsetzung der finanziellen Förderung durch das Land, insbesondere im Bereich der Vorbereitung, Qualifizierung und Fortbildung von Tagespflegepersonen wie auch um deren Gewinnung und fachliche Begleitung. Ein wichtiges landespolitisches Signal konnte nach den klaren und übereinstimmenden Stellungnahmen der kommunalen Landeverbände wie auch des Landesverbands der Tagemüttervereine dergestalt gesetzt werden, dass die Landesförderung in der bisherigen Höhe (2,3 Mio. Euro) beibehalten wurde. Mit der vorgesehenen Verteilung der Mittel an die Stadt- und Landkreise sowie an die kreisangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt nach der Gewichtung je nach Qualifizierung der Tagespflegeperson sowie der Grundförderung einer so genannten „stillen Reserve“ hat sich der Gemeindetag Baden-Württemberg im Rahmen des Anhörungsverfahrens und nach Befassung im Präsidium einverstanden gezeigt. Die neu gefasste VwV Kindertagespflege wurde erneut zeitlich befristet und tritt am 31.12.2016 außer Kraft. Inklusion von Kindern mit Behinde rung in der Kinderbetreuung Grundsätzlich gilt der am 01.08.2013 in Kraft getretene Rechtsanspruch auf (frühkindliche) Bildung und Betreuung auch für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Sowohl das SGB VIII als auch das baden-württembergische Kindertagesbetreuungsgesetz sehen vor, dass Kinder, die aufgrund ihrer Behinderung einer zusätzlichen Betreuung bedürfen, zusammen mit Kindern ohne Behinderung in Gruppen gemeinsam gefördert werden sollen, sofern der Hilfebedarf dies zulässt. Das Land hat im Zuge der Verhandlungen zur schulischen Inklusion den Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung klar und unmissverständlich zunächst hintangestellt. Voraussichtlich wird die Inklusion von Kindern mit Behinderungen aber ein zu bearbeitendes Thema im Bereich der frühkind lichen Bildung und Betreuung der nächsten Jahre werden. Die Inklusion von Kindern mit Behinderungen in den Alltag sowie deren Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben ist dem Gemeindetag BadenWürttemberg ein besonderes Anliegen. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht | Impressumg BWGZ 19 | 2015 Hierbei sollte das Wohl der Kinder und deren individuelle Hilfe- und Lebens situation im Fokus stehen, wobei möglichst optimale Fördermöglichkeiten der betroffenen Kinder und deren Familien, unter Berücksichtigung der entsprechenden Ausstattung der Einrichtungen und des Personals sowie insbesondere der notwendigen Klärung der Finanzierung geeigneter Maßnahmen, eine entscheidende Rolle spielen müssen. Eine auch gesellschaftlich anerkannte vollständige Inklusion kann eben nur gelingen, wenn auch die notwendigen Rahmenbedingungen und insbesondere deren Finanzierung gewährleistet sind. Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen Landesprogramme Das Landesprogramm zur „Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf“ (SPATZ) wird für die Kindergartenjahre 2014/2015 und 2015/2016 erweitert. Eckpunkte der Weiterentwicklung der SPATZ-Richtlinie zum Kindergartenjahr 2014/2015: • Einheitliche Gruppengröße 3 bis 7 (bei SBS-Gruppen kann die Gruppe mit nicht förderbedürftigen Kindern aufgefüllt werden; maximal bis 20). • Einheitlicher Zuschuss: 2.200 Euro (statt 2.000 und 2.400). • Senkung der Gruppengröße bei Kitas mit mindestens 80 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund auf 5. • Einbeziehung von Familien-, Mütterund Kinderzentren. • Stärkere Einbeziehung der Erzieherinnen und Erzieher im 3. Kindergartenjahr (ESU) analog zum 1. und 2. Kindergartenjahr. • Vorverlegung des Auszahlungszeitpunkts vom 1. Februar auf 1. Januar. Eckpunkte der Weiterentwicklung der SPATZ-Richtlinie zum Kindergartenjahr 2015/2016: • Kinder mit intensivem Sprachförderbedarf können ab 2 Jahren und 7 Monaten in Sprachfördergruppen der Kindergärten gefördert werden. Gemeindetag Baden-Württemberg • Der Fördersatz für aktive Elterneinbindung wird auf 500 Euro erhöht. • Kinder aus Flüchtlingsfamilien können in eigenen Gruppen (ab 3 Kindern) gefördert werden, bei mehr als 4 Kindern können diese Gruppen geteilt werden. Der Wechsel von Kindern dieser Fördergruppe während des Kindergartenjahrs ist möglich. • Eine neue Gruppe für Flüchtlingskinder kann im laufenden Kindergartenjahr bis zum 15. Februar beantragt werden. Impressum Die Gemeinde (BWGZ): Zeitschrift für die Städte und Gemeinden, Stadträte, Gemeinderäte und Ortschaftsräte; Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg (Herausgeber – Eigenverlag) Verantwortlich für den Herausgeber: Roger Kehle, Präsident (V.i.S.d.P.) Verlags- und Schriftleitung/Redaktion: Silke Gerboth-Sahm E-Mail: [email protected] Bundesprogramme „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ (2011 – 2015) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat das Bundesprogramm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ unter dem Stichwort „Frühe Chancen” bis zum 31. Dezember 2015 verlängert. Mit diesem Projekt werden in Baden-Württemberg bis Dezember 2015 zirka 250 halbe Stellen zur Sprachförderung in stalliert. „Sprach-Kitas“ (2016 – 2019) „Sprach-Kitas“ ist eine sich aus dem Vorgängerprogramm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ („Frühe Chance“) weiterentwickelte Förderlinie. Mit dem Konzept der alltagsintegrierten sprach lichen Bildung wird ebenfalls der Alltag in einer Kindertageseinrichtung in seiner Gesamtheit darauf ausgerichtet, den Spracherwerb anzuregen und zu fördern. Der Themenschwerpunkt der sprach lichen Bildung wird um zwei Vertiefungsthemen, „Inklusive Bildung“ und „Zusammenarbeit mit Familien“, erweitert. Derzeit läuft zunächst das Interessensbekundungsverfahren. Silke Gerboth-Sahm Redaktion Margot Tschentscher Vertrieb Anschrift: Gemeindetag Baden-Württemberg Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart Tel. 0711 22572-0, Fax 0711 22572-47 E- Mail: [email protected] Internet: http://www.gemeindetag-bw.de Die Gemeinde (BWGZ) erscheint zweimal monatlich. Bezugspreise (zzgl. MWSt.): – für Mitgliedsstädte und Mitgliedsgemeinden: Jahresabonnement 150 Euro – für sonstige Bezieher: Jahresabonnement 170 Euro – für Stadt-, Gemeinde- und Ortschaftsräte, Studenten und öffentliche Bibliotheken: Jahresabonnement 105 Euro Bei Mehrfachabnahme Sonderrabatte möglich. Alle Preise einschl. Versand- und Zustellgebühren. Einzelhefte: 9,35 Euro zzgl. MWSt. Bestellungen: Schriftlich an den Gemeindetag. Margot Tschentscher E-Mail: [email protected] Abbestellungen: Schriftlich an die Geschäftsstelle des Gemeindetags vier Wochen vor Halbjahresende, Abbestellungen werden nur zum 30. Juni und zum 31. Dezember wirksam. Nachdrucke und Kopien: Nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Gemeindetags (dies gilt nicht für Mitgliedsstädte und Mitgliedsgemeinden); Quellenangabe erforderlich. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Für die inhaltliche Richtigkeit von Fremdbeiträgen ist der jeweilige Verfasser verantwortlich. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bildmaterial übernimmt der Herausgeber keine Verantwortung. Die Redaktion behält sich Kürzungen und Überarbeitung vor. Anzeigenverwaltung: Martin Fettig Medienservice Gretelweg 3, 76199 Karlsruhe Tel. 0721/1450 80 42, Fax 0711/257 35 56 E- Mail: [email protected] Die Anzeigenverwaltung ist für Anzeigen und Hinweise im Anzeigenteil verantwortlich. Druck: Wahl-Druck GmbH, Carl-Zeiss-Straße 26 73431 Aalen/Württ. 897 Geschäftsbericht Bildung und Schule Schulentwicklung und Mindestschülerzahlen Die demografisch bedingte rückläufige Schülerzahl, politische Entscheidungen wie die Aufhebung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlungen, die Einführung der Gemeinschaftsschule oder verstärkte inklusive Bildungsangebote sind für die Entwicklung der allgemein bildenden Schulen wesentliche Faktoren. Im Juni 2014 verabschiedete der Landtag ein Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes, mit dem ein Verfahren der regionalen Schulentwicklung in Baden-Württemberg eingeführt wurde (GBl. 2014 Seite 265 ff., §§ 30a – 30e). Damit wird das Ziel verfolgt, eine geregelte, transparente und für alle Beteiligten nachvollziehbare Planung der Schulstandorte in einer Raumschaft zu erreichen, um so langfristig eine zukunftsfähige Schullandschaft entstehen zu lassen, die den Kindern und Jugendlichen bestmögliche Bildungschancen eröffnet. Allerdings wird dies nicht immer einfach sein, zumal nicht auszuschließen ist, dass Standorte aufgegeben werden müssen. Auf jeden Fall wird dieses Verfahren nur dann zur Befriedung beitragen können, wenn die Beteiligten aktiv und frühzeitig in den Prozess einbezogen werden und das Verfahren gemeinsam gestaltet und verantwortet wird (mehr Information zur Regionalen Schulentwicklung vgl. BWGZ 1/2015 Seite 25). Zugleich wurden gesetzliche Vorgaben von Mindestschülerzahlen sowohl für die Einrichtung als auch für die Aufhebung einer weiterführenden Schule verankert, mit denen die Schulentwicklungsprozesse gesteuert werden sollen. Voraussetzung für die Einrichtung weiterführender allgemein bildender Schulen ist danach, dass die Schule in der langfristigen Prognose in den Eingangsklassen voraussichtlich mindestens 40 Schülerinnen und Schüler oder mehr aufweist und diese Zahl aufgrund der Prognosen auch langfristig erwartet werden kann. Für die Neueinrichtung allgemein bildender Gymnasien liegt diese Mindestschülerzahl bei 60 Schülerinnen und Schülern in der Eingangsstufe. Für die Sekundarstufe II an Ge- 898 BWGZ 19 | 2015 meinschaftsschulen müssen in Klassenstufe 9 mindestens 60 Schülerinnen und Schüler für die Klassenstufe 11 langfristig prognostiziert werden. Eine weiterführende Schule ist nach den schulgesetzlichen Regelungen dann aufzuheben, wenn sie in zwei aufeinander folgenden Jahren weniger als 16 Schülerinnen und Schüler in der Eingangsklasse aufweist (vgl. § 30b Abs. 2 SchG). Von einer Aufhebung wird ausnahmsweise dann abgesehen, wenn kein entsprechender Bildungsabschluss in zumut barer Erreichbarkeit angeboten wird. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat sich im Zusammenhang mit den genannten Mindestschülerzahlen für Ausnahmetatbestände ausgesprochen, damit auch besonderen Verhältnissen vor Ort Rechnung getragen werden kann. Diese Auffassung hat sich der Landtag jedoch nicht zu eigen gemacht. Die aktuelle schulpolitische Entwicklung in Baden-Württemberg lässt angesichts der seitens der Landesregierung unsachgemäß definierten Mindestschülerzahlen kurzfristig ein Schulsterben insbesondere in kleineren Städten und Gemeinden befürchten. Während diese Mindestschülerzahl bei der Realschulstruktur kaum Auswirkungen auf bestehende Standorte haben wird, führt sie im Bereich der Gemeinschaftsschulen, die sich zum weit überwiegenden Teil aus den Werkrealschulen weiterentwickeln, zu einer grundlegenden Veränderung der Bildungslandschaft. Es ist zu befürchten, dass mehr als die Hälfte der seitherigen Werkrealschulstandorte ersatzlos wegfallen werden. Schulen sind jedoch ein zentraler Bestandteil gemeindlicher Infrastruktur. Schulschließungen im größeren Umfang können daher nicht die Antwort auf demografische Entwicklungen sein. Auch in Anbetracht dessen, dass sich nach den neuesten Vo rausberechnungen des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg der Schülerrückgang weniger dramatisch entwickeln wird, müssen die Vorgaben für die Mindestschülerzahlen angepasst werden. Der Gemeindetag plädiert auch bei der Genehmigung von Ganztags-Grundschulen für eine flexiblere Handhabung der Vorgaben zur Schülerzahl. Die neue Form der Ganztags-Grundschule kann erst ab einer Mindestschülerzahl von 25 eingerichtet werden. Gerade für ländliche Grundschulstandorte, die in aller Regel – zumindest zunächst – die Wahlform wählen werden, ist diese Mindestzahl eine hohe Hürde. Deshalb führen solche Vorgaben für kleinere und/oder ländliche Schulstandorte zu einer Benachteiligung. Denn schließlich ist gerade in solchen Schulen oft keine einem Grundschulkind zumutbare ÖPNV-Verbindung zu einer anderen Ganztagsgrundschule vorhanden. Zudem machen die Erfahrungen an den bisher bereits etablierten Ganztagesschulen deutlich, dass auch unterhalb der Grenze von 25 Schülern pro Gruppe sinnvolle pädagogische Angebote durchgeführt werden können. Für den Gemeindetag steht fest, eine ausschließliche schulgesetzliche Lenkung der Schülerströme hin zu größeren Standorten kann nicht die Lösung sein. Gewachsene und über Jahrzehnte funktionierende Strukturen würden damit zerstört. Es steht außer Frage, dass auch kleinere Standorte eine Perspektive zur Weiterentwicklung brauchen, um eine zukunftsfähige Ausrichtung des Bildungslandes Baden-Württemberg etablieren zu können. Schlag auf Schlag – zahlreiche Schulgesetznovellen Die Summe der bildungspolitischen Reformen der vergangenen Jahre zeigt auf, welche fundamentalen Veränderungen die Schulen und mit diesen die Schüler, die Lehrer, die Eltern und auch die Schulträger zu vollziehen hatten. Sowohl die Schularten als auch die Unterrichtsformen wurden neu definiert. Genannt seien nur folgende Schlagworte: − Einführung der Gemeinschafts schule, − Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung, Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 − Hauptschulabschluss an der Realschule, − gesetzliche Einführung der Ganztagsgrundschule, −Bildungsplanreform, − Einführung der schulischen Inklusion. nung der Konnexität bei den Schulträgerkosten durch das Land zu erreichen. Grundlage dieser Forderung ist Artikel 71 Absatz 3 Landesverfassung BadenWürttemberg, wonach das Land den Kommunen in solchen Fällen entstehende Mehrkosten zu erstatten hat, wenn diese nicht nur unwesentlich sind. In zahlreichen Gesprächsrunden und Verhandlungen mit dem Land ist es gelungen, die grundsätzliche Anerken nung der Konnexität durch das Land zu erreichen. Der Ausgleich der Kosten der kommunalen Seite wird nicht im Schulgesetz, sondern in einem speziellen Finanzierungsgesetz geregelt (vgl. Gesetz zum Ausgleich kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion, zur Änderung des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich u.a., GBl. 2015, Seite 654 ff. Begründung LTDrucksache 15/6962). Die hohe Schlagzahl an Veränderungen hat alle Beteiligte sehr stark gefordert. Zudem haben all diese Veränderungen noch nicht ihre abschließende Wirkung entfaltet, die meisten stehen vielmehr sogar noch am Anfang. Was nach wie vor fehlt, sind stabile Strukturen für unsere Bildungslandschaft. Wegen Einzelheiten zu weiteren schulischen Themen, die der Gemeindetag schwerpunktmäßig im Berichtszeitraum begleitet hat, z.B. Einführung der Ganztags-Grundschule, Schulbauförderung, wird auf BWGZ 1/2015 Seite 25 ff. hingewiesen. Zum Schuljahresbeginn 2015/2016 ist die Inklusion behinderter Kinder in der allgemeinen Schule auch rechtlich verankert worden. Mit der Schulgesetzänderung wurde nun die Voraussetzung geschaffen, dass Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot künftig eine allgemeine Schule besuchen können. Gleichzeitig wird für diese Schülergruppe auch künftig die Möglichkeit bestehen, ein Angebot auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot an einer Sonderschule, künftig „Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum“, zu nutzen. Die Einführung der schulischen Inklusion stellt eine der grundlegendsten Veränderungen in unserem Bildungssystem überhaupt dar. Eine ganz wesentliche Bedeutung bekommt in diesem Zusammenhang auch die im Schulgesetz vorgenommene Stärkung des Elternwahlrechts im Hinblick auf den schulischen Lernort ihrer behinderten Kinder. Angesichts der Dimension dieser Reform war es oberstes Ziel, die Anerken- Gemeindetag Baden-Württemberg Foto: Dieter-Schütz/PIXELIO Schulische Inklusion im Schulgesetz geregelt Die neue schulgesetzliche Regelung zur Inklusion und das Finanzierungsgesetz sind ausführlich in BWGZ 17/2015 dargestellt und erläutert worden. Es wird wegen Einzelheiten deshalb darauf verwiesen. Weiterentwicklung der Realschulen Dem Landtag liegt ein weiterer Gesetzentwurf vor, der die Weiterentwicklung der Realschulen zum Inhalt hat. Es soll die Hauptschulprüfung an allen Real- schulen eingeführt werden. Kein Zweifel: Mit der vorgesehenen Änderung wird den Realschulen eine zusätzliche Perspektive eröffnet. Dies kann aus Sicht der betroffenen Schulen und Schulträger grundsätzlich ein bedeutsamer Schritt sein. Auf der anderen Seite gibt dieses Reformpaket keine Antwort auf die Frage, welche Entwicklungen sich das Land insbesondere für Schul standorte in ländlichen Regionen vorstellen kann. Schließlich könnte das neue Konzept für die Realschule mitunter gravierende Auswirkungen auf vorhandene Schulstandorte, insbesondere von Haupt- und Werkrealschulen, bringen. Auf der anderen Seite sind die Kriterien für Gemeinschaftsschulen oder Realschulen so ausnahmslos geregelt und die Mindestschülerzahlen unsachgemäß definiert, dass es gerade im ländlichen Umfeld oftmals nicht möglich sein wird, Genehmigungen für eine solche Schulart zu erhalten. Es besteht somit aus Sicht des Gemeindetags Baden-Württemberg die große Sorge, dass mit dem vorliegenden Konzept nun endgültig die „schullosen Zonen“ in großen Teilen unseres Landes besiegelt werden. Der Gemeindetag hat das Land daher aufgefordert, sich auch mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Besonders kritisiert der Gemeindetag, dass schon wieder eine neue Reform auf den Weg gebracht wird, ohne dass die vorhergehenden ihre tatsächlichen Wirkungen bereits hätten entfalten können. Eine prozesshafte und fundierte Anpassung der kommunalen Schulentwicklung, orientiert an den Erforderlichkeiten in der Region, wird damit erneut belastet und erschwert. Gerade vor diesem Hintergrund wäre seitens des Landes auch klarzustellen, welche Rolle der Regionalen Schulentwicklungsplanung angesichts der stets abschließend getroffenen Schulgesetz regelungen überhaupt noch zukommt. Zudem muss mit der geplanten Reform eine gewisse Angleichung der Realschule an die Gemeinschaftsschule festgestellt werden, auch wenn nach wie vor Unterschiede bestehen. Die Realschule gehört wie die Gemeinschaftsschule zur zweiten Säule im Schulsystem. Die Marke „Real- 899 Geschäftsbericht schule“ als seit langem erfolgreich arbeitende Schulart muss ihren Platz dort behalten. Dies ist eine Forderung, die gerade auch aus Wirtschaftskreisen in jüngster Vergangenheit wiederholt deutlich artikuliert wurde und die auch der Gemeindetag bekräftigen möchte. Wenn jedoch eine solche Angleichung der Realschule an die Gemeinschaftsschule erfolgen soll, dann muss dies so geschehen, dass ein fairer Wettbewerb der Schularten möglich ist. Gewährleistet sein sollte daher, dass das Lernen (und die Leistungsbewertung) auf dem gymnasialen Niveau (e-Niveau) in der Realschule auch möglich ist. Die Realschule muss auch für leistungsstärkere Schüler ein Angebot haben. Genauso muss den Realschulen wie den Gemeinschaftsschulen zugestanden werden, ab Klassenstufe 8 Profilfächer anzubieten. Andernfalls wäre dies ein weiterer Baustein für eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Realschulen. Zudem sollte – angesichts der beschriebenen Angleichung der Realschulen an die Gemeinschaftsschule – auch der Klassenteiler auf 28 angeglichen werden. Von Seiten der Realschulen wird im Zusammenhang mit der Neuausrichtung auch auf die Frage der auskömmlichen Ressourcenzuteilung hingewiesen. Vor allem mit Blick auf kleinere Realschulen müssen die Ressourcen so gestaltet sein, dass die neuen Aufgaben ohne Einschränkung erfüllt werden können und keine Benachteiligungen entstehen. Entwicklung der Sachkostenbeiträge Die Entwicklung der Sachkostenbeiträge führte durch die Koppelung der Gemeinschaftsschule (GMS) an die Sachkostenbeiträge der Haupt- und Werkrealschulen in den vergangenen Jahren zu einem zusehends wachsenden Ungleichgewicht zwischen der Gemeinschaftsschule auf der einen und den Realschulen und Gymnasien auf der anderen Seite. Dieses Ungleichgewicht hat zwischenzeitlich auch zu einem intensiven landespolitischen Diskurs zwischen Regierung und Opposition geführt. Das Kultusministerium will 900 BWGZ 19 | 2015 daher im Schulterschluss mit den kommunalen Landesverbänden eine gezielte Weiterentwicklung der Sachkostenbeiträge erreichen, mit der dem entstandenen Ungleichgewicht ein Stück weit begegnet wird. Haltung des Gemeindetags ist dabei, dass eine eventuelle Angleichung nicht zu Kürzungen bei einzelnen Schulformen führen darf. Ebenfalls sollte eine zusätzliche Vorweg entnahme aus dem FAG auf das zur Zielerreichung allernötigste Maß begrenzt bleiben. Ein Ansatz könnte eine besondere finanzielle Würdigung der künftig an den Realschulen ebenfalls zu unterrichtenden Hauptschüler sein. Zudem scheint das vorübergehende Einfrieren der Sachkostenbeiträge für die Schularten GMS/HS/WRS auf den aktuellen (hohen) Stand ein eventuell gangbarer Weg zu sein. Damit könnte – ohne Verlierer zu erzeugen – ein weiteres Auseinanderklaffen der Sachkostenbeiträge zwischen den Schularten vermieden werden. Die Erörterungen und Abstimmungen mit dem Land und den anderen kommunalen Landesverbänden zur endgültigen Festlegung der Sachkostenbeiträge 2016 sind noch nicht abgeschlossen. Dabei geht es auch um die Modalitäten einer sachgerechten, schrittweisen Anpassung der Sachkostenbeiträge für Realschulen an die der Hauptschule/Werk realschule/Gemeinschaftsschule. Die Beträge für die zuletzt genannten Schularten aus 2015 sollen jedoch keinesfalls unterschritten werden. Die Bemühungen, auf Landesebene sachlich begründete Lösungen zu erreichen und das weitere Auseinanderdriften einzudämmen, werden vom Gemeindetag BadenWürttemberg konstruktiv begleitet. Bildungsplanreform 2016 Die neuen Bildungspläne werden ab dem Schuljahr 2016/2017 in den Grundschulen und den weiterführenden allgemein bildenden Schulen sowie denjenigen Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, die die Bildungsgänge der allgemeinen Schulen führen, nach einem aufwachsenden Prinzip eingeführt. Die Bildungspläne sind in einem systemati- schen Erarbeitungsprozess entstanden. Mit einer öffentlichen Anhörung im September 2015 soll dieser Prozess abgeschlossen sein. Die Aufgabe des Gemeindetags BadenWürttemberg in diesem Prozess ist, die kostenrelevanten Faktoren, einschließlich Raumbedarf und Medienausstattung zu identifizieren und die Finanzierung zu klären. Es wird nicht ausbleiben, dass die neuen Bildungspläne auch neue Bücher, Lernmaterialien, digitale Schulbücher usw. bedingen und damit auch zu Kosten bei den kommunalen Schulträgern führen. Der Gemeindetag hat dies sehr frühzeitig in den Entstehungsprozess eingebracht und gebeten, diesen Aspekt in Blick zu nehmen. Die Überarbeitung und Anpassung der Lernmittelverordnung und der Lernmittelverzeichnisse steht an und dabei wird der Gemeindetag erneut eine Kostenfolgenschätzung einfordern und soweit wie möglich auf eine kostenneutrale Umsetzung der Bildungspläne achten. Die neuen Bildungspläne haben als Leitperspektive die Medienbildung. Diese soll insbesondere in Grundschulen betont werden. Das hat Konsequenzen für die künftige Ausstattung der Grundschulen und Klassenräume. Eine vom Kultusministerium im Oktober 2013 durchgeführte Umfrage bei den Grundschulen hat ergeben, dass diese zum Teil bereits über eine zufriedenstellende bis sehr gute Ausstattung verfügen. Allerdings fehlt es häufig an der strukturierten Verkabelung. Der weitere Ausbau muss sorgfältig geplant und kann nur stufenweise und unter Berücksichtigung der Finanzierbarkeit erfolgen. Das Konzept zur Umsetzung der Medienbildung in den Grundschulen wird im Rahmen von Multimedia-Empfehlungen erstellt. Hierzu werden die Multimedia-Empfehlungen, die im Jahr 2002 zur Orientierung für die weiterbildenden Schulen entstanden sind, überarbeitet werden. Das Kultusministerium hat hierfür bereits verschiedene Arbeitsgruppen installiert, in denen auch der Gemeindetag mit Praktikern vertreten ist (weitere Einzelheiten zu diesem Thema vgl. BWGZ 1/2015 Seite 27). Gemeindetag Baden-Württemberg Der Unternehmensverbund KDRS/RZRS ist der IT-Dienstleister für Kommunen in Baden-Württemberg. Wir bieten unter anderem Cloud Computing selbstverständlich in einem BSI zertifizierten Umfeld an. Kommunale Datenverarbeitung Region Stuttgart www.kdrs.de Rechenzentrum Region Stuttgart GmbH Geschäftsbericht Schulsozialarbeit Nachdrücklich hatte der Gemeindetag Baden-Württemberg die Wiedereinführung einer Landesförderung für Schulsozialarbeit eingefordert, nachdem sich das Land mit dem Schuljahr 2005/06 zunächst aus der Förderung zurückgezogen hatte. In der Rahmenvereinbarung zwischen der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden, dem Pakt für Familie und Kindern vom 10. November 2011, ist es gelungen: Es wurde vereinbart, dass sich das Land ab dem Jahr 2012 zu einem Drittel an den Kosten der Schulsozialarbeit beteiligt. Die Förderung des Landes wird schuljahresbezogen und als Festbetrag gewährt; sie beträgt 16.700 Euro pro Jahr und Vollzeitstelle. Bei Teilzeitkräften wird die Pauschale entsprechend reduziert. BWGZ 19 | 2015 − Inklusionsarbeit, Aktionspläne zur Prävention gegen menschenfeind liche und rechtsextremistische Tendenzen, für Toleranz und Gleichberechtigung der Geschlechter, − Ausbau der Beteiligungsformen und Verantwortungsübernahme als Bildungsziel. Zur Erarbeitung und Weiterentwicklung des „Zukunftsplans Jugend“ wurde hierzu eine Lenkungsgruppe mit entsprechenden Arbeitsgruppen gebildet. Für die Umsetzung des „Zukunftsplans Jugend“ stellt das Land 1 Mio. Euro für 2013 und von 2014 an 3 Mio. Euro jährlich bereit. Gefördert werden neue und innovative Projekte in der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit. Zukunftsplan Jugend Der „Zukunftsplan Jugend“ setzt fünf Schwerpunkte der Kinder- und Jugendarbeit: − Entwicklung und Umsetzung eines mit der Schule abgestimmten Bildungskonzeptes, − Einrichtung von Bildungsnetz werken, − Förderung neuer Zielgruppen, 902 Der Bildungskongress 2014 stand ganz im Zeichen der vielschichtigen Veränderungen der baden-württembergischen Schul- und Bildungslandschaft. Es war zu verspüren, dass der Bedarf nach Orientierung und Information der Städte, Gemeinden und Landkreise und ihrer Bildungspartner enorm ist. Die Großveranstaltung war hierfür sowie auch für den Austausch der Bildungsverantwortlichen untereinander ein gutes Angebot. Foto: Schülerarbeit im EJW Die Pauschalförderung hat den Ausbau von Schulsozialarbeit in den Kommunen unterstützt. Am 31. Juli 2014 waren zirka 1.990 Schulsozialarbeiter auf zirka 1.305 Vollzeitstellen tätig. Auch für den neuen Förderzeitraum ab 1. August 2015 bis 31. Juli 2016 werden für neue Stellen Fördermittel beantragt. Der Aufwuchs wird wohl nicht mehr so stark sein wie in den Anfangsjahren der Förderung, aber tendenziell wird der Bedarf für Schulsozialarbeit weiterhin steigen. Die Landesregierung hat mit den Partnern der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit am 12. März 2013 gemeinsam die Vereinbarung „Zukunftsplan Jugend“ unterzeichnet, der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016 gilt. Die Veranstaltung der kommunalen Landesverbände hat bereits Tradition; die Veranstaltungen in 2008 und 2011 waren wichtige Treffpunkte für den Austausch unter Bildungsverantwortlichen der Kommunen, Schulen und des Landes. Auch 2014 konnten zirka 1.000 Bildungsakteure begrüßt werden und der Kongress war damit auch ein Spitzentreffen der Kommunal- und Landespolitik. Bildungskongress auf der didacta „Kommune macht Schule“ – Unter dieser Überschrift hatten Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag am 28. März 2014 zu einem Bildungskongress eingeladen. Es war die dritte Veranstaltung dieser Art, die im Rahmen der weltgrößten Bildungsmesse didacta in der Messe Stuttgart stattfand. Der Didacta Verband der Bildungswirtschaft und die Messe Stuttgart waren zuverlässige Kooperationspartner der kommunalen Landesverbände bei der Durchführung des Kongresses. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hob in seiner Rede auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Bildung und die von der Politik angestoßenen Bildungsreformen ab. Die aktuelle Situation sowie die Positionen, Forderungen und Vorschläge der kommunalen Seite und des Gemeindetags hatte Präsident Roger Kehle im Rahmen der Veranstaltung und als Auftakt für diese Podiumsdiskussion deutlich gemacht. Die anschließende Diskussionsrunde der Präsidenten der kommunalen Landesverbände mit den Vorsitzenden der Landtagsfraktionen rundete das Kongressprogramm erkenntnisreich ab. Dass die Kommunen im wörtlichen Sinne „Schule vor Ort“ machen, zeigte eine eindrucksvolle Ausstellung von rund 60 Kommunen und Bildungspartnern, die innovative Schulprojekte und Schulangebote vorstellten. Einzelheiten finden sich dazu auch in BWGZ 18/2014 Seite 1007 ff. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Menschen mit Behinderung – Inklusion Landesbehindertengleichstellungsgesetz – L-BGG Zum 01.01.2015 trat das neue Landesbehindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Sowohl in der öffentlichen Landtagsanhörung als auch schriftlich hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zum Gesetzentwurf Stellung genommen und Änderungen gefordert. Der erweiterte Anwendungsbereich führt zu neuen Aufgaben für Städte und Gemeinden. Außerdem bewirkt die neue Definition von Menschen mit Behinderung entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention die Ausweitung des Berechtigtenkreises. Die seitens der Landesregierung verfolgte Zielsetzung der Novellierung des L-BGG beruht auf dem Grundgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention mit dem Ziel, behinderten Menschen eine möglichst vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Dieses Ziel wird vom Gemeindetag ausdrücklich unterstützt, was sich auch daran zeigt, dass die Belange von Menschen mit Behinderungen bei der kommunalen Weiterentwicklung regelmäßig mit einbezogen werden. Zahlreiche Vorgaben im L-BGG hat der Gemeindetag vor diesem Hintergrund als unverhältnismäßig und nicht erforderlich abgelehnt. Besonders im Hinblick auf die enthaltenen Ansprüche ist zu befürchten, dass es in Einzelfällen zu keinen konstruktiven und pragmatischen Lösungsansätzen mehr kommen wird, sondern lediglich die individuellen Ansprüche reklamiert werden. Bedenken hat der Gemeindetag BadenWürttemberg zu folgenden Inhalten geäußert und entsprechende Änderungen gefordert: • Der Begriff der Barrierefreiheit lässt sich nicht abschließend definieren. Für die Kommunen besteht folglich keine Rechtssicherheit, ab wann sie ihrer Pflicht zur Gewährleistung einer barrierefreien Umgebung Genüge getan haben. Gemeindetag Baden-Württemberg • Bei der Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr knüpft die Vorschrift die Pflicht der barrierefreien Herstellung an entsprechende Kriterien. So muss eine Neubau- oder eine Umbaumaßnahme vorliegen, wobei der Begriff Neubau aus sich heraus zu verstehen ist. Fraglich bleibt, ob der Anbau an ein vorhandenes Gebäude ein Neubau im Sinne dieser Vorschrift ist. Außerdem ist der Begriff des Umbaus auslegungsfähig und damit nicht rechtssicher. Ein Umbau kann sowohl kleinere Baumaßnahmen als auch umfassendere Maßnahmen bedeuten. Liegt eine Neubau- oder Umbaumaßnahme vor, beurteilt sich die technische Anforderung an die Barrierefreiheit nach den „einschlägigen Rechtsvorschriften“. Hinsichtlich der Landesbauordnung geht es dann nicht um die Pflicht zur Barrierefreiheit selbst, sondern um deren technische Umsetzung, also insbesondere die Geltung der entsprechenden DIN-Vorschriften. • Problematisch ist die Beweislastumkehr. Die kommunale Ebene gewährleistet eine gebührende Achtung aller Bürger und eine Sorgfalt im Umgang mit diesen. Bürger, die sich in ihren Rechten missverstanden fühlten, hatten auch auf Grundlage der seitherigen Gesetzeslage die Möglichkeit einer rechtlichen Überprüfung. • Die Beweislastumkehr ist vor allem in Verbindung mit dem Verbandsklagerecht eine besorgniserregende Entwicklung für die Städte und Gemeinden. Das Verbandsklagerecht erstreckt sich künftig auch gegen Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Seither bestand das Klagerecht lediglich bei Verstößen gegen die Verwendung der Gebärdensprache; zukünftig gilt dies zudem auch bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot, die Barrierefreiheit von Bauvorhaben und im Personenverkehr sowie die Barrierefreiheit des Schriftverkehrs und medialer Angebote. • Das Land verpflichtet die Stadt- und Landkreise, Behindertenbeauftragte zu beschäftigen und erstattet diesen die entstehenden Kosten. Die übrigen Städte und Gemeinden können freiwillig ebenfalls Behindertenbeauftragte installieren, jedoch ohne finanzielle Entschädigung seitens des Landes. Die Einwohnerzahl oder die Zahl der Behinderten der jeweiligen Städte und Gemeinden werden hierbei nicht berücksichtigt. Zudem soll zukünftig ein Landesbehindertenbeirat gegründet werden, der im Gesetzgebungsverfahren frühzeitig zu beteiligen sein wird. Beratungsstelle Inklusion für Städte und Gemeinden Um seine Mitglieder bei der Umsetzung der Inklusion zu unterstützen, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg einen Antrag beim Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren auf die Bewilligung einer „Beratungsstelle Inklusion für Städte und Gemeinden“ gestellt. Nachdem das Ministerium seine Zusage erteilt hat, konnte die Beratungsstelle Inklusion beim Gemeindetag zum 01.12.2014 neu geschaffen werden. Die Beratungsstelle wurde im Sozial- und Gesundheitsausschuss, bei den landesweiten Haupt- und Personalamtsleiter tagungen sowie in einigen Kreisverbänden vorgestellt. In einem Erfahrungsaustausch der Sozialreferenten der Kommunalverbände aller Bundesländer im Frühjahr 2015 wurde die Arbeit der Beratungsstelle beim Gemeindetag ebenfalls dargestellt. Hierbei zeigte sich, dass Baden-Württemberg bundesweit eine Vorreiterrolle einnimmt, was die Unterstützung der Städte und Gemeinden durch die kommunalen Landesverbände bei der Umsetzung von Inklusion anbetrifft. Die Beratungsstelle wirkt in der Arbeitsgruppe „Barrierefreier Zugang zu Kulturdenkmalen“ des Wirtschaftsministe riums Baden-Württemberg mit. Dies dient dazu, an einer Broschüre mit nachahmenswerten Beispielen dergestalt mitzuarbeiten, dass darin nicht Maximallösungen, sondern pragmatische und finanzierbare Zugangsmög- 903 Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 lichkeiten aufzeigt werden. Außerdem soll der Stellenwert von Inklusion innerhalb der Gesamtheit der kommunalen Aufgaben vermittelt werden. Schließlich wurde in der Ausgabe vom 15. September 2015 der Mitgliederzeitschrift „Die Gemeinde“ (BWGZ) das Thema „Inklusion in Kommunen“ grundsätzlich aufgearbeitet und mit zahlreichen Praxisbeispielen aus den Mitgliedsstädten und -gemeinden angereichert. Solche guten und pragmatischen Ansätze sollen andere Kommunen anspornen, selbst nachhaltig inklusiv tätig zu werden, ohne die Gesamtheit der kommunalen Aufgabenpalette aus den Augen zu verlieren. BWGZ 17 | 2015 15. September 2015 138. Jahrgang DIE GEMEINDE Zeitschrift für die Städte und Gemeinden Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg Postvertriebsstück DPAG, Entgelt bezahlt, E 7351 | Gemeindetag Baden-Württemberg | Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart Inklusion Best Practice Um einen ersten Überblick über inklusive Projekte zu gewinnen, die zum Teil seit Jahren in den Kommunen laufen, wurde eine entsprechende Umfrage unter den Mitgliedern gestartet. Der bisherige Rücklauf vermittelt folgenden Eindruck: Keine Aktion gleicht der anderen, aber besonders erfolgversprechend im Bemühen, Menschen mit Schwierigkeiten aller Art teilhaben zu lassen, scheint die Vereinsarbeit und dort die Bereiche Musik und Sport zu sein. Die Umfrageergebnisse werden stetig erweitert und stehen den Mitgliedern des Gemeindetags zur Verfügung. Dies ist einerseits gedacht 904 als Erstinformation darüber, was eine Kommune vor Ort selbst initiieren und wo und wie sie geeignete Anreize für andere Akteure geben kann. Andererseits soll das den Kontakt und Informationsaustausch interessierter Städte und Gemeinden untereinander ermöglichen. Folgende Bausteine sind bis jetzt abrufbar: − Inklusion – Versuch einer prag matischen Definition, − Auflistung kommunaler Aktionen im Bemühen um Inklusion, − Das Zwei-Sinne-Prinzip, − Leichte Sprache. Beratung Diese Beratungsmodule können niemals vollständig oder abschließend sein. Das ganze Konzept gewinnt dadurch, dass es stetig ausgebaut wird und dass langjährige Erfahrungen darin Eingang finden. Ziel ist es, den Kommunen ein Gerüst zu bieten, entlang dessen sie ihre eigenen, den örtlichen Gegebenheiten angepassten Lösungen entwickeln können. Erste Beratungen haben bereits stattgefunden. Die durchweg positiven Rückmeldungen bezogen sich vor allem da rauf, dass wir konkrete Anregungen zum Einstieg in aktive Inklusionsarbeit und Ideen für Maßnahmen, die zum Teil ohne großen finanziellen Aufwand möglich sind, geben konnten. Hierbei ist es wichtig, dass sich die Städte und Gemeinden nicht überfordert fühlen. Vielmehr sollen sie durch konkrete Hilfestellungen zu pragmatischen und zielgerichteten Lösungen ermutigt werden, die sich an den örtlichen Gegebenheiten und konkret an den Bedürfnissen der Betroffenen in der Gemeinde orientieren. Die Beratungsstelle Inklusion beim Gemeindetag steht im Austausch mit Betroffenenverbänden, dem Landesbehintertenbeauftragten und dem KVJS. Dadurch kann sie aus erster Hand erfahren, welche konkreten Maßnahmen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben tatsächlich spürbar verbessern oder zu mehr Selbstbestimmung führen. Andererseits kann ein gemeinsames Gespräch ausloten, wie diese Verbesserungen gemeinsam, unkompliziert und wirtschaftlich umgesetzt werden können. Besichtigungen von einzelnen Einrichtungen und besonders aktiven Städten und Gemeinden runden die Informationsgewinnung ab. Beratungsmodule Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungsstelle liegt in der Ausarbeitung von Beratungsmodulen. Kommunen sollen diese individuell abrufen können, je nach Stand der Inklusionsbemühungen und den örtlichen Wünschen und Erfordernissen. Beginnend von ersten Überlegungen in einer Kommune bis hin zur Durchführung einzelner Projekte sollen einzelne Bausteine als Unterstützung angeboten werden. Folgeantrag Die Geschäftsstelle beabsichtigt, im Herbst einen Folgeantrag zur weiteren Förderung der Beratungsstelle beim Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren zu stellen. Dieser soll die Etablierung und den Ausbau des bereits begonnen Beratungsangebotes sowie die Unterstützung von 4 bis zu 5 Modellgemeinden auf ihrem beispielhaften Weg zur gleichberechtigten Teilhabe ihrer Bürgerinnen und Bürger beinhalten. Idealerweise handelt es sich dabei um Gemeinden verschiedener Größenordnungen, die außerdem von unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen heraus agieren. Die Gemeinden Leutenbach und Dusslingen sowie die Stadt Holzgerlingen haben sich dazu schon bereit erklärt. Konversion von Komplex einrichtungen der Behindertenhilfe Bereits im Jahr 2012 wurde im so genannten „Gültsteinprozess“ die Konversion von Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe beschlossen. Ziel ist die Umsetzung des Artikels 19 UN-Behindertenrechtskonvention, nämlich die selbstbestimmte Entscheidung von Menschen mit Behinderung, wo und wie sie wohnen wollen. Auf Einladung des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren und der Landesarbeitsge- Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 meinschaft der öffentlichen und der freien Wohlfahrtspflege (LAGÖFW) fand eine Arbeitstagung mit dem Titel „Gestaltung inklusiver Wohn- und Beschäftigungsangebote – Umbau der Strukturen in der Behindertenhilfe unter Berücksichtigung der Konversion von Komplexträgern“ statt. Als Ergebnis wurde das „Impulspapier Inklusion“ veröffentlicht. Dieses kann u.a. auf der Seite des KVJS eingesehen werden (www.kvjs.de/fileadmin/dateien/soziales/ Impulspapier-Inklusion.pdf). Das Sozialministerium begleitet und moderiert diesen Prozess durch ein Zwei-Säulen-Modell. Aktuell sollen nun regionale Entwicklungskonferenzen zur Dezentralisierung (REDs) stattfinden. Im Juli 2015 nahm die Geschäftsstelle zusammen mit Vertretern von Standortgemeinden an einem „Fach forum Dezentralisierung“ teil, bei dem die Vorgehensweise vorgestellt wurde. In einem ersten, bereits anlaufenden Schritt wird durch reine Datenerhebung der Ist-Zustand der momentanen Wohnsituation in allen Land- und Stadtkreisen erhoben. Anschließend wird der Bedarf an Wohnstandorten ermittelt und dem Bestand gegenübergestellt. Die besondere Herausforderung hierbei besteht darin, alle Betroffenen in die Lage zu versetzen, ihren eigenen Bedarf selbst zu beurteilen und zu artikulieren. In einem dritten Schritt schließlich soll die Sozialplanung auf den ermittelten Bedarf abgestimmt werden. Im gesamten Prozess sollen kommunal besetzte Planungsforen flankierend mitwirken und gemeinsam soll darüber entschieden werden, wo erste REDs stattfinden werden. Bundesteilhabegesetz Entlastung bei der Eingliederungshilfe Der Gemeindetag begrüßt den Beschluss des Bundeskabinetts, die Kommunen ab 2015 durch eine Soforthilfe um jährlich 1 Mrd. Euro und ab 2018 in Rahmen einer Reform der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen um weitere 5 Mrd. Euro jährlich zu entlasten. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen zur Umsetzung des mit der EU vereinbarten Fiskalpakts haben sich Bund und Länder Ende Juni 2013 u.a. darauf verständigt, dass der Bund in der nächsten Legislaturperiode anteilig die Finan zierung der Kosten für die Eingliederungshilfe für Behinderte durch ein Bundes leistungsgesetz übernimmt. Für diese Sozialleistungen wenden die Kommunen und in Teilen die Länder entsprechend inzwischen jährlich etwa 15 Mrd. Euro auf. Tendenz weiter massiv steigend. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD verpflichten sich die Regierungsparteien darauf, innerhalb der laufenden Legislaturperiode durch das Inkrafttreten eines Bundesteilhabegesetzes zu einer Kostenentlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe in Höhe von 5 Mrd. Euro pro Jahr zu kommen sowie zuvor bereits eine jährliche Entlastung in Höhe von 1 Mrd. Euro vorzunehmen. Der Koalitionsvertrag lautet dazu wie folgt: „Die Kommunen sind ein zentraler Bestandteil unseres Gemeinwesens. [...] Um die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung zu sichern, müssen die Kommunen handlungsfähig sein. Voraussetzung dafür sind auch gesunde Finanzen. [...] Wir werden ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderung (Bundesteilhabegesetz) erarbeiten. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes wird der Bund zu einer Entlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe beitragen. Darüber hinaus sollen die Kommunen im Rahmen der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes im Umfang von 5 Mrd. Euro jährlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden. Bereits vor der Verabschiedung des Bundesteil habegesetzes beginnen wir mit einer jähr lichen Entlastung der Kommunen in Höhe von 1 Mrd. Euro pro Jahr.“ Der Gemeindetag Baden-Württemberg begleitet in diesem Prozess intensiv die Standortgemeinden von großen Einrichtungen der Behindertenhilfe ebenso wie die Kommunen, in denen künftig dezentrale Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten eingerichtet werden sollen. Es geht insbesondere darum, den jeweiligen Strukturen vor Ort gebührend Rechnung zu tragen und die Gemeinden, bei denen sich aus der Dezentra lisierung Veränderungen ergeben, zu unterstützen. Gemeindetag Baden-Württemberg 905 Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Erhöhung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer wirksam werden. Der Landkreistag Baden-Württemberg wirbt in diesem Zusammenhang bereits für eine Lösung, die die baden-württembergischen Landkreise in Baden-Württemberg unmittelbar entlasten würde. Dazu soll die Verteilung des Anteils von Baden-Württemberg an der Soforthilfe von 1 Mrd. Euro im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs durch das Land auf die Kreise unmittelbar erfolgen. Zwischenstand In den meisten Flächenländern sind wie in Baden-Württemberg die Landkreise und Kreisfreien Städte oder aber höhere kommunale Sozialverbände Aufgabenträger der Eingliederungshilfe, die sich wiederum über die Landkreise und Kreisfreien Städte finanzieren (Sozialumlage). Im Saarland sowie in Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind die Länder für die Eingliederungshilfe zuständig. Keine Festlegungen haben die Koalitionäre im Koalitionsvertrag darüber getroffen, zu welchen Zeitpunkten und auf welchen Wegen die jährliche Entlastung der Kommunen in Höhe von 1 Mrd. Euro bzw. 5 Mrd. Euro erfolgen und erreicht werden soll. Als mögliche Entlastungswege zugunsten der Kommunen schlägt der DStGB vor: − Einführung eines Bundesteilhabegeldes, − zusätzliche Umsatzsteuerpunkte, − Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft, − Entlastung der Kommunen durch Bund/Länder-Staatsverträge. Am 12.03.2014 hat das Bundeskabinett beschlossen, die Kommunen ab 2015 im Rahmen einer Soforthilfe ab dem Jahr 2015 um 1 Mrd. Euro und ab 2018 im Rahmen einer Reform der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen um weitere 5 Mrd. Euro jährlich zu entlasten. Die Soforthilfe soll dabei zunächst über eine 906 Wie das Bundesministerium für Finanzen zwischenzeitlich mitgeteilt hat, verständigten sich die Spitzen der Koalition am 2. März 2015 im Vorgriff auf diese Entlastung darauf, im Jahr 2017 die vorgesehene kommunale Entlastung von 1 Mrd. Euro um zusätzliche 1,5 Mrd. aufzustocken. Zusätzlich soll es einen Fonds in Höhe von 3,5 Mrd. Euro geben, mit dem Investitionen im kommunalen Bereich gefördert werden könnten. Die aktuellen Überlegungen zur Entlastung der Kommunen ab 2018 gehen allerdings nicht mehr in Richtung Eingliederungshilfe, da eine zielgenaue Entlastung der Kommunen im System der Eingliederungshilfe nicht möglich ist. Um dieses Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu realisieren, wird nach einem anderen Transferweg gesucht. Unabhängig von der Frage des Zusammenhangs zwischen der Reform der Eingliederungshilfe und der kommunalen Entlastung hat der Auftrag des Koalitionsvertrags Bestand, die Eingliederungshilfe zu reformieren und ein modernes Teilhaberecht zu entwickeln. Bundesteilhabegesetz Um den zentralen Gedanken der UNBehindertenrechtskonvention, das Verständnis der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und sozialen Leben, umzusetzen, wird ein neues Bundesteilhabegesetz erarbeitet. Dabei bekommt insbesondere die Teilhabe am Arbeitsleben als zentraler Baustein der Reform der Eingliederungshilfe einen wichtigen Stellenwert. Die Einführung eines neuen Bundesteilhabegesetztes und insbesondere die Reform der Eingliederungshilfe schaffen große Erwartungen bei allen Beteiligten. Betroffene hoffen auf eine Verbesserung der Leistungen und damit auch auf positive Auswirkungen auf ihre jeweilige Lebenssituation. Ein solcher Prozess der Erarbeitung vieler Verbesserungspotenziale wird sicherlich enttäuschen, wenn diese nicht realisierbar sind. Mit einer finanziellen Ausweitung der Sozialleistungen kann jedoch nicht gerechnet werden. Die begrenzten Ressourcen waren bereits im Vorfeld auch offen und klar kommuniziert worden. Die Kommunen erwarten hingegen zu recht, dass die vom Bund zugesicherte Entlastung auch vollumfänglich auf der kommunalen Ebene ankommt. Um eine erste Einschätzung des geplanten Bundesteilhabegesetztes zu bilden, bleibt zunächst der Referentenentwurf abzuwarten, mit dem im Herbst 2015 gerechnet werden kann. Das Bundesministerium der Finanzen hat dennoch darauf hingewiesen, dass der Koalitionsvertrag Mehrausgaben des Bundes für Leistungsverbesserungen und strukturelle Veränderungen nicht vorsieht („keine neue Ausgabendynamik“) und solche in der Finanzplanung nicht bereitgestellt wurden. Das Thema solle aber auf der Tagesordnung bleiben. Die klare Maßgabe, dass der Bund keine zusätzlichen Haushaltsmittel zur Verfügung stellen kann und mit der Neuorganisation der Ausgestaltung des Teilhaberechts keine neue Ausgabendynamik entstehen soll, wurde immer wieder betont. Das bedeutet, dass die sich ergebenden Leistungsverbesserungen einzelner Handlungsoptionen und die damit verbundenen Mehrausgaben aus dem Teilhaberecht selbst gegenfinanziert werden müssen. Das Problem und das haushaltspolitische Verständnis der Gegenfinanzierung werden seitens der Mitglieder der Arbeitsgruppe unterschiedlich gesehen. Gemeindetag Baden-Württemberg Stadt. Neu. Denken. www.steg.de Geschäftsbericht Bund-Länder-Arbeitsgruppe: Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege Am 29. September 2014 wurde die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege eingerichtet. Sie setzte sich aus Vertretern der Bundesministerien für Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zehn Länderministerien und den drei kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene zusammen. Schwerpunkt des Arbeitsauftrags war die Klärung, wie • die kommunale Steuerungs- und Planungskompetenz für die regionale Pflegestruktur gestärkt werden kann, • wie Kommunen stärker in die Strukturen der Pflege verantwortlich eingebunden werden können und wie • Sozialräume so entwickelt werden können, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben können. Vor diesem Hintergrund hat die BundLänder-Arbeitsgruppe unter anderem folgende Empfehlungen beschlossen, die vom Gemeindetag als besonders wichtig für Baden-Württemberg eingestuft werden: • Erprobung neuer Beratungsstrukturen Unterschiedliche Modelle zu Verbesserung von Koordination und Kooperation bei der Beratung von Bürgerinnen und Bürgern bezüglich Pflegebedürftigkeit und anderen Fragen im Umfeld von Pflegebedürftigkeit sollen erprobt werden. Dazu gehört auch das Modellprojekt „Pflegeberatung“. Dieses sieht vor, dass bundesweit in 60 Stadt- und Landkreisen neue Beratungsstrukturen erprobt werden. Um eine umfassende Pflegeberatung vor Ort zu ermöglichen, werden beim Modellprojekt neben der Pflege auch flankierende Themen wie zum Beispiel präventive Angebote, familienunterstützende Hilfen, Maßnahmen zum Wohnumfeld, die recht liche Betreuung oder die Nutzbarkeit des öffentlichen Personennahverkehrs mit in die Beratung einbezogen. 908 BWGZ 19 | 2015 • Initiativrecht zur Einrichtung von Pflegestützpunkten Ein Initiativrecht für Kommunen bei deren finanzieller Beteiligung zur Einrichtung von Pflegestützpunkten soll erprobt werden. Bund und Länder wollen den Kommunen das Recht übertragen, künftig mitzuentscheiden, ob und wo neue Pflegestützpunkte eingerichtet werden. Dafür sollen nun die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Derzeit können lediglich die Pflegekassen die Einrichtung neuer Pflegestützpunkte vorschlagen. Finanziert werden Pflegestützpunkte zu je einem Drittel durch Pflegekassen, Krankenkassen und Kommunen. Zwar wurde von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums und der Regierungsfraktionen zugesagt, die Ergebnisse der Bund-Länder Arbeitsgruppe im Rahmen des 2. Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) ins SGB XI zu integrieren, allerdings sieht der Referentenentwurf des PSG II dies angesichts der ansonsten eintretenden Zustimmungsnotwendigkeit des Bundesrates nicht vor. Der Gemeindetag Baden-Württemberg wird sich deshalb nochmals dafür einsetzen, dass die Ergebnisse in das PSG II Einfluss finden. Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg Mit dem Aufbau von 48 Pflegestützpunkten ist es in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren gelungen, ein funktionsfähiges Angebot zur Auskunft und Beratung, Koordinierung und Vernetzung nach § 92c SGB XI einzurichten. Im nächsten Schritt geht es nun darum, die Pflegestützpunkte zu konsolidieren und weiterzuentwickeln sowie die noch vorhandenen Lücken zu schließen. Zunächst sollte in jedem Stadt- und Landkreis mindestens ein Pflegestützpunkt bestehen und finanziert werden. Dies ist in 42 von 44 Stadt- und Landkreisen bereits geschehen. Es zeigt sich jedoch, dass gerade in Landkreisen mit großer Fläche die Wege zu den Beratungsangeboten der Pflegestützpunkte für eine Vielzahl der Einwohner zu weit ist. So gab es schon ursprünglich eine Planung, in Baden-Württemberg deutlich mehr als nur 50 Pflegestützpunkte einzurichten. Auch die Evaluation der Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg durch das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) zeigte, dass es noch nicht gelungen ist, eine Beratungsinfrastruktur zu schaffen, die flächendeckend eine wohnortnahe und neutrale Beratung sicherstellt. Zur Anzahl der Pflegestützpunkte innerhalb der Stadt- und Landkreise ist jedoch keine bestimmte Zielgröße vorgegeben. Maßgebend für den Ausbau sollen nach den „Anforderungen für die Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg“ insbesondere der Bedarf und die Nachfrage nach Beratungsleistungen sein. Zwischenzeitlich haben zwölf Vorgespräche mit Stadt- und Landkreisen stattgefunden, die einen Antrag auf einen oder mehrere zusätzliche Pflegestützpunkte gestellt haben. Bei den Vorgesprächen zeigte sich allerdings, dass der in den „Anforderungen“ beschriebene bedarfsorientierte Ansatz bei der Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte im Fachausschuss der LAG unterschiedlich interpretiert wird. Die Vertreter der Kranken- und Pflegekassen sehen die Beratungsleistung der Pflegestützpunkte im Vordergrund, die Auf gabenfelder Koordination und Ver netzung spielen keine Rolle. Sie fließen nicht in die Berechnung der Auslastung ein. Die kommunale Seite betrachtet alle drei in § 92c SGB XI genannten Bereiche als gleich wichtig und will dies bei der Beurteilung der Anträge entsprechend berücksichtigt wissen. Daher konnten sich die Landesverbände der Pflege- und Krankenkassen und die kommunalen Landesverbände bisher nicht über einen weiteren Ausbau der Pflegestützpunkte im Land verständigen. Der Gemeindetag BadenWürttemberg wird sich auch weiterhin mit Nachdruck für einen bedarfsgerechten, flächendeckenden und wohnortnahen Ausbau der Pflegestützpunkte einsetzen. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Wohn-/Teilhabe- und Pflegegesetz – WTPG Am 31. Mai 2014 ist das neue „Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege“ (WTPG) in Kraft getreten. Es löst das alte Landesheimgesetz ab und gibt neue Antworten auf die gesellschaftlichen Herausforderungen sowie die gewandelten Erwartungen und Bedürfnisse von Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf. Während das alte Heimgesetz nur die Alternative „Pflegeheim“ oder „Häuslichkeit“ kannte, fördert und ermöglicht das neue Gesetz eine Vielfalt von Wohn- und Versorgungsformen zwischen der Pflege zu Hause und stationären Einrichtungen. Mit dieser Neuausrichtung des Anwendungsbereichs wird einerseits dem Wunsch der Menschen mit Unterstützungsbedarf Rechnung getragen, so lange und so selbstbestimmt wie möglich in einer vertrauten, an der Normalität ausgerichteten und möglichst wenig fremdgesteuerten Umgebung leben zu können. Andererseits sollen der notwendige Schutz sichergestellt und Möglichkeiten geschaffen werden, neue Betreuungs- und Wohnformen konzeptionell zu fördern. wirtschaftlichen Betrieb einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft. Nach intensivem Einsatz konnte zumindest erreicht werden, dass der finale Gesetzestext die Formulierung „in der Regel“ enthält. Es bleibt somit zu hoffen, dass die Heimaufsichten den ihnen nun eingeräumten Spielraum praxisgerecht auslegen, um flexible Einzelfalllösungen zu ermöglichen und damit ambulant betreute Wohngemeinschaften zu fördern und zu unterstützen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes muss nun eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit und Angebotsberatung betrieben werden. Viele Initiativen und Interessenten stehen mit der Gründung ambulant betreuter Wohnformen bereits in den Startlöchern. Der Gemeindetag hatte deshalb gegenüber dem Sozialministerium BadenWürttemberg mehrfach darauf hingewiesen, dass die geplante Fachstelle für ambulant unterstützte Wohnformen schnellstmöglich etabliert werden muss. Ende Oktober 2014 verkündete die Sozialministerin, dass die Fachstelle ihre Arbeit zum 1. November 2014 aufnehmen wird. Seitdem werden bei dieser Stelle Erfahrungen aus der täglichen kommunalen Praxis gebündelt und im Rahmen eines Wissenstransfers an andere Interessenten weitergegeben. Sie ist beim Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) angesiedelt und zunächst auf zwei Jahre befristet. Neben Beratung von interessierten Städten und Gemeinden stellt die Fachstelle auch Informationsmaterialien zur Verfügung und entwickelt ein Schulungskonzept für Multiplikatoren. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat sich der Gemeindetag Baden-Württemberg mehrfach für die Anregungen aus den Mitgliedsstädten und -gemeinden eingesetzt. Besonders die Festlegung der Obergrenze auf 12 Bewohner in ambulant betreuten Wohngemeinschaften war ein Anliegen vieler Mitgliedskommunen, die der Gemeindetag im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt eingebracht hat. So konnten wir erreichen, dass die Landesregierung von ihrem ursprünglichen Vorhaben, die Obergrenze auf 8 Bewohner festzulegen, abgerückt ist. Zwar ist die Zahl 12 nun gesetzlich verankert, allerdings sind damit hohe Hürden verbunden. Vor allem die Voraussetzung, dass jeder Bewohnerin und jedem Bewohner ein Einzelzimmer mit zugeordnetem Sanitärbereich zur Verfügung stehen soll, erschwert einen Gemeindetag Baden-Württemberg 909 Geschäftsbericht Hausärztliche Versorgung in Baden-Württemberg Die Sicherung der Grundversorgung stellt im niedergelassenen hausärzt lichen Bereich – gerade im ländlichen Raum – eine zunehmend anwachsende Problematik dar. Schon heute gibt es, trotz großer kommunaler Anstrengungen, in 172 Städten und Gemeinden in unserem Bundesland keinen niedergelassenen Hausarzt mehr. In weiteren 198 Städten und Gemeinden beträgt der Versorgungsgrad unter Berücksichtigung aller Hausärzte weniger als 75 Prozent. Auch in naher Zukunft ist mit einem weiteren Rückgang zu rechnen. Perspektivisch geht das Land – gestützt auf eine Prognose der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) – in den nächsten Jahren von einem weiteren Rückgang der niedergelassenen Hausärzte in der Größenordnung von 500 bis 1.000 Arztpraxen aus. Die für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung zuständige KVBW sowie die Krankenkassen (gemäß § 72 SGB V), sehen allerdings weniger sich selbst in der Pflicht, stattdessen sollen nach dortiger Ansicht die Kommunen als Lücken büßer in die Bresche springen. BWGZ 19 | 2015 Der Landesvorstand des Gemeindetags Baden-Württemberg hat deshalb im Rahmen seiner Klausurtagung am 24. und 25. September 2014 in Bad Wildbad das Thema der Sicherstellung einer flächendeckenden, hausärztlichen Versorgung in Baden-Württemberg sehr intensiv beraten. Am Ende dieser Beratungen wurde folgender Beschluss gefasst: 1.Der Gemeindetag misst der Sicherstellung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung höchste Bedeutung bei. Er fordert daher die Einführung eines Rechtsanspruchs für eigenständige Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg auf mindestens einen niedergelassenen Hausarztsitz. 2. Auf dem Weg zur Realisierung dieses Anspruchs fordert der Gemeindetag zum Zwecke einer homogenen und stabilen medizinischen Versorgung die Festlegung einer abweichenden Raumgliederung nach § 99 Absatz 1 Satz 3 SGB V. So sollen auf dieser Grundlage die Planungsbereiche gemeindescharf bemessen werden. 3. Der Mindestbedarf an Hausarztsitzen einer Gemeinde ergibt sich aus der Verhältniszahl nach der Bedarfsplanungsrichtlinie zur hausärztlichen Versorgung. Nach dieser soll je 1.671 Einwohner eine Hausarztpraxis vorgehalten werden. 4. Der Gemeindetag erachtet angesichts der hohen Priorität der Gesundheitsversorgung für die Bürgerinnen und Bürger eine gesamtpolitische Diskussion zu diesem wichtigsten Element der Daseinsvorsorge für dringend geboten. Foto: Andrea Damm/PIXELIO 5. Zur Eröffnung dieser politischen Diskussion wird das Positionspapier „Hausarztversorgung in Baden-Württemberg“ verabschiedet. Im Rahmen einer Pressekonferenz und durch das Positionspapier wurde die Forderung nach dem Rechtsanspruch auf einen Hausarzt dann in die öffent 910 liche Diskussion gegeben. Es wurde schnell klar, dass der Gemeindetag Baden-Württemberg damit eine über die Landesgrenzen hinausreichende Wahrnehmung erreichen konnte. Die weit überwiegende Zahl der Pressereaktionen wie auch zahlreiche Rückmeldungen aus der Mitgliederschaft machten deutlich, dass der Gemeindetag mit einer solch klaren Positionierung bei diesem zentralen Thema den Finger in eine zunehmend klaffende Wunde gelegt hat. An dieser Stelle sei deshalb nochmals darauf hingewiesen, dass auf Grundlage der geltenden Bemessungssystematik sich allein schon durch die gemeindescharfe Ausweisung der Versorgungsgebiete im hausärztlichen Bereich und damit im Kernbereich der medizinischen Daseinsvorsorge eine Garantie auf einen Hausarztsitz je 1.671 Einwohner ergäbe (= Rechtsanspruch). Diese Änderung der Planungsbereiche liegt in der Entscheidungskompetenz der KV Baden-Württemberg. Vor diesem Hintergrund hat zwischenzeitlich auch der DStGB die Forderung aufgegriffen und in sein Positionspapier „Ärztliche Versorgung flächendeckend sicherstellen“ aufgenommen. Es ist daher festzustellen, dass es dem Gemeindetag durch den pointierten Aufschlag mit der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Hausarztsitz gelungen ist, die angestrebte gesamtpolitische Diskussion anzustoßen und damit das Thema Gesundheitsversorgung wieder in den Blickpunkt zu rücken. Entwicklung der Gespräche mit der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg Der Gemeindetag hat seitdem weitere Gespräche vor allem mit der kassenärztlichen Vereinigung geführt, um auf eine schnelle Lösung des Hausärztemangels hinzuwirken. Ziel dieser Gespräche war es, die Raumschaften in Baden-Württemberg zu identifizieren, die den größten Handlungsbedarf bei der Ansiede- Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 lung eines Hausarztes haben. Die beiden Gesprächspartner einigten sich über die Durchführung einer landes weiten, gemeindescharfen Situations analyse mit folgenden Prüfungsschritten: 1.Liegt eine vermutete Versorgungslücke im hausärztlichen Bereich vor? (Verhältniszahl ist in Kommune nicht erreicht, d.h. der Versorgungsgrad unter Berücksichtigung aller Hausärzte beträgt weniger als 75 Prozent). 2.Ist eine Zulassungsmöglichkeit gegeben? 3. Algorithmus der Kassenärztliche Vereinigung: Verhältnis der Ärzte über 63 Jahre in der Raumschaft zu den Ärzten insgesamt bezogen auf die Einwohnerzahl in der Raumschaft. 4.Bestätigt die raumschaftsbezogene Situation die vermutete Versorgungslücke? 5.Prüfung der Förderungswürdigkeit anhand einer Ergebnisliste. Zwischen den Gesprächsteilnehmern bestand Einigkeit, dass es nach Durchführung der Situationsanalyse einer gemeinsamen Anstrengung bedarf, um in den Raumschaften mit dem größten Handlungsbedarf auch erfolgreich die Ansiedlung von Hausärzten realisieren zu können. Die Kommunen erkennen dabei ihre Aufgabe insbesondere darin, die örtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, um die Attraktivität für interessierte Mediziner passgenau zu optimieren. Hier können das Angebot von bedarfsgerechten Kinderbetreuungsplätzen, die Unterstützung des Ehepartners des Mediziners bei der Stellensuche oder aber die Bereitstellung moderner Praxisräumlichkeiten zu angemessenen Mietpreisen beispielhafte Maßnahmen sein. Zudem finden – auch motiviert durch den Vorstoß des Gemeindetags – in drei Landkreisen aktuell Vor-Ort-Dialoge statt, in denen konkret die Umsetzung kleinerer Versorgungsgebiete erörtert wird. Die Moderation wird seitens des Sozialministeriums übernommen. Gemeindetag Baden-Württemberg Das Ergebnis dieser Vor-Ort-Gespräche, in deren Rahmen insbesondere die örtlichen kommunalen Vertreter eine bedeutende Rolle spielen, soll dann Eingang in den Sektorenübergreifenden Landesbeirat finden. Es zeichnet sich ab, dass in allen Regionen ein klarer Bedarf für eine kleinteiligere Bedarfs planung gesehen wird. Modelle für zukunftsfähige Hausarztstrukturen Um möglichst zukunftsfähige Versorgungsstrukturen zu etablieren, müssen bei der Vergabe gegebenenfalls zum Einsatz kommende Fördermittel die Vorstellungen der kommenden Generation der Hausärzte zu deren Berufsbild und den angestrebten Niederlassungsformen berücksichtigt werden. Dabei ist festzustellen, dass es künftig neben der sicher weiterhin stark verbreiteten Einzelpraxis vermehrt auch Gemeinschaftspraxen geben wird. Gerade in ländlicheren Regionen können Gemeinschaftspraxen, die über Hausbesuche, Außensprechtage und Zweigpraxen die Flächendeckung sichern, die Chancen einer Arztansiedlung erhöhen. Sollte es zum Einsatz finanzieller Anreize kommen, so sollten bewusst verschiedene Niederlassungsformen gefördert werden. Beispielhaft werden den unterversorgten Kommunen hierzu verschiedene Niederlassungsformen als Handlungsoption vorgeschlagen (vgl. Tabelle). Gerade bei den Gemeinschaftspraxen ist ausdrücklich auch eine interkommunale Kooperation denkbar und unterstützenswert. Kommunale Landesverbände kooperieren mit der Perspektive Hausarzt BW und gründen gemein sames Aktionsforum zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung Die kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg, Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag, haben am 7. Mai 2015 gemeinsam mit der Initiative Perspektive Hausarzt BW ein Aktionsforum zur gezielten Unterstützung der hausärztlichen Versorgung gegründet. Neben dem regelmäßigen Austausch unter den Partnern sollen gemeinsame Aktionen entwickelt werden, die BadenWürttemberg bei dem hausärztlichen Nachwuchs attraktiv machen. Das Ziel des neuen Bündnisses ist es, alle Akteure an einen Tisch zu bringen. Mit konzertierten Maßnahmen soll im Rahmen des Aktionsforums für die Attraktivität von Baden-Württemberg gearbeitet werden. Im Herbst 2015 werden die ersten Sitzungen des Aktionsforums stattfinden und auch die Planungen für eine mehrtätige Veranstaltung für Medizinstudierende und Ärzte in Weiterbildung erfolgen. 911 Geschäftsbericht Gesetz zur Stärkung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg – Landesgesundheitsgesetz (LGG) Ziel des Gesetzentwurfes, dem das Kabinett am 21. Juli 2015 zugestimmt hat, ist es, eine tragfähige gesetzliche Grundlage für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens in BadenWürttemberg zu schaffen. Als inhalt licher Anhaltspunkt und Auftrag für die Ausgestaltung der Gesundheitspolitik in Baden-Württemberg soll das Gesundheitsleitbild dienen. Unter Beachtung der bundes- und landesrecht lichen Kompetenzordnung und der gesetzlichen Verantwortung der jeweiligen Gewährleistungsträger für die verschiedenen Versorgungsbereiche werden neue und bewährte Dialogund Arbeitsformen, nämlich die Gesundheitskonferenzen auf Landes- und Kreisebene sowie der Sektorenübergreifende Landesausschuss (nach § 90a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V) und ein Landesausschuss für Gesundheitsförderung und Prävention auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Gesetzlich geregelt werden die Arbeitsweise, Zuständigkeit, Interaktion und Vernetzung dieser Beteiligungsgremien. Hierdurch wird das Zusammenwirken von Landes- und kommunaler Ebene im Bereich des Gesundheitswesens gestärkt und die sektorenübergreifende Zusammenarbeit intensiviert. Bürgerinnen und Bürger sollen in den gesamten Weiterentwicklungsprozess (Stichwort „Gesundheitsdialog“) frühzeitig einbezogen werden. Der Gemeindetag Baden-Württemberg, der ebenfalls zum Gesetzentwurf Stellung genommen hat, begrüßt die mit dem Gesetz verbundene bessere Einbindung der Kommunen in das baden-württembergische Gesundheitswesen. Bedauerlich ist allerdings, dass vor allem eine sektorenübergreifende Versorgung auch zwischen den Bereichen Gesundheit und Pflege durch den Entwurf unberücksichtigt bleibt. Ebenso hätte sich der Gemein- 912 BWGZ 19 | 2015 detag gewünscht, dass das Land gesetzlich verpflichtet wird, die kommunale Ebene einzubinden, bevor es am Landesausschuss der Krankenkassen und Vertragsärzte teilnimmt. Dadurch wäre eine weitere deutliche Stärkung der Kommunen im Gesundheitswesen einhergegangen. Darüber hinaus werden zwar die kommunalen Gesundheitskonferenzen zu Pflichtaufgaben für die Stadt- und Landkreise erklärt, allerdings ohne dass eine entsprechende Refinanzierung durch das Land Baden-Württemberg erfolgt. Gesetz zur Verbesserung von Chancengleichheit und Teilhabe – Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG) 4.Die Schulen werden zur Unterstützung von Eltern, insbesondere auch solchen mit Migrationshintergrund, bei der Wahrnehmung ihrer Elternrechte verpflichtet. Die Hochschulen müssen künftig bei unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen für die Aufnahme eines Studiums werben und ebenso wie die Verfassten Studierendenschaften die Integration ausländischer Studierender fördern. 5.Beschäftigte muslimischen und alevitischen Glaubens können sich zur Begehung ihrer wichtigsten religiösen Feiertage für den Besuch des Gottesdienstes vom Dienst oder von der Arbeit unter bestimmten Voraussetzungen freistellen lassen. Bewertung Die wesentlichen Inhalte des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von Chancengleichheit und Teilhabe – Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG), der am 21. Juni 2015 vom Ministerrat beschlossen und danach zur Anhörung freigegeben wurde, sind: 1.Das Gesetz definiert die Ziele und Aufgaben des Landes hinsichtlich der interkulturellen Öffnung. Die Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund in besonders sensiblen Bereichen (Unterbringung, Justizvollzug, Maßregelvollzug) müssen berücksichtigt werden. 2.Die Landesregierung stärkt die Inte grationsstrukturen: Auf kommunaler Ebene stellt sie für kommunale Integrationsausschüsse und -räte sowie Integrationsbeauftragte gesetzliche Leitbilder dar. Auf Ebene des Landes wird ein Landesbeirat für Integration vorgesehen und die Zusammenarbeit mit dem Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen geregelt. Die Landesregierung wird verpflichtet, dem Landtag alle fünf Jahre über den Stand der Integration in Baden-Württemberg zu berichten. Der Gemeindetag Baden-Württemberg steht hinter dem grundsätzlichen Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs, die rund 27 Prozent der 10,6 Mio. Einwohner Baden-Württembergs mit Migrationshintergrund am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Für die Einrichtung bestimmter Integrationsorgane stellt das Gesetz den Städten und Gemeinden keine zwingenden Verpflichtungen vor. Es bleibt somit den Städten und Gemeinden selbst überlassen, ob sie entsprechende Einrichtungen für Menschen mit Migrationshintergrund schaffen. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Sollte eine Gemeinde jedoch die Einrichtung eines Ausschusses, eines Beirats oder Ähnliches für erforderlich halten, dann werden die Zusammensetzung und das Verfahren der einzelnen Gremien sehr detailliert geregelt. Die Gemeinde wird damit sehr weitgehend in ihrer verfassungsrechtlich garantierten Kompetenz, ihre inneren Angelegenheiten passgenau nach den örtlichen Gegebenheiten selbst zu bestimmen, eingeschränkt. Der Gemeindetag kann daher den Gesetzentwurf in dieser Tragweite nicht befürworten. 3.Menschen mit Migrationshintergrund sollen in Gremien, auf deren Besetzung das Land Einfluss nehmen kann, angemessen vertreten sein. Gemeindetag Baden-Württemberg jetzt & sofort. Badisch gut versichert. Exklusiver Schutz für Beamte und Bedienstete unserer kommunalen Mitglieder. infore n i l n o Jetzt ließen: h c s b a und mieren w.bgv.de ww BGV / Badische versicherungen durlacher allee 56 / 76131 Karlsruhe // Telefon 0721 660-0 E-Mail [email protected] // www.bgv.de Geschäftsbericht Aktuelle Situation der Flüchtlingshilfe in Baden-Württemberg Die Krisen im Nahen und Mittleren Osten und die Bürgerkriege im Norden Afrikas aber auch wirtschaftliche Beweggründe führen weltweit zu einem erheblichen Anstieg der Zahl an Menschen auf der Flucht. Auch in Deutschland hat sich die Zahl der ankommenden Flüchtlinge und Asylbewerber gravierend erhöht. Für das Jahr 2015 muss nach der aktualisierten Prognose (Stand August 2015) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 800.000 Menschen ausgegangen werden, die asylsuchend in die Bundesrepublik kommen. Nach einem auf Bundesebene festgelegten Verteilungsschlüssel werden von diesen Menschen 12,97 Prozent auf Baden-Württemberg verteilt. Ging man Anfang des Jahres von etwa 52.000 Flüchtlingen aus, die 2015 im Südwesten ankommen, bewegt sich die aktuelle Erwartung bei rund 100.000 Menschen. Damit ist eine Dimension erreicht, deren Unterbringung, Begleitung und Versorgung alle Beteiligten vor außerordentliche Herausforderungen stellen wird. Städte und Gemeinden stehen zu ihrer humanitären Verantwortung Es ist den Städten und Gemeinden ein großes Anliegen, in einem gemeinsamen Schulterschluss mit allen sonstigen Akteuren diese humanitäre Aufgabe im Sinne der bei uns ankommenden hilfebedürftigen Menschen zu bewältigen. Um dies zu gewährleisten, werden auf kommunaler Ebene größte Anstrengungen unternommen. Nur auf diese Weise konnte es gelingen, in der breiten Mitte der Gesellschaft eine bemerkenswert positive und hilfsbereite Grundstimmung zu schaffen und bisher auch zu erhalten. Nicht zuletzt können wir daher zum heutigen Tage feststellen, dass es in Baden-Württemberg trotz zwischenzeitlich zu überwindender Hürden mit großem Erfolg gelungen ist, die 26.000 Menschen, die im Jahr 2014 hilfe 914 BWGZ 19 | 2015 suchend bei uns angekommenen sind, gut unterzubringen und zu versorgen. Die Städte und Gemeinden haben maßgeblich dazu beigetragen, diesen Zustrom von auf der Flucht befindlichen Menschen auf dem Niveau eines Zehnjahreshochs zu bewältigen. Dieser Erfolg darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass der weiter steigende Flüchtlingszustrom alle gesellschaftlichen Akteure in Zukunft noch in viel größerem Maße fordern wird, als dies im Jahr 2014 der Fall war. Daher müssen auch die Fluchtursachen verstärkt in den Blick genommen und durch gezielte Unterstützung der (insbesondere sicheren) Herkunftsländer der Flüchtlinge behoben werden. Die Arten der Unterbringung Die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen gliedert sich in drei verschiedene Phasen: 1. Landeserstaufnahme In dieser werden die ankommenden Menschen nach dem so genannten Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt, in denen sie in die Landeserstaufnahmestellen (LEA) aufgenommen werden. In Baden-Württemberg gibt es solche Erstaufnahmestellen aktuell in Karlsruhe, Meßstetten und Ellwangen. 2. Vorläufige Unterbringung Aus den Erstaufnahmestellen werden die Asylbewerber und Asylfolgeantragsteller dann nach einem an der Einwohnerzahl orientierten Schlüssel auf die Stadt- und Landkreise zur vorläufigen Unterbringung zugewiesen (§ 1 DVO FlüAG). Die Kreise haben die Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften bzw. in Wohnungen unterzubringen (§ 8 FlüAG). Die Unterkünfte hat der Landkreis zu errichten, zu verwalten und zu betreiben. 3. Anschlussunterbringung Die Asylbewerber und Asylfolgeantragsteller verlassen die vorläufige Unterbringung mit Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Asylantrag oder den Folgeantrag (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 FlüAG). Zudem endet der Aufenthalt in der vor- läufigen Unterbringung auch mit Erteilung eines Aufnahmetitels oder 24 Monate nach der Aufnahme durch die untere Aufnahmebehörde (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 FlüAG). Ist es den Asylbewerbern nicht möglich, eigenständig eine Wohnung zu finden, sind die Städte und Gemeinden verpflichtet, die Asylbewerber unterzubringen. Kommunale Betroffenheit Soweit zur Rechtstheorie und den gesetzlichen Rahmenvereinbarungen der Flüchtlingsunterbringung und -betreuung. Denn in Ermangelung einer „eigenen“ Gemarkung liegt es auf der Hand, dass sowohl Land als auch Landkreise die in ihre Zuständigkeit fallenden Aufgaben nur in Städten und Gemeinden erfüllen können. Damit hat die Flüchtlingsversorgung und -betreuung bereits mit dem Ankunftstag der Menschen in Baden-Württemberg einen unmittelbaren kommunalen Bezug. Dies wird in vielfältiger Weise – insbesondere bei nachfolgend genannten kommunalen Aufgabenfeldern – deutlich: −Bauleitplanung, −Kinderbetreuung, −Schule, −Flüchtlingsbegleitung, − Integrations-/ Sozialarbeit, − Öffentliche Sicherheit, − Gemeinde als Lebenswelt der Bürger. Die Kommunen sind damit der zentrale Anker in der Bewältigung dieser Auf gaben. Umso wichtiger ist es, dass sie dabei auch als solcher von Bundes- und Landesebene anerkannt und unterstützt werden. Aktuelle Situation erfordert ein Gesamtkonzept für Flüchtlinge Aktuell sind die verfügbaren Kapazitäten in den LEAs in Karlsruhe, Meßstetten und Ellwangen hoffnungslos überlastet. Es entstehen Zeltstädte und sonstige Behelfsunterkünfte. Aufgrund dieses Notstandes werden in großem Umfang asylbegehrende Menschen ohne Identitätsklärung, ohne gesundheitliche Untersuchung und ohne Asyl antragstellung in die Stadt- und Land- Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 kreise verlegt. Dadurch fehlen den Flüchtlingen nicht nur die für sämtliche Behördengänge notwendigen Papiere (Aufenthaltsgestattung), es kann zudem auch kein Eintrag in das Ausländerzentralregister erfolgen. Dies bringt die Sicherheitsbehörden wie auch die Kommunen unverschuldet unter einen immensen Handlungsdruck. Die gegenwärtige Situation, gründend auf den beschriebenen unkoordinierten Abläufen der Asylverfahren, wird angesichts des weiteren Anstieges der Flüchtlingszahlen alle Beteiligten in absehbarer Zeit überfordern. Es wird daher von entscheidender Bedeutung sein, dass die von staatlicher Seite bereits ergriffenen und noch zu ergreifenden Maßnahmen zielgerichteter aufeinander abgestimmt werden. Es braucht ein Gesamtkonzept für BadenWürttemberg und es braucht eine zen trale Verantwortlichkeit auf Landes ebene. Es muss sichergestellt werden, dass die ergriffenen Einzelmaßnahmen ineinandergreifen. und damit knapp 300.000 Asylbewerber in der vorläufigen Unterbringung ankommen. Herunter gerechnet auf Baden-Württemberg wären dies rund 39.000 Menschen. Aktuell werden jedoch nahezu 100 Prozent der ankommenden Flüchtlinge auf die Kommunen weiterverteilt. Bund und Länder müssen gewährleisten, dass nur die Menschen an die Stadt- und Landkreise weiterverteilt werden, die ein Anrecht auf Asyl in Deutschland haben. Sowohl unter humanitären als auch unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten ist dies eine unabdingbare Notwendigkeit, die von staatlicher Seite sicherzustellen ist. Gerade auch die vielen ehrenamtlichen Helferkreise vor Ort würden dadurch eine dringend benötigte Entlastung erfahren. Für die Zeit bis zur Erreichung dieses Zieles muss es zudem eine kurzfristige und zielgerichtete Nachbearbeitung der Asylanträge der bereits in die vorläufige Unterbringung verlegten Menschen geben. Hierzu sind insbesondere folgende Maßnahmen konkret zu ergreifen: • Kurzfristige Erhöhung der Mitarbeiterzahl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Es müssen auch Abordnungen im Wege der Amtshilfe erwogen werden. • Vereinfachung/Pragmatisierung der Asyl-Verfahrensabläufe. • Konsequente Rückführung von Personen mit unbegründetem Antrag. Hierzu muss auch das Personal an den Verwaltungsgerichten weiter aufgestockt werden. • Verhinderung von Missbrauch des deutschen Asylrechts. Bei Bedarf Gesamtkonzept Ein solches Gesamtkonzept muss folgende Maßnahmen enthalten: 1. Beschleunigung der Verfahren Asylverfahren müssen innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden und die asylbegehrenden Menschen während dieser Zeit in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen verbleiben. Nach der Statistik des Bundesinnenministeriums lag die durchschnittliche Anerkennungsquote bei den Asylanträgen bei etwas über 35 Prozent. Hinzu kommen 1,4 Prozent der Asylbewerber, bei denen sonstige Schutzgründe anerkannt wurden. Rund 38 Prozent wurden abgelehnt, gut 25 Prozent anderweitig er ledigt (z.B. Antragsrücknahme, DublinVerfahren). Diese Quoten und die neue BAMF-Prognose von 800.000 Flüchtlingen im Jahr 2015 unterstellt, würden damit – sollte tatsächlich nur eine Weiterverteilung der Personen mit Bleiberecht auf die Kommunen erfolgen – rund 37 Prozent Gemeindetag Baden-Württemberg 915 Geschäftsbericht • • • • müssen auch notwendige Rechtsänderungen vorgenommen werden. Ausweitung der Kapazitäten in der Landeserstaufnahme auf das zur Zielerreichung notwendige Maß. Keine Weiterverteilung der asylbegehrenden Menschen ohne gesundheitliche Untersuchung und notwendige Impfungen. Prüfung einer nochmaligen Erweiterung der sicheren Drittstaaten und ggf. Einführung einer Visumspflicht für Balkanstaaten. Streichung/Kürzung des Taschengeldes für Asylbegehrende aus den sicheren Herkunftsstaaten. 2. Unterstützung der Kommunen Auch mit einer solchen Beschleunigung der Verfahren wird sich die Zahl der Menschen, die in den Kreisen und Gemeinden ankommen werden, auf absehbare Zeit noch deutlich erhöhen. Allein die Frage nach einer menschenwürdigen Unterbringung stellt die kommunalpolitischen Akteure bereits vor eine außerordentliche Aufgabe. Immense Investitionsmittel, die in der mittelfristigen Planung der kommunalen Haushalte in aller Regel noch gar nicht vorgesehen waren, müssen aufgewandt werden. Zugleich bedarf es einer sensiblen Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, um den sozialen Frieden vor Ort nicht zu gefährden. Doch selbst wenn die Kommunen damit bereits eine Herkulesaufgabe zu bewältigen haben, so ist das allenfalls der erste Schritt hin zu einer erfolgreichen Integration der anerkannten Asylbewerber. Denn letztlich kann Integration nur gelingen, wenn die in den Städten und Gemeinden ankommenden Menschen frühzeitig am gesellschaft lichen und wirtschaftlichen Leben vor Ort teilnehmen. Ein hohes Maß an öffentlicher Unterstützung muss daher auf eine zielgerichtete Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet werden. Die Beteiligung der ehrenamtlichen Kräfte vor Ort entfaltet dabei eine zusätzliche Integrationswirkung, doch auch diese muss gut organisiert und begleitet sein. Maßgeblich für die ersten Wochen wird daher neben einer 916 BWGZ 19 | 2015 ehrenamtlichen Unterstützung auch die professionelle soziale Begleitung der Asylbewerber sein. Hierzu könnte ein neues Berufsbild „Flüchtlingsmanager“ etabliert werden. Folgende Maßnahmen sind daher zu ergreifen: • Dauerhafte Erhöhung des Landesförderprogramms „Wohnraum für Flüchtlinge“ analog zur Entwicklung der Flüchtlingszahlen. • Punktuelle Entbindung von bau lichen Standards (Barrierefreiheit, Mindestfläche, Dachbegrünung u.Ä.). • Keine Ausweitung der Bürgerentscheide auf die Bauleitplanung. Der verfügte Erlass zur Nutzungsänderung wird hier nicht ausreichen. • Kostendeckende Erstattung der laufenden Kosten der Unterbringung (Mieten, Nebenkosten). • Kostendeckende Landeserstattungen an die Stadt- und Landkreise. • Staatliche Finanzierung der Flüchtlingssozialarbeit in der Anschlussunterbringung. • Zielgenauere Ausrichtung der vielfältigen Förderprogramme für ehrenamtliche Flüchtlingshilfe. Die Städte und Gemeinden müssen Adressat der Förderprogramme sein. • Etablierung eines Berufsbildes „Flüchtlingsmanager“. 3.Sprachförderung und Arbeitsmarktzugang Schlüssel für eine erfolgreiche Integration sind neben der Schaffung einer angemessenen Unterbringung auch das Erlernen der deutschen Sprache, der frühzeitige Zugang zum Arbeitsmarkt und die Vermittlung der in Deutschland vorherrschenden Werte. Die Schaffung des notwendigen Wohnraums kann, unterstützt durch staatliche Finanzierung, in kommunaler Hoheit vorangetrieben werden. Die Rahmenbedingungen für den Spracherwerb wie auch für den Zugang zum Arbeitsmarkt sind aber auf Landesbzw. Bundesebene zu regeln. So braucht es einen möglichst niederschwelligen Zugang zu Sprachkursen; die Integration darf nicht an der Zulassung zum Sprachkurs scheitern. Zudem müssen Wege zum Arbeitsmarkt eröffnet werden, die es zulassen, die Interessenlage bereitwilliger Arbeitgeber zu berücksichtigen. Die Verkürzung des Arbeitsverbots auf drei Monate war hierzu eine richtige und wichtige Weichenstellung. Aber es sind weitere Maßnahmen erforderlich: • Zielgerichtete Erfassung von Qualifikationen und Fähigkeiten der Flüchtlinge in der Erstaufnahme. • Ausweitung der Integrations- und Sprachkurse auf Menschen mit guter Bleiberechtsperspektive und Geduldete. • Schneller und einfacherer Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Gerade Praktika können hier eine wichtige Einstiegsfunktion übernehmen. • Gezielte Ausbildungsprogramme für Sparten mit Fachkräftemangel. 4. Sicherstellung der Finanzierung Durch eine angemessene Flüchtlingsversorgung und -betreuung dürfen keine zusätzlichen Belastungen für kommunale Haushalte entstehen. Die noch immer vorherrschende positive Stimmung droht ansonsten sehr schnell zu kippen, wenn die Kommunen geplante Maßnahmen zum Beispiel für Kindergärten, Schulen oder Vereine aufgrund der notwendigen Flüchtlingsfinanzierung zurückstellen oder ganz absetzen müssen. Sowohl die Bundes- wie auch die Landesregierung stehen in der Verantwortung, diese große Aufgabe nicht am Geld scheitern zu lassen. Hierzu sind folgende Maßnahmen sicherzustellen: • Bereitstellung eines Sonderhaushaltstopfes auf Bundes-/Länderebene in zweistelliger Milliardenhöhe zur Finanzierung der kommunalen Aufwendungen in der Flüchtlingsarbeit. • Abwicklung der Gesundheitskosten für bleibeberechtigte Asylbewerber über eine Gesundheitskarte. Den Ausgleich der Kosten gegenüber den Krankenkassen übernimmt der Bund direkt; es bedarf keiner Beteiligung der kommunalen Ebene. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Flüchtlingsgipfel Erste Sitzungen der Lenkungsgruppe haben bereits stattgefunden. Weitere Sitzungen werden innerhalb von kurzen Zeitabständen folgen, um auf aktuelle Herausforderungen und Problemstellungen gemeinsam schneller reagieren zu können als bisher. Dennoch muss das Land die Flüchtlingshilfe noch in deutlich stärkerem Maße ganzheitlich und vom gewünschten Ergebnis her denken. Wie kann es gelingen, die Weiterverteilung auf die Stadt- und Landkreise auf die Flüchtlinge zu begrenzen, die mit einem Anrecht auf Asyl nach Baden-Württemberg kommen? Und welche Rahmenbedingungen braucht es, dass diese Menschen dann tatsächlich nach wenigen Jahren zu einem aktiven Bestandteil unserer Gesellschaft und Volkswirtschaft werden können. Der Gemeindetag wird im Rahmen der Lenkungsgruppe die Beantwortung genau dieser Fragestellungen forcieren. Denn wenn seitens des Landes darauf keine schlüssigen Antworten gefunden werden, dann droht in den Städten und Gemeinden ein Stimmungswandel. Mit dieser dringenden Bitte hat sich der Gemeindetag auch Ende August 2015 in einem Brief an den Bundesinnenminister und auch an den Ministerpräsidenten Baden-Württembergs gewandt. Durch die starke Zunahme der Zahl der Flüchtlinge in den letzten Monaten sind die Herausforderungen seit dem ersten Flüchtlingsgipfel im Herbst vergangenen Jahres nochmals in einem dramatischen Maße größer geworden. Die Landesregierung hat angesichts der zunehmenden Wortmeldungen, auch des Gemeindetags Baden-Württemberg, darüber, dass ein Kippen der Stimmung drohe, am 27. Juli 2015 zu einem zweiten Flüchtlingsgipfel eingeladen. Als Ergebnis wurde seitens des Landes die Umsetzung eines Maßnahmenbündels verkündet. Darin wurden zwar einige der oben genannten Forderungen des Gemeindetags von der Landesregierung aufgegriffen, andere hingegen fanden keine Erwähnung. Aus Sicht des Gemeindetags sind vor allem der Ausbau der Kapazitäten der Landeserstaufnahmeeinrichtungen sowie die Einrichtung einer Lenkungsgruppe für Flüchtlingsfragen mit Vertretern der Ministerien sowie der kommunalen Landesverbände ausdrücklich zu begrüßen. Gemeindetag Baden-Württemberg Aufgrund der hohen Zahl an Flüchtlingen, die im Rahmen der Anschlussunterbringung auf kommunaler Ebene untergebracht werden müssen, kommt den damit einhergehenden organisationsrechtlichen, polizeirechtlichen und gebührenrechtlichen Problemen zunehmend Bedeutung zu. Da die Unterbringung auf der (polizeirecht lichen) Grundlage des Obdachlosenrechts erfolgt, kommt den satzungs- und gebührenrechtlichen Grundlagen der Unterkünfte wieder besondere Bedeutung zu. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat deshalb das letztmals im Jahr 1998 veröffentlichte Muster für eine Satzung über die Benutzung von Obdachlosenund Flüchtlingsunterkünften überarbeitet und aktualisiert. Darüber hinaus wurde zur Kalkulation der Benutzungsgebühren ein Kalkulationsbeispiel mit Erläuterungen erarbeitet. Diese Unterlagen wurden zusammen mit einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zu steuerrechtlichen Billigkeitsmaßnahmen bei vorübergehender Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern in Gt-INFO 19/2015 veröffentlicht. Nach wie vor unbefriedigend bei der Unterbringung ist die Kostensituation. Weil nach der Rechtsprechung die festgesetzten Gebührensätze für die Unterkunft nicht wesentlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen, ist nicht auszuschließen, dass die Kommunen die ihnen entstehenden Kosten nicht in vollem Umfang weitergeben können. Foto: Rike/PIXELIO Allerdings blieben beim 2. Flüchtlingsgipfel auch zahlreiche Fragen aus kommunaler Sicht offen. Zwar stellt das Land für das Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ im Jahr 2016 erneut 30 Mio. Euro zur Verfügung. Sowohl die stark gestiegenen Zugangszahlen an Flüchtlingen als auch die Tatsache, dass die dieses Jahr zur Verfügung stehenden 30 Mio. Euro bereits zur Jahresmitte ausgeschöpft gewesen sind, lassen den Schluss zu, dass die zusätzlichen Mittel für 2016 keinesfalls ausreichen werden. Ebenso hat das Land keine weiteren Unterstützungsleistungen an die Städte und Gemeinden für die Anschlussunterbringung zugesagt. Gerade im Bereich der Flüchtlingssozialarbeit als auch der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe konnten keine Fortschritte erzielt werden. Hier wird der Gemeindetag Baden-Württemberg gegenüber der Landesregierung weiterhin mit Nachdruck darauf drängen, dass die Städte und Gemeinden bei der Integration der Flüchtlinge vor Ort ebenfalls verstärkt finanziell entlastet werden. Unterbringung von Obdachlosen und Flüchtlingen in kommunalen Unterkünften Auch sonstige Leistungsträger wie Landratsämter bzw. die Arbeitsagentur orientieren sich an „angemessenen Unterkunftskosten“, die in Anlehnung an die ortsüblichen Vergleichsmieten definiert werden. Kommen auf die Kommunen vor dem Hintergrund des immer knapper werdenden Wohnungsangebots deutlich höhere Anmietungskosten zu, müssen sie damit rechnen, auf einem Teil der Kosten „sitzen zu bleiben“. 917 Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Bürgerschaftliches Engagement Seit jeher engagieren sich Bürgerinnen und Bürger gemeinnützig in ihren Gemeinden. Die verschiedensten kommunalpolitisch relevanten Themen füllen ehrenamtliche Helfer mit Leben. Die Bedeutung des Bürgerschaftlichen Engagements für das Miteinander und den Zusammenhalt vor Ort spielen im Alltag eine zentrale Rolle und sind auch Grundlage für eine funktionierende Bürgerbeteiligung. Auch politisch rückte die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus. Eine Mitgliedschaft im Gemeindenetzwerk BE steht allen Mitgliedern des Gemeindetags offen. Ziel des Gemeindenetzwerks BE ist es, die Netzwerkmitglieder durch fachliche Beratung bei der Verankerung des Bürgerschaft lichem Engagements innerhalb der kommunalen Politik zu unterstützen und neue Impulse für bürgerschaftlich engagierte Projekte auf kommunaler Ebene zu geben. In Abstimmung mit dem Gemeindetag Baden-Württemberg und dem Sozialministerium Baden-Württemberg finden regelmäßig Fachveranstaltungen und Informationsgespräche zu aktuellen Themen rund um das Bürgerschaftliche Engagement und die Beteiligung der Bürger statt. Zusätzlich erhalten die Netzwerkmitglieder fachliche Beratung zu ihrem örtlichen Entwicklungsprozess und den Fördermöglichkeiten. Das Gemeindenetzwerk BE ist Teil des Landesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement und entwickelt sich kontinuierlich weiter. Mittlerweile sind es über 165 Städte und Gemeinden, die ihre 918 Foto: Gemeinde Bad Boll Um die Städte und Gemeinden im Prozess des Bürgerschaftlichen Engagements vor Ort individuell beraten und unterstützen zu können, wurde vom Gemeindetag Baden-Württemberg am 6. September 2001 unter Mitwirkung und Förderung des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren das Gemeindenetzwerk Bürgerschaftliches Engagement gegründet. Mitgliedschaft erklärt haben und aktive Netzwerkpartner geworden sind. Der gemeinsame Erfahrungsaustausch innerhalb des Netzwerks ist für die Netzwerkmitglieder ein wichtiger Informationsgewinn. Das Gemeindenetzwerk BE berät die Gemeinden bei der Antragstellung und Umsetzung von Projekten zum bürgerschaftlichen Engagement. Derzeit laufen folgende Förderprogramme: Kommunale Entwicklungsbausteine Förderung Bürgerschaftlichen Engagements in Städten und Gemeinden Baden-Württembergs mit bis zu 1500 Euro zur Entwicklung Bürgerschaftlichen Engagements in der Gemeinde. „MITTENDRIN – Willkommen im Engagement“ Das Programm ermöglicht die Qualifizierung von Freiwilligen und deren anleitenden Fachkräfte, Anerkennung, schriftliche Bescheinigung des Einsatzes und finanzielle Unterstützung zur Realisierung neuer Ideen. ECHT GUT – Ehrenamtspreis des Landes Die Landesregierung dankt Engagierten für ihre Arbeit. Gleichzeitig soll diese Anerkennung andere Menschen motivieren und auffordern, sich ebenfalls zu engagieren. Die Landesregierung vergibt mit Unterstützung der EnBW Energie BadenWürttemberg AG und den Sparkassen im Land den Ehrenamtspreis ECHT GUT! Die Gewinner erhalten Preisgelder von bis zu 4.000 Euro für sich und ihre Projekte. Der gesamte Wettbewerb steht unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und wird von prominenten Paten unterstützt. Förderprogramme der Allianz für Beteiligung Die Allianz für Beteiligung bietet drei Projektförderprogramme, mit denen Kommunen ihr Projekt im Bereich Jugendbeteiligung oder Beteiligung von Personen aus anderen Kulturen in der Gemeinde mit bis zu 6.000 Euro fördern lassen können. Darüber hinaus gibt es ein Förderprogramm für Kom- Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 munen im ländlichen Raum, das zivilgesellschaftliche Organisationen für ihre Bürgerbeteiligungsprojekte nutzen können. Engagement Strategie In Forschungs- und Entwicklungsteams haben Experten und Expertinnen, Engagierte und Betroffene Empfehlungen zur Weiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamts entwickelt. Die so entstandene „Engagementstrategie Baden-Württemberg“ beinhaltet eine Vielzahl von Maßnahmen zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements unter anderem in den Bereichen − Menschen mit Behinderung, − Menschen mit Migrationshintergrund, − Alter, − Pflege, − Jugend und Freiwilligendienste, − Corporate Social Responsibility (Unternehmerisches gesellschaftliches Engagement). Im Rahmen der Umsetzung der Engagementstrategie wurden zu besonders wichtig erscheinenden Handlungsfeldern Empfehlungen erarbeitet, die sich an verschiedene Adressaten richten. Diese werden aus kommunaler Sicht zu prüfen sein. Die Landesregierung wird einen Teil der an sie gerichteten Handlungsempfehlungen unmittelbar umsetzen. Ein weiterer Teil der Empfehlungen soll in Entwicklungsprojekten modellhaft erprobt werden. Teil der Engagementstrategie ist auch das Förderprojekt „Gemeinsam sind wir bunt“. „Gemeinsam sind wir bunt“: Lebensräume zu Engagement Räumen entwickeln Ziel des Programms „Gemeinsam sind wir bunt“ ist, dass aus unterschiedlichen Lebens- und Begegnungsräumen Bewerbungen eingehen, die zum Ziel haben, die Vielfalt der in ihnen lebenden Menschen für ein engagiertes Miteinander und Füreinander zu nutzen. Sie entwickeln und fördern so ihren Lebens- und Begegnungsraum und schaffen in ihm eine ganz besondere, sozial wirksame Gemeinschaft. Gemeindetag Baden-Württemberg Gemeinsam in Vielfalt – Lokale Bündnisse für Flüchtlingshilfe Förderprogramm zur Unterstützung des Bürgerschaftlichen Engagement für und mit Flüchtlingen. Fördergegenstand sind lokale Bündnisse für Flüchtlingshilfe, die dem Engagement von Flüchtlingen, der Gewinnung und der Koordinierung des Engagements für Flüchtlinge und insbesondere dem Zusammenwirken und der Vernetzung der im Sozialraum agierenden Akteure dienen. Netzwerke sollen auf- und ausgebaut werden. Die geförderten Projekte können eine fachliche Begleitung durch die bei den kommunalen Lan- desverbänden angesiedelten Fachberatungen der kommunalen Netzwerke sowie Zuwendungen in Höhe von bis zu 15.000 Euro erhalten. In einem zweiten Schwerpunkt sind Qualifizierungsmaßnahmen für Engagierte vor Ort geplant. Fortführung des Programms ist nicht ausgeschlossen. Die angeführten Angebote sind nicht abschließend, auf der Homepage des Gemeindetags Baden-Württemberg stehen weitere Informationen. www.gemeindetag-bw.de www.gemeindenetzwerk-bw.de Anzeige Kommunalberatung Grunderwerbsverhandlungen Planung Innenentwicklung Moderationen neue Wohnformen Parteezy Projektsteuerung Baulanderschließung Bürgerbeteiligung „Zukunft findet Stadt“ Mit Strategie im Konsens zur Lösung. Wir beraten, entwickeln und setzen um. St. Urban-Straße 5 76532 Baden-Baden Fon +49 7221 99 23 090-0 [email protected] Boschstraße 10 73734 Esslingen am Neckar Fon +49 711 93 150-590 www.kbb-gesellschaft.de 919 Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Änderung des Feuerwehrgesetzes (FwG) werkerlösung durch landeseinheitliche Pauschalsätze ersetzt werden soll. Das Land Baden-Württemberg plant noch in dieser Legislaturperiode – voraussichtlich noch in diesem Kalenderjahr – das Feuerwehrgesetz Baden-Württemberg zu ändern. Wie weit das Vorhaben gediegen ist und welche Reformen im Einzelnen vollzogen werden sollen, wird im Folgenden dargelegt. Mit Schreiben vom 24.06.2015 hat das Innenministerium die Änderung des Feuerwehrgesetzes zur Anhörung freigegeben. Folgende Neuregelungen sind dabei vorgesehen, auf die in der gemeinsamen Stellungnahme des Gemeindetags und des Städtetags Bezug genommen wurde. Darüber wurde mit Gt-INFO Nr. 753/2015 in der Druckausgabe vom 07.09.2015 berichtet. Der Kostenersatz für die Einsätze der Gemeindefeuerwehr nach § 34 FwG stellte seit geraumer Zeit ein großes Problem dar. Seit Einführung der so genannten Handwerkerlösung in § 34 Absatz 5 Satz 1 FwG für Feuerwehrfahrzeuge und -geräte war es der überwiegenden Mehrheit der Kommunen im Land nicht möglich, angemessene Kostenersätze zu erheben. Dies ist maßgeblich darin begründet, dass die neu kalkulierten Stundensätze im Vergleich zu dem nach früherem Recht festgesetzten Kostenersätzen drastisch reduziert werden mussten. Die Schwierigkeit auf kommunaler Ebene ergab sich daraus, dass sich die Kostenkalkulation als sehr kompliziert und aufwendig erwies. Dies folgte aus der Tatsache, dass weder die Bemessung der Kostenersätze nach Jahresstunden noch die nach (örtlich auch noch sehr unterschiedlichen) Einsatzstunden zu einem vertretbaren Ergebnis führte. Aufgrund dieser unbefriedigenden Lage hat sich eine Arbeitsgruppe auf maßgebliche Initiative und unter Beteiligung von Vertretern des Gemeindetags und des Städtetags mit Vertretern des Innenministeriums sowie des Feuerwehrverbands die Lösung dieser Problematik zum Ziel gemacht. Der Landesvorstand hat zur geplanten Änderung des Feuerwehrgesetzes in der Sitzung vom 22.04.2015 folgenden Beschluss gefasst: Der Landesvorstand nimmt die vorgesehenen Änderungen des Feuerwehrgesetzes Baden-Württemberg zur Kenntnis und begrüßt ausdrücklich die geplante Änderung des § 34 Absatz 6 FwG, wonach die Hand- 920 Stundensätze Der neu vorgesehene § 34 Absatz 5 FwG soll zu Stundensätzen führen, die den Leistungen der Feuerwehr angemessen sind. In dem neuen § 34 Absatz 6 FwG ist die Ermächtigung des Innenministeriums enthalten, nach Maßgabe des Absatzes 5 Stundensätze für Feuerwehrfahrzeuge durch Rechtsverordnung festzusetzen. Dies ist besonders hervorzuheben, da damit einem besonderen Anliegen der im Vorfeld gegründeten Arbeitsgruppe Rechnung getragen wurde. Auch wenn die Berechnungsmethode nach § 34 Absatz 5 FwG deutlich vereinfacht wurde, wird an der Forderung einer landeseinheitlichen Lösung festgehalten. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass möglichst noch im Herbst eine entsprechende Rechtsverordnung mit landeseinheitlichen Pauschalsätzen für alle gängigen Feuerwehrfahrzeuge zu erlassen ist. Neben den Änderungen bezüglich des § 34 FwG werden auch Möglichkeiten eröffnet, zusätzliche Feuerwehrleute aufzunehmen, die dann den so genannten eingeschränkten Dienst leisten. Zudem soll die bereits bestehende Möglichkeit der Aufnahme von Fachberatern um einen Personenkreis erweitert werden, der in der Freiwilligen Feuerwehr nur einen bestimmten Teil des Dienstes leisten kann/will. Ziel ist es, damit eine gewisse Art von Flexibilität zu ermöglichen. Die dem Bürgermeister im Rahmen seiner Zuständigkeit für die organisatori- sche Oberleitung (§ 27 Absatz 4) obliegenden Befugnisse, Überlandhilfe anzufordern und über Ersuchen um Überlandhilfe zu entscheiden, können nach § 53 Absatz 1 der Gemeindeordnung nur auf Gemeindebedienstete übertragen werden; dies sind ehrenamtlich tätige Feuerwehrangehörige nicht. Wenn es die Schadensbekämpfung erfordert und die Entscheidung des Bürgermeisters oder eines von ihm beauftragten Gemeindebediensteten nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, muss auch der ehrenamtlich tätige Technische Einsatzleiter der Feuerwehr unverzüglich selbst Überlandhilfe anfordern können. Dies sieht der neue § 26 Absatz 1 Satz 3 FwG vor. Vereinbarungen zwischen Gemeinden und die Festlegung von Einsatzgebieten für die Überlandhilfe durch die Aufsichtsbehörde nach § 22 Absatz 6 Satz 2 können vorsehen, dass Gemeindefeuerwehren regelmäßig im Wege der Überlandhilfe tätig werden. Dies ist häufig auf Bundesautobahnen der Fall, wenn anstelle der örtlich zuständigen Gemeinde, deren Feuerwehr keine direkte Zufahrt hat, regelmäßig die Feuerwehr tätig wird, die eine günstigere Zufahrtsmöglichkeit hat und damit schneller Hilfe leisten kann. Die Hilfe leistende Gemeinde soll künftig den Kostenersatz nach § 34 FwG direkt beim Kostenersatzpflichtigen geltend machen und bei Bedarf ihren Anspruch selbst durchsetzen können. Dadurch wird die örtlich zuständige Gemeinde entlastet, deren Feuerwehr vielfach am Einsatz nicht beteiligt war und die nach der geltenden Rechtslage in diesem Fall allein bei der Abwicklung des Kostenersatzes tätig werden muss. Dies ergibt sich aus dem neuen § 26 Absatz 2 Satz 2 FwG. Außerhalb des Anhörungsentwurfs bittet das Innenministerium auch zum Vorschlag des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg, § 16 Abs. 2 Feuerwehrgesetz neu zu fassen, um Stellungnahme. Die dort vorgesehene „Ermächtigung“ für Gemeinden, den Angehörigen der Gemeindefeuerwehr finanzielle Unterstützung zu gewähren, ändert an der Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Rechtslage nichts und hat lediglich deklatorische Bedeutung. Bereits heute können die Gemeinden ihre Feuerwehrangehörigen unterstützen, sofern sie dabei den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 des Grundgesetzes und den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten. Mit Schreiben vom 24.07.2015 hat uns überdies das Innenministerium in Bezug auf die vereinfachte Festlegung von Personalkosten bei Einsätzen der Feuerwehr, die nach der Novelle nicht über die Gebührenverordnung des Landes abrechenbar wären, zu einer Stellungnahme aufgefordert. Bei den Hauptamtlichen Feuerwehren hat das Ministerium zwei Vorschläge unterbreitet. Zu beiden Vorschlägen ist festzustellen, dass die Gehälter der Hauptamtlichen Feuerwehrangehörigen aufgrund ihrer konkreten Einsatzzeiten nicht völlig deckungsgleich sind mit den Endgrundgehältern der anderen Bediensteten des öffentlichen Dienstes. Aus diesem Grunde ist die Berücksichtigung des auch vom Innenministerium vorgeschlagenen pauschalen Zuschlages sowohl beim Modell A (jährliche Personalkosten auf der Basis der monatlichen Endgrundgehälter) als auch beim Modell B, das das Innenministerium alternativ unter Bezugnahme auf den Rückgriff auf allgemein anerkannte Berechnungen vorschlägt, erforderlich. lagen und sonstigen, den Feuerwehran gehörigen entstehenden Kosten. Durch Satzung können Durchschnittswerte gebildet werden.“ Der letzte Satz des Entwurfs sollte gestrichen werden, da seine Umsetzung nicht praktikabel ist und zu Ungleichbehandlungen bei den Ersatzpflichtigen führt. Strategiepapier des Landesfeuerwehr verbandes Baden-Württemberg „freiwillig.stark!“ Die Nachwuchsgewinnung innerhalb der Freiwilligen Feuerwehren stellt eine zunehmend anwachsende Problematik dar. Durch das Strategiepapier möchte der Landesfeuerwehrverband BadenWürttemberg die besondere Förderung des Ehrenamtes bei der Freiwilligen Feuerwehr unterstützen und so deren Zukunftssicherung gewährleisten. Der Gemeindetag Baden-Württemberg unterstützt ausdrücklich die oben genannte Zielsetzung. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass nicht alle im Positionspapier genannten Maßnahmen rechtlich und tatsächlich umsetzbar sein dürften. Das Positionspapier enthält einige Maßnahmen, die vorrangig die Gemeinden in die Pflicht nehmen und deren Umsetzung in der geforderten Art und Weise nicht zu bewerkstelligen sein dürften. So ist die Fortschreibung der feuerwehrspezifischen Satzungen nur dann als sinnvoll anzusehen, wenn wesentliche rechtliche Änderungen dies notwendig machen. Mit Blick auf die Leistungsfähigkeit von insbesondere kleineren Gemeinden sind einige Forderungen unverhältnismäßig (Feuerwehrrente, Vergünstigung Hinsichtlich der ehrenamtlich tätigen Einsatzkräfte besteht bei dem vorgeschlagenen Berechnungsmodell das Problem, dass örtlich höchst unterschiedliche Konstellationen anzutreffen sind. Ziel sollte deshalb eine weitgehende Pauschalierung des Kostenersatzes sein. In das Gesetz sollte deshalb nach unserer Ansicht eine allgemeine Kalkulationsformel aufgenommen werden und auf eine Verweisung auf § 16 FwG verzichtet werden: Gemeindetag Baden-Württemberg Foto: E. Kopp/PIXELIO „Die Stundensätze für ehrenamtlich tätige Einsatzkräfte setzen sich zusammen aus der für den Einsatzdienst gewährten Entschädigung für Verdienstausfall und einen Zuschlag für die Entschädigung der Aus 921 Geschäftsbericht bei Bankdarlehen, Urlaubsgutscheine für Familie). Richtig ist zwar, dass sich die Verpflichtung der Gemeinde zur Aufstellung, Unterhaltung und Ausrüstung der Gemeindefeuerwehr an den den Feuerwehren obliegenden Aufgaben und dem örtlichen Gefahrenpotenzial orientiert. Schon diese Aufgabenerfüllung bedeutet für die Städte und Gemeinden eine erhebliche finanzielle Herausforderung. Weiterhin muss beachtet werden, dass die Grenzen zwischen den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr und hauptberuflich tätigen Feuerwehrangehörigen nicht verwischt werden darf. Die Gemeinden müssen bei Maßnahmen zur Förderung des Ehrenamtes recht liche Grenzen einhalten, wie zum Beispiel die Einhaltung des Gebotes der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG. Die zusätzlichen Leistungen und Vergünstigungen dürfen den Charakter der Ehrenamtlichkeit nicht unterlaufen und das Ehrenamt als solches nicht in Frage stellen. Wesensmerkmal der Ehrenamtlichkeit ist und bleibt die Unentgeltlichkeit. Dieser Grundsatz muss bei der Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen Berücksichtigung finden. Aufgrund dessen spricht sich der Gemeindetag Baden-Württemberg für einen Dialog zwischen den Gemeinden einerseits und dem Landesfeuerwehrverband aus. Das soll die Möglichkeit schaffen, einen Konsens herbeizuführen, um einen praktikablen Umgang mit den Forderungen aus dem Strategiepapier sowie einer guten Umsetzung gewährleisten zu können. In der Präsidiumssitzung des Gemeindetags vom 25.02.2015 wurde bezüglich des Strategiepapiers folgender Beschluss gefasst: Das Präsidium nimmt das Positionspapier des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg zur Kenntnis. Das Präsidium betont, dass aus seiner Sicht das Wesensmerkmal der Ehrenamtlichkeit bei einer Feuerwehr zwingend erkennbar bleiben muss. Der Bau- und Verkehrsausschuss wird beauftragt, sich vertieft mit den Überlegungen des Landesfeuerwehrverbandes auseinanderzusetzen. 922 BWGZ 19 | 2015 Gegebenenfalls wäre eine gemeinsame Arbeitsgruppe der kommunalen Landesverbände mit dem Landesfeuerwehrverband geeignet, eine praxisgerechte Empfehlung zu entwickeln. Der Bau- und Verkehrsausschuss hat in seiner Sitzung am 04.03.2015 zum „Strategiepapier“ folgenden Beschluss gefasst: Der Bau- und Verkehrsausschuss nimmt das Positionspapier des Landesfeuerwehrverbandes BadenWürttemberg zur Kenntnis. Der Bauund Verkehrsausschuss betont, dass aus seiner Sicht gewisse Forderungen als rechtlich bedenklich einzustufen sind und das Wesensmerkmal der Ehrenamtlichkeit bei einer Freiwilligen Feuerwehr zwingend sein muss. Der Bau- und Verkehrsausschuss spricht sich zur weitergehenden Behandlung der Thematik für die Gründung einer Arbeitsgruppe aus. Diese besteht aus Mitgliedern der kommunalen Landesverbände sowie des Landesfeuerwehrverbandes. Deren Ziel ist die Herausarbeitung einer praxisgerechten Empfehlung. In einem Spitzengespräch zwischen Vertretern der kommunalen Landesverbände sowie dem Landesfeuerwehrverband Baden-Württemberg am 20.07.2015 wurde die oben genannte Linie bestätigt, indem eine Arbeitsgruppe mit insgesamt 15 Vertretern gebildet wurde. Das erste Arbeitstreffen soll noch im Herbst dieses Jahres stattfinden. Kostenersatz Feuerwehr Im Zusammenhang mit der Novellierung des Feuerwehrgesetzes im Jahr 2010 wurde auch der Kostenersatz für die Einsätze der Gemeindefeuerwehr von Grund auf neu geregelt. Dabei wurden die Kalkulationsgrundlagen weitgehend in Anlehnung an die Grundsätze des Benutzungsgebührenrechts ausgestaltet, wobei § 34 Abs. 5 Satz 4 FwG bestimmt, dass bei den Feuerwehrgeräten und -fahrzeugen die Vorhaltekosten auf der Grundlage der im gewerblichen Bereich üblichen Nutzungszeiten berechnet werden können (sog. Handwerkerlösung). Diese Nut- zungszeiten werden in der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf mit 2000 Jahresstunden definiert. Statt zu einer angemessenen Einnahmeverbesserung hat die Neuregelung im Sinne der so genannte Handwerkerlösung in der Praxis überwiegend zu drastisch reduzierten Stundensätzen bei den Fahrzeugen und Geräten geführt, weil die Jahreseinsatzstunden viel zu hoch festgesetzt worden sind. Von kommunaler Seite wurde deshalb seit Jahren gefordert, § 34 Abs. 5 FwG so zu ändern, dass es den Kommunen ermöglicht wird, wieder angemessene Kostenersätze zu erheben. Dieser Forderung wird nunmehr durch einen Gesetzentwurf zur Änderung des Feuerwehrgesetzes Rechnung getragen. In § 34 werden die Berechnungsgrundlagen für die Stundensätze der Feuerwehrfahrzeuge und Einsatzkräfte neu gefasst. Die Berechnungsmethode wird nicht nur deutlich vereinfacht, es wird auch sichergestellt, dass künftig wieder angemessene Stundensätze festgesetzt werden können. Außerdem trägt der Gesetzentwurf einem weiteren wesentlichen Anliegen von Gemeindetag Baden-Württemberg und Städtetag Baden-Württemberg Rechnung, indem neu eine Ermächtigung an das Innenministerium in § 34 Abs. 6 FwG aufgenommen wurde, künftig die Stundensätze für Feuerwehrfahrzeuge durch Rechtsverordnung (pauschal) festzusetzen. Weil dadurch örtliche Kalkulationen überflüssig werden, trägt die Neuregelung auch wesentlich zu einer Verwaltungsvereinfachung im Feuerwehrbereich bei. Feuerwehrbeschaffungskartell: Eckpunkte des DStGBAbschlussberichts Bekanntlich hat das Bundeskartellamt Anfang 2011 das zulasten der Kommunen stattgefundene „Feuerwehrbeschaffungskartell“ mit den vier Unternehmen Albert Ziegler, Rosenbauer, Iveco Magirus (jetzt Magirus GmbH) sowie Schlingmann aufgedeckt. In der Folge haben die kommunalen Spitzenverbän- Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 de unter Federführung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds mit den Kartellanten eine außergerichtliche Einigung über die Begleichung der durch das Preiskartell (01.01.2000 bis 23.06.2004) den Kommunen entstandenen Schäden erzielt. Die Bündelung der Ersatzansprüche hat zeit- und kosten intensive Einzelklagen von Kommunen mit ungewissem Ausgang verhindert. Die Abwicklung des Schadens aus dem Regulierungsfonds kommt jetzt sowohl beim „Löschfahrzeugkartell“ als auch beim „Drehleiterkartell“ zum Abschluss. Die Eckpunkte der Schadensersatzregulierung sowie auch des Verfahrens über die vergaberechtliche „Selbstreinigung“ der Unternehmen sind nachfolgend zusammengefasst. • Schadensersatz und Schadenausgleich Löschfahrzeugkartell Die drei Kartellanten (Rosenbauer, Iveco, Schlingmann; Anmerkung: Die Firma Ziegler hat sich wegen ihrer Insolvenz nicht beteiligt) haben als Teil ihrer erforderlichen „Selbstreinigung“ ein neutrales Gutachten zu den Fragen der Existenz und der Höhe des kartellbedingten Schadens finanziert. Dieses Gutachten wurde gemeinsam von den kommunalen Spitzenverbänden und den Kartellanten nach Durchführung eines Auswahlverfahrens bei der Firma Lademann & Associates (Hamburg) in Auftrag gegeben. Auf Basis des ermittelten Kartellschadens im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 23.06.2004 wurde ein Kompensationsvorschlag entwickelt. Dieser sah vor, dass die Kartellanten als Schadensausgleich bis zu 6.738.000 Euro in einen Fonds einzahlen. Aus diesem Fonds haben die betroffenen Kommunen eine Entschädigung erhalten. Alle betroffenen Kommunen werden entschädigt und damit auch die Kommunen, die bei der insolventen Firma Ziegler ihre Fahrzeuge beschafft haben. 1579 Kommunen haben Regulierungsanträge gestellt und es wurde die Kompensation für 2596 Löschfahrzeuge beantragt und in- Gemeindetag Baden-Württemberg zwischen auch ausgezahlt. Die Entschädigung pro Fahrzeug liegt, abhängig vom Fahrzeugtyp, zwischen 1.620 Euro und 2.200 Euro. Insgesamt wurden bisher 4.327.200 Euro an Entschädigung gezahlt. Es wurde die Rücknahme aller anhängigen Gerichtsverfahren bei den teilnehmenden Kommunen erreicht. Drehleiterkartell Beim „Drehleiterkartell“ waren die Unternehmen Magirus und Metz (Rosenbauer) beteiligt. Hier beträgt die Kompensation von 10.500 Euro bis zu 16.000 Euro pro Fahrzeug. Die Auszahlung an die Kommunen erfolgte Anfang Juli. Bis zum 30.06.2014 wurden von den Kommunen 356 Anträge, die eine Kompensation für 436 Fahrzeuge beinhalten, gestellt. Insgesamt wurde ein Kompensationsbetrag von 5.451.500 Euro genehmigt, der mit 3.400.000 Euro auf Metz und mit 2.051.500 Euro auf Magirus entfällt. • Zertifizierung und Mitwirkung der Kartellanten bei der Schadensaufklärung Prüfung und Zertifizierung der vergaberechtlichen Zulässigkeit durch die „ZertBau“ Bereits die Vergabekammer Niedersachsen hatte in zwei Entscheidungen vom 24. März 2011 und vom 14. Februar 2012 zum Feuerwehrbeschaffungskartell die Rechtsauffassung der kommunalen Spitzenverbände nach einer umfassenden Aufklärungspflicht der Unternehmen auch hinsichtlich des Schadensumfangs voll inhaltlich bestätigt. Im Zuge dessen haben sich die Unternehmen zu einer fortlaufenden und jährlich durchgeführten vergaberechtlichen Prüfung ihrer Eignung („Selbstreinigung“) und damit auch zu einer Zertifizierung verpflichtet. Diese Prüfung und Zertifizierung wird durch ein eigenes hierfür durch die kommunalen Spitzenverbände ausgewähltes Institut, die „ZertBau GmbH“, durchgeführt. Aktuell sind von der „ZertBau“ die Unternehmen Magirus, Rosenbauer und Schlingmann geprüft und – positiv – zertifiziert. Eine Zertifizierung der Albert Ziegler GmbH & Co KG ist aktuell nicht gegeben. Nach Auskunft der „ZertBau“ war die Bescheinigung für die Albert Ziegler GmbH & Co KG (Zertifizierung) auf den 22. April 2014 befristet. Die erfolgten Zertifizierungen haben im Sinne einer Präqualifikation bei der Prüfung der Eignung der Unternehmen den Erklärungswert einer Eigenerklärung. Dies bedeutet, dass die jeweils zertifizierten Unternehmen mit der Abgabe der Eigenerklärung (Zertifizierung) deutlich machen können, dass die von der Eignungsprüfung umfassten Nachweise als erbracht gelten. Einer separaten Prüfung bedarf es dann nicht mehr. Kann eine derartige Eigenerklärung mangels Zertifizierung nicht abgegeben werden, müssen sich grundsätzlich die Städte und Gemeinden im Rahmen von Vergabeverfahren von der Richtigkeit der von ihnen abgeforderten Nachweise im Rahmen einer separaten Eignungsprüfung des oder der Unternehmen überzeugen. Dies führt regelmäßig für die Vergabestellen, aber auch für die Unternehmen, zu einem erhöhten Aufwand, etwa durch zusätzliche Anfragen sowie durch das Abfordern und Beibringen von Nachweisdokumenten durch die Vergabestellen und die Unternehmen. Wegen der aktuell nicht vorhandenen Zertifizierung des Unternehmens Albert Ziegler GmbH & Co KG durch die „ZertBau“ hat der DStGB die „ZertBau“ gebeten, nochmals bei dieser schriftlich um eine Prüfung und – bei positivem Ausgang – Erteilung der Zertifizierung nachzufassen. Dies ist durch ein Schreiben der „ZertBau“ vom 30. Juni 2014 an die Albert Ziegler GmbH & Co KG erfolgt. • Entwicklungen auf der EU-Ebene In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, dass die seit dem 17. April 2014 geltende EU-Vergaberichtlinie eine ausdrückliche Bestimmung über die notwendige „Selbstreinigung“ und die hiervon erfasste Aufklärungspflicht der Unternehmen (Kartellanten) sowie auch zur Mitwirkung bei der Schadensbeseitigung enthält. Auch die EU-Richtlinie 923 Geschäftsbericht über „Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbliche Bestimmungen“ ist im Sinne der kommunalen Forderungen. Diese am 17. April 2014 vom EU-Parlament beschlossene Richtlinie sieht u.a. eine Vermutung dahingehend vor, dass Kartelle stets einen Schaden verursachen. Mit deren Umsetzung wird in Zukunft der Schadensnachweis durch Kommunen bei ähnlich gelagerten Fällen hoffentlich erleichtert möglich sein. Denn insoweit muss mit Recht der Grundsatz gelten: Der Schädiger (Kartellant) und nicht der Geschädigte ist bei Kartellen hinsichtlich des Schadennachweises in der Bringschuld! • Anmerkung Die Gemeinde P. hat gegen die Firma Schlingmann Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Es handelte sich um ein Vergabeverfahren, in dem die Gemeinde die Formulare des Kommunalen Vergabehandbuchs VOL verwendet hat, nach denen bei wettbewerbswidrigen Absprachen die Gemeinde einen pauschalen Schadenersatzanspruch in Höhe von 15 Prozent der Auftragssumme hat, sofern nicht der Auftragnehmer einen niedrigeren Schaden nachweisen kann. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat seinen Mitgliedern immer wieder die Anwendung des Vergabehandbuchs empfohlen, um eine rechtssichere Vergabe zu gewährleisten. Das LG Mannheim hat mit Urteil vom 04.05.2012 – 7 O 436/11 Kart – den Anspruch der Gemeinde P. bestätigt. Nach den Entscheidungsgründen ist das Zivilgericht gemäß § 33 Abs. 4 GWB an die Feststellungen einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde gebunden, wenn das kartellrechtswidrige Verhalten vor dem Inkrafttreten der Vorschrift begangen, die Entscheidung aber danach erlassen worden ist. Der von der Gemeinde mit dem Lieferanten des Feuerwehrfahrzeugs vereinbarte pauschale Schadenersatz sei auch unter AGB-Gesichtspunkten wirksam. Hat demnach die Gemeinde in den von ihr gestellten allgemeinen Vertragsbedin- 924 BWGZ 19 | 2015 gungen den Schadenersatz im Fall kartellrechtswidrigen Verhaltens des Auftragnehmers auf 15 Prozent der Vertragssumme pauschaliert, ist die Klausel jedenfalls dann wirksam, wenn die im Bußgeldbescheid festgestellten Verhaltensweisen dazu dienten, zuvor gewährte Sonderrabatte von bis zu 30 Prozent zu vermeiden und Rabatte von 10 bis 12 Prozent auf dem Markt üblich sind. Im Berufungsverfahren hat das OLG Karlsruhe mit seinem Urteil vom 31.07.2013 – 6 U 51/12 (Kart.) – die Klage der Gemeinde ebenfalls bestätigt; die Berufung der Firma Schlingmann wurde zurückgewiesen. Der Fall ging zwar zum BGH; die Firma Schlingmann hat dann jedoch die Revision zurückgenommen. In seiner Entscheidung stellte das OLG Karlsruhe fest: Die Zusätzlichen Vertragsbedingungen des Formblatts zum Kommunalen Vergabehandbuch VOL enthalten keine Vertragsstrafenabrede, sondern eine schadenspauschalierende Klausel für den Fall einer kartellrechtswidrigen Absprache. Ist die Beschaffung eines Löschgruppenfahrzeugs unter einem – vom Bieter begangenen – Verstoß gegen die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) erfolgt, hat die das Fahrzeug beschaffende Gemeinde als Betroffene des Kartellverstoßes einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch. Anspruchsgrundlage für den wegen einer Beschaffung im Jahre 2004 geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen eines Kartellverstoßes ist § 33 i.V. mit § 1 GWB in der Fassung vom 26.08.1998 (gültig vom 01.01.1999 bis 30.06.2005). Die Vorschrift des § 33 Abs. 4 GWB n.F. (in Kraft seit 13.07.2005) ist – trotz einer Beschaffung im Jahre 2004 – maßgeblich, weil sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des kartellbehördlichen Verfahrens im Jahr 2011 in Kraft war. Zugunsten der Gemeinde besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass das Angebot eines Bieters gegenüber der Gemeinde und damit der Vertrag mit der Gemeinde von dem Kartell und damit zum finanziellen Nachteil der Klägerin beeinflusst waren. Es besteht ein Anscheinsbeweis für die Tatsache, dass sich das Feuerwehr-Quotenkartell all- gemein preissteigernd ausgewirkt hat und ein weiterer Anscheinsbeweis dafür, dass der Verkauf des Feuerwehrfahrzeugs an die Gemeinde nicht frei von den Einflüssen des Feuerwehrbeschaffungskartells war, die Gemeinde also von dem Kartell betroffen ist. Eine nach den kommunalen ZVB vereinbarte Schadenspauschalierung schneidet die Nachweismöglichkeit, wonach keine oder einer geringerer Schaden besteht, nicht ab. Die schadenspauschalierende Klausel in Nr. 16 ZVB nach dem kommunalen Vergabehandbuch VOL ist nicht unwirksam und verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist außerdem nach dem Maßstab des § 309 Nr. 5a BGB nicht unzulässig und nach dem Maßstab des § 309 Nr. 5b BGB nicht unwirksam. • Realisierung der von den Kommunen an Magirus/Rosenbauer abgetretenen Forderungen gegen Ziegler – Bitte um Unterstützung durch die Betroffenen „Ziegler-Kommunen“ Die Bundevereinigung der kommunalen Spitzenverbände teilte mit Schreiben vom 08.05.2015 in oben genannter Sache Folgendes mit: „Sehr geehrte Damen und Herren, im Rahmen der Kompensation des zwischen Iveco Magirus Brandschutztechnik GmbH (jetzt: Magirus GmbH), Rosenbauer Deutschland GmbH und Schlingmann GmbH & Co.KG sowie den kommunalen Spitzenverbänden vereinbarten Regulierungsabkommens vom Mai 2013 im Fall Feuerwehrlöschfahrzeuge hatten die genannten Unternehmen sich zur Erledigung kartellbedingter Schäden den Kommunen gegenüber verpflichtet, diesen Ausgleichszahlungen zukommen zu lassen. Die Regulierung ist zwischenzeitlich erfolgreich abgeschlossen. Die Albert Ziegler GmbH & Co. KG hat sich als ebenfalls an den vorgeworfenen Kartellverstößen beteiligtes Unternehmen weder an der Regulierungsvereinbarung noch an der Schadenswiedergutmachung beteiligt. Um den Kommunen Ausgleichszahlungen auch für die Ziegler-Fahrzeuge zu gewähren, hatten sich Magirus und Rosenbauer bereiterklärt, auch für diese Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Fahrzeuge Kompensation zu leisten. Insgesamt haben Magirus und Rosenbauer hierfür einen Betrag von 1,6 Mio. Euro in den Entschädigungsfonds gezahlt. Zum Ausgleich für die von Magirus und Rosenbauer geleisteten Zahlungen haben die an dem Regulierungsverfahren teilnehmenden Kommunen ihre Schadensersatzforderungen gegen das Unternehmen Ziegler an Magirus und Rosenbauer abgetreten. Von dem Schadensersatz, den Magirus und Rosenbauer aufgrund dieser Forderungen ggf. erfolgreich realisieren, geht gemäß der Regulierungsvereinbarung die Hälfte an den gemeinsamen Regulierungsfonds und damit letztlich an die beteiligten Kommunen. Die Albert Ziegler GmbH & Co. KG ging kurz nach Verhängung des Bußgeldbescheides gegen das Unternehmen im Jahr 2011 in Insolvenz. In dem Ziegler-Insolvenzverfahren haben Magirus und Rosenbauer die abgetretenen Forderungen der Kommunen zwischenzeitlich zur Insolvenztabelle angemeldet. Diese Forderungen sind vom Insolvenzverwalter noch nicht geprüft, sie werden jedoch von ihm in voller Höhe bestritten. Vergleichsbereitschaft zur Befriedigung der abgetretenen Forderungen war auf Seiten des Insolvenzverwalters bislang nicht zu erkennen. Magirus und Rosenbauer müssen sich deshalb darauf einstellen, dass die Berechtigung ihrer Forderungen nach Vorliegen des Ergebnisses der Prüfung durch den Insolvenz verwalter im gerichtlichen Verfahren festgestellt werden muss. Die Unterlagen, die von den Kommunen bislang in dem bereits durchgeführten Regulierungsverfahren vorgelegt wurden, reichen aber für die erforderliche gerichtliche Geltendmachung der Forderungen gegen den Insolvenzverwalter nicht sicher aus. Die von den Kommunen im Insolvenzverfahren selbst getätigten Anmeldungen beruhten häufig auf einer Schadensannahme in Höhe von 15 Prozent, die in dieser Höhe mit so genannten Klausel-Vereinbarungen in Aufträgen begründet wurden. Die Nachweise für diese Klausel-Vereinbarungen befinden sich jedoch nicht bei den Unterlagen, die von den Kommunen bei der Geltendmachung der Kompensationsforderung gegenüber Lademann & Associates GmbH vorgelegt wurden. Es ist deswegen erforderlich, diese nunmehr ergänzend von den Kommunen zu erbitten. Für die erfolgreiche Geltendmachung ist es zur Vorbereitung einer Klage erforderlich, dass seitens der Kommunen die Unterlagen zu den so genannten Klauselfällen vorliegen, d.h. zu den Fällen, in denen Kommunen sich auf eine vertragliche Vereinbarung in Form einer Schadensersatzklausel, in der Regel 15 Prozent, berufen haben. Darüber hinaus ist es aber auch erforderlich, dass für die Schadensersatzansprüche, die nicht aus einer solchen Klausel abgeleitet werden, die erforderlichen Angaben und Unterlagen für eine erfolgreiche gerichtliche Feststellung der Ansprüche zur Verfügung gestellt werden. Das betrifft sowohl Ausschreibungsunterlagen wie auch die Zuschlagsschreiben im Vergabeverfahren. Sollten im Ergebnis tatsächlich Forderungen realisiert werden, ist beabsichtigt, die unterstützenden Kommunen an den erzielten Erlösen zu beteiligen. Einzelheiten hierzu müssen allerdings noch zwischen den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt werden. Die Kommunen werden konkret gebeten, folgende Unterlagen zu übermitteln: − die vollständigen Ausschreibungsunterlagen mit Leistungsbeschreibung/Leistungsverzeichnis und den Vertragsbedingungen – in den zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) oder den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) können sich die pauschalierte Schadensersatzklausel befinden – und − die Zuschlagsschreiben der Kommune an Ziegler. Sind die Ausschreibungsunterlagen oder Zuschlagsschreiben nicht vorhanden, wird um Übersendung − der Ziegler-Angebote sowie − der Unterlagen über die Auswahl und Zuschlagserteilung (Vergabevermerk oder - Protokoll) gebeten. (...)“ Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat im Anschluss an das Schreiben sämtliche betroffenen Kommunen angeschrieben, die ihre Unterlagen zur Vorbereitung der Klage an die entsprechende Stelle gesandt haben. Gemeindefinanzbericht Baden-Württemberg 2015 Der in dieser BWGZ 15-16/2015 vorgestellte Gemeindefinanzbericht stellt die aktuelle kommunale Finanzsituation in Baden-Württemberg in allen Facetten dar. Im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen 2016 bietet dieser Bericht der Verwaltung sowie den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten eine fundierte und umfassende Informationsgrundlage. Alle Mitgliedsstädte und Mitgliedsgemeinden, die diese Informationsquelle nutzen möchten, können Mehrexemplare dieser BWGZ 15-16/2015 zu einem Sonderpreis bestellen. Mehrexemplare dieser BWGZ 15-16/2015 können zu folgenden Preisen bezogen werden: 1 bis 4 Hefte 9 Euro pro Exemplar 5 bis 9 Hefte 8 Euro pro Exemplar ab 10 Heften 7 Euro pro Exemplar Bestellungen per Mail bitte mit Angabe der Anzahl an: [email protected]. Die Lieferung erfolgt mit Rechnung. Gemeindetag Baden-Württemberg 925 Geschäftsbericht Änderung des Bauplanungsrechts – Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern Die Bundesregierung hat mit Datum vom 08.10.2014 dem Bundestag den Gesetzentwurf des Bundesrates eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen übermittelt (BT-Drs. 18/2752). Hintergrund sind die bauplanungsrechtlichen Fragen für die Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern. Die aktuellen Zuwanderungszahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lassen vermuten, dass mindestens 800.000 Flüchtlinge im Jahr 2015 in die Bundesrepublik Deutschland kommen werden. Die Bereitstellung von Unterkünften für diese Menschen, die oft aus Krisengebieten stammen, stellt in Ballungszentren mit ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt ein großes Problem dar. Flächen, die zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum für den Wohnungsbau benötigt werden, stehen im Regelfall nicht zur Verfügung. Die zeitnahe Nutzung anderer Flächen scheitert vielfach an planungsrechtlichen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund waren gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen eines zeitlich befristeten Maßnahmengesetzes im Bereich des Bauleitplanungsrechts und der bauplanungs- BWGZ 19 | 2015 rechtlichen Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern dringend geboten, mit deren Hilfe die bedarfsgerechte Schaffung von öffentlichen Unterbringungseinrichtungen zeitnah ermöglicht und gesichert wird. Änderungen Das Gesetz vom 20.11.2014, BGBl. 1748, in Kraft seit 26.11.2014, enthält eine Reihe von Änderungen. Zu den Grundsätzen der Bauleitplanung (siehe § 1 BauGB) gehört nun auch, dass bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen nach dem Baugesetzbuch die Belange von Flüchtlingen, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, insbesondere deren Unterbringung, zu berücksichtigen sind. Für die Zulassung von Befreiungen gilt, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB auch bei der Errichtung und Erweiterung von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie bei der Nutzungsänderung bestehender baulicher Anlagen in Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern vorliegen. Die Vorschrift des § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB ist entsprechend auf die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäude in Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern dienen, und auf deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung anzuwenden. Foto: Gemeindetag Baden-Württemberg Für Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern dienen, gilt die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 Satz 1 des Baugesetzbuchs, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll. Besonders bedeutsam ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des VGH zur Zulässigkeit von Gemeinschaftsunter- 926 künften für Asylbewerber die Änderung des § 8 Abs. 3 BauNVO. Danach können Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Gewerbegebieten ausnahmsweise zugelassen werden; das gilt auch für Bebauungspläne, die auf der Grundlage einer früheren Fassung der Baunutzungsverordnung in Kraft getreten sind. Hintergrund dieser Rechtsänderung ist die Rechtsprechung des VGH BadenWürttemberg: Eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber ist nach dieser Rechtsprechung in einem Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als Anlage für soziale Zwecke zulässig, weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbewerbers ist, ihr damit ein wohnähnlicher Charakter zukommt und sie sich daher in einem Gewerbegebiet als gebietsunverträglich erweist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2013 – 8 S 2504/12). Hinweise des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg hat mit Schreiben vom 27.10.2014 – 2-2513.0/79 – auf die beabsichtigte Änderung des Bauplanungsrechts hinsichtlich der Zulassung von Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende hingewiesen (siehe Gt-INFO Nr. 906/2014 vom 04.11.2016). Dabei wird über die kurzfristig bevorstehende Änderung des Baugesetzbuchs berichtet. Dem Schreiben des MVI sind beigefügt die Hinweise zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Standorten für Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbegehrenden in den verschiedenen Gebietskulissen (Stand 02.10.2014), beschlossen durch die Fachkommission Städtebau am 02.10.2014. Diesen Hinweisen beigefügt ist eine tabellarische Darstellung der Rechtsprechung zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Unterkünften für Flüchtlinge bzw. Asylbewerber in den verschiedenen Gebietskulissen. Gemeindetag Baden-Württemberg Viele Fragen, eine Antwort: Der LBS-Kommunalbausparvertrag Sparkassen-Finanzgruppe · www.LBS-BW.de Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause. Investitionen im kommunalen Bereich: Planbar, zinssicher und flexibel. Zinssicherheit über die gesamte Laufzeit. Der LBS-Kommunalbausparvertrag bietet eine zinssichere und günstige Finanzierungsmöglichkeit, die auf die besonderen Bedürfnisse kommunaler Projekte und Finanzierungen zugeschnitten ist. Unabhängig ob heute oder in der Zukunft, mit einem LBSKommunalbausparvertrag ist die Finanzierung Ihrer Projekte sichergestellt – wir haben das passende Angebot. Optimale Zinssicherung mit hoher Flexibilität kalkulierbare Belastungen über die gesamte Laufzeit Ansparung und Sondertilgungen flexibel an die Beispiel: Sofortfinanzierung mit dem LBS-Kommunalbausparvertrag Kombikredit mit 21 Jahren Gesamtlaufzeit Classic FG5: Bauspar-/Kreditsumme 1.000.000 Euro Monatlicher Aufwand 4.575 Euro Vorauskredit mit 1,35 % Sollzins = 1.125 € Sparleistung = 3.450 € 10 Jahre Monatlicher Aufwand 5.000 Euro Bauspardarlehen mit 2,35 % Sollzins Zins- und Tilgungsbeitrag = 5.000 € 10 Jahre, 11 Monate Gesamtlaufzeit 20 Jahre, 11 Monate mit Gesamt-Effektivzins in Höhe von 1,84 % aktuelle Haushaltslage anpassen gezielte Rücklagenbewirtschaftung Der LBS-Kommunalbausparvertrag ist für alle Infrastrukturmaßnahmen einsetzbar, zum Beispiel: für den Kauf und die Erschließung von Grundstücken für den Bau von Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen, Alten- und Pflegeheimen ... als Vorsorge für Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen für die Sicherstellung der Wasser-, Gas- und Stromversorgung auch für die Ablösung laufender Kredite mit hohem Zinssatz, die für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen verwendet wurden zur Zinssicherung Weitere Informationen erhalten Sie gerne bei Ihrer Sparkasse, BW-Bank oder direkt bei der LBS Landesbausparkasse Baden-Württemberg Halbe Abschlussgebühr (5.000 Euro) für Kommunalkredite wird sofort eingezahlt. Die Darlehensschuld vermindert sich um 1,5 % Kondition Vorauskredit Stand 27.07.2015 . Frau Alexandra Schwenk, Jägerstraße 36, 70174 Stuttgart, Telefon 0711 183-2199, [email protected] Geschäftsbericht Novellierung der Landesbauordnung Der Landtag hat am 05.11.2014 die neue Landesbauordnung beschlossen; sie ist am 1. März 2015 in Kraft getreten. Der Gemeindetag hat bereits Ende Juli 2013 den Anhörungsentwurf für ein Gesetz zur Änderung bauordnungsrecht lichen Vorschriften zur Stellungnahme erhalten. Die nun novellierte Landesbauordnung setzt den Koalitionsvertrag vom 27.04.2011 um, wonach die Landesbauordnung nach sozialen und ökologischen Kriterien überarbeitet werden soll. Wesentlicher Inhalt sind Regelungen über Fahrrad- und Kfz-Stellplätze, die erleichterte Nutzung regenerativer Energien und die Beschränkung des Anwendungsbereichs des Kenntnisgabeverfahrens. Der Gesetzesbeschluss des Landtags enthält die nachfolgenden Rechtsänderungen. Vereinfachung der Giebelhöhenan rechnung im Rahmen der Abstands flächenberechnung: In § 5 Abs. 5 Nr. 2 werden bei der Berechnung der einzuhaltenden Abstandsflächen die Giebel aller Dächer in gleicher Weise berücksichtigt werden. Begrünung baulicher Anlagen: Ist eine Begrünung des Baugrundstücks nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, sind die baulichen Anlagen künftig zu begrünen (z.B. durch Dach- oder Fassadenbegrünung), soweit ihre Beschaffenheit, Konstruktion und Gestaltung dies zulassen und die Maßnahme für den Bauherrn wirtschaftlich zumutbar ist. Anzeigepflicht für Grundstückstei lungen: Eine geplante Teilung eines Grundstücks muss künftig zwei Wochen vorher der unteren Baurechtsbehörde angezeigt werden; damit kann die untere Baurechtsbehörde prüfen, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, falls durch die Teilung bauordnungswidrige Verhältnisse entstehen. Verbesserung des Brandschutzes bei der Tierhaltung in Ställen: Gebäude zur Haltung von Tieren müssen künftig über angemessene Einrichtungen zur Rettung der Tiere im Brandfall verfügen. 928 BWGZ 19 | 2015 Erweiterung der Verwendung von Holz: Decken sowie tragende, aussteifende oder raumabschließende Wände und Stützen, die als hochfeuerhemmende Bauteile (d.h. mit der Feuerwiderstandsfähigkeit F 60) oder als feuerbeständige Bauteile (F 90) ausgeführt werden müssen, dürfen aus brennbaren Baustoffen (z.B. Holz) ohne (nichtbrennbare) Brandschutzbekleidung bestehen, soweit die erforderliche Feuerwiderstandsdauer von 60 bzw. 90 Minuten tatsächlich erreicht wird. Dadurch wird auch bei Gebäuden über 7 Meter Höhe der Massivholzbau durchgängig ermöglicht, wodurch der Einsatzbereich von Holz als Baustoff deutlich erweitert wird. Barrierefreiheit im allgemeinen Woh nungsbau (§ 35 Abs. 1 LBO): In Wohngebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein. In diesen barrierefrei erreichbaren Wohnungen eines Geschosses müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische barrierefrei nutzbar und mit dem Rollstuhl zugänglich sein. Pflicht zur Schaffung von Abstellflä chen für Kinderwagen und Gehhilfen und Ausweitung der Pflicht auf ge mischt genutzte Gebäude: Diese Abstellflächen müssen nicht nur in Wohngebäuden, sondern auch in gemischt genutzten Gebäuden geschaffen werden. Umwandlung von Kfz-Stellplätzen in Fahrrad-Stellplätze: Bis zu einem Viertel der vorgeschriebenen Kfz-Stellplätze nach § 37 Abs. 2 können durch FahrradStellplätze ersetzt werden. Dabei werden für einen Kfz-Stellplatz vier Fahrrad-Stellplätze herzustellen sein. Eine Anrechnung auf die Zahl der nach § 37 Abs. 2 vorgeschriebenen (notwendigen) Fahrrad-Stellplätze ist ausgeschlossen. Außerdem wird die Umwandlung vorgeschriebener Kfz-Stellplätze für Wohnungen nicht möglich sein. Verpflichtung zur Anlage von FahrradStellplätzen: Der neugefasste § 37 Abs. 2 enthält die allgemeine Verpflichtung zur Schaffung von Fahrrad-Stellplätzen. Da- nach werden bei der Errichtung baulicher Anlagen, bei denen ein Zu- und Abfahrtsverkehr mit Fahrrädern zu erwarten ist, notwendige Fahrrad-Stellplätze in solcher Zahl herzustellen sein, dass sie für die ordnungsgemäße Nutzung der Anlagen ausreichen. Für jede Wohnung müssen zwei geeignete wettergeschützte Fahrrad-Stellplätze (notwendige Fahrrad-Stellplätze) hergestellt werden; es gibt die Öffnungsklausel, wonach die Pflicht zur Herstellung von Fahrrad-Stellplätzen dann nicht besteht, wenn solche nach Art, Größe oder Lage der Wohnung nicht erforderlich sind. Anreize für Carsharing-Stellplätze: Als Verwendungsoption für die Einnahmen aus der Ablösung von Kfz-Stellplätzen wird künftig die Herstellung von Parkeinrichtungen für die gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen ausdrücklich genannt, um die Mittelverwendung für diesen Zweck zu fördern. Einschränkung des Kenntnisgabever fahrens: Das Kenntnisgabeverfahren ist nur noch für Bauvorhaben möglich, die die Festsetzungen des Bebauungsplans einhalten. Die bisherigen isolierten Entscheidungen über Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen von baurechtlichen Vorschriften entfallen somit. Sind solche Entscheidungen erforderlich (z.B. Ausnahmen nach § 31 BauGB), kann der Bauherr auch das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren beschreiten. Die Vorschrift schränkt das Kenntnisgabeverfahren jedoch nicht ein, wenn der Bauherr die von der Gemeinde beschlossenen örtlichen Bauvorschriften nicht einhalten will und dafür eine Befreiung nach § 56 LBO benötigt. Ausweitung der Abweichungsmög lichkeiten zur erleichterten Nutzung regenerativer Energien: Es besteht ein Rechtsanspruch auf Zulassung von Abweichungen von bauordnungsrecht lichen Vorgaben „zur Nutzung erneuerbarer Energien“. Damit soll die Errichtung von Solar- oder Kleinwindenergieanlagen erleichtert werden. Beschränkung von Regelungen in kommunalen Gestaltungssatzungen Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 (örtliche Bauvorschriften), die Vorha ben zur Nutzung regenerativer Ener gien entgegenstehen: Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen in örtlichen Bauvorschriften, die allein zur Durchführung baugestalterischer Absichten gestellt werden, dürfen die Nutzung erneuerbarer Energien nicht ausschließen oder unangemessen beeinträchtigen. Damit soll zum Beispiel der generelle Ausschluss von Solaranlagen auf Dächern aus rein gestalterischen Gründen verhindert werden. − nach der Verbändevereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene und den Mobilfunknetzbetreibern vom Juli 2001 (die Mobilfunkerklärung Baden-Württemberg vom November 2004 ist insoweit identisch), −Anhörungspflicht der Gemeinden nach dem neuen § 7a der 26. BImSchV (siehe Bericht in BWGZ 14/2013) und −die (oben beschriebene) Anzeigepflicht nach der LBO. terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg auf der Basis seiner Gremienbeschlüsse gefordert, die Zuständigkeit der Gemeinden für die Gutachterausschüsse nicht zu verändern. Die Aufgaben des Gutachterausschusses sollen somit weiterhin eine Gemeindeaufgabe sein. Die Einrichtung eines Gutachterausschusses und der Geschäftsstelle für den Gutachterausschuss ist derzeit nur auf der Ebene einer Gemeinde oder einer Verwaltungsgemeinschaft möglich. Kommunales Satzungsrecht hinsicht lich der Anzahl der Kfz-Stellplätze: Gemeinden werden ermächtigt, durch örtliche Bauvorschrift auch weniger als den nach § 37 LBO vorgeschriebenen einen notwendigen privaten Kfz-Stellplatz pro Wohnung festzulegen, um den Individualverkehr zu beschränken. Der Gemeindetag hat deshalb diese LBO-Anzeigepflicht als absolut unnötig abgelehnt. Die Aufgaben der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses sind nach der geltenden Rechtslage mit der Zuständigkeit für den Gutachterausschuss verbunden bzw. daran gekoppelt. Somit kann die Erledigung allein der Aufgaben der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses nicht auf eine andere Gemeinde übertragen werden. Dies wäre nur denkbar gemeinsam mit der Übertragung der gesamten Aufgabe des Gutachterausschusses. Eine denkbare Aufgabenübertragung würde über eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung erfolgen, in der nicht nur die gemeinsame Aufgabenerfüllung, sondern auch die Verantwortlichkeit, Kostenverteilung usw. zu regeln wären. Das MLR ist inzwischen dieser vom Gemeindetag seit langem vertretenen Rechtsmeinung beigetreten. Der Gemeindetag hat diesen grundsätzlichen Überlegungen zugestimmt; insbesondere die Beibehaltung der kommunalen Zuständigkeit ist – wie oben formuliert – klare Forderung des Gemeindetags bzw. seiner Gremien. Erweiterung der Verfahrensfreiheit von Solaranlagen auf Gebäuden: Solaranlagen auf oder an Gebäuden werden umfassend verfahrensfrei gestellt. Damit wird vor allem die gewerbliche Nutzung von Dachflächen durch andere Personen als die Hauseigentümer zur Erzeugung von Solarenergie verfahrensfrei möglich sein. Anzeigepflicht der Netzbetreiber bei der Errichtung von Mobilfunkanten nen: Mobilfunkbetreiber müssen die Errichtung baurechtlich verfahrensfreier Mobilfunkantennen mindestens acht Wochen vorher der Gemeinde anzeigen (also Anzeigepflicht gegenüber der Gemeinde und damit entgegen der sonst üblichen Systematik im Bauordnungsrecht kein Verfahren bei der Baurechtsbehörde). Das Ministerium für Ländlichen Raum und Infrastruktur wird nach bisher vorliegenden Informationen keine Hinweise zur Umsetzung dieser Anzeigepflicht machen. Dann können die Gemeinden auf der Basis einer gemeinsamen Empfehlung der kommunalen Landesverbände und der Netzbetreiber ein unbürokratisches Anzeigeverfahren handhaben. Mit dieser (weiteren) Anzeigepflicht gibt es für Mobilfunkantennenanlagen drei Informations- bzw. Anzeigeverfahren: Gemeindetag Baden-Württemberg Zu kritisieren ist die Aufteilung von Änderungen der Landesbauordnung in mehrere und darüber hinaus kurz hintereinander geschaltete Gesetzgebungsverfahren (Einführung der Rauchmelderpflicht in einem eigenen Gesetz – Juli 2013 – und jetzt die „kleine“ Novelle). Die früheren LBO-Novellen waren von dem Grundsatz geprägt, Novellen zur Landesbauordnung nur über einen größeren Zeitraum – mit einem gewissen Abstand – vorzunehmen (etwa 10 Jahre, siehe Novellen 1996, 2009). Die aktuelle Novelle enthält keine grundsätzlich notwendigen Änderungen. Die Rechtsänderungen führen zu mehr Bürokratie und zu höheren Baukosten und verteuern damit die Wohnkosten. Novellierung der Gutachter ausschussverordnung – Die Reform kommt Bereits seit längerem bestehen Überlegungen, die Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse für die gestiegenen Anforderungen an die Erstellung von Gutachten und die Auswertung der Kaufverträge zu stärken. Dies soll durch eine Qualifizierung der Gutachterausschüsse bzw. deren Geschäftsstellen und die dafür notwendige Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit erfolgen; auch dies wird Teil der Novelle zur Gutachterausschussverordnung sein. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat in den Gesprächen mit dem Minis- Das MLR und Verbraucherschutz hat im Sommer 2012 mit einem Anschreiben an alle Gutachterausschüsse einen Erhebungsbogen zum Gutachterausschusswesen in Baden-Württemberg verschickt. Dort wurde nach dem Organisationsgrad und der Aufgabenerledigung gefragt. Bestätigt hat das Umfrageergebnis die vom Gemeindetag Baden-Württemberg angestrebte Notwendigkeit einer Qualifizierung der Arbeit der Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse. Das hat zur Diskussion um die Größe des Einzugsbereichs der Geschäftsstellen geführt, insbesondere ob die Zahl der im Jahr auszuwertenden Kaufverträge ein maßgeben- 929 Geschäftsbericht des Kriterium sein kann bzw. ob auch die Einwohnerzahl den räumlichen Zuständigkeitsumfang bestimmen kann. In der Sitzung des Bau- und Verkehrsausschusses des Gemeindetags am 09.07.2014 wurde über die damals diskutierten zwei Modelle für Organisation der Gutachterausschüsse berichtet: • Beim Modell A (das das MLR favorisiert) soll es gemeinsame Gutachterausschüsse mit einer gemeinsamen Geschäftsstelle geben. Damit wäre die Zuständigkeit von Gutachterausschuss und Geschäftsstelle identisch. • Beim Modell B bleibt es bei den bestehenden Gutachterausschüssen, für benachbarte Gemeinden gibt es eine gemeinsame Geschäftsstelle. Die Zuständigkeit für den Gutachterausschuss als Gremium bliebe bei allen Gemeinden, mehrere Gemeinden würden dann eine gemeinsame Geschäftsstelle bilden. Kriterium für die Größe wäre eine entsprechende Anzahl von Kaufverträgen; das MLR nennt mindestens 1000 Kaufverträge – nach Auffassung des Gemeindetags muss dies flexibel geregelt werden, also auch mit weniger Kaufverträgen möglich sein. Der Gemeindetag hat immer erklärt, es müsse eine substantielle kommunale Zuständigkeit auch bei den Geschäftsstellen bestehen. Zwei oder drei Geschäftsstellen in einem Landkreis würden dem nicht gerecht. Im Sommer 2014 hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ein Eckpunktepapier für die Überarbeitung der Gutachterausschussverordnung vorgelegt. Über dieses Eckpunktepapier hat die Geschäftsstelle des Gemeindetags die Mitglieder mit GtINFO vom 20.10.2014 unterrichtet. Eckpunkte des MLR zur Novellierung der Gutachterausschussverordnung (GuAVO) – Stand Juli 2014 Nach Aussage des MLR könnten – vor allem wegen der gestiegenen Anforderungen – Gutachterausschüsse insbesondere in kleinen Gemeinden die gesetzlichen Aufgaben kaum mehr erfüllen, da zu wenig Kauffälle und damit 930 BWGZ 19 | 2015 keine ausreichende Basis für die Ableitung der Wertermittlungsdaten vorliegen. Insgesamt resultierten daraus eine unzureichende Datenlage und eine mangelnde Grundstücksmarkttrans parenz im Land. Die Aufgabenerfüllung sei vielfach nicht gesetzeskonform. Nicht zuletzt im Blick auf die geplante Einführung einer wertorientierten Grundsteuer sind nachhaltige Verbesserungen im Gutachterausschusswesen dringend notwendig. Diese lassen über die Qualitätssteigerungen hinaus auch wirtschaftliche Synergien bei den Gemeinden erwarten. Die Fortentwicklung soll sich an folgenden Eckpunkten orientieren: • Das Gutachterausschusswesen soll in kommunaler Verantwortung mit Zuständigkeit bei den Gemeinden beibehalten werden. • Es werden leistungsfähige Einheiten für die Ermittlung der Grundstücksmarktdaten gebildet, so dass eine Mindestzahl von jährlich rund 1000 auswertbaren Kauffällen zur Verfügung steht. • Das so definierte Zuständigkeitsgebiet liegt zusammenhängend innerhalb eines Landkreises. (Die Stadtkreise erfüllen grundsätzlich diese Voraussetzungen.) • Mit diesen Vorgaben bilden benachbarte Gemeinden bzw. Verwaltungsgemeinschaften einen gemeinsamen Gutachterausschuss mit einer Geschäftsstelle. Die Zuständigkeit für die Besetzung des Gutachterausschusses bleibt bei den Gemeinden, indem die Gutachter von ihrer jeweiligen Gemeinde in den gemeinsamen Gutachterausschuss bestellt werden. Bei Wertermittlungsaufgaben im jeweiligen Gemeindegebiet, beispielsweise Verkehrswertgutachten, werden in der Regel die Gutachter der jeweiligen Gemeinde tätig. • Über die Analyse und Darstellung des Grundstücksmarktes auf Kreisebene verständigen sich die Kooperationen innerhalb des Landkreises. • Die vom Land einzurichtende Zen trale Geschäftsstelle für Grundstückswertermittlung konzentriert sich auf die unumgänglichen Aufgaben. Dabei sind die „Analysen und Auswer- tungen des Grundstücksmarktgeschehens“ (§ 198 Abs. 2 BauGB) auf Landesebene nur in dem Maße möglich, wie aussagekräftige Daten der Gutachterausschüsse vorliegen. Anmerkung Zu begrüßen ist die – entsprechend der Forderung des Gemeindetags – Beibehaltung der Zuständigkeit der Städte und Gemeinden. Ein besonderer Aspekt sind die im Papier genannten jährlich rund 1000 Kauffälle als Basis der Größe der Gutachterausschüsse. Auf Grund der o.g. Umfrage im Jahre 2012 hat das MLR festgestellt, dass lediglich rund 2 Prozent der Gutachterausschüsse eine Mindestzahl von 1000 jährlich auswertbaren Kauffällen erreichen, die nach seiner Auffassung statistisch für eine sachgerechte Ableitung von Wertermittlungsdaten mindestens erforderlich ist. Die Geschäftsstelle hält diese Zahl für zu hoch. Sie würde dazu führen, dass in den Landkreisen nur noch 2 oder 3 Gutachterausschüsse bestehen würden. Eine qualifizierte Arbeit erfordert selbstverständlich entsprechende qualifizierte Mitarbeiter. Beschluss des Bau- und Verkehrs ausschusses vom 14.10.2014 Der Bau- und Verkehrsausschuss des Gemeindetags hat nach Information durch Mitarbeiter des MLR und intensiver Beratung beschlossen: • Der Ausschuss begrüßt die vorliegende Konzeption des MLR insoweit, als die kommunale Zuständigkeit für die Gutachterausschüsse bei den Gemeinden weiterhin verbleibt. • Diese vom Gemeindetag BadenWürttemberg immer geforderte kommunale Zuständigkeit muss den Gemeinden Gestaltungsmöglichkeiten für die Organisation des Gutachterausschusses (bei der Bestellung der Gutachter) und für die Einrichtung der dazu gehörenden Geschäftsstelle des Gutachterausschusses einräumen. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 • Die vom MLR genannte Zahl von 1000 Kauffällen ist zu hoch. Die Erfüllung der Aufgaben der Gutachterausschüsse, insbesondere der Geschäftsstellen, ist nach Auffassung des Bau- und Verkehrsausschusses auch mit einer deutlich geringeren Zahl von Kauffällen gewährleistet. Entscheidendes Kriterium muss die Erledigungsqualität des jeweiligen Gutachterausschusses sein. Entwurf der Verordnung der Landes regierung zur Änderung der Gutach terausschussverordnung Mit Schreiben vom 01.07.2015 hat das MLR den Entwurf der Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Gutachterausschussverordnung zur Anhörung freigeben. Der Entwurf sieht dabei folgende maßgebliche Änderungen vor. Die Novellierung verfolgt das Ziel, −die grundsätzliche Aufgabenzu weisung an die Gemeinden beizubehalten, − benachbarte Gemeinden innerhalb eines Landkreises die Möglichkeit zur Bildung leistungsfähiger Einheiten für die sachgerechte Aufgabenerfüllung zu eröffnen (gemeinsamer Gutachterausschuss), −die Bildung einer Zentralen Geschäftsstelle für Grundstückswertermittlung im Land rechtlich zu verankern und − sich im Übrigen auf die unbedingt notwendigen Regelungen zu beschränken (Anpassung an bundesrechtliche Vorgaben und Umsetzung fachlicher Erfordernisse in Ausübung der bundesrechtlichen Ermächtigung). Der neue § 1 Absatz 1 Satz 1 GuAVO bleibt unverändert, indem die Gemeinden weiterhin die Verantwortung für das Gutachterausschusswesen inne haben. § 1 Absatz 1 Satz 2 GuAVO sieht zukünftig vor, dass innerhalb eines Landkreises benachbarte Gemeinden die Aufgabe nach den Vorschriften der Gemeindetag Baden-Württemberg Gemeindeordnung und des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit übertragen können. Diese Übertragung kann durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung der Verwaltungsgemeinschaft, den Gemeindeverwaltungsverband, eine die Aufgabe inne habende Gemeinde im Landkreis und den Landkreis als neue Aufgabenträger nach den Vorschriften der Gemeindeordnung (§§ 59ff) und des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit – GKZ – (§§ 1, 25) erfolgen. Aufgrund des Verweises auf das GKZ ist auch eine Übernahme der Aufgabenträgerschaft durch einen Zweckverband oder eine selbständige Kommunalanstalt nicht ausgeschlossen. Der neue § 1 Absatz 1 Satz 3 GuAVO beinhaltet die Bündelung der Daten auf Landkreisebene. Der Satz sieht vor, dass die zuständigen Stellen ein Zusammenwirken der Gutachterausschüsse auf Kreisebene vereinbaren können. Der neue § 1 Absatz 1a GuAVO bezieht sich auf die erforderliche Zahl von Kauffällen, die zum Erfordernis gemacht werden. Weiterhin wird festgelegt, dass diese Erforderlichkeit bei einer Mindestzahl von 1000 auswertbaren Kauffällen im Jahr vorausgesetzt werden kann. Weiterhin wird der § 15 GuAVO neu eingeführt. Dieser beinhaltet die so genannte „Zentrale Geschäftsstelle“, die nach Absatz 1 beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung nach § 198 BauGB angesiedelt sein wird. Diese wird die Bezeichnung „Zentrale Geschäftsstelle für Grundstückswertermittlung Baden-Württemberg“ tragen. Diese Zentrale Geschäftsstelle wird die Aufgaben nach § 198 Absatz 2 Satz 1 BauGB auf der Grundlage der nach § 193 Absatz 5 BauGB ausgewerteten und ermittelten sowie auf Kreisebene gebündelten Daten erfüllen. Zu diesem Zweck wird sie ein Verzeichnis der Gutachterausschüsse mit folgenden Angaben führen: − Bezeichnung, Zuständigkeitsbereich und gegebenenfalls Kooperationsform, − Postadresse, Telefonnummer sowie E-Mail- und Internet-Adresse. Der neue § 15 Absatz 3 GuAVO beinhaltet die Möglichkeit des MLR, eine Arbeitsgrupe aus sachkundigen Personen unter Vorsitz der Zentralen Geschäftsstelle zu berufen, um Unterstützungsleistungen für das Gutachterausschusswesen zu gewährleisten. Stellungnahme des Gemeindetags Baden-Württemberg Der Gemeindetag hat mit Schreiben vom 28.08.2015 bezüglich der oben genannten Änderungen folgende Stellungnahme abgegeben, über die per Gt-info informiert wurde. Der Gemeindetag kann einen Großteil der geplanten Weiterentwicklungen innerhalb der Gutachterausschussverordnung unterstützen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Eröffnung weiterer Möglichkeiten zur interkommunalen Zusammenarbeit neben der Verwaltungsgemeinschaft. Außerdem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufgabe „Gutachterausschuss“ auch künftig eine kommunale Aufgabe bleiben wird und muss. Im Weiteren wird darauf verwiesen, dass nach § 1 Absatz 1 Satz 2 GuAVO verschiedene Arten der interkommunalen Zusammenarbeit vorgesehen sind ohne die Möglichkeit zu eröffnen, ausschließlich die Erledigung der Aufgabe „Gutachterausschuss“ auf eine Geschäftsstelle zu übertragen. Darüber hinaus wird auf das Erfordernis eingegangen, dass das Land für Kooperationen auf Grundlage von öffentlich-rechtlichen Verträgen Musterverträge erarbeiten sollte ebenso wie für die Fallkonstellation, dass bereits bestehende interkommunale Gutachterausschüsse in Verwaltungsgemeinschaften nur in sehr begrenzten Umfang in der Lage sein werden, auf Grundlage ihrer bisherigen Rechtsform für weitere Gemeinden die Aufgabe „Gutachterausschuss“ zu übernehmen. Ferner wird auf § 1 Absatz 1a Satz 2 GuAVO Bezug genommen, der eine Festschreibung der 1000 auswertbaren Kauffälle vorsieht. Der Gemeindetag hat sich bereits in zahlreichen Gesprächen mit dem MLR gegen die Festschrei- 931 Geschäftsbericht bung einer Mindestzahl ausgesprochen. Die Normierung der notwendigen Erledigungsqualität wird als der bessere Weg angesehen. Insofern wird für die ersatzlose Streichung des § 1 Absatz 1a Satz 2 GuAVO plädiert. Hinsichtlich des § 1 Absatz 1 Satz 3 GuAVO wird darauf hingewiesen, dass es für die Gemeinden als Träger der Gutachterausschüsse keine Pflicht zur Bündelung auf Landkreisebene gibt. Aufgrund dessen sollte aus Sicht des Gemeindetags Aufgabe der Zentralen Geschäftsstelle auf Landesebene sein, diese Bündelung nach Landkreisen selbst vorzunehmen. Was den § 15 Absatz 3 GuAVO angeht, regt der Gemeindetag die Ergänzung um einen Absatz 4 an: „Die Zentrale Geschäftsstelle hat bei der Aufgabenerledigung die Notwendigkeiten der Gutachterausschüsse zu berücksichtigen. Insbesondere sollten Form, Art und Umfang der Datenabfrage in Abstimmung mit den Gutachterausschüssen erfolgen. Die in Absatz 3 genannte Arbeitsgruppe kann hierfür einen sachdienlichen Rahmen bilden.“ BWGZ 19 | 2015 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes Die Landesregierung hat mit Datum vom 14.10.2014 dem Landtag das Gesetz zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes übermittelt (LT-Drs. 15/5870). Der Landtag hat die Rechtänderung am 26.11.2014 beschlossen. Hintergrund ist der grün-rote Koalitionsvertrag vom 27.04.2011, in dem das Ziel formuliert ist, die Überprüfung bestehender Strukturen und Zuständigkeiten im Bereich der Landesverwaltung fortzusetzen. Der Koalitionsvertrag enthält zudem den Auftrag zu prüfen, wie die Denkmalpflege organisatorisch gestärkt werden kann. Zur Umsetzung dieser Vorgaben wurde für den Bereich der Landesdenkmalpflege ein Reformvorschlag erarbeitet, der auf Ebene der Regierungspräsidien eine Konzentration der fachlichen Denkmalpflege im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart vorsieht. Hierzu sollen die derzeit in den anderen Regierungspräsidien bestehenden regionalen Fachreferate Denkmalpflege organisatorisch in das neue Vor-Ort-Präsidium Stuttgart eingegliedert werden; an den bisherigen Standorten Karlsruhe, Freiburg und Tübingen sollen Außenstellen die notwendige Ortsnähe sicherstellen. Foto: Rainer Sturm/PIXELIO Ziel der Organisationsreform ist es, durch Bündelung derzeit regionalisierter Strukturen im künftigen Vor-OrtPräsidium Stuttgart eine größere Einheitlichkeit der Denkmalverwaltung zu erreichen und Doppelstrukturen abzubauen. Durch Konzentration der fachlichen Denkmalpflege soll eine landeseinheitliche Entscheidungsfindung in denkmalfachlichen Fragen erleichtert und die Denkmalpflege insgesamt effektiver und zukunftsfähiger gestaltet werden. Die Neuorganisation ermöglicht zudem ein besseres Personalmanagement und die Ausbildung spezieller Fachkompetenzen, um vor dem Hintergrund begrenzter personeller und finanzieller Ressourcen fachliche Schwerpunkte setzen und einen hohen Standard konservatorischen Handelns erhalten zu können. Dagegen sollen 932 die Aufgabenbereiche der übrigen Denkmalschutzbehörden von der Organisationsreform unberührt bleiben. Durch den Kompetenzzuwachs des Landesamtes erwartet das Land einen flexibleren, über die Grenzen des Regierungsbezirks hinausgehenden Einsatz von Technik und Personal. Kritiker in den anderen drei Regierungsbezirken befürchten, dass dem Regierungspräsidenten in Stuttgart, der Vorgesetzter des Abteilungsleiters des Landesamts für Denkmalpflege ist, ein Projekt im eigenen Bezirk wichtiger sein könnte als außerhalb. Im Jahre 2013 gab es für die Denkmalpflege vom Land knapp 16 Mio. Euro. Entsprechend der künftigen Ausgestaltung des Landesamtes für Denkmalpflege als landesweit zuständige Denkmalfachbehörde ist zudem vorgesehen, beim Finanz- und Wirtschaftsministerium als oberste Denkmalschutzbehörde einen landesweit zuständigen Denkmalrat einzurichten, der die Denkmalbehörden bei grundsätzlichen Entscheidungen berät. Die derzeit bei den Regierungspräsidien bestehenden vier regionalen Denkmalräte sollen in diesem landesweiten Gremium aufgehen. Mit Schreiben vom 24.06.2015 hat das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft den Gemeindetag über Gründung des oben genannten Denkmal rates informiert. Nachdem der Landtag von Baden-Württemberg Ende 2014 die Änderung des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg verabschiedet hat, ist das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart mit Dienstsitz in Esslingen am Neckar landesweit der zentrale Ansprechpartner für alle denkmalrechtlichen Fragen. Das LAD wird mit Außenstellen in Karlsruhe, Freiburg und Tübingen präsent sein. Zentrales Anliegen ist weiterhin die Errichtung eines landesweit zuständigen Denkmalrates. Hinsichtlich der personellen Ausgestaltung wird der Gemeindetag Baden-Württemberg mit insgesamt vier Personen (zwei ordentliche Mitglieder, zwei Stellvertreter) beim Denkmalrat vertreten sein. Gemeindetag Baden-Württemberg Ein starker Partner für die Beschäftigten von Stadt und Land in Baden-Württemberg Wenn Sie bei einer Stadt, Gemeinde oder beim Land Baden-Württemberg beschäftigt sind oder ehrenamtlich – z. B. als Gemeinderat oder als bürgerschaftlich Engagierter – tätig werden, sind Sie während Ihrer Arbeit und auf dem Weg dorthin und zurück bei der UKBW gegen Unfälle und Berufskrankheiten versichert. Auch Schüler, Kindergartenkinder, Studierende und Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren sind Versicherte bei der UKBW. Hierzu bedarf es keiner Anmeldung oder Beitragszahlung von Versichertenseite. Sie sind aufgrund Ihrer Tätigkeit bzw. über den Arbeitgeber bei der UKBW versichert – so wie 3,7 Millionen andere Versicherte in Baden-Württemberg. Damit ist die UKBW einer der größten Unfallversicherungsträger im Kommunal- und Landesbereich in Deutschland. Die UKBW ist Ihr starker Partner bei allen Fragen rund um die gesetzliche Unfallversicherung, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Rehabilitation und Entschädigung sind unsere klassischen Aufgaben. Es geht um Ihre Sicherheit und Gesundheit – dafür setzen wir uns ein. Sie stehen bei uns im Mittelpunkt – nehmen Sie uns beim Wort. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts wirken die Gemeinden und ihre Verbände durch die Selbstverwaltungsorgane aktiv bei allen Entscheidungen der UKBW mit. Service-Center Stuttgart 0711 9321-0 Karlsruhe 0721 6098-0 Wenn Sie Informationen zu den Themen Arbeits-, Schul-, Wegeunfall oder Berufskrankheiten benötigen, dann besuchen Sie uns doch im Internet unter: www.ukbw.de oder rufen Sie uns an. Hauptsitz: Augsburger Straße 700 D-70329 Stuttgart [email protected] Sitz: Waldhornplatz 1 76131 Karlsruhe Geschäftsbericht Änderung des Bestattungs gesetzes – VGH: Kein Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit in kommunalen Friedhofssatzungen Novelle zum Bestattungsgesetz Der Landtag hat am 26.03.2014 das Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes beschlossen. Basis des Gesetzentwurfs ist die Überlegung, dass der ausdrücklich verfügte oder der mutmaßliche Wille des Verstorbenen hinsichtlich Ort und Art und Weise seiner Bestattung maßgebend ist. Deshalb wurde die Sargpflicht für Erdbestattungen aufgehoben. Hintergrund sind die Bestattungsriten der Muslime und Juden. Ein Religionsnachweis wird aber nicht gefordert – obwohl nach dem Wortlaut auf die Religionszugehörigkeit abgehoben wird. Der Transport zur Grabstätte ist weiterhin im Sarg möglich. Die Friedhofspflicht für Urnen wurde beibehalten; es können aber reine Urnenfriedhöfe unter der Trägerschaft der Gemeinden und Kirchen eingerichtet werden. Eine Pflicht zur Anlegung von Grabfeldern für muslimische Bestattungen in kommunalen Friedhöfen besteht somit nicht. § 39 Abs. 1 BestattG wurde wie folgt ergänzt: „In den Fällen, in denen die Religionszugehörigkeit eine Bestattung ohne Sarg vorsieht, können die Verstorbenen in Tüchern erdbestattet werden, sofern keine gesundheitlichen Gefahren zu befürchten sind. Für den Transport Verstorbener bis zur Grabstätte sind geschlossene Särge zu verwenden.“ Eine Aushändigung von Urnen an Angehörige kommt nicht in Frage. Auf eine zeitliche Vorgabe für den frühesten Bestattungszeitpunkt wird verzichtet (bisher 48 Stunden, siehe § 36 Abs. 1 BestattG a.F.). Somit ist künftig eine Bestattung nach der erfolgten ärztlichen Leichenschau denkbar. Dabei entstehen organisatorische Fragen bei den Standesämtern und den kommunalen Friedhofsverwaltungen sowie bei den Bau höfen (Ausgraben und Zufüllen der Gräber). Für die Gemeinde stellt sich die Frage nach der Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes. Bestattungen sind an Sonn- und Feiertagen möglich: „Nach 934 BWGZ 19 | 2015 dem Arbeitszeitgesetz und dem Feiertagsgesetz ist eine Bestattung am Sonntag grundsätzlich zulässig, sofern dafür religiöse Gründe geltend gemacht werden können.“ (Gesetzesbegründung S. 16). Dies hat natürlich Folgen für die Kosten und die Kalkulation der Bestattungsgebühren. Im Zusammenhang mit der Bestattung von Muslimen wird auf das so genannte ewige Ruherecht hingewiesen. Der muslimische und jüdische Glauben kennt die so genannte „ewige Ruhe“. Nach dem Bestattungsgesetz Baden-Württemberg gibt es die Mindestruhezeit von 15 Jahren, die aus Pietätsgründen auch für Urnen gilt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 BestattG). Die Gemeinden bestimmen in der örtlichen Friedhofssatzung die Ruhezeit; sie dient der Sicherstellung der Verwesung und wird (deshalb) im Benehmen mit dem Gesundheitsamt festgelegt (§ 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BestattG). Entsprechend dem jahrzehntelangen System kann an Grabstätten ein so genanntes öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht durch die Gemeinde verliehen werden (Wahlgrab); dies ist regelmäßig länger als die Ruhezeit. Das Nutzungsrecht kann gegen eine Gebühr verlängert bzw. neu verliehen werden. Nicht thematisiert wurde im Gesetzentwurf der Grundsatz der „unberührten Erde“ für die Bestattung von Muslimen. Die Grabstelle für verstorbene Muslime darf somit vorher nicht durch andere Bestattungen belegt gewesen sein. Das kann auf den kommunalen Friedhöfen schwierig werden, da auf den Friedhöfen praktisch alle Flächen „belegt“ sind (waren), nicht belegte Flächen also kaum mehr zu finden sind. Werden in muslimischen Grabfeldern Grabstellen frei, können sie nicht mehr wiederbelegt werden. Das führt zu gestalterischen Problemen in diesen Feldern und zu zusätzlichen Kosten, deren Abgeltung zu klären ist. Die Notwendigkeit von Einrichtungen für rituelle Waschungen wird im Gesetzentwurf angesprochen (S. 17): „Konsequenterweise sollten vom Friedhofsträger auch entsprechende Einrichtungen zur Durchführung islamischer Bestattungsriten (z.B. Waschung) vorgehalten werden.“ Das hat zwangsläufig Kostenfolgen und die Frage nach der Kostentragung bzw. Kalkulation der Gebühren für die Bestattungsdurchführung auch im Hinblick auf die jährliche Zahl der rituellen Waschungen. Im Bestattungsgesetz wurde das Wort „Leichen“ durch das Wort „Verstorbene“ ersetzt. An die Stelle des Wortes „Leichenwagen“ trat das Wort „Bestattungskraftwagen“ (nach DIN 57081). Die Geschäftsstelle des Gemeindetags Baden-Württemberg hatte aufgrund der Beratungspraxis für seine Mitglieder einige Vorschläge für die Novelle des Bestattungsgesetzes erarbeitet. Diese beziehen sich auf das Rechtsverhältnis an Urnen nach Ablauf der Ruhezeit/Nutzungszeit. Es bedarf der Klarstellung, dass nach Ablauf der Ruhezeit/Nutzungszeit kein – öffentlich-rechtlicher – Herausgabeanspruch der Hinterbliebenen gegenüber der Gemeinde besteht. Dies ist begründet mit einem pietätvollen Umgang mit Urnen (wie mit Leichen; siehe für Leichen § 6 Abs. 3 BestattG: „Nach Ablauf der Ruhezeit aufgefundene Gebeine [Überreste von Leichen] sind in geeigneter Weise innerhalb des Friedhofs zu bestatten.“). Die im Vorfeld vom Gemeindetag gegenüber dem Sozialministerium angesprochene Thematik hat dazu geführt, dass die angesprochene Vorschrift des § 6 Abs. 2 BestattG (aufgefundene Gebeine) auch auf Urnen ausgedehnt wurde. VGH – Keine Satzungsregelung mit Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit Bei der Novellierung des baden-württembergischen Bestattungsgesetzes im Jahr 2012 war § 15 um den neuen Absatz 3 ergänzt worden, wonach Friedhofs träger im Rahmen ihrer Satzungskom petenz festlegen können, „dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt sind. Die Anforderungen an den Nachweis sind in den Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen festzulegen“. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Der VGH Baden-Württemberg hat nun aber am 29.04.2014 entschieden, dass die Friedhofssatzung der Stadt Kehl, die sich auf den novellierten § 15 BestattG gründet, rechtswidrig und daher unwirksam ist. Nach der Begründung des VGH ist das Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar. Es belaste Steinmetze unzumutbar. Denn es sei für sie nicht hinreichend erkennbar, welche Nachweismöglichkeiten bestünden und als ausreichend gälten. Verlässliche Möglichkeiten für den Nachweis, dass Grabsteine ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt seien, seien – wie bereits das Bundes verwaltungsgericht mit Urteil vom 16.10.2013 zur Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg festgestellt habe – nicht vorhanden. Es fehle eine allgemeine Auffassung, welche der vorhandenen Zertifikate für faire Steine als vertrauenswürdig gelten könnten. Es gebe keine Anerkennung solcher Zertifikate durch eine zuständige staatliche Stelle. Die Satzung regle auch nicht ausdrücklich unter Benennung der Zertifikate, welche als Nachweis ausreichten. Da die angegriffene Satzungsvorschrift bereits aus diesen Gründen unwirksam sei, könne offen bleiben, ob ihre gesetzliche Ermächtigung in § 15 Absatz 3 BestattG verfassungsgemäß sei. Hinterbliebenen aufgenommen werden, dass bei Steinen, die außerhalb des EU-Raumes gebrochen und bearbeitet werden, nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass gegen die ILO-Konvention 182 verstoßen wird. Bei Steinen, die aus Ländern innerhalb der EU stammen – z.B. Granit aus Polen und Finnland, Marmor aus Italien und Portugal – besteht diese Gefahr nicht. Davon abgesehen gelten die vorgenannten Überlegungen auch für die Einhaltung der notwendigen Vorgaben für Arbeits- bzw. Mutterschutz. Insoweit ist bedeutsam, dass der VGH die Regelung in der Friedhofssatzung der Stadt Kehl für unwirksam erklärt hat, weil die Vorschrift über den Nachweis durch ein vertrauenswürdiges, allgemein anerkanntes Zertifikat den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt und die satzungsrechtliche Regelung, dass die zuständige Friedhofsverwaltung fortlaufend ein Verzeichnis der vertrauenswürdigen Zertifikate führt und aktualisiert, gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt. Über die zahlreichen Normenkontrollklagen gegen kommunale Friedhofssatzungen (über 45) und die Entscheidung des VGH vom 29.04.2014 zur Friedhofssatzung der Stadt Kehl hat der Gemeindetag Baden-Württemberg wiederholt im Gt-info berichtet (siehe zuletzt Sachstandsbericht in Gt-INFO Nr. 498/2014 vom 07.07.2014, Versandtag 16.06.2014, sowie zur Erledigungsgebühr Gt-INFO Nr. 706/2014 vom 05.09.2014, Versandtag 22.08.2014). Trotz des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hat es die Stadt Stuttgart auf einen weiteren Prozess ankommen lassen. Die Satzungsregelung unterscheidet sich geringfügig von der Friedhofssatzung der Stadt Kehl. Dieser Maßgabe folgend hat der VGH BW in den Beschlüssen vom 21.05.2015 entschieden, die zum Gegenstand die Friedhofssatzung der Landeshauptstadt Stuttgart hatten. Die Vorschrift in der Friedhofssatzung der Landeshauptstadt Stuttgart (Antragsgegnerin), nach der nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, und der Nachweis hierfür mittels Zertifikat einer anerkannten Organisation erbracht wird, ist rechtswidrig und daher unwirksam. Dies hat der 1. Senat des VGH BadenWürttemberg in vier Normenkontroll- Derzeit sind leider keine Belege bzw. Zertifikate verfügbar, die die gesamte Wertschöpfungskette bei Grabsteinen zum Beispiel von Indien über China und Vietnam zuverlässig abbilden. Solange dies der Fall ist, kann Steinmetzen bei ihrer Materialbeschaffung nicht der Nachweis über den Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit aufgebürdet werden, ohne einen unzumutbaren Eingriff in die gemäß Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Berufsfreiheit vorzunehmen. Gemeindetag Baden-Württemberg Foto: Gemeindetag Baden-Württemberg Um dennoch die Umsetzung der ILOKonvention 182 zu befördern, hat das Sozialministerium den Friedhofsträgern in Baden-Württemberg vorgeschlagen, von der Satzungskompetenz gemäß § 15 Abs. 3 BestattG keinen Gebrauch zu machen. Stattdessen könnte in den Friedhofssatzungen eine Information an die 935 Geschäftsbericht verfahren auf Anträge von insgesamt neun Steinmetzbetrieben (Antragsteller) aus dem Raum Stuttgart mit Beschlüssen ohne mündliche Verhandlung am 21.05.2015 entschieden. Im Anschluss daran legt der VGH in seinen Beschlüssen vom 21.05.2015 zur Stuttgarter Friedhofssatzung dar, ausreichende Nachweismöglichkeiten bestünden weiterhin nicht. Insbesondere sei eine hinreichend gesicherte Verkehrsauffassung, welche Zertifikate über Grabsteine, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, als vertrauenswürdig gelten können, derzeit nicht festzustellen. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin, es gebe eine allgemeine Verkehrsauffassung, dass die Siegel der Organisationen „XeritifiX“ und „fair stone“ vertrauenswürdig seien, könne nicht gefolgt werden. Das Fehlen einer allgemeinen Verkehrsauffassung zeige sich bereits in den unterschied lichen Regelungen baden-württembergischer Gemeinden in ihren Friedhofssatzungen. Auch die bekannte Verbraucherzeitschrift Ökotest habe im Mai 2014 festgestellt, die Meinungen darüber, was nachprüfbare Dokumente für ohne Kinderarbeit hergestellte Natursteine seien, gingen auseinander. Eine Anhörung von Sachverständigen im Landtag von Nordrhein-Westfalen habe ebenfalls ergeben, dass die Aussagekraft bestehender Siegel ungeklärt sei. Die Gemeinden können somit abwarten, wie der VGH über diese Fälle entscheidet bzw. ob sich diesen Verfahren dann noch Rechtsmittel zum Bundesverwaltungsgericht anschließen. Damit können die Gemeinden entsprechend der Empfehlung des Sozialministeriums derzeit auf eine satzungsrechtliche Regelung verzichten. Änderung der Bestattungs verordnung – BestattVO Mit Schreiben vom 04.09.2014 wurde der Gemeindetag Baden-Württemberg zur Stellungnahme zur neuen Bestattungsverordnung durch das Sozialministerium aufgefordert. Die neue Bestattungsverordnung ist am 19.06.2015 in Kraft getreten. Damit einhergehend 936 BWGZ 19 | 2015 wurde auch die Todesbescheinigung geändert. Hervorzuheben ist dabei der § 36 BestattVO, der die jeweilig zuständige Behörde zum Inhalt hat. Zur Klarstellung der Zuständigkeit hat das Sozialministerium mit Schreiben vom 21.07.2015 folgende Hinweise erteilt: Das Regierungspräsidium ist gemäß § 36 Absatz 1 BestattVO zuständige Behörde für die Genehmigung von reinen Urnenfriedhöfen im Sinne von § 5 Absatz 1 BestattVO in öffentlichen Gebäuden, etwa von Kolumbarien in Kirchengebäuden. Die untere Verwaltungsbehörde ist gemäß § 36 Absatz 1 BestattVO zuständige Behörde für die Genehmigung für die Anlage bzw. Erweiterung von Friedhöfen gemäß §§ 1-3 BestattVO. Dies umfasst auch die Genehmigung für Friedhöfe, auf denen ausschließlich Naturbestattungen vorgesehen sind sowie für private Bestattungsplätze gemäß § 9 Bestattungsgesetz, an deren Trägerschaft kein Friedhofsträger gemäß § 1 Absätze 1 und 2 Bestattungsgesetz beteiligt ist. Die Ortspolizeibehörde ist gemäß § 5 Absatz 2 BestattVO zuständig für die Genehmigung von Flächen für Naturbestattungen auf bestehenden Friedhöfen. Zuverlässigkeit von Hochwasser gefahrenkarten – Bauen in Überschwemmungsgebieten – Hochwasserschutzregister Zu dieser Thematik wurde sehr ausführlich in BWGZ 1/2015 Seite 35 berichtet. Zwischenzeitlich hat die WBW Fortbildungsgesellschaft, wie zwischen Umweltministerium und Gemeindetag Baden-Württemberg vereinbart, eine Internet-Plattform für die Gemeinden zum Hochwasserschutz bzw. Bauen in Überschwemmungsgebieten aufgebaut. Diese wird Zug um Zug mit wichtigen Informationen zu diesem Bereich bestückt. Dort sind u.a. die Broschüre „Hochwasser-Risiko – bewusst planen und bauen“ sowie die FAQ’s der Regierungspräsidien zum Bauen in Überschwemmungsgebieten abrufbar (http://wbw-fortbildung.net/ pb/,Lde/Home/Taetigkeiten/Hochwasseran- gepasst.html). Auf die Gt-INFO Nrn. 205/2015 und 231/2015 vom 20. März 2015 wird insoweit hingewiesen. Zwischenzeitlich haben der Städtetag und der Gemeindetag auch ein vorläufiges Satzungsmuster für kommunale Hochwasserschutzregister samt Hinweisen an ihre Mitglieder versandt. Dieses ermöglicht allerdings nur eine Erstattung der tatsächlich bereits entstandenen Kosten für Hochwasserschutz- und Rückhaltemaßnahmen durch den jeweiligen Bauherrn. Die Intention der Arbeitsgruppe Hochwasserschutzregister war jedoch, den Kommunen, ähnlich wie bei den Anschlussbeiträgen für die Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung, die Möglichkeit einzuräumen, auch zukünftig entstehende Kosten für den Ausgleich des Verlustes von verloren gehendem Rückhalteraum in die „Kostenerstattung“ mit einzubeziehen. Damit soll eine Ungleichbehandlung der Bauherren, aber auch ein „Windhundrennen“ um die günstigsten Kubikmeter Rückhalteraum vermieden werden. Ein diesbezügliches Gutachten von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jörg Birk schlägt dafür eine Änderung des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (WG) vor. Gemeindetag und Städtetag haben vor diesem Hintergrund gegenüber dem Umwelt- und dem Innenminister angeregt, den Kommunen entgegenzukommen und dieses Vorhaben zu unterstützen. Auf die ausführliche Darstellung in Gt-INFO Nr. 603/2015 vom 6. Juli 2015 wird hingewiesen. Die Antworten der beiden Minister liegen zwischenzeitlich vor. Insbesondere die ausführliche Antwort des Umweltministers (Auszug: „… bin ich zu der Auffassung gelangt, dass eine Gesetzesinitiative zum jetzigen Zeitpunkt in jedem Fall verfrüht wäre“…) lässt befürchten, dass es in dieser Legislaturperiode zu keiner Änderung des WG mehr kommen wird, auch nicht über ein Artikelgesetz. Gemeindetag und Städtetag haben ihr Anliegen zwischenzeitlich nochmals per Schreiben vom 17. Juli 2015 erläutert und ein erneutes Gespräch mit Vertretern der kommunalen Landesverbände, des Umwelt- und des Innenministeriums vorgeschlagen. Gemeindetag Baden-Württemberg Sicher zum Erfolg – mit Ihrer VWA! 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Mai 2015 Stellung genommen. Der Ministerrat hat die FrWw 2015 Ende Juli 2015 beschlossen. Sie treten zum 1. November 2015 in Kraft. Wesentliche Inhalte der neuen Förderrichtlinien 1. Thermische Klärschlamm entsorgung als Fördervoraussetzung Eine Zuwendung für Maßnahmen auf Kläranlagen kann grundsätzlich nur noch bewilligt werden, wenn der Antragsteller den auf der Kläranlage anfallenden Klärschlamm thermisch entsorgt. Damit wird dem Ziel der vollständigen thermischen Entsorgung für einen verbesserten Boden- und Grundwasserschutz auch in den FrWw Rechnung getragen. 2. Maßnahmen zur Umsetzung von Strukturgutachten sind auch unabhängig vom Erreichen der Antragschwelle förderfähig Im Bereich der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung gibt es im Land teilweise sehr kleinräumige Strukturen. Mit der Förderung sollen in den Gebieten mit geringer Anschlussdichte diejenigen strukturverbessernden Maßnahmen gefördert werden, die aufgrund des demografischen Wandels, des Klimawandels, der Wirtschaftlichkeit und steigender Umweltstandards für die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser und eine gesicherte Abwasserbeseitigung in der Zukunft dringend notwendig sind. 3. Erstmalige großtechnische Umsetzung innovativer Verfahren als neuer Fördertatbestand In der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung soll, insbesondere zur Steigerung der Energieeffizienz in diesem energieintensiven Bereich, die erstmalige Umsetzung innovativer Ver- 938 BWGZ 19 | 2015 fahren förderfähig und damit die breite Anwendung erleichtert werden. 4. Erstmalige Ausleitung von Abwasser aus Wasserschutzgebieten Zum Grundwasserschutz wird die erstmalige Ausleitung von Abwasser aus rechtskräftig festgesetzten Wasserschutzgebieten als neuer Bonustatbestand eingeführt. 5. Schadlose Ableitung von Nieder schlagswasser infolge von Stark regenereignissen aus Außenbereichen Die Zunahme von Starkregenereignissen aufgrund des Klimawandels erfordert es, Überflutungen der bebauten Ortslage aus Außenbereichen zu verhindern. Die hierzu erforderlichen Maßnahmen werden förderfähig. 6. Erhöhter Fördersatz für gewässer ökologische Maßnahmen Gewässerökologische Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur und zur Herstellung der Durchgängigkeit bilden einen Schwerpunkt derjenigen Maßnahmen, die zur Erreichung des guten Zustands nach Wasserrahmenrichtlinie erforderlich sind. Hier besteht auch an den in der Unterhaltungslast der Kommunen stehenden Gewässern II. Ordnung nach wie vor ein hoher Handlungsbedarf. Um die Umsetzung zu beschleunigen, wird der Fördersatz von bislang 50 Prozent bzw. 70 Prozent (im ländlichen Raum) auf künftig einheitlich 85 Prozent erhöht. 7. Förderung von Gewässer entwicklungsflächen Gewässerentwicklungsflächen, die in der Breite über die Gewässerrandstreifen hinausgehen, ermöglichen die dynamische Eigenentwicklung von Gewässerabschnitten und sind ein wichtiges Instrument, um in den Gewässern Lebensraum zu schaffen. Damit leisten auch sie einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. 8. Maßgebliche Gebühr über zwei Jahre berechnet Das maßgebliche Wasser- und Abwasserentgelt, das für die Berechnung des Fördersatzes in diesen Bereichen zugrunde gelegt wird, wird künftig aus dem Mittelwert der Gebührenhöhe des Antragsjahres und des Vorjahres ermittelt. Dies dient dazu, Manipulationen zu verhindern, die durch zu große Gebührenerhöhungen zur Erreichung eines höheren Fördersatzes bislang möglich gewesen wären. An der Antragsschwelle von 5,90 Euro/m3 maßgebliches Wasser- und Abwasserentgelt hat sich dagegen nichts geändert. Verbesserungen bei strittigen Punkten Strittig war insbesondere die ursprünglich vorgesehene Absenkung der Förderkurve in den Bereichen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung und darüber hinaus auch für Härtefälle (Kanalsanierungsmaßnahmen sowie Sanierung von Ortsverteilungsnetzen bei der Wasserversorgung). Dagegen hatte sich vor allem der Gemeindetag Baden-Württemberg gewandt. Dahinter stand insbesondere die Befürchtung, dass dies zur Streichung oder Verschiebung wasserwirtschaftlich wichtiger Vorhaben oder aber zu einer drastischen Gebührenerhöhung (insbesondere bei Gemeinden im ländlichen Raum) führen wird. Das Umweltministerium ist deshalb bei den alten Förderkurven der FrWw 2009 geblieben. Gemeindetag und Landkreistag hatten außerdem ein Inkrafttreten der Förderrichtlinie erst zum 1. November 2015 angeregt, damit für die Vorbereitung der Anträge und die Beratung der Antragsteller ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Dieser Bitte ist das Umweltministerium ebenfalls nachgekommen. Entsprechend der Stellungnahme des Gemeindetags ist für den Nachweis des Vorliegens eines Hochwasseralarm- und Hochwassereinsatzplans als Voraussetzung für die Förderung einer Hochwasserschutzmaßnahme bzw. für die thermische Klärschlammentsorgung als Voraussetzung für die Förderung einer Abwassermaßnahme eine entsprechende Bestätigung der Gemeinde ausreichend. Als Nachweis für das Vorliegen eines Hochwasseralarm- und Hochwassereinsatzplans hatte das Umweltministerium ursprünglich das Ausfüllen einer ausführlichen Checkliste durch die (überwiegend kommunalen) Antragsteller vorgesehen. Gemeindetag Baden-Württemberg Wissen Sie, weshalb über 400.000 Ihrer Kollegen bei der wgv versichert sind? Wertvolles günstig versichert. Weil wir seit mehr als 90 Jahren ein abgerundetes, leistungsstarkes, speziell auf die Bedürfnisse des öffentlichen Dienstes abgestimmtes Dienstleistungsprogramm bieten, bei dem darüber hinaus noch der Preis stimmt. 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Das Konzept umfasst insgesamt 108 Maßnahmen aus den Handlungsbereichen Strom, Wärme, Verkehr, Landnutzung und Stoffströme und enthält unter anderem Maßnahmen zur Energieeinsparung und Energieeffizienz, zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur Modernisierung der Infrastruktur. Wesentlicher Bestandteil ist der Bereich Mobilität. Der Straßenverkehr trägt mit einem knappen Drittel einen Großteil zu den energiebedingten CO2-Emissionen in Baden-Württemberg bei. Der Verabschiedung des IEKK ging eine umfassende Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung voraus. In einem bisher einmaligen Beteiligungsverfahren wurden 180 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger und 120 Vertreterinnen und Vertreter von Interessengruppen an 12 Runden Tischen zur Bewertung und Verbesserung der Vorschläge eingeladen. Über 1000 Empfehlungen einschließlich der Empfehlungen aus einer Online-Beteiligung gingen ein. Knapp ein Viertel der Empfehlungen wurde berücksichtigt. Über den Stand der Umsetzung des IEKK und die Fortschritte auf dem Weg, die Klimaschutzziele zu erreichen, will das Umweltministerium jährliche Kurzberichte erstellen und dem Kabinett sowie dem Landtag 2016 einen umfassenden Zwischenbericht geben. Auf Basis dieser Berichte wird das Integrierte Energieund Klimaschutzkonzept spätestens nach fünf Jahren fortgeschrieben. 940 BWGZ 19 | 2015 Das IEKK ist im Internet auf der Homepage des Umweltministeriums unter www.um.baden-wuerttemberg.de/de/klima/ klimaschutz/integriertes-energie-und-klima schutzkonzept-iekk/ zu finden. Darüber hinaus siehe Gt-INFO Nr. 581/204 vom 21.07.2014 und Nr. 652/2014 vom 05.09.2014. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hatte zuvor am 27. Februar 2014 eine schriftliche Stellungnahme zum IEKKEntwurf abgegeben. Er hat dabei vor allem seine Erwartung an die Landesregierung ausgedrückt, dass die kommunalen Landesverbände rechtzeitig vor dem Erlass von Rechtsvorschriften, die der Umsetzung des Klimaschutzgesetzes bzw. den Zielen des IEKK dienen sollen, angehört werden – und zwar auch und insbesondere für den Erlass von Förderrichtlinien, die den Klimaschutz in der Städten und Gemeinden fördern sollen, aber auch von solchen, die eine Förderung von kommunalen Maßnahmen von der Erfüllung bestimmter Standards beim Klimaschutz abhängig machen. Darüber hinaus wurde eine weitere Stärkung der regionalen Klimaschutz- und Energieagenturen eingefordert. Aus Sicht des Gemeindetags weist das im Juli 2014 verabschiedete IEKK einige Defizite auf. Insbesondere kommt ihm so gut wie keine Steuerungskraft zu. Eine Verknüpfung mit der Finanzplanung wurde leider nicht hergestellt. Auch wurde darauf verzichtet, Um setzungsschwerpunkte für die laufende Legislaturperiode förmlich zu fixieren. Mitte Mai 2015 hat das Umweltministerium dann den Entwurf einer Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in Baden-Württemberg in die Anhörung gegeben. Wenige Monate zuvor, am 14. November 2014, war ein Arbeitsentwurf der Anpassungsstrategie auf einem Kongress mit 130 Vertretern aus Wirtschaft, Kommunal- und Landesverwaltung, Regionalverbänden, Umwelt- und Interessenverbänden sowie Experten aus Wissenschaft und Forschung diskutiert worden. Danach wurde der Arbeitsentwurf über das Beteiligungsportal des Landes gut einen Monat für die Öffent- lichkeit zugänglich gemacht. Zwischenzeitlich ist die Anhörungsrunde abgeschlossen. Nach eigener Aussage des Ministeriums ist die Anpassungsstrategie kein Leitplan, der verbindliche Handlungen vorschreibt oder untersagt. Vielmehr enthalte er Empfehlungen und Umsetzungsvorschläge für die betroffenen Akteure quer durch alle Handlungsfelder. Der Gemeindetag hatte in seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2015 hierauf Bezug genommen und darum gebeten, den Städten und Gemeinden – entsprechend ihrer Vorbildfunktion nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg – grundsätzlich zu ermöglichen, Klimaanpassungsmaßnahmen in eigener Verantwortung durchzuführen. Für den Fall, dass aus Sicht des Landes, unter Bezugnahme auf die Empfehlungen und bzw. Vorschläge des Strategiepapiers, später Handlungspflichten der Kommunen für erforderlich gehalten werden, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg eine rechtzeitige Anhörung angemahnt. Für diesen Fall hat er auch eine konkrete Maßnahmen-, Zeit- und Finanzierungsplanung, mit Darstellung der konnexitätsrelevanten Verpflichtungen, gefordert. Auf die Gt-INFO Nr. 541/2015 vom 22. Juni 2015 und Nr. 591/2015 vom 6. Juli 2015 wird hin gewiesen. Die Klimaanpassungsstrategie wurde am 28. Juli 2015 vom Landeskabinett beschlossen. Die nach § 7 Abs. 4 Satz 3 des Klimaschutzgesetzes vorgesehene Vereinbarung zwischen Land und kommunalen Landesverbänden liegt inzwischen im Entwurf vor. Aus Sicht der kommunalen Landesverbände sind allerdings noch einige Änderungen bzw. Ergänzungen erforderlich. Insoweit war eine Unterzeichnung der Vereinbarung vor der Sommerpause 2015 nicht mehr möglich. In einer solchen Verein barung soll bekanntlich Näheres zur Vorbildfunktion der Gemeinden und Gemeindeverbände (beim Klimaschutz), die sie in eigener Verantwortung erfüllen, geregelt werden. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht Novelle des Landesnatur schutzgesetzes beschlossen und in Kraft getreten Der Gemeindetag Baden-Württemberg ist vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg bereits im Sommer 2014 um die Abgabe einer Stellungnahme zu eventuellen Konnexitätsfolgen des neuen Naturschutzgesetzes (NatSchG) gebeten worden. Der Gemeindetag hat sich dazu per Schreiben vom 12. September 2014 geäußert. Sein Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss hat ihn dann in seiner Sitzung vom 15. Oktober 2014 u.a. ermächtigt, auf der Basis seiner Stellungnahme zu den Konnexitätsfolgen eine Äußerung im Rahmen der offiziellen Verbandsanhörung zur NatSchG-Novelle abzugeben. Darüber hinaus hat der Ausschuss darum gebeten, mit den zuständigen Vertretern der beiden Regierungsfraktionen über den Gesetzentwurf zu reden und dabei die kommunalen Positionen vorzutragen. Diese Gespräche fanden im Januar und im Februar 2015 statt. Die Argumentation der beiden Vertreter des Gemeindetags ist dabei auf ein grundsätzlich positives Echo gestoßen. Im Anschluss fanden verschiedene Gespräche zwischen den kommunalen Landesverbänden und dem MLR statt. Ein wichtiges Ergebnis für den Gemeindetag bzw. seine Mitglieder war dabei, dass bei Landschafts- und Grünordnungsplänen (§ 12) vom MLR eine 1:1 Umsetzung der entsprechenden Vorgaben im BNatSchG (dort § 11 Abs. 2) zugesagt wurde (entspricht damit im Wesentlichen der alten Rechtslage in BadenWürttemberg). Darüber hinaus wurde vereinbart, dass bei Landschaftsplänen – abweichend vom Referentenentwurf zur Abklärung der Konnexitätsfolgen – nicht mehr das „Einvernehmen“, sondern nur noch das „Benehmen“ (also lediglich Anhörung) mit der unteren Naturschutzbehörde erforderlich ist. Auch Grünordnungspläne „sollen“ nicht mehr, sondern „können“ aufgestellt werden. Das MLR hat insoweit auf Betreiben der kommunalen Landesverbände die ursprünglich vorgesehenen Verschärfungen wieder rückgängig gemacht. Gemeindetag Baden-Württemberg Per Schreiben vom 27. Januar 2015 hat das MLR dann den offiziellen Gesetzentwurf in die Verbandsanhörung gegeben. Im Vergleich zum früheren „Konnexitätsentwurf“ waren dort noch einige Änderungen bzw. Ergänzungen vorgenommen worden, zum Beispiel – zusätzlich – ein gesetzlicher Schutz von Alleen in den Absätzen 4 bis 7 des § 31 der Novelle. Erfreulicherweise ist es zum Ende der vom MLR gesetzten Stellungnahmefrist noch gelungen, eine gemeinsame Stellungnahme aller drei kommunalen Landesverbände abzugeben. Aus dieser Äußerung vom 10. März 2015 lassen sich vier Kernanliegen herausarbeiten. Diese vier Kernanliegen lauten: • Ausgleich der durch die Novelle des Naturschutzgesetzes ausgelösten Mehrbelastungen der unteren Naturschutzbehörden; • gesetzliche Absicherung der finanziellen Förderung der Landschaftserhaltungsverbände – und zwar einschließlich der Finanzierung des Natur-2000-Beauftragten bei den unteren Naturschutzbehörden; • kein Eingriff in die durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verbürgte Organisationshoheit der kommunalen Gebietskörperschaften, indem der Widerruf der Bestel- lung eines Naturschutzbeauftragten von der Zustimmung der höheren Naturschutzbehörde abhängig gemacht bzw. die Übertragbarkeit der Entscheidung über Bestellung und Widerruf von Naturschutzbeauftragten auf beschließende Ausschüsse ausgeschlossen wird; • Begrenzung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Mitwirkungsbefugnisse der Naturschutzverbände insbesondere in wasserrechtlichen Verfahren (wichtiges Anliegen vor allem des Gemeindetags). Darüber hinaus wurde dem MLR zu den Konnexitätsfolgen nochmals das vom Landkreistag am 8. Januar 2015 erstellte Papier übersandt. Die Stellungnahme und das „Konnexitätsfolgenpapier“ können über Gt-INFO Nr. 254/2015 vom 7. April 2015 abgerufen werden. Der Landtag von Baden-Württemberg hat dann am 17. Juni 2015 in zweiter Lesung die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes beschlossen. Die Forderungen bzw. Anliegen der drei kommunalen Landesverbände sind dabei teilweise, aber beileibe nicht vollständig berücksichtigt worden. Diesbezüglich wird auf Gt-INFO Nr. 595/2015 vom 6. Juli 2015 hingewiesen. Die Novelle ist zwischenzeitlich im GBl. vom 13. Juli 2015 S. 585 veröffentlicht worden und am 14. Juli 2015 in Kraft getreten. Foto: Rainer Sturm/PIXELIO BWGZ 19 | 2015 941 Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Über das neue Jagd- und Wildtier managementgesetz, welches zum 1. April 2015 in Kraft getreten ist, wurde in BWGZ 1/2015 Seite 38 ausführlich berichtet. Anfang 2015 hat dann das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg den Entwurf einer Durchführungsverordnung zum Jagd- und Wildtier managementgesetz (DVO JWMG) in die Verbandsanhörung gegeben. Die Stellungnahme des Gemeindetags BadenWürttemberg vom 25. Februar 2015 ist in Gt-INFO Nr. 224/2015 vom 20. März 2015 wiedergegeben worden. In dieser Äußerung wurden vor allem Verfahrenserleichterungen für die Jagdgenossenschaften und für die Gemeinden als Verwalter von Jagdgenossenschaften, insbesondere um nicht ständig Jagdgenossenschaftsversammlungen einberufen zu müssen, verlangt. Bei einer öffentlichen Anhörung des Arbeitskreises „Ländlicher Raum und Verbraucherschutz“ der CDU-Landtagsfraktion am 10. März hat der Gemeindetag dann seine Argumente nochmals vorgetragen. Leider hat dann die am 2. April 2015 erlassene (GBl. vom 17. April 2015 Seite 942 Foto: H.D.Volz/PIXELIO Neues Jagdrecht inzwischen komplett – Ab jetzt gilt das Motto „Und ewig grüßt die Jagdgenossenschaftsversammlung“ 202) und in ihren wesentlichen Vorschriften am 18. April in Kraft getretene DVO JWMG in dieser Hinsicht keinerlei Verbesserungen im Sinne von Verfahrenserleichterungen enthalten. Dies dürfte in absehbarer Zeit zu einer erheblichen Zunahme von Jagdgenossenschaftsversammlungen führen. Der Verwaltungsaufwand für die Einberufung und Durchführung solcher Versammlungen ist zum Teil erheblich, vor allem für Kommunen, auf deren Gemarkung mehrere von ihnen verwaltete Jagdgenossenschaften existieren oder die für viele Jagdbögen, mit der Folge häufiger Pächterwechsel, Verpächter sind. Näheres dazu ist aus Gt-INFO Nr. 383/2015 vom 5. Mai 2015 zu entnehmen. Das MLR hat anschließend, am 1. Juni 2015, noch Hinweise zum Inkrafttreten des JWMG und zur DVO JWMG an die nachgeordneten Jagdbehörden herausgegeben. Auf Gt-INFO Nr. 602/2015 vom 6. Juli 2015 wird hingewiesen. Der Gemeindetag hat zwischenzeitlich einen Entwurf eines Satzungsmusters für durch den Gemeinderat verwaltete Jagdgenossenschaften gefertigt. Der Entwurf befindet sich derzeit in Abstimmung mit dem MLR. Der Gemeindetag wird auch ein Muster für kommunale Jagdpachtverträge erstellen. Mit einer Fertigstellung ist voraussichtlich zum Jahresende 2015 zu rechnen. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Erschließungsbeitragsrecht Einige Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, aber auch des Bundesverwaltungsgerichts haben für die erschließungsbeitragsrechtliche Praxis eine größere Bedeutung. Im Urteil vom 20.02.2014 – Az. 2 S 1215/13 – (BWGZ 2014 Seite 378) hat sich der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit der Bildung von Abrech nungseinheiten beschäftigt. Er hat die mit der Übernahme des Erschließungsbeitragsrechts in Landesrecht vom Landesgesetzgeber verfolgte Zielsetzung, den Städten und Gemeinden einen größeren Entscheidungsspielraum bei der Zusammenfassung mehrerer Straßen zur gemeinsamen Abrechnung einzuräumen, anerkannt. Aus Sicht der Kommunen eine erfreuliche Bestätigung. In einer weiteren Grundsatzentscheidung vom 10.7.2014 – Az. 2 S 2228/13 – (BWGZ 2014 Seite 1308) hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim zu verschiedenen weiteren Aspekten des landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrechts Stellung genommen. Unter anderem hält er auch für das baden-württembergische Landesrecht da ran fest, dass wie bereits früher im BauGB-Erschließungsbeitragsrecht die sachlichen Beitragspflichten erst mit dem Eingang der letzten Unterneh merrechnung entstehen können, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Dieses im Gesetzeswortlaut des § 41 KAG nicht ausdrücklich genannte Tatbestandsmerkmal der Ermittelbarkeit der beitrags- bzw. umlagefähigen Kosten führt die Rechtsprechung also auch im landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht fort. Besondere Beachtung verdient die Entscheidung aber wegen ihrer Aussage zu Kreisverkehrsanlagen, deren Beitragsfähigkeit in Baden-Württemberg bisher nicht einheitlich beurteilt wurde, zumal der Gesetzgeber auch in der KAG-Novelle 2009 – trotz einer entsprechenden Forderung seitens des Gemeindetags Baden-Württemberg – gerade zu dieser Frage eine explizite Gemeindetag Baden-Württemberg gesetzliche klarstellende Regelung zum Kreisverkehr deswegen nicht für notwendig erachtete, weil er ausweislich der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 14/4002 Seite 72) mit der klarstellenden Ergänzung des § 35 Abs. 1 Nr. 2 KAG durch Art. 10 Nr. 9 Buchst. a des Gesetzes zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts vom 4.5.2009 (GBl.l S. 185) davon ausging, dass zu den Kosten des Anschlusses an andere Verkehrsanlagen auch die Kosten für Kreuzungen und Einmündungen gehörten und der Begriff der Kreuzungen auch Kreisverkehrsplätze als bautechnisch besonders gestaltete höhengleiche Kreuzungen einschließe (weshalb auch die Kreisverkehrskosten im Grundsatz beitragsfähig seien). Hier hat sich der VGH Mannheim nicht mit der Gesetzesbegründung zufrieden gegeben, sondern sich der Auffassung von Driehaus (Erschließungsbeitragsrecht in Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2005, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012) und Göppl (Leitfaden zum Erschließungsbeitragsrecht in Baden-Württemberg) angeschlossen, wonach die Kosten für die Herstellung eines Kreisverkehrs jedenfalls dann, wenn es sich dabei um eine selbst ständige Verkehrsanlage handele, kei ne Anschlusskosten i.S. von § 35 Abs. 1 Nr. 2 KAG sein sollen. Nachvollziehbar ist dies nicht, zumal es dem Gesetzgeber überhaupt nicht auf die (erschließungsbzw. beitragsrechtliche) Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit von Kreisverkehren ankam. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat dieses Thema gegenüber dem Land aufgegriffen und die zuständigen Landesministerien darum gebeten, die Beitragsfähigkeit der Kosten von (auch selbstständigen) Kreisverkehrsanlagen ausdrücklich im Kommunalabgabengesetz klarzustellen, wie dies nicht nur 2009, sondern bereits 2005 in der Gesetzesbegründung als Vorstellung des Gesetzgebers klar zum Ausdruck kam. Denn es ist nicht nachvollziehbar, wa rum hier zwischen selbstständigen Kreisverkehrsanlagen und unselbstständigen Kreisverkehren (deren Mittelinsel überfahren werden kann), unterschieden werden soll (und die Kosten letzterer vom VGH wohl als beitragsfähig gesehen werden). Allerdings besteht bisher seitens des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg bislang keine Bereitschaft zu einer entsprechenden gesetzlichen Klarstellung. Es hält im Gegenteil die Auffassung des VGH Mannheim für zutreffend und hat die kommunalen Landesverbände darum gebeten, die Zahl der Fälle, in denen Kreisverkehre als selbstständige Verkehrsanlagen in Folge der Rechtsprechung nicht abgerechnet werden konnten bzw. aktuell nicht abgerechnet werden können, mitzuteilen sowie um Angaben zur Höhe der dadurch nicht beitragsfähigen Kosten gebeten. Der Gemeindetag Baden-Württemberg wird versuchen, über die Mitglieder entsprechende Zahlen zu gewinnen. Nachdem es in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einer KAG-Novelle kommen wird, wird auch die gesetzliche Klarstellung zur Beitragsfähigkeit selbstständiger Kreisverkehre nicht mehr in dieser Legislaturperiode zu erreichen sein. Im Urteil vom 20.03.2015 – Az. 2 S 1327/14 – hat sich der VGH Mannheim mit der in der Praxis immer wieder auftretenden Frage beschäftigt, wann die Fahrbahn einer Anbaustraße nach Bauprogramm und technischem Aus bauprogramm endgültig hergestellt ist mit der Folge, dass spätere Veränderungen nicht mehr erschließungsbeitragsfähig sind. Diese Frage stellt sich vielerorts, wenn an älteren Straßen größere Straßenerneuerungsmaßnahmen bis hin zum vollständigen Austausch des Straßenoberbaus (Deckschicht und darunter liegende Tragschicht) durchgeführt werden und zu beantworten ist, ob der „neue“ Straßenoberbau zur erstmaligen endgültigen Herstellung führt und diese Kosten beitragsfähig sind oder ob die bereits länger zurückliegende Anlegung der Fahrbahn die erstmalige Herstellung war und lediglich die damaligen Kosten erschließungsbeitragsrechtlich ansatzfähig sind. Das beitragsrechtliche Schicksal älterer oder ganz alter Straßen stellt auch in der beitragsrechtlichen Beratungstätigkeit der 943 Geschäftsbericht Geschäftsstelle einen Schwerpunkt dar. Hier knüpft der VGH Mannheim an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an: Ist eine Anbaustraße insgesamt oder eine ihrer Teilanlagen (etwa die Straßenentwässerung) im oben beschriebenen Sinne bereits durch eine frühere Baumaßnahme endgültig hergestellt worden, ist die Gemeinde gehindert, die Anbaustraße oder die Teilanlage im Zuge eines späteren Ausbaus wieder mit erschließungsbeitragsrechtlicher Auswirkung zu ändern. Berücksichtigungsfähig sind dann vielmehr nicht die Änderungskosten eines späteren Ausbaus, sondern ausschließlich diejenigen Kosten, die durch die erstmalige, seinerzeit bereits endgültige Fertigstellung entstanden sind. In dem genannten Urteil stellt der VGH Mannheim – für die Praxis äußerst wichtig –klar, dass für die Beantwortung der Frage, ob eine Teileinrichtung einer Erschließungsanlage (z.B. die Fahrbahn) mit kostenbegrenzender Wirkung bereits früher endgültig hergestellt worden ist, die Rechtmäßigkeit der Straßenherstellung nach § 125 BauGB keine Rolle spielt. Eine endgültige Herstellung mit kostenbegrenzender Wirkung durch die bis Ende der 1960er-Jahre durchgeführten Baumaßnahmen könne, so der VGH Mannheim, nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Herstellung einer Erschließungsanlage gemäß § 125 Abs. 1 BauGB einen Bebauungsplan voraussetze und ein solcher erst seit dem Jahr 2006 existiere. Führen allerdings spätere Straßenbaumaßnahmen nicht lediglich zu Änderungen an einer bereits endgültig hergestellten Straße, sondern wird damit eine völlig neue Erschließungsanlage hergestellt, die mit der ausgebauten Anlage nicht identisch ist (so genanntes Aliud), so entstehen für dieses Aliud (neue) Erschließungsbeitragspflichten. Licht und Schatten gibt es auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die weiterhin auf das baden-württembergische Erschließungsbeitragsrecht ausstrahlt und teils auf heftige Kritik stößt (Driehaus, u.a. in KStZ 2015 S. 61 und parallelen Veröffentlichungen in weiteren Medien). 944 BWGZ 19 | 2015 So hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 21.01.2015 – Az. 9 C 1.14 – (BWGZ 2015 Seite 572) die im Jahr 1990 vom Gericht selbst gesetzte Missbilligungsgrenze für Ablösungs verträge wieder aufgegeben. Dieser Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sie wird wohl auch vom VGH Mannheim in die Rechtsprechung zu § 26 KAG übernommen werden. Wie in den Anmerkungen zur Urteilsveröffentlichung (BWGZ 2015 Seite 572) dargelegt, ist den Gemeinden entgegen Driehaus (a.a.O.) keinesfalls anzuraten, eine entsprechende Missbilligungsgrenze in die örtlichen Ablösungsbestimmungen bzw. Ablösungsregeln aufzunehmen. Wenn diese Grenze schon von der Rechtsprechung mit guten Gründen aufgegeben wird, dann sollte sie die Gemeinde nicht in ihr örtliches Recht übernehmen und dieses damit angreifbar machen. Die Abgrenzung zwischen dem er schließungsbeitragsrechtlich relevan ten Innenbereich und dem Außenbe reich ohne Baulandqualität sowie das Verhältnis einer Tiefenbegrenzung in der Erschließungsbeitragssatzung zu einer Abgrenzungssatzung waren Gegenstand der Entscheidungen des BVerwG vom 12.11.2014 – Az. 9 C 7.13 und 9 C 9.13 – (BWGZ 2015 Seite 188). Auch für die baden-württembergischen Kommunen sehr wesentlich (vgl. § 40 KAG) sind die Hinweise des Gerichts, dass die typische wohnakzessorische Nutzung bebauter Grundstücke, insbesondere ein Hausgarten, bei zutreffender Beurteilung der örtlichen Verhältnisse regelmäßig noch ganz oder teilweise dem Innenbereich zugeordnet werden könne. Für die Ermittlung der erschlossenen Flächen bei nicht überplanten Grundstücken in der Randlage zum Außenbereich ist dies eine wertvolle Abgrenzungshilfe. Der Anwendungsbereich einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung sei im Übrigen, so das BVerwG, nicht darauf beschränkt, den Innen- vom Außenbereich abzugrenzen (wie Urteil vom 01.09.2004 – 9 C 15.03 – BWGZ 2004 Seite 945). Für das landesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht im KAG gilt nach wie vor die Auffassung bzw. Empfehlung von Strauß (BWGZ 2006 Seite 664), bei Aufnahme einer Tiefenbegrenzungsregelung in die Beitragssatzung diese ausschließlich auf Grundstücke in der Randlage im Übergang zum Außenbereich zu beschränken, wie dies bereits seit 2005 im Satzungsmuster des Gemeindetags vorgesehen ist (vgl. BWGZ 17/2005 Seite 634, 657). Eine hinter einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung zurückbleibende Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB gehe, so das BVerwG, für die Bestimmung des Erschließungsvorteils der Tiefenbegrenzung als speziellere Regelung vor. Dieser Auffassung des BVerwG ist auch für das landesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht zu folgen. Nicht zu folgen ist der Auffassung des BVerwG indes, die Tiefenbegrenzung als speziellere Regelung habe im Erschließungsbeitragsrecht Vorrang, wenn der Geltungsbereich der Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr.1 BauGB über die Tiefenbegrenzung hinausreiche. Denn auch hier zieht die Klarstellungssatzung – wenn auch deklaratorisch – die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich so eindeutig, dass für die Anwendung einer beitragsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung kein Raum ist. Zur Beseitigung von Zweifelsfragen sollte die Gemeinde, wenn sie eine Tiefenbegrenzung in ihre Erschließungsbeitragssatzung aufnimmt, den Anwen dungsbereich der beitragssatzungs rechtlichen Tiefenbegrenzung auf Grundstücke in der Randlage vom Übergang in den Außenbereich be schränken und einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB den Vorrang vor der beitragsrechtlichen Tiefenbegren zung einräumen (so genannte qualifizierte Tiefenbegrenzung), wie dies das aktuelle Satzungsmuster des Gemeindetags vorsieht. Im Urteil des BVerwG vom 12.11.2014 – 9 C 4.13 – (BWGZ 2015 Seite 428) ging es schließlich um so genannte nicht ge fangene Hinterliegergrundstücke in den Fällen der Eigentümeridentität. Solche Fallkonstellationen treten auch Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 im landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht in der Beratungspraxis immer wieder auf, wenn das Anlieger- und das Hinterliegergrundstück im selben Eigentum stehen und das (selbstständig nutzbare) Hinterliegergrundstück über die verkehrliche Erreichbarkeit von einer weiteren Anbaustraße verfügt. Hier ist die Linie des VGH Mannheim für das landesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht noch nicht ganz klar vorgezeichnet (vgl. Urt. vom 11.10.2012 – 2 S 1419/12 –, KStZ 2013). Schließlich wäre noch auf das Urteil des BVerwG vom 05.05.2015 – 9 C 14.14 – (BWGZ 2015 Seite 674) hinzuweisen, das auch im baden-württembergischen Erschließungsbeitragsrecht im einen oder anderen Fall zu Zweifelsfragen führen könnte: Es geht um den Funktions wandel einer früheren Außenbe reichsstraße zu einer Anbaustraße und die Beitragsfähigkeit der für die Herstellung der später in eine Anbaustraße umgewandelten Außenbereichsstraße aufgewandten Kosten. Das Urteil legt hier nahe, dass auch die Kosten, die für den Bau der Außenbereichsstraße angefallen und bei der Herstellung als Anbaustraße mitverwendet werden konnten, beitragsfähige Kosten sein sollen. Dieser Ansatz erscheint zu weitgehend. Wenn eine Gemeinde ganz bewusst eine im Außenbereich verlaufende Straße hergestellt hat, die später nach Funktionswandel zu einer Anbaustraße wird, spricht einiges dafür, die Mitverwendung des vorhandenen Ausbauzustands als ersparte Kosten zu behandeln. Anders wäre es nur, wenn die Gemeinde bereits (mit einem Bauprogramm) den Funktionswandel zur Anbaustraße im Auge hat und mit Blick darauf die (Noch-)Außenbereichsstraße entsprechend „ertüchtigt“. Erschließungsverträge und städtebauliche Verträge nach dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung Durch das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung vom 11.06.2013 (BGBl. I 2013 Seite 1548) wurde u.a. die Regelung zum Erschließungsvertrag aus § 124 BauGB in § 11 BauGB vorgezogen. Dabei wurde auch klargestellt, dass die Gemeinden mit einer Eigen- oder Beteiligungsgesellschaft Erschließungsverträge schließen dürfen. Dem war vorausgegangen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Falle einer baden-württembergischen Stadt entschieden hatte, dass eine kommunale Eigenoder Beteiligungsgesellschaft nicht als Dritter i.S. des § 124 BauGB und damit als Vertragspartner eines Erschließungsvertrags in Frage käme (Urteil vom 01.12.2010 – 9 C 8.09 – BWGZ 2011 S eite 493). Zugleich hat der Gesetzgeber den Standortwechsel genutzt, den insbesondere als Folgekostenvertrag bekannten städtebaulichen Kostenabwälzungsvertrag auch für beitragsfähige Erschließungsanlagen und Anschlusseinrichtungen zugänglich zu machen. Wie bereits in BWGZ 2/2014 Seite 99 ausführlich dargestellt, wirft die Neuregelung mehr Fragen auf und führt zu neuen Rechtsunsicherheiten und sogar Hemmnissen, als dass sie den kommunalen Entscheidungsspielraum nennenswert stärken würde. Zum einen greift die „zeitliche Sperre“ des § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB nun auch für den Abschluss von Erschließungsverträgen, was die eine oder andere Kommune aktuell bereits als unerwartetes Hindernis für den Vertragsabschluss leidvoll erfahren musste. Zum anderen ist auch nach der gesetzlichen Neuregelung nach wie vor die Frage offen, ob in Erschließungsvertragsgebieten Anschlussbeiträge entstehen und wie mit diesen im Erschließungsvertrag umzugehen ist. Der Gemeindetag Baden-Württemberg vertritt – wie auch die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA-Mitteilung 2/2014 vom 15.8.2014) – die Auf- Gemeindetag Baden-Württemberg fassung, dass nach der Rechtsänderung durch die BauGB-Novelle 2013 das Entstehen von Anschlussbeiträgen in Erschließungsvertragsgebieten nicht ausgeschlossen ist, da der Anschlussbeitrag bekanntlich nicht nur die Gegenleistung für die Wasserleitung oder den Kanal im Vertragsgebiet darstellt, sondern für die Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung in ihrer Gesamtheit – mit allen damit verbundenen Kosten. Auch die verschiedenen Fragen, ob, bis wann und unter welchen Voraussetzungen die Kosten beitragsfähiger Erschließungsanlagen oder Anschlusseinrichtungen zum Gegenstand eines städtebaulichen Kostenabwälzungsvertrags gemacht werden dürfen und ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das Entstehen landesrechtlicher Erschließungs- und Anschlussbeiträge durch den Abschluss eines solchen Vertrags „gesperrt“ wird, wurden in der BWGZ 2/2014 dargestellt. Sie sind v.a. mit Blick auf die dem Bund nicht zugängliche Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Kommunalabgabenrecht spannend. Die Praxis hat – den Empfehlungen des Gemeindetags folgend – hier bisher größte Zurückhaltung geübt. Der Gemeindetag hatte die zuständigen Landesministerien darum gebeten, mit der notwendigen Anpassung des Kommunalabgabengesetzes an die Änderungen des BauGB auch das Verhältnis zwischen Erschließungs- und städtebau lichen Verträgen und dem landesrecht lichen Beitragsrecht aus Sicht des Landesgesetzgebers klarzustellen. Da es aber bis zuletzt keine Bereitschaft seitens des Landes für eine KAG-Novelle gab, wird es nun auch in der restlichen Legislaturperiode nicht mehr zu einer KAGNovelle und den notwendigen Klarstellungen kommen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang ferner auf die GPA-Mitteilung Nr. 1/2014 vom 07.07.2014 (Vergaberecht und Verträge im Städtebau), wo auch zur Ausschreibung von Leistungen in Erschließungsverträgen Stellung genommen wird. 945 Geschäftsbericht Novelle des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) Anfang September 2014 hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur BadenWürttemberg den Gemeindetag darüber informiert, dass beabsichtigt sei, das LGVFG zu novellieren. So soll der Kreis der förderfähigen Vorhaben in § 2 LGVFG erweitert und modifiziert werden. Das übergeordnete Ziel des Landes sei es, das LGVFG angesichts der beschränkten Mittel auch für kostengünstigere kleinere Maßnahmen zu öffnen, um auf eine effiziente Weise die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur zu unterstützen. Im Bereich des Baus und Ausbaus von verkehrsleitenden Informationssystemen und Umsteigeanlagen (P & R) soll die Förderung der Vernetzung der Verkehrsmittel bei Umsteigesituationen verbessert werden („andere Einrichtungen, die der Vernetzung verschiedener Mobilitätsformen dienen“). Die Förderung der Radverkehrs- und (neu) Fußgängerinfrastruktur soll ausgeweitet werden. Der Fördertatbestand soll dann nicht nur den Straßenkörper erfassen, sondern er soll weiter gehen und auf weitere verkehrswichtige Elemente der kommunalen Rad- und Verkehrsinfrastruktur ausgedehnt werden. Die Förderung von Lärmschutzmaßnahmen soll künftig nicht mehr nur auf innerörtliche Straßen beschränkt bleiben. Die Finanzierung soll ausschließlich als Festbetragsfinanzierung erfolgen; die Höhe des Fördersatzes soll nicht im Gesetz festgeschrieben werden. Das Anhörungsverfahren folgt, sobald die Eckpunkte konkretisiert sind. Die Einführung neuer kleinerer Fördertatbestände birgt die Gefahr, dass – bei gleichbleibenden Fördermitteln – das LGVFG sich weiter vom seitherigen Zweck zur Sicherung der elementaren kommunalen Verkehrsinfrastruktur entfernt. Über die Eckpunkte hat der Gemeindetag Baden-Württemberg in Gt-INFO Nr. 855/2014 vom 05.11.2014 berichtet mit der Verlinkung auf den vollständigen Text der Eckpunkte. In der Präsidiumssitzung des Gemeindetags vom 13.05.2015 wurde bezüglich der Novelle des Landesgemeindeverkehrs 946 BWGZ 19 | 2015 finanzierungsgesetzes Folgendes beschlossen: Das Präsidium nimmt die Änderungen des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) zur Kenntnis und begrüßt die Aufnahme der Nachrüstung der Barrierefreiheit als eigenen förderfähigen Tatbestand. Das Präsidium spricht sich gegen die Absenkung der Förderquote von 75 Prozent auf 50 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten aus. Dies führt im Zusammenspiel mit der Erweiterung der förder fähigen Tatbestände zu einer deutlichen Erhöhung des Eigenanteils der Kommunen beim kommunalen Straßenausbau. Stellungnahme des Gemeindetags Baden-Württemberg Mit Schreiben vom 12.06.2015 hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zum Anhörungsentwurf wie folgt Stellung genommen. Das LGVFG in seiner bisherigen Fassung wurde zum 01.01.2011 neu geschaffen. Grund dafür war die im Rahmen der Föderalismusreform getroffene Entscheidung, das LGVFG als Bundesgesetz auslaufen zu lassen. Für die weggefallene Förderung erhielten die Länder vom Bund ersatzweise Mittel aus dem so genannten Entflechtungsgesetz. Diese Mittel sind bis zum Jahr 2019 begrenzt. Die Mittel aus dem Entflechtungsgesetz waren zunächst an verkehrliche Belange gebunden. Diese Zweckbindung ist seit dem 31.12.2013 weggefallen. Allerdings ist die verkehr liche Zweckbindung nicht vollständig entfallen – die Mittel müssen weiterhin für investive Zwecke verwendet werden. Das Land hat sich bei der Schaffung des LGVFG dafür entschieden, den investiven Zweck der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse beizubehalten. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im Sinne einer nachhaltigen Mobilität herbeizuführen. Die vorgesehenen Änderungen entstammen den Zielsetzungen der Koalitionsvereinbarung für die Ausgestaltung des LGVFG. Das Gesetz soll mithin ökologosch, nachhaltig und kommunalfreundlich ausgestaltet werden, wozu 60 Prozent der Mittel für den Ausbau der Infrastruktur des Umweltverbundes reserviert werden. Seit 2014 ste- hen nun 60 Prozent der Mittel für den Umweltverbund zur Verfügung. Zudem ist vorgesehen, in Zukunft weniger besonders kostenintensive Großmaßnahmen zu fördern, wenn diese verkehrlich nicht besonders dringlich sind. Stattdessen soll die Zahl der geförderten Projekte insgesamt erhöht und zeitgleich die Zahl der Förderanträge und der tatsächlich gewährten Förderungen einander angenähert werden. Positiv anzumerken ist, dass im geplanten § 2 Satz 1 Nummer 8 die Nachrüstung der Barrierefreiheit aufgenommen wird. Diese Norm dient auch der Umsetzung der Pflicht der Aufgabenträger des straßengebundenen ÖPNV aus § 8 Absatz 3 PBefG zur Herstellung von Barrierefreiheit im ÖPNV. Die Norm bezieht sich auf alle Formen des ÖPNV, womit auch der Schienenverkehr umfasst ist. Förderfähig sind der Umbau und die Nachrüstung bestehender verkehrswichtiger Anlagen zur vollständigen Erreichung von Barrierefreiheit als eigenständigem Vorhaben. Die Förderung ist hauptsächlich auf Nachrüstungen ausgerichtet, d.h. auf solche Fälle, in denen das Ziel relativ schnell und kostengünstig erreicht werden kann und keine teuren Ausbauten erforderlich sind. Nicht förderfähig ist ein Umbau bzw. Ausbau, bei dem die Barrierefreiheit nur als Nebenzweck umgesetzt ist. Darüber hinaus werden weitere neue Fördertatbestände in den § 2 LGVFG aufgenommen. Insbesondere haben die Radund Fußverkehrsförderung Einzug in das LGVFG gefunden. Grundsätzlich ist es zwar zu begrüßen, dass auch diese verkehrlichen Belange förderfähig werden. Allerdings ist dies bei Beibehaltung des seitherigen Fördervolumens (165,5 Mio Euro für die Bereiche kommunaler Ausbau, ÖPNV und Radverkehr) in Anbetracht der geplanten Absenkung der Förderquote nach § 4 Absatz 1 nicht tragbar. Die Förderung erfolgt nur noch als Festbetragsförderung und ist in der Höhe auf 50 Prozent begrenzt. Bislang wurden 75 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten gefördert. Die Absenkung der Förderquote unter Aufnahme neuer förderfähiger Tatbestände führt zu einer massiven Erhöhung des Eigenanteils der Kommunen. Aufgrund dessen ist diese Vorgehensweise abzulehnen. Gemeindetag Baden-Württemberg Hervorragende Bewertungen unabhängiger Ratingagenturen SV SparkassenVersicherung. Ihr starker Partner für Privat-, Firmen-, Kommunal- und Landwirtschaftskunden. 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Für den Gemeindetag Baden-Württemberg stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit des Landestarifs – besonders in Anbetracht der bereits bestehenden verbundgrenzüberschreitenden Tarifangebote und des Baden-Württemberg-Tickets – sowie die Frage nach der Finanzierung des Landestarifs. Jenseits der bereits bestehenden, die Verbundgrenzen überschreitenden Tarif angebote und auch jenseits des BadenWürttemberg-Tickets ist nach dem „Landestarifkonzept“ des MVI der Landestarif erforderlich. Bestehende verbundgrenzüberschreitende Tarifangebote sind unterschiedlich ausgestaltete und zumeist nur bilaterale Vereinbarungen zwischen Verkehrsverbünden, die sich auf einzelne Ticketarten und auf die Relationen zwischen einem Verbund und seinem BWGZ 19 | 2015 Nachbarverbund beschränken. Der Landestarif dagegen schafft mit einem vollen Tarifsortiment ein landesweit einheitliches Tarifangebot für alle verbundgrenzenüberschreitenden Verkehre. Das Tarifangebot „Baden-WürttembergTicket“ ist zwar ein landesweit gültiges Tarifangebot für verbundgrenzenüberschreitende Verkehre, ist jedoch als Tagesticket mit zeitlicher Einschränkung ausgestaltet und gilt nicht in Fernverkehrszügen. Der Landestarif dagegen schafft dieses landesweit gültige Tarifangebot auch im Einzel- und Zeitkartenbereich, der heute 50 Prozent der Fahrten im verbundgrenzenüberschreitenden Verkehr betrifft. Außerdem soll der Landestarif auch im Fernverkehr gelten. Zur Finanzierung des Landestarifs wurde das MVI darauf hingewiesen, dass aus der Sicht der kommunalen Landesverbände die Erforderlichkeit eines Landestarifs sowohl per se als auch hinsichtlich Inhalt und Ausgestaltung und damit auch die ungeklärte Finanzierungsfrage klärungsbedürftig ist. Damit verbunden ist die Befürchtung, dass Kosten für Einführung und Betrieb des Landestarifs auch bei den kommunalen Aufgabenträgern anfallen. Die dazu präzisierten Fragen hat das MVI zwischenzeitlich beantwortet. Zu unterscheiden sind der Initialaufwand für die Einführung des Landes tarifs und die Organisationskosten für die Verwaltung des Landestarifs. Da die Tarifkonzeption der Vorgabe folgt, dass der Landestarif sich selbst trägt, fallen im Gegensatz zu den Verbundtarifen beim Landestarif keine tarifbedingten Ausgleichszahlungen an. Der Initialaufwand, der unmittelbar und ursächlich im Zusammenhang mit der Einführung des Landestarifs entsteht, wird nach Erklärung des MVI in vollem Umfang vom Land getragen. Die Organisationskosten für die Verwaltung des Landestarifs würden bei voller Ausprägung der Landes tariforganisation auf 1,5 Mio. Euro im Jahr veranschlagt und werden sich laut gutachterlicher Prognose aus den zusätzlichen Einnahmen des Landestarifs finanzieren. Eine finanzielle Belastung der kommunalen Aufgabenträger, die aus dem Landestarif resultiert, ist daher nicht zu sehen. Problematisch bleibt die Einführung des Landestarifs in Bezug auf die Gestaltung der Anschlussmobilität. Laut MVI ist vorgesehen, dass die Anschlussmobilität obligatorisch im Ticket enthalten sein soll, wobei der Preis zusammen mit den Verbünden kalkuliert wurde. Ergebnis dieser Beratungen war, dass der Grundzuschlag für die Anschlussmobilität im Durchschnitt (vor Abzug von BahnCard-Rabatten) 60 Cent bei Einführung in ganz Baden-Württemberg beträgt bzw. 25 Cent bei Einführung in den 25 größten Städten Baden-Württembergs. Dies soll durch eine Solidar finanzierung umgelegt werden, was bedeutet, dass jeder Fahrgast diese Summe zusätzlich zu entrichten hat (auch diejenigen, die von der Anschlussmobilität keinerlei Gebrauch machen). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass diese Werte bisher lediglich für die Anschlussmobilität hinsichtlich des Zielortes kalkuliert wurden. Ob und um wie viel sich die Preise erhöhen, sofern noch die Anschlussmobilität vom Startort einbezogen wird, ist derzeit unklar. Weiterhin sollen laut MVI die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass die Einführung des Landestarifs zu spürbaren Nachfrage- und Einnahmesteigerungen führe. Nach den uns vorliegenden Erfahrungswerten besteht nur ein geringer Prozentsatz an Reisenden, die von dieser Einführung profitieren bzw. diese in Anspruch nehmen würden. 948 Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Ferner bleibt auch das gesamte Finanzierungskonzept des Landestarifs vage. Das Land hat mit Schreiben vom 16.10.2014 sowie im Spitzengespräch vom 07.01.2015 nochmals bestätigt, dass der Initial aufwand, der unmittelbar und ursächlich im Zusammenhang mit der Einführung des Landestarifs steht, in vollem Umfang vom Land getragen wird. Auf Nachfrage bei der 4. Lenkungskreissitzung am 22.01.2015, welches denn nun die Initialkosten seien, die das Land übernehme bzw. ob auch Kosten im Bereich Fahrkartenautomaten/Busdrucker übernommen werden, wurde geantwortet, dass für Leistungen, bei denen die Kosten nicht über die ausgeschriebenen Verkehrsverträge übernommen werden, eine Abstimmung im Einzelfall erfolge. Die Aussage des Ministers und des Ministerialdirektors bleibe weiterhin bestehen, wonach die ursächlich auf den Landestarif zurückzuführenden Kosten vom Land übernommen werden. Die zu gründende Tarifgesellschaft soll als Landestarif Mischgesellschaft ausgestaltet werden und alle relevanten Akteure einbinden sowie zeitgleich die Zuständigkeiten möglichst klar abgrenzen. Wesent liches Konstruktionselement sind hierbei zwei Vertragskreise. Unterschieden werden Zuständigkeit und Betroffenheit im Bereich „Verbundgrenzen überschreitende Verkehre“ sowie im Bereich „Anschlussmobilität in Verbünden“. Die zwei Vertragskreise sind über die Rahmenvereinbarung LT-Verbünde verknüpft. Vorgesehen sind ferner differenzierte Entscheidungsstrukturen. Bei Mehrheitsentscheidungen ist die Kombination aus absoluter Mehrheit und einfacher Mehrheit vorgesehen. Bei wich tigen Grundsatzentscheidungen ist ein Konsens erforderlich. Hinsichtlich der Teilnahme gilt, dass diejenigen, die im Rahmen der Erlösverantwortung an den Landestarifeinnahmen Tarifhoheit beanspruchen, auch an der Landestariforganisation Beteiligung zeigen sollen. Allerdings ist keine Zwangsmitgliedschaft vorgesehen. Darüber hinaus soll laut dem MVI die Finanzierung der Organisationskosten so weit wie möglich Gemeindetag Baden-Württemberg Foto: Erich Westendarp/PIXELIO Finanzierungskonzept bleibt vage aus den zusätzlichen Einnahmen des Landes erfolgen. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, stellt sich als fraglich dar. Das Thema wurde innerhalb der Lenkungskreissitzungen kontrovers diskutiert, zumal die Befürchtung besteht, dass die Kosten für die LT-Gesellschaft auf den Ticketpreis umgelegt werden. ten bis zum marktseitigen Start der 1. Stufe übernehmen will, die Kosten der Stufe 2 anschließend vollumfänglich von den Verbünden bzw. Aufgabenträgern zu tragen sind. Gleichzeitig wird bei den Aufgabenträgern/Verbünden keine Bereitschaft gesehen, diese Kosten zu übernehmen. Festzuhalten bleibt, dass das Finanzierungskonzept bezüglich des Initialaufwands und der Organisationskosten unklar bleibt. Zwar wird seitens des MVI darauf Wert gelegt, dass bei kommunalen Aufgabenträgern keine Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen bestehen, jedoch bestehen dahingehend noch Bedenken. Die kommunalen Landesverbände sehen nach wie vor das Land in der Pflicht, die notwendigen Finanzmittel zur Einführung des Landestarifs bereitzustellen. Auch wird erwartet, dass das Land entsprechende Ausgleichsleistungen vornimmt, sollte es nicht gelingen, den Landestarif einkommensneutral einzuführen. Es bleibt festzuhalten, dass die kommunalen Landesverbände so lange die Absichtserklärung nicht mitzeichnen können, wie das Land es unterlässt, entsprechend klare Aussagen zur Finanzierung der 2. Stufe vorzunehmen. Eine solche Zusage wurde bereits mehrfach eingefordert, ohne jedoch konkrete Angaben diesbezüglich zu erhalten. Im Zuge der Einführung des Landes tarifs ist zunächst die Unterzeichnung einer so genannten „Absichtserklärung“ geplant. Aus Sicht der kommunalen Landesverbände beinhaltet die vorgelegte Absichtserklärung eine Vorfestlegung zur Einführung der Stufe 2. Diese Vorgehensweise wurde gegenüber dem MVI von Seiten der kommunalen Landesverbände bereits mehrfach angemahnt. Nichtsdestotrotz findet sich in der Regelung zur Finanzierung innerhalb der Absichtserklärung kein Hinweis mehr auf die Stufe 2. Diese Vorgehensweise bestärkt die kommunalen Landesverbände in der Befürchtung, dass das Land nur die Einführungskos- Das Präsidium des Gemeindetages Baden-Württemberg hat sich in der Sitzung vom 25.02.2015 dafür ausgesprochen, die weiteren Maßnahmen zur Einführung des Landestarifs eingehend weiterzuverfolgen und einer kritischen Prüfung zu unterziehen, um insbesondere auf eventuelle Mehrkosten für Kommunen frühzeitig hinweisen zu können. 949 Geschäftsbericht Rad- und Fußgängerverkehr aufwerten Die im Jahr 2014 vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur vorgeschlagenen und begonnenen Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs haben ihre Grundlage im grün-roten Koalitionsvertrag vom 27.04.2011. Danach wollen die Koalitionäre Baden-Württemberg zu einem fußgänger- und fahrradfreund lichen Land machen. Dazu soll der Radverkehr im Rahmen einer nachhaltigen Verkehrspolitik aufgewertet werden und zwar nicht nur in der Freizeit und beim Tourismus, sondern auch als Verkehrsmittel im Alltag. Das bestehende derzeit noch lückenhafte Radwegenetz soll attraktiver und sicherer gemacht und vor allem flächendeckend ausgebaut werden. Um die Radwegeinfrastruktur unabhängig vom Straßenbau sinnvoll weiterentwickeln zu können, soll im Landeshaushalt ein eigener Haushaltstitel für den Bau von Radwegen eingerichtet werden. Der Rad- und Fußgängerverkehr in BadenWürttemberg soll bei der Verkehrsplanung nicht nur die Flächen zugestanden bekommen, die übrig bleiben. Ziel ist die Steigerung des landesweiten Anteils des Radverkehrs an der Zahl der zurückgelegten Wege auf 20 Prozent. Weiteres Ziel ist die Steigerung des Anteils der nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) geförderten Investitionen für den Fußgänger- und Radverkehr. Am 24.02.2015 fand die Auftaktveranstaltung des MVI zur Förderung des Fußverkehrs statt. Unter dem Motto „Los geht‘s“ wurde zu mehr körperlicher Betätigung mithilfe des Laufens aufgerufen. Neben den gesundheitlichen Vorteilen wurden auch die Vorzüge für die Umwelt wie auch für den Städtebau aufgezeigt. Im Zuge dessen wurde auch der Fußverkehrs-Check für Baden-Württemberg ausgelobt, auf den mit Gt-INFO Nr. 539/2015, Druckausgabe vom 22.06.2015, hingewiesen wurde. Die Gewinner wurden auf der Veranstaltung des MVI am 27.07.2015 bekanntgegeben. Aufgrund der guten Resonanz 950 BWGZ 19 | 2015 hatte sich das MVI kurzfristig dazu entschieden, nicht wie ursprünglich geplant nur 10, sondern vielmehr 15 Kommunen in den Genuss des Fußverkehrs-Checks kommen zu lassen. Bei den Fußverkehrs-Checks bewerten Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung und Politik im Rahmen von Workshops und Begehungen im Dialog die Situation für den jeweils örtlichen Fußverkehr. Mit der Unterstützung des Fachbüros Planersocietät erarbeiten sie einen konkreten Maßnahmenplan, um die Wege zu Fuß künftig noch attraktiver und sicherer zu gestalten. Fortschreibung des Förderprogramms kommunale Rad- und Fußverkehrs infrastruktur Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hatte Mitte August 2014 die Kommunen aufgefordert, bis spätestens zum 30.09.2014 Vorschläge für Infrastrukturmaßnahmen zur Fortschreibung des Förderprogramms kommunale Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) zu übersenden. Grundlage der Förderung ist bisher die Richtlinie des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur zur Gestaltung und Förderung von Radverkehrsanlagen (RL-Radinfrastruktur) vom 01.06.2012. Darin ist benannt, welche Unterlagen der Anmeldung von Fördervorhaben beizufügen sind. Die formale Antragsstellung erfolgt in einem zweiten Schritt nach Aufnahme des Vorhabens in das Förderprogramm. Besondere Beachtung sollten Maßnahmen finden, die im laufenden Entwicklungsprozess des RadNETZ Baden-Württemberg in der Abstimmung sind. Das zuständige Regierungspräsidium ist als Prüfungs-, Entscheidungs- und Bewilligungsstelle Ansprechpartner für alle Fragen zum Förderprogramm. Maßnahmen, die bereits in vergangenen Jahren bei den Regierungspräsidien als Vorschlag zur Programmaufnahme eingereicht wurden und bislang nicht bei der Programmfortschreibung berücksichtigt werden konnten, sind erneut von den Kommunen als Vorschlag zur Programmfortschreibung bei den Regierungspräsidien einzureichen, sofern eine Förderung nach LGVFG weiterhin angestrebt wird. Es erfolgt keine automatische Berücksichtigung von bereits früher eingereichten Maßnahmenvorschlägen durch die Regierungspräsidien. Sofern keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden, reicht ein kurzes Schreiben der Kommune, ohne erneute Zusendung der Gesamtunterlagen. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat mit Gt-info vom 22.09.2014 seine Mitglieder aufgefordert, Vorschläge zur Fortschreibung des Förderprogramms zu machen. Pedelecs an Bahn-Haltepunkten – Fördermöglichkeiten im Rahmen der Landesinitiative Elektromobilität Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg hat die Städte und Gemeinden an Fördermöglichkeiten von ausleihbaren Pedelecs an Bahn-Haltepunkten erinnert. Das MVI möchte in Ausführung des Koalitionsvertrags den Radverkehr in BadenWürttemberg fördern. Um mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf das Rad zu bewegen, gibt es für Kommunen im Rahmen der Landesinitiative Elektro mobilität II Fördermittel für die Beschaffung von ausleihbaren Pedelecs an Bahn-Haltepunkten. Ziel ist es, Pendlern, die täglich mit Bus oder Bahn zur Arbeit fahren, die Möglichkeit zu bieten, auch die „letzte Meile“ nach Hause bequem mit einem Pedelec zurückzu legen und dadurch auf Kurzstrecken mit dem Auto zu verzichten. Für den Bau einer Pedelec-Station an Bahn-Haltepunkten haben sich bereits zahlreiche Kommunen entschieden. Im Oktober 2013 konnte die erste Station in Bietigheim-Bissingen ihren Betrieb aufnehmen. Weitere werden im laufenden Jahr folgen. Um solche Vorhaben in allen Städten und Gemeinden in BadenWürttemberg zu unterstützen, fördert das Ministerium die Beschaffung von ausleihbaren Pedelecs mit 50 Prozent des Anschaffungspreises, jedoch maximal 2000 Euro pro Pedelec. Städte und Gemeinden können sich hierüber ausführlich im Internet informieren: Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 http://mvi.baden-wuerttemberg.de/de/ mobilitaet-verkehr/nachhaltige-mobilitaet/ elektromobilitaet/landesinitiative. „RadNETZ Baden-Württemberg“ Die Radverkehrsinfrastruktur ist regional unterschiedlich ausgebaut. Durch eine umfassende Bestandsanalyse sollen Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt und Lücken geschlossen werden, um auch im Alltagsverkehr einen deutlichen Anstieg der Radverkehrsnutzung zu erzielen. Ziel ist ein flächendeckendes, durchgängiges Routennetz alltagstauglicher Fahrradverbindungen zwischen Mittel- und Oberzentren. Das RadNETZ Baden-Württemberg soll sich durch sichere und komfortable Streckenführung, einheitliche und durchgängige Beschilderung und konsequente Wartung auszeichnen. Zur Ermittlung des Status werden Strecken im Umfang von rund 8000 Kilometern befahren und aus Radfahrerperspektive ausgewertet. Erfahrene Ingenieur büros identifizieren entscheidende Qualitätsmängel oder Lücken im Netz und erstellen Empfehlungen für eine zügige und kosteneffiziente Verbesserung. Unter Beteiligung der Landkreise, Städte und Gemeinden und sowie der Verbände wird dazu ein Netz entwickelt. Ziel ist es, die Routen zunächst möglichst schnell so herzurichten, dass diese durchgängig sicher befahren werden können. Nur Routen, die den Mindestkriterien entsprechen, werden beschildert. Darüber hinaus wird das RadNETZ Schritt für Schritt weiter verbessert. Ziel ist es, das gesamte RadNETZ BadenWürttemberg attraktiv und sicher nach dem aktuellen Stand der Technik auszubauen. Die Bürger erhalten ein bedarfsorientiert geplantes, komfortables und einfach zu nutzendes Radverkehrsangebot, das im Alltag für Arbeits-, Schuloder Einkaufswege, aber auch in der Freizeit bequem genutzt werden kann. Auf den als RadNETZ Baden-Württemberg gekennzeichneten Routen fällt die Orientierung anhand einheitlicher Beschilderung leicht. Qualitätsstandards sorgen dafür, dass das Netz durchgängig sicher befahren werden kann. Gemeindetag Baden-Württemberg Die Politik und Planung vor Ort sind als aktive Partner in den Prozess integriert – so finden örtlicher Belange Berücksichtigung und die Einbindung in die lokalen Radverkehrsnetze ist gewährleistet. Das Land stellt den Kommunen eine umfassenden Bestandsaufnahme sowie erste Hinweise zur Behebung von Mängeln zur Verfügung und sorgt für eine Koordination über Kreisgrenzen hinweg. Durchgängige Radverkehrsverbindungen von einheitlich hohem Niveau machen Alltagswege attraktiver, unterstützen aber auch die Freizeitinfrastruktur (www.mvi.baden-wuerttemberg.de; www.fahrradland-bw.de). AGFK-BW – Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V. Die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V. (AGFK-BW) wurde im Mai 2010 mit Unterstützung der Landesregierung gegründet. Seither haben sich immer mehr Landkreise, Städte und Gemeinden dem Netzwerk angeschlossen – Tendenz weiter steigend. Die Mitglieder profitieren vom Erfahrungsaustausch, von Synergien in Projekten und von der Arbeit der Geschäftsstelle, die das als Verein organisierte Netzwerk koordiniert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen werden dadurch unterstützt; das eröffnet Möglichkeiten, die für eine Kommune allein nicht erreichbar gewesen wären. Um diese Ziele zu verwirklichen, unterstützt die AGFK-BW ihre Mitglieder unter anderem bei der Öffentlichkeits arbeit, im Handlungsfeld Mobilitäts management und bei der Umsetzung von konkreten Projekten, beispielsweise der Aktion „Die Schul-Radler“ für die neuen Fünftklässler. Sie stößt Forschungsvorhaben an, von deren Ergebnissen die Kreise, Städte und Gemeinden profitieren, und dient als kommunale Interessenvertretung in Sachen Radverkehr gegenüber Dritten. Die AGFK-BW wird dabei ihrerseits von einer Kommunikationsagentur beraten. Die AGFK-BW ist ein wichtiger Teil der Fahrradförderung des Landes und wird vom Verkehrsministerium finanziell und ideell unterstützt. So finanziert das Ministerium beispielsweise die AGFKGeschäftsstelle bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg. Alle Städte und Gemeinden können Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in BadenWürttemberg e.V. werden, wenn sie sich dazu bekennen, den Radverkehr nachhaltig fördern zu wollen. Die Bereitschaft zur Mitarbeit in der AGFK-BW muss deutlich werden, indem der Bürgermeister aktiv an der AGFK-Mitgliederversammlung teilnimmt und einen fachlichen Mitarbeiter in den Facharbeitskreis und in mindestens eine thematische Arbeitsgruppe entsendet. Die Mitgliedsbeiträge betragen aktuell für Städte und Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern 1000 Euro im Jahr, für Städte und Gemeinden mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern 2000 Euro. 3000 Euro ist der Jahresbeitrag für Landkreise sowie Städte mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern. Städte mit mehr als 100.000 Bürgern zahlen 4000 Euro. Weitere Informationen stehen im Internet unter www.agfk-bw.de/startseite/, u.a. die Broschüre des AGFK-BW zum Download. Städten und Gemeinden, die an einer Mitgliedschaft interessiert sind, wird empfohlen, die Erfahrungen bei einem bestehenden Mitglied abzufragen. RadSTRATEGIE Baden-Württemberg Mit Schreiben vom 17.08.2015 hat das MVI den Entwurf der Radverkehrsstrategie Baden-Württemberg bekannt und zur Anhörung frei gegeben. Die RadSTRATEGIE beinhaltet die strategische und konzeptionelle Grundlage für die Radverkehrsförderung in Baden-Württemberg in den kommenden zehn Jahren. Der Entwurf zur RadSTRATEGIE wurde unter Einbindung diverser Akteure erarbeitet. Darüber hinaus wurde zusätzlicher fachlicher Input in Form von Gutachten, Interwievs und Fachveranstaltungen eingeholt. Bezüglich der Stellungnahme wird auf die entsprechende Gt-INFO verwiesen. 951 Geschäftsbericht Regiobusse Mit Schreiben vom 27.03.2015 hat das MVI sein Förderprogramm Regiobuslinien vorgestellt und gleichzeitig zur Anhörung freigegeben. Die geplante Einführung der Regiobusse hat zum Ziel, die nachhaltige Mobilität zu fördern. Da die Anbindung an das Schienennetz nicht in jeder – insbesondere kleineren Kommune – gewährleistet ist, sollen die bestehenden Lücken zunächst ausgemacht werden, um diese anhand der Einführung der Regiobusse zu schließen und um auf diese Weise die Anbindung auch dieser Gebiete an größere Netze zu gewährleisten. Die Vorgehensweise sieht dergestalt aus, dass das Netz der Regiobusse zunächst zu definieren ist. Dabei sollen die bisher nicht angebundenen Unter- und Mittelzentren vorrangig in den Blick genommen werden, d.h. die Regiobusse sollen dort zuerst eingeführt werden. Foto: Viktor Mildenberger/PIXELIO Zur Finanzierung hat das Land im laufenden Doppelhaushalt für 2015 einen Betrag von 1,5 Mio. Euro und für 2016 dann 3,0 Mio. Euro eingestellt. Ab 2017 beabsichtigt das Land, 1,5 Prozent der Regionalisierungsmittel (etwa 10 Mio. Euro) für dieses Konzept zur Verfügung zu stellen. Um zielgenau die bedarfsgerechten Linien zu ermitteln, ist an eine je hälftige Finanzierung des Landes und der Aufgabenträger Busverkehr (Landkreise) gedacht. Bürgerbus 952 BWGZ 19 | 2015 Die Zielrichtung dieser Initiative ist ausdrücklich zu begrüßen. Insbesondere für Mittel- und Unterzentren im ländlichen Raum kann so punktuell ein sinnvoller Anschluss an den SPNV geschaffen werden. Auch die jeweils hälftige Finanzierung ist zu unterstützen, da auf diesem Wege einerseits ein gemeinsames Interesse eines bedarfsgerechten Einsatzes der Regiobusse sichergestellt wird und andererseits mit den verfügbaren Landesmitteln mehr Regiobuslinien in eine Förderung kommen können. Der Gemeindetag Baden-.Württemberg hat in der Präsidiumssitzung vom 25.02.2015 beschlossen, die weiteren Maßnahmen zur Einführung der Regiobusse eingehend weiterzuverfolgen und einer kritischen Prüfung zu unterziehen, um insbesondere auf eventuelle Mehrkosten für Kommunen frühzeitig hinweisen zu können. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat in der Kabinettssitzung am 24.02.2015 den Entwurf seines Förderprogramms „Regiobuslinien“ vorgestellt. Ziel ist es, Bahnen und Busse im ganzen Land voranbringen. Weiterhin soll schrittweise möglichst flächendeckend ein ganztägiger Stundentakt mit Zügen, Bussen oder Sammeltaxis erreicht werden. Darüber hinaus sollen größere Lücken im Schienennetz mit hochwertigen, vertakteten Buslinien geschlossen werden. Aus Sicht des Landes besteht das Problem darin, dass nicht alle Mittel- und Unterzentren in Baden-Württemberg an das Schienennetz im Land angebunden sind. Ein Neubau würde hohe Investitionen erfordern und ist mittelfristig nicht realisierbar. Ein landesweites Grundnetz von Regiobuslinien soll deshalb als kostengünstige Alternative mittelfristig alle zentralen Orte des Landes (Oberzentren, Mittelzentren, Unterzentren sowie die Verkehrsflughäfen) mindestens stündlich anbinden. Die Regiobuslinien sind aus Sicht des Landes ein Baustein aktiver Infrastrukturpolitik, insbesondere für den ländlichen Raum mit seinem weniger dichten Schienennetz. Für 2015/2016 hat der Landtag 4,5 Millionen Euro für das Projekt bereitgestellt. Damit kann das MVI die ersten Regiobuslinien fördern. In einer ersten Umsetzungsstufe soll sich die Förderung auf die Anbindung aller Mittelzentren an den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) durch Regiobusse sowie Lückenschlüsse zwischen Mittelzentren konzentrieren. Stellungnahme des Gemeindetags Mit Schreiben vom 29.04.2015 hat der Gemeindetag Baden-Württemberg Stellung genommen. Die Zielrichtung des Förderprogramms Regiobuslinien wird vom Gemeindetag grundsätzlich begrüßt. Insbesondere für Mittel- und Unterzentren im ländlichen Raum kann so punktuell ein sinnvoller Anschluss an den SPNV geschaffen werden. Allerdings wurde ebenso darauf hingewiesen, dass am 07.01.2015 ein Spitzengespräch zwischen dem MVI und den kommunalen Landesverbänden stattgefunden hat. Darin hatte man sich darauf geeinigt, dass die „förderfähigen Netze“ mit den kommunalen Vertretern und den Verbünden bezüglich des tatsächlichen Bedarfs vor Ort und der Kompatibilität mit den Nahverkehrsplänen rückgekoppelt werden. Eine solche Abstimmung hatte jedoch nicht stattgefunden, weswegen gebeten wurde, diesem Erfordernis noch nachzukommen. Mit Gt-INFO Nr. 526/2015, Versandtag vom 28.05.2015, Druckausgabe vom 22.06.2015, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg über das Förderprogramm Regiobuslinien informiert. Das MVI hatte mit Schreiben vom 26.05.2015 über die beabsichtigte Einführung des Förderprogramms „Regiobuslinien“ informiert und darauf hingewiesen, dass Aufgabenträger für Busverkehre im Sinne des § 6 ÖPNV antragsberechtigt sind. Die vom MVI beigefügten Dokumente wurden mittels oben genannter Gt-INFO verlinkt. Die Förderanträge sind im Zeitraum vom 15. Juni bis zum 31. August 2015 beim MVI einzureichen. Gemeindetag Baden-Württemberg BWGZ_Die_Gemeinde_WikomMT_sw.pdf 1 24.09.2015 07:56:15 Als Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft sind wir für Unternehmen der öffentlichen Hand und vornehmlich mittelständische private Unternehmen in den Bereichen Prüfung, Beratung, Planung, Gestaltung und Organisation tätig. Unsere Kompetenz Wir haben spezielles praxisnahes Know-how auf den Gebieten: Prüfung des Jahresabschlusses Erstellung von Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Gesamt- (Konzern-) abschluss Gesellschafts-, Wirtschafts- und Steuerrecht Betriebswirtschaftliche Beratungen Beratung und Unterstützung bei der Einführung des neuen kommunalen Haushaltsrechts Rekommunalisierung der Energieversorgung Unsere Schwerpunkte Wir unterstützen, prüfen und beraten kommunale und private Unternehmen wie z. B.: Mittelrheinische Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - Steuerberatungsgesellschaft www.m-treuhand.de Energieversorger, Entsorgungsunternehmen und Stadtwerke Wohnungs- und Immobilienunternehmen Projektentwicklungsgesellschaften Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen Verkehrsunternehmen in unterschiedlichen Rechtsformen wie Kapitalgesellschaften, Eigenbetrieben, Zweckverbänden, Anstalten des öffentlichen Recht u. a. www.wikom-ag.de Unsere Niederlassung in Baden-Württemberg Kriegerstraße 14 • 70191 Stuttgart Tel. 0711 686898-70 Fax 0711 686898-79 Berlin • Erfurt • Essen • Frankfurt am Main • Halle (Saale) • Hamburg • Koblenz • Köln • Leipzig • Mainz • Potsdam • Schwerin • Stuttgart Geschäftsbericht Erneuerbare Energie – aber wie? Mit dieser Fragestellung setzen sich in Baden-Württemberg auch im Jahr Fünf nach den Energiewende-Beschlüssen im Jahr 2011 viele Akteure auseinander. Die Energiepolitik von Städten und Gemeinden spielt dabei aufgrund der zunehmenden Dezentralität der Energieversorgung eine immer maßgeblichere Rolle. Denn auf kommunalen Gemarkungen werden die alternativen Energien angesiedelt, hier müssen Übertragungs- und Verteilnetze in verstärktem Maße ausgebaut und eine neue Infra- und Speicherstruktur geschaffen werden. Das Spektrum der kommunalen energiewirtschaftlichen Themen wird somit stetig breiter. Gerade die Jahre 2014 und 2015 waren bzw. sind daher auch geprägt von vielfältigen Gesetzes-, Verordnungs- und Programminitiativen von Bund und Land auf dem und um das Gebiet des Energiewirtschaftsrechts. Herauszuheben ist hierbei die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Frühjahr 2014 (EEG 2014), zu welcher der Gemeindetag Baden-Württemberg eine eigene Stellungnahme gegenüber dem zuständigen Bundesministerium für Umwelt und Bauen abgegeben hat (vgl. u.a. Gt-INFO Nr. 261/14 vom 07.04.2014). Maßgebliche Forderungen und Inhalte der Novelle sind den Ausführungen in BWGZ 2/2015 ab S. 68 zu entnehmen. In der gleichen Ausgabe der BWGZ werden auch die Regelungen der Neuauflage des Erneuerbare-Wärme-Ge setzes (EWärmeG 2015) betrachtet, welches am 1. Juli 2015 in Kraft trat. Insbesondere die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf kommunale Nichtwohngebäude im Bestand und die damit einhergehende Pflicht, beim Austausch oder nachträglichen Einbau einer Heizanlage mindestens 15 Prozent des Wärmeenergiebedarfs durch Erneuerbare Energien abzudecken, werden für kommunale Gebäude, die häufig in den 1970erJahren errichtet wurden, finanzielle Belastungen darstellen. In Arbeitsgrup- 954 BWGZ 19 | 2015 pen, Besprechungen im Umweltministerium sowie während der Anhörung hat der Gemeindetag Baden-Württemberg versucht, die Folgen der Gesetzesänderung für Städte, Gemeinden sowie deren selbstständige und unselbstständige Einrichtungen abzumildern. Im Besonderen wurde darauf verwiesen, dass Kommunen sinnvolle Investitionen in Energieeffizienz im Gebäudebereich bereits vielerorts getätigt hätten und eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen im Einzelfall energetische Sanierungsmaßnahmen verhindern oder zumindest verzögern kann. Vor diesem Hintergrund war aus Sicht der Geschäftsstelle erfreulich, dass die Novellierung verschiedene Erfüllungsoptionen offen lässt, wie der gesetzlichen Pflicht im Einzelfall entsprochen werden kann. In der Stellungnahme vom 29.09.2014 wurde insoweit beispielsweise das Instrument des Energetischen Sanierungsfahrplans als vollwertige Erfüllungsoption ausdrücklich begrüßt. Im Frühsommer 2015 folgte darauf die „Verordnung zum gebäudeindividuellen energetischen Sanierungsfahrplan Baden-Württemberg (SFP-VO)“. Eine ausführliche Besprechung des Gesetzesentwurfs erfolgte in BWGZ 1/2015 ab S. 70 sowie per Gt-INFO Nr. 295/2015 vom 20.03.2015. Wie sich die Neuerungen in der Praxis auswirken und welche zusätzliche Aufgabenfülle für die unteren Baurechtsbehörden damit einhergeht, bleibt abzuwarten. IEEK und daraus hervorgehende Initiativen Nachdem der Ministerrat am 15. Juli 2014 das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) für BadenWürttemberg verabschiedet hatte, wurden im zweiten Halbjahr 2014 bereits erste der insgesamt 108 darin enthaltenen Maßnahmen angegangen: Energieatlas Baden-Württemberg Nachdem das Umweltministerium bereits im März 2013 einen online-basierten Potenzialatlas Erneuerbare Energien (www.potenzialatlas-bw.de) veröffent- licht hat, soll dieser Atlas nun durch einen Wärmebedarfs-Atlas ergänzt werden. Derzeit arbeitet die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) an einem ersten Entwurf. Eine Veröffentlichung ist nicht vor Herbst 2015 zu erwarten. Die Geschäftsstelle wird per Gt-info berichten. Initiative zur Energieberatung einkommensschwacher Haushalte Trotz stetig sinkender Energiepreise an der Strombörse in Leipzig ist der BruttoStrompreis für kommunale wie auch private Endverbraucher in den letzten Jahren stetig angestiegen. Verantwortlich hierfür sind Steuern und Umlagen, die notwendig sind, um die Energiewende bedingten Ausgaben zu refinanzieren (EEG-Umlage, KWK-Umlage, Haftungsumlage Offshore, § 19 Ab. 2 StromNEV-Umlage etc.). Für einkommensschwache Haushalte – im Regelfall Haushalte, die staatliche Transferleistungen beziehen – stellt diese Entwicklung ein Problem dar, welches in vielen Fällen darin gipfelt, dass aufgrund von Zahlungsrückständen der Strom abgeschaltet wird. Vor diesem Hintergrund haben Sozialministerium und Umweltministerium im Jahr 2014 die Initiative zur Energieberatung einkommensschwacher Haushalte gestartet. Konkreter Inhalt einer gemeinsamen Erklärung von Politik, Sozialbehörden, Stromversorgungsunternehmen, freien Wohlfahrtsverbänden und den kommunalen Landesverbänden sollte nicht allein die Energieberatung, sondern auch die bessere Zusammenarbeit der einzelnen Akteure sein, beispielsweise bei einer drohenden Stromabschaltung aufgrund von Zahlungsrückständen. Nach intensiven Debatten, bei denen nicht zuletzt auch die Geschäftsstelle erfolgreich darauf hingewirkt hatte, einen Ausgleich zu finden zwischen neuen Angeboten zur Energieberatung, deren Finanzierung sowie Forderungen der freien Wohlfahrtsverbände nach der Verpflichtung von Versorgungsunternehmen zu kostenintensiven Beratungsstrukturen mit zweifelhaftem Mehrwert, kam die Erklärung aufgrund von für die freien Wohlfahrtsverbände nicht verhandelbaren Kernkritikpunkten nicht zustande. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Landeskonzept Kraft-Wärme-Kopplung Am 14.07.2015 hat die Landesregierung ihr Konzept zur Entwicklung der Stromund Wärmeerzeugung aus Kraft-WärmeKopplungsanlagen (Landeskonzept KWK) in Baden-Württemberg verabschiedet. Ausgehend von der Zielmarke, dass im Jahr 2020 der Beitrag der KWKAnlagen zur jährlichen Bruttostromerzeugung auf rund 13 TWh (d.h. von bislang 12 Prozent auf 20 Prozent) gesteigert werden soll, und der für Sommer 2015 angekündigten Novellierung des KWKGesetzes des Bundes wurden im Rahmen eines Gutachtens des Deutschen Luftund Raumfahrtzentrums (DLR), des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) und von Dr. Joachim Nitsch Maßnahmenvorschläge erarbeitet. Diese sahen unter anderem vor, im Wege einer Bundesratsinitiative die Verpflichtung zur Aufstellung von kommunalen Wärmeplänen zu fordern. Die Geschäftsstelle hat sich per Ministerschreiben g egen diesen Vorschlag gewandt und stattdessen angeregt, einen Anreiz für kommunale Wärmeplanungen über das Förderprogramm KlimaschutzPlus zu schaffen. In Bayern werden entsprechende Planungen bereits heute aus Landesmitteln mit Förderquoten von bis zu 70 Prozent gefördert. Dieser Vorschlag wird nunmehr von Seiten des Umweltministeriums geprüft, der einstweilige Verzicht auf gesetzliche Verpflichtungen wurde indes bereits zugesagt. Sobald weitere Ergebnisse vorliegen, wird die Geschäftsstelle per Rundschreiben informieren. Ein weiterer Maßnahmenvorschlag aus dem Landeskonzept KWK lautete, den Bau von zukunftsfähigen Wärme netzen in Baden-Württemberg zeitnah voranzutreiben. Die bestehenden Fördertatbestände im Programm KlimaschutzPlus sollen daher überarbeitet und die Mittel aufgestockt werden. Konkrete Ergebnisse hierzu liegen der Geschäftsstelle noch nicht vor (Stand: Juli 2015). Ausbau der Stromübertragungsnetze in Baden-Württemberg Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hatte am 27.02.2015 den zweiten Entwurf des Gemeindetag Baden-Württemberg Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2024 veröffentlicht und eine bundesweite Konsultation gestartet, bei welcher der Gemeindetag Baden-Württemberg eine eigene Stellungnahme abge geben hat. Entgegen des Vorschlags des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW wurde in dem benannten zweiten Entwurf die im November 2014 von diesem angemeldete Gleichstromübertragungstrasse vom Kreis Segeberg nach Wendlingen am Neckar von der Bundesnetzagentur als „nicht bestätigungsfähig“ eingestuft. Im Netzentwicklungsplan des Jahres 2025 oder später könnte das Vorhaben allerdings bestätigt werden, da die Ablehnung durch die Bundesnetzagentur bislang lediglich „vorläufig“ erfolgt ist. Neben dem Vorhaben Kreis SegebergWendlingen enthielt der Netzentwicklungsplan 2024 noch weitere Vorhaben in Baden-Württemberg, wobei ein Großteil derselben jedoch in bereits bestehenden Trassen und damit nicht als kompletter Neubau realisiert wird. Nicht Gegenstand des Netzentwicklungsplans Strom 2024 war hingegen die geplante Trasse Brunsbüttel-Großgartach (Projekt SuedLink), welche bereits gesetzlich im Bundesbedarfsplan vom 27.07.2013 verankert ist. Diesbezüglich veröffentlichte das Umweltministerium Baden-Württemberg am 06.03.2015 eine Pressemitteilung, in der auf eine gemeinsame Erklärung des Umweltministeriums mit zahlreichen Vertretern von Verbänden aus Wirtschaft und Handwerk, aus dem Umweltschutzbereich, vom Deutschen Gewerkschaftsbund und von Politik und Verwaltung für ein Dialogverfahren zum Netzausbau in Baden-Württemberg aufmerksam gemacht wurde. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat die Erklärung nicht unterzeichnet. Darüber hinaus wurden Einzelheiten zum, der Bundesfachplanung und Planfeststellung des Vorhabens vorgeschalteten, Beteiligungsverfahren verlautbart, u.a. sollte es als ersten Schritt einen Multiplikatorendialog mit Verbänden geben, welcher mittlerweile abgeschlossen ist. Zur Projektbegleitung wurde ein Steuerungskreis aus Vertretern des Ministe riums, des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW, der Deutschen Umwelt hilfe und des Regionalverbandes Heilbronn-Franken eingerichtet. Die Moderation des gesamten Dialogverfahrens übernimmt die Deutsche Umwelthilfe. Mit Schreiben vom 24.03.2015 an Umweltminister Franz Untersteller MdL hat der Gemeindetag Baden-Württemberg auf die beschriebenen Entwicklungen reagiert und Änderungen angemahnt (vgl. Gt-INFO Nr. 325/2015 vom 30.03.2015). Nach Behandlung des Themas in Präsidium und Landesvorstand nahm die Geschäftsstelle am 13.05.2015 gegenüber der Bundesnetzagentur als zuständiger Genehmigungsbehörde Stellung (vgl. Gt-INFO Nr. 494/2015 vom 18.05.2015). Die wesentlichen Forderungen lauteten: • Möglichst rasche, d.h. in jedem Fall geraume Zeit vor der formellen Antragstellung in der Bundesfach planung erfolgende Vorlage von konkreten Trassenkorridorvorschlägen seitens des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW für vom Projekt SuedLink betroffene Kommunen. Diese Vorschläge sollten möglichst entlang bestehender Infrastrukturen wie Autobahnen oder Schienenverläufen konzentriert werden. Zudem sollte das Potenzial von bestehenden Leitungen weiter genutzt und optimiert werden. • Anhörung und Berücksichtigung von Belangen der betroffenen Kommunen zu den Trassenkorridoren bzw. Trassenplanungen im Planfeststellungsverfahren bei allen geplanten Vorhaben in Baden-Württemberg, und zwar bevor sich die Planungen verfestigt haben. • Grundsätzliche Bereitschaft der Übertragungsnetzbetreiber, berechtigte kommunale Planungsvorstellungen weitgehend zu berücksichtigen. • Einbeziehung neuer technischer Möglichkeiten (Kompaktmasten bei Freileitungen etc.). • Bundesrechtliche Normierung von Trassenabständen zur Wohnbebauung im Innen- und Außenbereich unter Berücksichtigung der Möglichkeit zur Erdverkabelung. 955 Geschäftsbericht • Frühzeitige Kommunikation bei Änderungen des Netzentwicklungsplans, d.h. insbesondere die Erläuterung der Auswirkungen der Änderungen bzw. deren Vorläufigkeit aufgrund ausstehender Entscheidungen der BNetzA gegenüber jeder betroffenen Kommune im Untersuchungsraum. • Darüber hinaus sprechen wir uns für eine abschließende Aussage der BNetzA zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit der Gleichstromübertragungstrasse Kreis Segeberg-Wendlingen (C06WDL) im nächsten Netzentwicklungsplan aus. Die Ausführungen der BNetzA im vorläufigen Prüfbericht hinsichtlich der Wirksamkeit und damit der vorläufigen Nicht-Bestätigung der Leitung sind für uns weitgehend nachvollziehbar. Insbesondere der letzte Absatz des Prüfberichts (S. 84) lässt jedoch den Schluss zu, dass die Maßnahme C06WDL in naher Zukunft bereits bestätigungsfähig sein könnte. Um weiteren Flurschaden zu vermeiden und eine frühzeitige und intensive Befassung der kommunalen Gremien zu ermöglichen, wäre eine abschließende Aussage der BNetzA zum frühestmöglichen Zeitpunkt daher sehr zu begrüßen. • Aus dem Plan sollte hervorgehen, inwiefern Alternativen zum geplanten Ausbau der Übertragungsnetze in Betracht kommen. Uns ist bewusst, dass der jeweilige Szenariorahmen die Grundlage für die Netzentwicklungsplanung bildet, wir vermissen jedoch – auch angesichts der technischen Entwicklung – die Berücksichtigung von Energiespeichern, welche den Ausbaubedarf der nächsten zehn Jahre ggf. merklich reduzieren könnten. Derzeitiger Sachstand Nachdem die Einwände Bayerns auf einem Koalitionsgipfel am 1. Juli 2015 durch Zugeständnisse in Richtung einer grundsätzlichen Öffnung der Trassen auf bayerischem Gebiet für die Möglichkeit der Erdverkabelung ausgeräumt werden konnten, erfolgt derzeit die Finalisierung des Netzentwicklungsplans 2024 und die Vorbereitung des Netzentwicklungs- 956 BWGZ 19 | 2015 plans für das Zieljahr 2025. Aufgrund der Änderungen wird sich die Veröffentlichung der Entwurffassung wohl bis zum Jahresende hinziehen (vgl. hierzu GtINFO Nr. 714/2015 vom 30.07.2015). Die Geschäftsstelle befindet sich diesbezüglich im regen Austausch mit der TransnetBW. Gegenstand der Gespräche sind neben der Netzentwicklungsplanung und dem Projekt SuedLink auch die weiteren Übertragungsnetzprojekte in Baden-Württemberg. Der Gemeindetag Baden-Württemberg setzt sich hierbei neben den bereits oben benannten Punkten auch für den Einsatz alternativer Betriebsmittel wie beispielsweise Kompakt-/Vollwandmasten ein, um neben den herkömmlichen Stahlgittermasten und der Erdverkabelung im Wege von kleinräumigen Pilotprojekten weitere Alternativen zu haben. Um nähere Informationen und Arbeitsmaterialien rund um die Gesamtthematik „Übertragungsnetze“ zu erhalten, steht den Mitgliedskommunen des Gemeindetags dessen Energiewende-Homepage www.energiewende-gemeindetag-bw.de (Ratgeber – Arbeitsmaterialien – Netze) zur Verfügung. Entwicklung bei der Vergabe von Strom- und Erdgaskonzessionen Wie in BWGZ 2/2015 ausführlich dargestellt, herrscht im Bereich der Vergabe von Konzessionen für Strom- und Erdgasnetze bereits seit geraumer Zeit eine große Rechtsunsicherheit. In den Jahren 2013 und 2014 wurden diesbezüglich von Seiten des Bundesgerichtshofs einige wegweisende Entscheidungen gefällt (vgl. hierzu u.a. Gt-INFO Nr. 115/ 2015 vom 27.05.2015). Im Frühjahr 2015 haben Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur diese Entwicklungen aufgegriffen und ihren im Jahr 2010 erstmals erschienenen Leitfaden zur Konzessionsvergabe in überarbeiteter Form herausgegeben. Trotz Gerichtsurteilen und Entscheidungen der Kartellbehörden fehlt es allerdings nach wie vor an einer Konkretisierung des maßgeblichen § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Insbesondere die darin nicht explizit und nicht abschließend geregel- ten Themen „Rügefrist“, „Berücksichtigung kommunaler Belange neben den Zielen des § 1 EnWG“, „Verfahren der Netzwertermittlung“ sowie „Fortzahlung der Konzessionsabgabe bei mehrjährigen Gerichtsverfahren“ trugen bislang zu einer großen Rechtsunsicherheit auf kommunaler Ebene und damit auch zu einer Vielzahl an vermeidbaren Gerichtsverfahren unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel bei. In den vergangenen Jahren hat die Geschäftsstelle über den Deutschen Städteund Gemeindebund immer wieder versucht, eine Novellierung des § 46 EnWG anzustoßen. Im Herbst 2015 soll nun eine solche erfolgen. Inwieweit kommunale Anregungen im Referentenentwurf Berücksichtigung gefunden haben, wird sich zeigen. Die Geschäftsstelle wird sich über den DStGB an der Gesetzesanhörung beteiligen und über die weiteren Entwicklungen informieren. Kommunale Notfallplanung bei Stromausfall Was passiert, wenn der Strom ausfällt und wie kann die Handlungsfähigkeit einer Kommune in einem solchen Fall gewährleistet bleiben? Mit diesen Fragestellungen haben sich in den vergangenen vier Jahren nicht nur viele Städte und Gemeinden, sondern auch die Katastrophenschutzbehörden des Landes intensiv auseinandergesetzt. So stellte das Regierungspräsidium Karlsruhe am 18. März 2014 in Hambrücken einen „Musternotfallplan Stromausfall“ vor. Dieser war das Ergebnis einer Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des Innenministeriums, den vier Regierungspräsidien, einigen unteren Katastrophenschutzbehörden sowie der EnBW AG und der TransnetBW als netztechnischen Beratern. Diese Arbeitsgruppe hatte bereits seit Mitte des Jahres 2012 getagt und schlussendlich einen Musternotfallplan erstellt. Bereits bei der Vorstellung in Hambrücken zeigte sich allerdings, dass der Plan allenfalls Handlungsempfehlungen in Form einer Zusammenfassung des 2010 vom Innenministerium erstellten Krisenhandbuchs Stromausfall enthielt und kein Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Schema, dass zeigen konnte, wie eine Notfallplanung auf kommunaler Ebene konkret anzugehen wäre. Nichtsdestotrotz wurde durch diese Veranstaltung und weitere Veranstaltungen zum Thema im Jahr 2014 in den Regierungsbezirken Freiburg, Tübingen und Stuttgart von Seiten der Feuerwehr, der Katastrophenschutzbehörden sowie der Stromnetzbetreiber eine erhöhte Aufmerksamkeit für diese wichtige Problematik geschaffen. Kommunales Pilotprojekt gestartet Nachdem sich das Präsidium des Gemeindetags Baden-Württemberg im Frühjahr 2014 nochmals mit der Erstellung „Kommunaler Notfallpläne bei flächendeckenden Stromausfällen“ befasst hatte, ergriff eine Gemeinde im Landkreis Esslingen in unmittelbarer Abstimmung mit dem Gemeindetag die Initiative zur Erstellung eines Pilot-Notfallplans. Im Rahmen eines interdisziplinären Arbeitskreises mit der örtlichen Verwaltungsführung, dem regionalen Netzbetreiber, der unteren Katastrophenschutzbehörde, der Feuerwehr sowie einem Vertreter des Gemeindetags wurden erste Schritte hin zu einem kommunalen Notfallplan unternommen. Die konkrete Erarbeitung eines Notfallplans wurde dabei in einen eher administrativen Teil (Bildung und Besetzung eines Krisenstabs, gesetzliche Rechte und Pflichten, Kommunikationspolitik intern und ex- Gemeindetag Baden-Württemberg tern) und einen technischen Teil (Telekommunikation, Identifikation kritischer Infrastrukturen, Notstromversorgung etc.) aufgegliedert. Beide Teile sollen dann bis Ende 2015 in der Gesamtschau in ein Dokument – den konkreten „Notfallplan“ – zusammengeführt werden. Bei Erstellung des administrativen Teils hat sich gezeigt, dass die Einrichtung eines Krisenstabs, die Festlegung gewisser Räumlichkeiten als Krisenzentrale im Rathaus/Feuerwehrhaus sowie die Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie intern wie extern grundsätzlich für verschiedene Krisensituationen (Hochwasser, extremer Schneefall, Stromausfall etc.) sinnvoll sind und dieser Teil somit eine große Klammer über der spezifischen Notfallplanung bilden kann. Insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit von Hochwasseralarmund -einsatzplänen als Voraussetzung für Fördermittel aus der Richtlinie Wasserwirtschaft des Landes bietet sich an, einen grundlegenden örtlichen Alarmund Einsatzplan auszuarbeiten und je nach Gefahrenszenario entsprechende Maßnahmenpläne modular anzufügen. Weitere Vorgehensweise Nach der Fertigstellung des Notfallplans für die Gemeinde durch den Arbeitskreis ist angedacht, die Grundstrukturen, Anforderungen, Checklisten etc. soweit möglich in Form eines Leitfadens landesweit über den Gemeindetag Ba- den-Württemberg zu publizieren. Eine erste Übersicht über mögliche niederschwellige Maßnahmen zur Notfallvorsorge kann unter www.energiewendegemeindetag-bw.de (Ratgeber – Arbeitsmaterialien – Versorgungsicherheit) bezogen werden. Erneuerbare Energie – Mehr wissen dank des Online-Portals zur Energiewende Die im Jahr 2012 eingeführte OnlinePlattform zur kommunalen Energiewende in Baden-Württemberg, das „Kommunale Portal für Erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Energieeinsparung“ des Gemeindetags BadenWürttemberg hat sich mittlerweile fest etabliert und wird von kommunaler Seite immer stärker frequentiert. Mehr als 500 registrierte Mitgliedskommunen, über sieben Millionen Klicks bei insgesamt zirka 300.000 Besuchern sowie die Nutzung vor allem während der Bürozeiten zeichnen hier ein klares Bild. Auch weiterhin werden unter www. energiewende-gemeindetag-bw.de aktuelle Meldungen zur kommunalen Energiewende und zu Entwicklungen auf Landes- und Bundesbene gepostet werden sowie im geschützten Mitgliederbereich wertvolle Arbeitsmaterialien für kommunale Praktiker zur Verfügung gestellt werden. www.energiewende-gemeindetag-bw.de 957 Geschäftsbericht Energieaudit Bereits im November 2014 wurde die Geschäftsstelle auf das „Gesetz zur Teil umsetzung der Energieeffizienzricht linie und zur Verschiebung des Außerkrafttretens des § 47g Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)“ aufmerksam. Dieses Gesetz sieht eine Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes (EDL-G) vor, wonach Unternehmen die kein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU-Definition gemäß Empfehlung 2003/361/EG, Abl. L 124 vom 20.05.2003 Seite 36) sind, verpflichtet werden, bis zum 05.12.2015 und danach alle vier Jahre ein Energieaudit nach der europäischen Norm DIN EN 16247-1 durchzuführen. BWGZ 19 | 2015 Das Gesetz ist zwischenzeitlich in Kraft getreten. Problematisch hieran ist aus kommunaler Sicht, dass kommunale Unternehmen per Definition der Europäischen Union (Art. 3 Abs. 4 2003/361/ EG) nicht als KMU gelten, sofern die öffentliche Hand zu mindestens 25 Prozent unmittelbar oder mittelbar an ihnen beteiligt ist. Dies ist der Regelfall. Die Geschäftsstelle des Gemeindetags wurde hiergegen bereits im Dezember 2014 mit einem Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann initiativ. Vor der zweiten Lesung im Deutschen Bundesrat am 06.03.2015 wurde die Geschäftsstelle abermals gegenüber der Landesregierung, nunmehr gegenüber Umweltminister Franz Untersteller MdL, aktiv. Beide Schreiben wurden jedoch aus kommunaler Sicht nicht zufriedenstellend beantwortet. Gleichwohl stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit von Energieaudits, wie das folgende Beispiel einer Stadt belegt: „Der Eigenbetrieb Wasserversorgung der Stadt S. (ca. 12.000 Einwohner) liefert jährlich etwa 600.000 m³ Wasser an seine Kunden (Bilanzsumme 2013: ~6,4 Mio. Euro, Umsatzerlöse ~1,3 Mio. Euro). Das Wasser bezieht der Eigenbetrieb aber ausschließlich von kommunalen Zweckverbänden und fördert das Wasser nicht selbst. An Stromkosten (für die Speicheranlagen) fallen jährlich etwa 900 Euro netto, an Treibstoffkosten (Bereitschaftsfahrzeug, Fahrzeug des Wassermeisters) etwa 3.500 Euro netto an. Die Stromkosten für die Förderung des Wassers fallen direkt bei den Verbänden an, die das Wasser liefern.“ mensbegriff des EDL-G fallen sollen. Zunächst wurde im öffentlichen Sektor an den körperschaftsteuerlichen BgABegriff angeknüpft. Hiernach waren hoheitliche Unternehmen (bspw. die Abwasserbeseitigung oder die Abfallwirtschaft) per se ausgenommen da diese nicht ertragssteuerpflichtig sind. Gleichzeitig sollten Regiebetriebe ebenfalls von der Auditierungspflicht ausgenommen bleiben. Dies hat insoweit für Unverständnis gesorgt, als dass hiermit eine als Regiebetrieb geführte Wasserversorgung nicht auditpflichtig war, die gleiche Wasserversorgung in der Rechtsform des Eigenbetriebs jedoch der Verpflichtung unterlegen hätte. Dies hat zu erheblichem Unmut in der Praxis und einer nochmaligen Änderung des Merkblatts geführt. Hiernach wird nun darauf abgestellt, inwieweit es landesrechtlich möglich ist, die Wasserversorgung materiell zu privatisieren (vgl. § 44 WG BW). Diese auf den ersten Blick für badenwürttembergische Wasserversorger günstige Regelung wird durch das BAFA jedoch gänzlich kommunalunfreundlich ausgelegt, sodass aktuell weitere Gespräche notwendig sind. Es ist vor gesehen auf der Bundesebene einen Fragenkatalog zu formulieren, der durch das BAFA verbindlich beantwortet werden soll. Über den weiteren Fortgang wird zu gegebener Zeit via Gt-info berichtet. Vor dem Hintergrund, dass Energieversorger Energieaudits zum Preis ab zirka 5.000 Euro anbieten, wird deutlich, dass Kosten und Nutzen eines Audits sowohl finanziell wie auch umweltpolitisch in keinem ausgewogenen Verhältnis zu einander stehen können. Das mit der Ausführung des EDL-G beauftragte Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat in einem Merkblatt zwischenzeitlich dargelegt, welche Unternehmen unter den Unterneh- 958 Gemeindetag Baden-Württemberg WIR SORGEN FÜR EINE LEBENSWERTE ZUKUNFT PARTNERSCHAFT MIT VIEL ENERGIE Der regionale Energie- und Umweltdienstleister badenova ist zu 100 Prozent in kommunaler Eigentümerschaft und durch zahlreiche Bürgerbeteiligungsprojekte sowie Klima- und Umweltschutzmaßnahmen stark mit der Region verbunden: Planungs-, Erschließungs- und Finanzierungsvorleistungen ab. Die Kommunen behalten die politische Gestaltungshoheit. Kontakt: Johann-Martin Rogg, johann-martin.rogg@badenova. de, 0761 279-2703 badenova – Hüterin des Trinkwassers Neben einer eigenen Wasserversorgung in Freiburg und Lahr übernimmt badenova für zahlreiche Kommunen die Betriebsführung, Betreuung oder Belieferung. So versorgt das Unternehmen täglich 568.000 Menschen mit Trinkwasser bester Qualität und arbeitet mit 36 Kommunen im Bereich Wasser zusammen. Kontakt: Johann-Martin Rogg, johann-martin. [email protected], 0761 279-2703 Ein einzigartiger Fonds mit einzigartigen Möglichkeiten Mit Hilfe des Innovationsfonds Klima- und Wasserschutz von badenova haben Kommunen die Möglichkeit, innovative Energie- und Klimaschutzprojekte, die sonst wegen fehlender Wirtschaftlichkeit eventuell nicht realisiert werden könnten, zu verwirklichen. Jedes Jahr werden ca. 1,5 Mio. Euro aus dem Unternehmensgewinn bereitgestellt. So wurden bereits zahlreiche kommunale, innovative Schul- und Kindergartenprojekte dank Unterstützung aus dem Fonds erfolgreich umgesetzt. Kontakt: Anke Held, [email protected], Tel. 0761 279-2474 Energiezukunft mit Erdgas Wo auch immer es möglich und wirtschaftlich ist schließt badenova Kommunen auf Wunsch an das Erdgasnetz an. Heute versorgt das Unternehmen mehr als 175 Kommunen über das eigene Erdgasnetz. Weitere Informationen: bnnetze.de oder 0800 2 21 26 21 Baulanderschließung badenovaKonzept, eine gemeinsame Tochtergesellschaft von badenova und regionalen Sparkassen, nimmt Kommunen bei der Erschließung von Neubau- und Gewerbegebieten alle STADTWERK DER REGION Klimaschutzberatung für Kommunen Zum besonderen Angebot für Kommunen gehören auch die kommunalen Energie- und Klimaschutzkonzepte, die badenova im Auftrag von Städten und Gemeinden erstellt. Ziel eines solchen Konzeptes ist es, basierend auf einer Ist-Analyse der Energienutzungsstruktur, Strategien und konkrete kommunale Maßnahmen für eine klimafreundliche und energieeffiziente Energieversorgung der Gemeinde zu erarbeiten. Kontakt: Manuel Baur, [email protected], Tel. 0761 279-2517 Geschäftsbericht Breitbandförderung im Rahmen der Breitbandinitiative Baden-Württemberg II – VwV Breitbandförderung) Die Studie zum „Stand des Breitbauausbaus in Baden-Württemberg Ende 2013“ bestätigte eine gute Grundversorgung, wies aber dennoch auf Gebiete hin, die von der Grundversorgung (noch) nicht erfasst sind. Allerdings muss insofern darauf hingewiesen werden, dass sich die Grundversorgung seit der Breitbandinitiative II verbessert hat. Waren es Ende 2011 noch mehr als 700 Gemeinden, in denen einzelne Gemeindeteile nicht oder unzureichend versorgt waren, so sind es laut aktueller Studie nur noch zirka 200. Weiterhin haben mehr als zwei Drittel aller Haushalte im Land (Stand Dezember 2013) die technische Möglichkeit, einen Internetanschluss mit Datenübertragungsraten von 50 Mbit/s zu erhalten. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Haushalte bereit sind, die dafür anfallenden laufenden Tarifkosten zu tragen. Allerdings liegt der Anteil der Haushalte, die von diesem schnellen Internet tatsächlich Gebrauch machen, noch deutlich unter der oben genannten Zwei-Drittel-Grenze. Obwohl die Versorgungslage mithin als gut bezeichnet werden kann, ist eine Unterstützung mit öffentlichen Mitteln noch notwendig; dies insbesondere vor dem Hintergrund eines Marktversagens beim Aufbau einer zukunftsfähigen Breitbandinfrastruktur sowie der sehr langen Kupferkabellängen vom Kabelverzweiger bis zu den Haushalten als Alleinstellungsmerkmal in Baden-Württemberg. Die Breitbandförderung in BadenWürttemberg hat es sich zum Ziel gemacht, bei Vorliegen eines Marktversagens die kommunalen Vorhaben zu unterstützen, um so eine bedarfsgerechte, flächendeckende (mindestens 99 Prozent) und erschwingliche Breitbandversorgung zu gewährleisten. Dies bezieht sich sowohl auf den privaten wie auch auf den gewerblichen Bereich. Dabei soll eine Übertragungs- 960 BWGZ 19 | 2015 rate von möglichst 50 Mbit/s beim Herunterladen (asymmetrische Übertragungsrate) gewährleistet werden. Hinsichtlich des gewerblichen Bedarfs sind Übertragungsraten von mindestens 50 Mbit/s beim Herunter- und Hochladen (symmetrische Übertragungsrate) erforderlich. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat mit Schreiben vom 09.12.2015 eine Stellungnahme zur VwV Breitband II abgegeben und ergänzungsbedürftige Punkte angemerkt. Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die eigenständige Notifizierung der VwV Breitband ausdrücklich unterstützt wird. Weiterhin wurde auf die Erforderlichkeit einer adäquaten Versorgung mittels eines FTTB-Netzes verwiesen bzw. der FTTB-Ausbau stark befürwortet. Zudem wurde auch die Notwendigkeit der Erhöhung der Förderquoten betont. Mit Gt-INFO Nr. 392/2015 in der Druckausgabe vom 05.05.2015 hat der Gemeindetag Baden-Württemberg sein Positionspapier zum Breitbandausbau vorgestellt, das mittels der Gt-info per Link eingesehen werden kann. Das Positionspapier hat zum Ziel, die Wichtigkeit des Breitbandausbaus hervorzuheben. Bezüglich dieser Zielsetzung sind sich alle politischen Ebenen, von der EU über den Bund, die Länder bis hin zu den Kommunen, einig. Problematisch ist aber nach wie vor, dass die Städte und Gemeinden bei der Umsetzung dieses Ziels oft alleine gelassen werden. Der Gemeindetag hat bereits mehrfach, auch medienwirksam, auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickelt und die finanziellen Mittel für den zukunftsfähigen Ausbau der Breitbandinfrastruktur aufgestockt werden müssen. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) teilte mit Schreiben vom 31.07.2015 mit, dass die Europäische Kommission die Breitbandfördervorschrift des Landes Baden- Württemberg genehmigt hat. Die Richtlinie, die ab dem 01.08.2015 gültig ist, wurde mit Gt-INFO Nr. 723/2015 in der Druckausgabe vom 07.09.2015 über den entsprechenden Link zum Download bereitgestellt. Weiterhin wird auf die Pressemitteilung des MLR hingewiesen, über die mit Gt-INFO Nr. 712/2015 in der Druckausgabe vom 07.09.2015 berichtet wurde. Zugleich teilte das MLR mit, dass nach der Kommissionsentscheidung die Leitfäden, Musterschreiben und Antragsformulare überarbeitet werden müssen. Diese Unterlagen können unter folgendem Link auf der Homepage des MLR abgerufen werden: http://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unserethemen/laendlicher-raum/breitbandausbau/. Die neue Richtlinie berücksichtigt insbesondere die mit Nachdruck vertretene Forderung des Gemeindetages nach höheren Förderquoten für Planung und Umsetzung der Ausbaumaßnahmen. Damit ist eine deutlich verbesserte Grundlage für einen kommunalen Breitbandausbau gegeben. Gleichwohl sind die beihilferechtlichen Maßgaben weiterhin zu berücksichtigen. Die Landes regierung hat im Doppelhaushalt 2015/2016 die Mittel für den Breitbandausbau von 11,7 auf 31,7 Millionen Euro pro Jahr verdreifacht. Weiteres Geld steht ebenfalls für die Breitbandversorgung zur Verfügung und zwar zum einen zirka 40 Mio. Euro aus dem Topf für finanzschwache Kommunen. Diese Gelder sind zweckgebunden, indem sie nur solchen Kommunen zur Verfügung gestellt werden, die sich im ländlichen Raum befinden und zugleich als finanzschwach eingestuft werden können. Zudem entfallen auf Baden-Württemberg zirka 78 Mio. Euro an Mitteln aus der Frequenzversteigerung durch den Bund. Fördervoraussetzungen Die neue Förderrichtlinie sieht im Einzelnen folgende Fördervoraussetzungen/ -maßgaben vor: Die Zuwendung wird als Projektförderung im Wege der Festbetrags- bzw. Anteilsfinanzierung als nicht rückzahlbarer Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Zuschuss auf Basis der zuwendungsfähigen Ausgaben gewährt. Im Weiteren werden die Grundtatbestände 8.1 bis 8.5 aufgeführt, aus denen sich ergibt, dass die Förderung pro laufenden Meter deutlich angehoben wird. Diese Vorgehensweise wird vom Gemeindetag BadenWürttemberg ausdrücklich begrüßt. Darüber hinaus wird in Nummer 8.11 die Förderung von Planungskosten auf einen Fördersatz von 70 Prozent angehoben. Kommunale Zusammenschlüsse und Landkreise erhalten darüber hinaus eine Förderung von 90 Prozent. Insbesondere die Erhöhung der Fördersätze bezüglich der Kosten der Planung wird als ein wichtiger Schlüssel gewertet. Neue Schlüsselzahlen für den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer Für die Jahre 2015 bis 2017 wurden neue Schlüsselzahlen für den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer festgelegt. Gegenüber den bisher geltenden Schlüsselzahlen gibt es teils kräftige Veränderungen. Hierauf wurde in BWGZ 1/2015 Seite 8 ff., 12 ff. sowie im Gemeinde finanzbericht 2015, BWGZ 15-16/2015 ausführlich eingegangen. BWGZ 15-16 | 2015 31. August 2015 138. Jahrgang Nummer 8.12 knüpft an die Grundtatbestände der Nummern 8.1 bis 8.4 an und gewährt für die daran anschließenden Baukosten eine zusätzliche 30-prozentige Förderung für kommunale Zusammenschlüsse. Breitbandkongress Zuletzt sei auf den Breitbandkongress des Gemeindetages Baden-Württemberg und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds hingewiesen, der am 24. November 2015 in Ehingen (Donau) stattfinden wird und unter dem Motto „Breitbandausbau aus Sicht der Kommunen“ steht. Die vorläufige Tagesordnung sowie weitere Hinweise können der GtINFO Nr. 671/2015 in der Druckausgabe vom 05.08.2015 entnommen werden. Zeitschrift für die Städte und Gemeinden Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg Gewerbesteuer Kommunalpanel Investitionsstau Bilanz Kreisumlagebelastung Inklusion 2015 Herausforderungen 2014 Zukunft Weichenstellung Schuldenbremse 2016 Entlastung Abstellgleis Finanzlage angespannt VerschuldungLand Asylbewerber Bundesweit Kommunen Planungssicherheit Fiskalpakt Kassenkredite Schuldenbremse Haushaltsausgleich Finanzierungssaldo Investitionspaket Sozialausgaben Umsatzsteueranteil Finanzstatistik Unterbringung Einkommensteueranteil Gemeindefinanzbericht 2015 Postvertriebsstück DPAG, Entgelt bezahlt, E 7351 | Gemeindetag Baden-Württemberg | Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart Positiv hervorzuheben ist darüber hinaus die in den Nummern 8.19 und 8.20 neu etablierte Förderung von Schulen und Gewerbegebieten, für die unabhängig von interkommunalen Zusammenschlüssen eine 90-prozentige Förderung von Schulen und Gewerbegebieten vorgesehen ist. Diese Anhebung zusammen mit der Maßgabe, dass bei Schulen die Förderung unabhängig der Raumkategorien des Landesentwicklungsplans gewährt wird, wird von Seiten des Gemeindetages ausdrücklich begrüßt. DIE GEMEINDE Gemeinden Kleinkindbetreuung Hochrechnung Haushaltsplan Breitbandausbau Prognose Gewerbesteuer Schwerpunkte in der Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle sind Fragen der gewerbesteuerlichen Zerlegung, zum Teil auch Streitfragen zwischen Kommunen über die Hebeberechtigung, aber auch Anträge auf Erlass der Gewerbesteuer auf Sanierungsgewinne, die Inanspruchnahme von Geschäftsführern mit Haftungsbescheiden wegen GewerbesteuerRückständen und Fragen zur Vollverzinsung bei der Gewerbesteuer. Seit mehreren Jahren bemüht sich der Gemeindetag darum, dass der Daten trägeraustausch zwischen der Finanz Gemeindetag Baden-Württemberg verwaltung und den Gemeinden auch für die Anwender so genannter auto nomer Finanzwesen-Verfahren eröffnet wird. Das Kommunalabgabengesetz bietet inzwischen die Grundlage für eine Änderung der Ausführungsverordnung. Das Finanz- und das Innenministerium Baden-Württemberg und die kommunale Seite haben sich bereits Anfang 2015 auf den Inhalt der Verordnung und der Verwaltungsvorschriften für den Datenträgeraustausch verständigt, die Finanzverwaltung und auch die Landesleitstelle auf kommunaler Seite stehen „Gewehr bei Fuß“ und könnten den Betrieb aufnehmen. Allerdings hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz bisher noch nicht sein Plazet zu den beabsichtigten Änderungen gegeben. Sobald dieses vorliegt, kann der Datenträgeraustausch in erweiterter Form starten. Ein nach wie vor ungelöstes Thema bei der Gewerbesteuerzerlegung stellen die Kabelnetzbetreiber dar. Hier ist für einen Kabelnetzbetreiber im Lande infolge der Fusion mit einem in Nordrhein-Westfalen ansässigen Unternehmen nun die Auseinandersetzung um die Gewerbesteuerzerlegung (Anwendung des Maßstabs für mehrgemeind liche Betriebsstätten nach § 30 GewStG anstelle des reinen Arbeitslohn-Schlüssels) mit dem Finanzamt in Köln zu führen; und beteiligt sind nun nicht nur 400 Kommunen aus Baden-Württemberg, sondern viele weitere aus Hessen und Nordrhein-Westfalen. Der Gemeindetag hat sich inzwischen an die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen gewandt, diese Zerlegung nun endlich zu einem Abschluss zu bringen. Themen der Zusammenarbeit zwi schen Finanzamt und Gemeinde werden auf Initiative des Gemeindetags im September 2015 Gegenstand einer Erörterung zwischen der Finanzverwaltung und dem Gemeindetag sein. Dabei geht es hauptsächlich um die Wahrneh mung der den Gemeinden gegenüber der Finanzverwaltung zustehenden Auskunfts- und Informationsrechte nach § 21 FVG, denn die Finanzämter verweigern den Gemeinden gegenüber Auskünfte über Gewerbesteuersachver- 961 Geschäftsbericht halte regelmäßig mit Hinweis auf das Steuergeheimnis. Beispiel: Das Finanzamt verfügt die Aussetzung der Vollziehung eines Messbescheids, was zur Folgeaussetzung des Gewerbesteuerbescheids über 3 Mio. Euro und 500.000 Euro Zinsen führt; mit einer Entscheidung in der Hauptsache sei, so das Finanzamt, nicht vor 2018 zu rechnen. Hier kann und muss die Gemeinde erwarten, vom Finanzamt eine Information darüber zu erhalten, wie es um die „Werthaltigkeit“ ihrer Gewerbesteuerforderung bestellt ist. Ein besonders krasser Fall, über den im Frühjahr in der Presse berichtet wurde, war die Gewerbesteuer-Rückzahlung, die die Stadt Sindelfingen für die Jahre 2002 und 2003 in Höhe von 62 Mio. Euro (einschließlich Zinsen) leisten musste und vom Finanzamt im Vorfeld keine Informationen darüber erhalten hatte. Betroffen waren und sind weitere Daimler-Standorte; und nach einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage im Landtag (LT-Drs. 15/6984) bzw. der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Bundestag (BT-Drs. 18/5560) könnte es bundesweit sogar um 2,6 Mrd. Euro Gewerbesteuer (einschließlich Zinsen) gehen, die aufgrund der BFH-Urteile, die auch im Falle Sindelfingen der Anlass für die Rückzahlung waren, von den Kommunen für die Vergangenheit mit Zinsen noch zurückzubezahlen wären, sofern für die Steuerveranlagungen die Festsetzungsfrist noch offen ist. Die Zahl der bei den Kommunen gestellten Anträge auf Erlass der Gewerbe steuer auf so genannte Sanierungsge winne hat in den zurückliegenden Jahren zugenommen. In der BWGZ 1/2014 Seite 10 wurde darüber berichtet, dass durch eine Gesetzesänderung nun auch das Bundesfinanzministerium eine allgemeine Verwaltungsvorschrift über Billigkeitsmaßnahmen bezogen auf Realsteuermessbeträge erlassen kann, denn der bisherige Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums vom 27.03.2003 gilt nicht für die Gewerbesteuer; hier entscheiden die Kommunen eigenständig über Erlassanträge. Die Geschäftsstelle des Gemeindetags empfiehlt den Gemeinden hier, zunächst die 962 BWGZ 19 | 2015 Möglichkeit einer Stundung der Steuer auf den Sanierungsgewinn auszuloten, bevor mittels eines Billigkeitserlasses aus persönlicher Unbilligkeit auf die Gewerbesteuer verzichtet wird. Bei den Arbeitstagungen der Steuerämter der Mitgliedsstädte und -gemeinden war und ist dies ein Schwerpunkt des Erfahrungsaustauschs. Hilfestellung musste und konnte die Geschäftsstelle des Gemeindetags den Mitgliedsstädten und -gemeinden auch zum Umgang mit so genannten rückwirkenden Ereignissen bei der Berechnung von Nachzahlungszinsen auf Gewerbesteuerforderungen geben. Jedenfalls für Besteuerungszeiträume ab 2013 ist die Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG kein solches rückwirkendes Ereignis mehr, wie der Gesetzgeber inzwischen klargestellt hat. Dies macht auch den Kommunen die Nachzahlungszinsberechnung leichter. Unabhängig davon nimmt die Zahl der Widersprüche gegen die Höhe der Nachzahlungszinsen (0,5 Prozent pro Monat bzw. 6 Prozent p.a.) wieder zu. Nachdem die Bundesregierung sich aufgrund der jüngsten Gerichtsentscheidungen darin bestätigt sieht, dass die gesetzliche Höhe des Zinssatzes nicht verändert werden muss, besteht aus Sicht der Geschäftsstelle kein Anlass, dass Gemeinden einem Ruhen des Widerspruchsverfahrens gegen Nachzahlungszinsen zustimmen. Die Empfehlung lautet klar, den Widerspruch der Widerspruchsbehörde mit der Bitte um Erlass eines Widerspruchsbescheids vorzulegen, wenn der Widerspruch aufrechterhalten wird. Die Reform der Grundsteuer – immer noch unerledigt Über diesen „Dauerbrenner“ war bereits in den Geschäftsberichten zu den vo rausgegangenen Mitgliederversammlungen berichtet worden; siehe ferner BWGZ 1/2015 Seite 11 sowie zuletzt den Gemeindefinanzbericht 2015, BWGZ 15-16/2015. Nun endlich scheint sich die Finanz ministerkonferenz, wie in den Medien berichtet wird, am 25.06.2015 auf ein Modell für eine neue Grundsteuerbewertung festgelegt zu haben. 15 Länder stünden hinter diesem Vorschlag; lediglich Bayern habe noch Vorbehalte. Dieses Konsensmodell sieht vor, dass bei unbebauten Grundstücken die Verkehrswerte (Bodenrichtwerte) als Besteuerungsgrundlage herangezogen werden und bei bebauten Grundstücken ein aus Bodenwert und Gebäudewert zusammengesetzter Grundstückswert zugrundegelegt wird. Der Bodenwert wird auch hier anhand der Verkehrswerte ermittelt, der Gebäudewert soll ein verkehrswertunabhängiger Sachwert sein, dem für verschiedene Grundstücksarten und Gebäudeklassen typisierte Regelherstellungskosten zugrundegelegt werden. Ziel sei, möglichst ohne neue Feststellungen und Erklärungen der Grundstückseigentümer aus vorliegenden zumeist elektronischen Daten die Grundstücks- und Gebäudewerte ableiten zu können. Das Konsensmodell entspricht damit im Wesentlichen dem zuvor von Thüringen vorgeschlagenen Kombinationsmodell, allerdings mit einer stärkeren Differenzierung bei der Gebäudebewertung. Die anderen bisher in der Arbeitsgruppe der Länderfinanzministerien untersuchten Reformmodelle wie das reine Verkehrswertmodell oder das Modell einer wert unabhängigen Grundsteuer nach dem Äquivalenzprinzip scheinen damit ebenso vom Tisch wie die Vorstellungen einer Grundsteuer rein nach Bodenwerten. Der Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 25.06.2015 erweckt den Eindruck, es gehe nun zügig mit der Grundsteuerreform voran. Er markiert aber nur einen Zwischenstand. Denn die Arbeitsgruppe der Finanzministerien hat weitere Arbeitsaufträge erhalten. So soll insbesondere bis zum Ende des ersten Quartals 2016 ein Bericht zur Bestimmung der Messzahlen erarbeitet werden. Auf Basis einer bundesgesetzlichen Regelung mit Öffnungsklauseln für landesspezifische Messzahlen sollen Aussagen zum Verfahren und zu den Kriterien für die künftige Bestimmung der Messzahlen, der jeweiligen Bandbreiten landesspezifischer Messzahlen und soweit möglich zu deren Höhe dargestellt werden. Im Rahmen der bundesgesetz Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 lichen Regelungen zur Bestimmung der Messzahlen ist die angestrebte Aufkommensneutralität zu beachten. Im Rahmen des Berichts soll auch geprüft werden, welche Folgen sich aus der Neuregelung der Grundsteuer für den Länderfinanzausgleich ergeben und wie mit unterschiedlichen Aufkommenswirkungen umgegangen werden könnte. Es bleibt somit abzuwarten, ob es tatsächlich gelingt, dass die Finanzministerkonferenz schon im kommenden Jahr einen konkreten Gesetzentwurf vorlegt. Das Bundesfinanzministerium äußert sich gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestags sehr vorsichtig: Zentrale Elemente der geplanten Neuregelung seien nach Einschätzung des Bundesfinanzministeriums noch völlig offen. Bisher sei weder ein einheitliches Bewertungsziel noch ein konkreter Bewertungsmaßstab festgelegt worden. Belastbare Aussagen, wann mit einer entsprechenden Gesetzesinitiative zu rechnen sei, ließen sich gegenwärtig nicht treffen, heißt es. Rechnet man den benötigten zeitlichen Vorlauf hinzu, der nach einem Gesetzesbeschluss an vorbereitenden Arbeiten benötigt wird, bis die elektronischen Abläufe einer Grundsteuerwertermittlung in Umsetzung neuen Rechts bundesweit funktionieren – es geht immerhin um zirka 35 Mio. wirtschaftliche Einheiten, die einer neuen grundsteuerlichen Bewertung zu unterziehen sind –, könnte realistisch betrachtet allerfrühestens das „Schicksalsjahr“ 2020 (Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, Auslaufen des Solidarpakts, Schuldenbremse, Fiskalvertragsfolgen) auch für die erstmalige Anwendung eines neuen Grundsteuerrechts als Zeithorizont in den Blick genommen werden. Offen ist auch, wie schnell das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Einheitswerte treffen und dem (ggf. bis dahin noch untätigen) Gesetzgeber den Zeitrahmen für eine Reform vorgeben und ggf. auch inhaltliche Determinanten setzen wird. Hier ist darauf hinzuweisen, dass nach der bereits beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerde nun der Bundes Gemeindetag Baden-Württemberg finanzhof mit Beschlüssen vom 22.10.2014 bzw. 17.12.2014 dem obersten deutschen Gericht die Frage vorgelegt hat, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens seit den Feststellungszeitpunkten 01.01.2009 bzw. 01.01.2008 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig sind. Der BFH bejaht diese Frage. Bekanntermaßen werden bereits seit April 2012 Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide der Finanzämter mit einem Vorläufigkeitsvermerk ausgestattet. Aufgrund neuer gleich lautender Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 18.05.2015 (BStBl. I Seite 439), die an die Stelle der bisherigen Erlasse vom 19.04.2012 treten, gilt dies nun sogar auch für Einheitswertfeststellungen für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Grundsteuer im „Tagesgeschäft“ Die Bandbreite der Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle gegenüber den Mitgliedern im Tagesgeschäft der Grundsteuer ist weit. Sie reicht von verjährten Grundsteuerbeträgen infolge Verzögerungen beim Finanzamt über die Wahl des richtigen Schuldners bei Gesamtschuldnern, den Fiskus als Erbe und Grundsteuerschuldner bis zur dinglichen Haftung für die Grundsteuer und die Anmeldung in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Wie in jedem Jahr machen in der zweiten Jahreshälfte – der 31. März markiert das Ende der Antragsfrist für das zurückliegende Jahr – Grundsteuererlassanträge den Schwerpunkt der Beratungstätigkeit aus. Insolvenzanfechtung; Entgegenkommen der Gemeinde kann „bestraft“ werden „Rechtshandlungen, die vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten“, heißt es in § 129 Abs. 1 InsO. Folge der Insolvenz anfechtung ist die Rückgewähr des zuvor Erlangten in die Insolvenzmasse. Auch für die Gemeinden birgt die dem Insolvenzverwalter offenstehende Möglichkeit der Insolvenzanfechtung etwa bei Gewerbesteuerforderungen einige Risiken. Denn nahezu jeder Insolvenzeröffnung gehen Mahnungen, Vollstreckungshandlungen, Anträge auf Stundung oder Zahlungsaufschub, bewilligte Ratenstundungen usw. voraus. Gemeinsam ist all diesen Handlungen: Der Schuldner zahlt nicht auf eine fällige Forderung, die Gemeinde reagiert darauf mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. In der letzten Zeit gab es auch in der Beratungstätigkeit der Mitgliedsstädte und -gemeinden zunehmend Fälle, in denen diese mit einer Insolvenzanfechtung konfrontiert wurden, weil sie einem Gewerbesteuerschuldner zum Beispiel mit einer Ratenstundung der Gewerbesteuer im Billigkeitswege entgegengekommen waren. Dabei sind die Fälle der so genannten kongruenten (§ 130 InsO) oder inkongruenten Deckung (§ 131 InsO) oder nachteiliger Rechtshandlungen nach 132 InsO mit Blick auf die kurzen Fristen bis zu drei Monaten vor dem Insolvenzeröffnungsantrag noch vergleichsweise „einfach“ zu beurteilen. In einem Fall sah sich eine Kommune aber einer Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung ausgesetzt (§ 133 InsO), wo der Zeitraum bis zu 10 Jahre in die Vergangenheit zurück reichen kann. Anwaltliche Beratung ist in solchen Einzelfällen, bei denen es teils um hohe Steuerrückforderungen geht, i.d.R. angezeigt, denn es gibt inzwischen auch einige Fälle in der Rechtsprechung, in denen der Steuerfiskus zur Rückerstattung von Steuern an die Insolvenzmasse nach einer Insolvenzanfechtung verurteilt wurde. Ggf. sollte die Gemeinde bei Anträgen auf Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewerbesteuer mit dem Finanzamt Kontakt aufnehmen, das möglicherweise vor der gleichen Situation steht und einer späteren Insolvenzanfechtung vorbeugen muss. 963 Geschäftsbericht Kassenwesen, Zahlungsverkehr Zum 1. August 2014 sind die herkömmliche Inlandsüberweisung und die herkömmliche Inlandslastschrift mit Verwendung von Konto-Nr. und Bankleitzahl ausgelaufen. Seitdem können im einheitlichen Europäischen Zahlungs verkehrsraum (SEPA – Single EuroPay ments Area) für nationale und grenzüberschreitende Zahlungen nur noch die europaweit einheitliche SEPA-Überwei sung und die SEPA-Lastschrift mit IBAN (und BIC) verwendet werden. Die ursprünglich am 31.01.2014 endende Umstellungsfrist war mit Blick auf die zögerliche Umsetzung in einigen EULändern durch die EU-Verordnung 248/2014 vom 26.02.2014 (ABl. L 84/1 vom 20.03.2014) um weitere sechs Monate hinausgeschoben worden. In der Zeit bis zum 31. Januar 2016 dürfen Verbraucher, sofern ihre Zahlungsdienstleister dies unterstützen, Zahlungsaufträge weiterhin mit Konto-Nr. und BLZ beauftragen (Kreditinstitute wandeln in IBAN und BIC um) und kann auch das elektronische Lastschriftverfahren (ELV) weiter genutzt werden. Am 1. Februar 2016 enden auch diese Ausnahmeregelungen. BWGZ 19 | 2015 Die Umstellung auf die neuen Zahlungsverkehrsinstrumente war auch für die Städte und Gemeinden im Lande und ihre EDV- und Zahlungsdienstleister eine große Herausforderung. Die Kommunen im Lande haben sie aber gut gemeistert und konnten die SEPAUmstellung weitgehend noch im Jahr 2013 abschließen. In einer Gemeinschaftsaktion des Gemeindetags BadenWürttemberg und weiterer Beteiligter aus der „kommunalen Familie“ war den Kommunen im Lande Anfang 2013 ein „SEPA-Leitfaden-Baden-Württemberg“ zur Verfügung gestellt worden, der ihnen Orientierung und Hilfestellung bei der Umstellung gab und sie mit Mustern für einen Umstellungsplan, für eine Bürgerinformation, für SEPA-Mandate, Benachrichtigungsschreiben usw. bei der SEPA-Migration unterstützte. Nachdem dieses Projekt einer interkommunalen Zusammenarbeit so erfolgreich war, ging der Gemeindetag zusammen mit dem Fachverband der Kommunalkassenverwalter e.V. und der Gemeindeprüfungsanstalt BadenWürttemberg und einigen kommunalen Praktikern ein weiteres Projekt an, nämlich die Erarbeitung einer neuen Dienstanweisung für das Kassenwe sen in der kommunalen Doppik. In der BWGZ 7/2014 Seite 262 wurde das neue Muster der Dienstanweisung veröffentlicht und dient nun allen Kommunen, die auf das neue Haushaltsrecht auf doppischer Grundlage (NKHR-BW) umstellen, als Anleitung zur Anpassung ihrer örtlichen Dienstanweisungen an die GemKVO-Doppik vom 11.12.2009 (GBl. Seite 791). Das neue Muster enthält auch Regelungen für Onlinebanking und für Auszahlungen mittels Kreditkarten. Nachdem die elektronischen Bezahl möglichkeiten (Online- bzw. WebBezahldienste) weiter an Bedeutung gewinnen und durch das E-Government-Gesetz des Bundes und ein entsprechendes Folgegesetz des Landes auch gesetzliche Pflichten für elektronische Bezahlmöglichkeiten geschaffen werden (wenn im Rahmen eines elek tronisch durchgeführten Verwaltungsverfahrens Gebühren oder sonstige For- 964 derungen anfallen und beglichen werden müssen), wird es erneut ein interkommunales Projekt des Gemeindetags zusammen mit dem Fachverband der Kommunalkassenverwalter e.V. und der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg geben. Erarbeitet werden soll in dieser Kooperation eine Handreichung zum Einsatz der diversen elektronischen Bezahlmöglichkeiten in den Rathäusern, aber auch in den TouristikBüros sowie kulturellen und sozialen Einrichtungen, denn auch die Kommunen und ihre Einrichtungen werden auf ihren Internetseiten mit Web-Shop-Inhalten auch Online-Bezahlmöglichkeiten vorsehen. Ein Thema der nahen Zukunft wird auch die Verwendung so genannter GiroCodes als QR-Code auf Rechnungen, Bescheiden usw. sein, die von Banking-Apps gelesen und für eine elektronische Zahlung verwendet werden können. Da auch die Automaten und Terminals der Banken und Sparkassen in den nächsten Jahren umgerüstet und QR-Codes wie den GiroCode lesen und verarbeiten können, werden dadurch auch herkömmliche SEPA-Überweisungen weitaus einfacher zu bewerkstelligen sein. Neues Kommunales Haushalts und Rechnungswesen (NKHR) – Stand der Umstellung und Sachstand der Evaluierung Vorbemerkung Mit dem am 22.04.2009 beschlossenen Gesetz zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts (Gesetz vom 04.05.2009, GBl. Seiten 185, 194) wurde die Grundlage für die Umstellung des kommunalen Haushaltswesens auf die „kommunale Doppik“ gelegt. Der zunächst vorgesehene Zeitkorridor für die Umstellung bis Ende 2015 wurde nach dem Regierungswechsel im Jahr 2011 durch den Landtag um weitere vier Jahre bis Ende 2019 verlängert (Gesetz vom 16.04.2013, GBl. Seite 55). Die Neuregelungen sind somit spätestens für die Haushaltswirtschaft ab dem Jahr 2020 anzuwenden. Solange gelten die bisherigen Regelungen des kameralen Gemeindehaushaltsrechts weiter. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Die dieser Übergangsregelung vorangehende Diskussion um die Wiederbelebung eines etwaigen Wahlrechts zwischen Kameralistik und kommunaler Doppik hat gleichzeitig bewirkt, dass die bereits im Haushaltsrechtsreformgesetz 2009 vorgesehene Evaluierung vorgezogen wurde: Das am Ende der Übergangsfrist für alle einheitlich geltende Haushaltsrecht solle so weiterentwickelt werden, dass es, so die Bekundungen der Politik, für die Kommunen „einfacher, transparenter und damit auch kostengünstiger“ werde und „insbesondere den Bedürfnissen und Erwartungen der kleineren Kommunen im Lande Rechnung trage“. Betrachtet man die nachstehend dargestellten Ergebnisse der Evaluierung nüchtern, so halten sich – wie allerdings nicht anders zu erwarten war – die Ergebnisse der Vereinfachung und Flexibilisierung in sehr bescheidenem Rahmen. Evaluierungsprozess Die im Jahr 2013 begonnene Evaluierung findet unter Federführung des Innenministeriums bei maßgeblicher Beteiligung der kommunalen Landesverbände und der Gemeindeprüfungsanstalt statt. Bezüglich der Gemeindeordnung und der Gemeindehaushaltsverordnung kann sie – mit Ausnahme des zurückgestellten Themenkomplexes des Gesamtabschlusses – als abgeschlossen betrachtet w erden. Die gesetzlichen Änderungen sind rein quantitativ sehr überschaubar. Es ist vorgesehen, dass das Gesetzgebungsverfahren möglichst noch bis zum Jahresende abgeschlossen wird. Dann könnte zeitnah auch die Gemeindehaushaltsverordnung angepasst und auch die fortgeschriebene Gemeindeprüfungsordnung neu erlassen werden. Die Evaluierung der Verwaltungsvorschrift Produkt- und Kontenrahmen ist derzeit noch im Gange und wird maßgeblich eine Änderung der Anlage 4.2 (Liquiditätsplanung) sowie einige Kennzahlen zur Beurteilung der Leistungs fähigkeit zum Gegenstand haben. Gemeindetag Baden-Württemberg Parallel zur bzw. im Anschluss an die Evaluierung wurden und werden auch die Leitfäden der Praktiker-Arbeitsgruppen (AG Bilanzierung, AG Buchungsbeispiele und Kontenrahmen, AG Produktplan, AG Steuerung) fortgeschrieben. Diese Arbeitsgruppen waren 2006 auf Initiative des Gemeindetags BadenWürttemberg eingerichtet worden. Eine Lenkungsgruppe unter Federführung des Innenministeriums koordiniert die Arbeiten. Mit diesen „aus der Praxis für die Praxis“ – auch Mitgliedsstädte und -gemeinden des Gemeindetags gehören neben Vertretern der Geschäftsstelle diesen Arbeitsgruppen an – erarbeiteten Leitfäden erhalten die Städte und Gemeinden die für die Umstellung konkret benötigten Arbeitshilfen, mit denen vor allem die Vermögensbewertung und Bilanzierung erleichtert und eine bei den Kommunen möglichst einheitliche Bewertungs- und Bilanzierungspraxis erreicht werden soll. Diese Arbeitshilfen sind allgemein zugänglich auch auf der Internetseite des Innenministeriums Baden-Württemberg eingestellt. Änderungen der finanzstatistischen Positionen im Produktplan und Kontenrahmen betreffen zum Beispiel die Vervollständigung der Erfassung der Ausgaben für die Kinderbetreuung und die Kindertagespflege für Zwecke der Förderung der Kleinkindbetreuung nach § 29c FAG und die Verbesserung der Basis für die Schulkostenauswertung für den Schullastenausgleich u.a., wenn ein zentrales Gebäudemanagement geführt wird (vgl. dazu zuletzt Gt-INFO 677/2015). Der Themenkomplex „Konsolidierter Gesamtabschluss“ (§§ 95a ff. GemO) wurde bei der jetzt durchgeführten Evaluierung mangels ausreichender Praxis erfahrungen (nur die Stadt Esslingen hat bisher eine „Konzernbilanz“ erstellt) ausgenommen, zumal der erste konso lidierte Gesamtabschluss verpflichtend erst für das Haushaltsjahr 2022 zu erstellen sein wird. Hierfür ist eine zweite Stufe der Evaluierung in den nächsten Jahren vorgesehen. Aus Sicht des Gemeindetags bedarf es hier allerdings deutlich vereinfachender Regelungen. Die Ergebnisse der Evaluierung der Rechtsvorschriften in einem Kurzüberblick Die Ergebnisse der Evaluierung der Rechtsvorschriften lassen sich, vorbehaltlich des noch zu durchlaufenden Gesetzgebungsverfahrens, in Kürze wie folgt zusammenfassen: Gemeindeordnung § 79 Abs. 1 Nr. 1 GemO: Die Abdeckung von Fehlbeträgen aus Vorjahren wird separat und nicht mehr als Bestandteil des veranschlagten ordentlichen Ergebnisses ausgewiesen. § 80 Abs. 1 GemO: Statt „Schlüsselprodukten“ wird künftig auf so genannte „Schlüsselpositionen“ abgestellt. Dies entspricht einem Wunsch der Großstädte. Für die bisherige Praxis ergeben sich dadurch jedoch tendenziell keine Änderungen. § 84 GemO: Kein Zustimmungsvorbehalt für Gremium bei über- und außerplanmäßigen Aufwendungen aus rein bewertungsbedingten Vorgängen. § 87 GemO: Kreditaufnahmen sollen künftig auch für die Ablösung innerer Darlehen aus der vorübergehenden Inanspruchnahme von Deponierückstellungen für investive Zwecke möglich sein. Dies ist ein Thema insbesondere der Landkreise. Für den Nachweis der inneren Darlehen wird ein besonderes Formblatt vorgeschrieben. § 89 GemO: Statt „Kassenkredite“ heißt die Überschrift nun „Liquiditätssicherung“. Inhaltlich wird eine Liquiditätsplanung vorgeschrieben, die über die Anlage 4.2 zur VwV Produkt- und Kontenrahmen differenzierter als bisher dargestellt werden soll. Denn allgemein setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Liquiditätssicht im kommunalen Haushaltsrecht den gleichen Stellenwert hat wie die Ergebnissicht. Dies hatte der Gemeindetag im Reformprozess von Anfang an betont. § 95 GemO: Es soll künftig (auch in den entsprechenden Bestimmungen der 965 Geschäftsbericht GemHVO) der Begriff „Bilanz“ statt „Vermögensrechnung“ verwendet werden. Dies entspricht der gängigen umgangssprachlichen Praxis. Auch der Begriff „Kapitalposition“ wird in der GemHVO durch den Begriff „Eigenkapital“ ersetzt. § 95a GemO: Der ab 2022 erforderliche Gesamtabschluss wird Gegenstand einer späteren zweiten Stufe der Evaluation, wiewohl es aus Sicht des Gemeindetags wünschenswert gewesen wäre, bereits jetzt auf die Pflicht zur Aufstellung eines Gesamtabschlusses vollständig zu verzichten. § 114 GemO: Es sollen zu Zwecken der überörtlichen Prüfung künftig Planungs-, Buchführungs- und Rechungsergebnisdaten digital über eine noch zu erstellende Schnittstelle bereitgestellt werden, um aufwendige manuelle Erfassungsarbeiten der Gemeindeprüfungsanstalt vermeiden zu können. § 27 GKV: Klarstellung, dass zu den Rückstellungen für Versorgungsempfänger beim Kommunalen Versorgungsverband Baden-Württemberg nicht nur die Pensions-, sondern auch die Beihil feverpflichtungen zählen (so auch die bisherige Praxis). Gemeindehaushaltsverordnung § 2 GemHVO: Die Auflösung von Ertragszuschüssen wird im Ergebnishaushalt separat ausgewiesen, was den Abgleich zwischen Ergebnis- und Finanzhaushalt durch Herausstellen dieser nicht zahlungswirksamen Ertragsgröße erleichtert. Auch die Fehlbetragsdeckung aus Vorjahren wird separat ausgewiesen. § 3 GemHVO: Statt „Finanzierung der Investitionen mit Eigenmitteln“ heißt es in Nr. 23 künftig „voraussichtliche Liquidität am Jahresanfang“. Damit wird insbesondere auf Wunsch des Gemeindetags die Brücke zur Liquiditätsübersicht und zur erweiterten Liquiditätsplanung hergestellt. § 3 GemHVO: Die (bisher abweichende) Gliederung des Finanzhaushalts in 966 BWGZ 19 | 2015 der laufenden Rechnung wird an die Gliederung der Finanzrechnung angepasst. § 4 GemHVO: Eine Produktaufteilung auf mehrere Teilhaushalte soll ermöglicht werden. Statt „Schlüsselprodukten“ heißt es künftig „Schlüsselpositionen“ (für die Praxis insbesondere in kleineren Kommunen ist dies unerheblich). § 13 GemHVO: Verfügungsmittel sollen auch für Ortsvorsteher ermöglicht werden. § 21 GemHVO: Ermächtigungsüber träge werden auch für Einzahlungen aus Investitionszuweisungen und -beiträgen (nicht aber für Kreditaufnahmen) eingeführt (= „Wiederbelebung“ der kameralen Haushaltseinnahmereste). § 22 GemHVO: Zwei Prozent der Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit sollen in der Regel als Kassenbetriebsmittel mindestens vorhanden sein (Wiederbelebung der kameralen Liquiditätsreserve). gestellt, dass es keine Aktivierung und Sofortabschreibung beweglichen Vermögens unter der Wertgrenze gibt, sondern eine Verbuchung als ordentlicher Aufwand zu erfolgen hat. § 62 GemHVO: Die Vermögensbewertung in der Eröffnungsbilanz soll durch Zulassung von Erfahrungswerten (die den Preisverhältnissen zum Anschaffungs- bzw. Herstellungszeitpunkt entsprechen) weiter vereinfacht werden. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, fiktive Anschaffungs-und Herstellungszeitpunkte auf der Basis des aktuellen Zustands des Wirtschaftsgutes anzusetzen. Für die Straßenbewertung sollen Erfahrungswerte auf der Grundlage örtlicher Durchschnittswerte oder Pauschalwerte nach bekanntgemachten Bewertungsvorgaben je Straßenart verwendet werden können. § 63 GemHVO: Die Frist für die Berichtigung der Eröffnungsbilanz wird verlängert (letztmals im dritten der überörtlichen Prüfung der Eröffnungsbilanz folgenden Jahresabschluss). Stand der Umstellung § 23 GemHVO: Es wird die Möglichkeit (keine Pflicht!) der Umbuchung von Beträgen aus Ergebnisrücklagen in das Basiskapital im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses eröffnet. Der Gemeindetag wird seine Mitglieder darauf hinweisen müssen, was dies für den künftigen Haushaltsausgleich bedeutet, auch bei Umlagefinanzierern. § 38 GemHVO: Die Wertgrenze von 1.000 Euro gilt auch für immaterielle Wirtschaftsgüter. § 41 GemHVO: Streichung der Pflichtrückstellung für anhängige Gerichtsverfahren. Langfristige Rückstellungen (>5 Jahre) sind abzuzinsen. § 46 GemHVO: Die Aktivierung der notwendigen Neuausstattung (bewegliches Vermögen unter der örtlichen maximal 1.000 Euro betragenden Wertgrenze für Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten) im Zusammenhang mit einer investiven Baumaßnahme soll ermöglicht werden. Ansonsten wird klar- Insgesamt haben 1.092 kreisangehörige Städte und Gemeinden, 9 Stadtkreise, 35 Landkreise, zirka 270 Gemeindeverwaltungsverbände und Verwaltungsgemeinschaften, einige Hundert Zweckverbände und eine Anzahl weiterer Verbände und Körperschaften bis zum Jahr 2020 auf das NKHR-BW umzustellen. Der bis jetzt erreichte Umstellungsstand ist noch nicht allzu hoch, denn viele Gemeinden wollten zunächst die Evaluationsergebnisse abwarten, bevor die Umstellung konkret in Gang gebracht wird. Bis einschließlich 2014 haben 28 von 35 Landkreisen (80 Prozent), 8 von 9 Stadtkreisen (89 Prozent) und 97 kreisangehörige Städte und Gemeinden (9 Prozent) umgestellt (vgl. BWGZ 1/2015 Seite 21). Die Stadt Wiesloch war 1999 die erste Kommune bundesweit. Doch dieser äußere Eindruck täuscht: Denn bis das erste Haushaltsjahr in der kommunalen Doppik absolviert werden kann, bedarf es eines zwei- bis dreijährigen Vorlaufs an vorbereitenden Arbeiten, v.a. der Erfassung und Bewertung des Vermögens und Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 der Verpflichtungen für die Eröffnungsbilanz und der Anpassung der Haushaltssteuerung an die Produktorientierung. Bezieht man dies mit ein, so sind aktuell mehr als die Hälfte der Kommunen mitten im Umstellungsprozess. Ausblick: (Wann) kommen EPSAS? Nach einem mehrjährigen Vorlauf manifestierten sich im Jahr 2013 mit einem Bericht der EU-Kommission vom 6. März 2013 an den Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament und einer Konferenz im Mai 2013 die Pläne der Kommission, einheitliche (harmonisierte) Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den EU-Mitgliedstaaten (European Public Sector Accounting Standards) einzuführen. Auf diesem Wege sollen zuverlässige und vergleichbare Haushaltsdaten/ finanzstatistische Daten über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der öffentlichen Haushalte in den EU-Mitgliedstaaten gewonnen werden, die für die haushaltspolitische Überwachung auf EU-Ebene (Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite gemäß Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) benötigt werden und von den Mitgliedstaaten nach einheitlichen Kriterien zu liefern sind. Die bisherige Verfahrensweise, aus den sehr heterogenen Haushalts- und Rechungssystemen in den Mitgliedstaaten über komplexe Überleitungen in die Volkswirtschaft liche Gesamtrechnung (ESVG) hieraus die aggregierten Ergebnisse des öffentlichen Sektors in den jeweiligen Mitgliedstaaten abzuleiten, sei hierfür auf Dauer unzureichend. Die Pläne der EU-Kommission sehen vor, europäische EPSAS („Periodenrechnung statt Rechnungslegung nach dem Kassenprinzip“ heißt das Schlagwort) nach dem Vorbild der so genannten IPSAS (International Public Sector Accounting Standards), die von verschiedenen internationalen Organisationen angewandt werden, zu entwickeln. In der Folgezeit hat die EU-Kommission Konsultationen zu ihren Plänen durchgeführt und auch Untersuchungen über Gemeindetag Baden-Württemberg Kosten und Nutzen der Einführung von EPSAS in Auftrag gegeben. Ein im Herbst 2014 veröffentlichtes Papier nennt Kosten von überschlägig zwischen 1,2 und 6,9 Billionen Euro für sämtliche Mitgliedstaaten (vorbehaltlich näherer Untersuchungen, da die Ausgangssituation sehr unterschiedlich ist; für den deutschen Gesamtstaat sollen dies Kosten zwischen 347 Mio. Euro und 2,4 Mrd. Euro sein). Eine andere Schätzung rechnet für Deutschland zirka 2,7 Mrd. Euro an Einführungskosten. Von der EUKommission eingerichtete Arbeitsgruppen (Task Forces) beschäftigen sich mit dem konzeptionellen Rahmen und beabsichtigten Rahmenregelungen und der Organisationsstruktur der Erarbeitung der EPSAS. Eine ursprünglich für Mitte 2014 angekündigte Mitteilung der EU-Kommission zur EPSAS-Einführung ist indes bis heute nicht veröffentlicht worden. Vielmehr hat die seit November 2014 amtierende neue Kommission im März 2015 angekündigt, dass erst geprüft werden müsse, inwieweit EPSAS sich in die neuen Schwerpunkte der Kommission einfüge. Damit ist derzeit offen, ob und wann eine Kommissionsmitteilung zu EPSAS veröffentlicht werden wird. Der ursprünglich vorgesehene Zeitplan, noch in 2015 eine Rahmenverordnung zu erlassen und die EPSAS dann ab 2020 verbindlich zur Anwendung vorzuschreiben, ist damit ins Stocken geraten, die weitere Entwicklung des gesamten Prozesses und die weitere Projektabfolge deutlich unkalkulierbarer geworden. Hierauf weist die Landesregierung in einem Bericht an den Landtag hin (LT-Drs. 15/6988 vom 12.06.2015). Welchen Inhalt die EPSAS erhalten sollen, steht bisher nicht einmal in den groben Umrissen fest. Lediglich, dass sie aus den IPSAS heraus entwickelt werden sollen, ist als Entwicklungslinie vorgesehen. Während die Einführung von EPSAS von der Wissenschaft sowie von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern und ihren Verbänden sehr stark favorisiert wird, formiert sich v.a. in Deutschland Widerstand gegen die Pläne der EUKommission, und dies sowohl vom Bundestag, vom Bundesrat bzw. den Ländern und ihren Rechnungshöfen, aber auch von der kommunalen Ebene. An der Konsultation der Kommission hat sich vor allem die kommunale Ebene Baden-Württembergs sehr stark beteiligt. Einige Punkte: • Auch wenn sich die EPSAS, so die Kommission, primär nur auf das Rechnungswesen und die Datengewinnung beziehen würden, ergäben sich infolge der Untrennbarkeit von Haushaltswesen und Rechnungswesen unmittelbare Auswirkungen auch auf das Haushaltswesen und die Haushaltssteuerung in den Mitgliedstaaten (was aus europä ischer Sicht für eine Defizitkontrolle sogar anzustreben wäre!). Zu einem Eingriff in die Etathoheit der Mitgliedstaaten habe die EU aber (bisher) keine umfassende Befugnis. Dies ist allerdings heftig umstritten. • Überdies wird die Einführung von EPSAS für alle Mitgliedstaaten und -ebenen als zu aufwendig in Relation zum angestrebten Ziel, damit zu einer Verbesserung der Defizitkontrolle zu gelangen, angesehen; teilweise werden die EPSAS dafür auch als ungeeignet angesehen. Allein die Erfahrungen in der Bundesrepublik beim Weg der wenigen Länder und Kommunen in die Doppik zeigen, dass trotz des Überbegriffs „Doppik“ keine einheitlichen Maßstäbe in der Bewertung und Bilanzierung bestehen. Wie soll dies erst europaweit für alle staatlichen Ebenen in den Mitgliedstaaten geschaffen, implementiert und kontrolliert werden? Andere Wege auf „low level“ dazu müssten eingeschlagen werden (z.B. Verbesserung der Qualität der finanzstatistischen Daten des öffentlichen Sektors, die in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung einfließen). • Kritisch wird auch gesehen, wer die EPSAS entwirft bzw. entwerfen könnte: Weltweit agierende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften sehen hier für sich einen großen Markt bzw. ein großes Betätigungsfeld, aus IPSAS heraus die EPSAS zu entwickeln. Die Erfahrungen der öffentlichen Hand selbst, beispielsweise der Kommunen im Lande oder in den anderen Bun- 967 Geschäftsbericht desländern bei der Umstellung auf die kommunale Doppik, könnten hier auf der Strecke bleiben, wenn sich die öffentliche Hand das Haushaltsrecht von Privaten neu schreiben lässt. Ob es ausreicht, dass die Interessenwahrnehmung der Kommunen in Deutschland einzig durch einen Vertreter der Innenministerkonferenz (aus dem Innenministerium Rheinland-Pfalz) in einer deutschen Bund-Länder-Arbeitsgruppe erfolgt, darf bezweifelt werden. • Für die Kommunen in Baden-Württemberg könnte nach der Umstellung auf die kommunale Doppik bis 2020 die Einführung von EPSAS eine zweite Haushaltsrechtsreform bedeuten, und zwar auch dann, wenn bereits aus der Doppik heraus gestartet und sich der Umstellaufwand in Grenzen halten wird. „Knackpunkte“, wenn die IPSAS BWGZ 19 | 2015 Orientierung für EPSAS sein sollten, könnten beispielsweise sein: − Trennung in Anlage- und Umlaufvermögen auf der Aktivseite (statt bisher Sach- und Finanzvermögen)? −Wertaufholung auf der Aktivseite zum Beispiel beim realisierbaren Vermögen (Bauplätze usw.)? − Historische Werte in der Eröffnungsbilanz oder aktuelle Verkehrswerte? − Rückstellungskatalog und Abzinsung langfristiger Rückstellungen: Bisher enthalten die Kommunalbilanzen keine Pensionsrückstellungen, und auch die Abzinsung der Rückstellungen ist eingeschränkt. − Dürfen hingegebene Investitionszuschüsse aktiviert werden? −Einschränkung bisheriger Ansatzund Bewertungswahlrechte im Interesse besser (europaweit?) vergleichbarer Daten? Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg teilt die kritische Einschätzung zum Nutzen der Einführung von EPSAS und hat dies durch entsprechende Beschlüsse in seinen Gremien manifestiert und in dem EU-Konsultationsverfahren ausdrücklich eingebracht. Der durch die NKHR-Vorschriften geschaffene Ansatz- und Bewertungsrahmen darf nicht durch EPSAS-Vorgaben ausgehebelt werden. Aktuell scheint es zum Glück so zu sein, dass die Griechenland-Krise, die das Versagen des Europäischen Stabilitätsmechanismus augenfällig macht, den Bemühungen um eine schnelle EPSAS-Einführung einen kräftigen Dämpfer gegeben hat. Lieferanten-Verzeichnis | Dienstleistung für die Kommunal-Verwaltung Baumschulen Wartehallen Lagertechnik Lagertechnik 88499 Riedlingen Tel. (07371) 9318-0 Fax (07371) 9318-10 www.karl-schlegel.de bringt Wartehallen WERBUNG Tel. 07062 23902-0 www.regatix.com Fax 07062 23902-29 0 53 26 / 5 02-0 Regalsysteme 38685 Langelsheim • Papierkörbe www.langer-georg.de Ein Gesellschafter der ELANCIA AG ERFOLG! Brückenprüfung B K S D, Brücken-Kontroll- und Sanierungs-Dienst GmbH Neckarsulmerstr. 15, 72072 Tübingen Tel. 07071/910472, Fax 07071/910480 968 Lautsprecher für innen und außen tragbar, drahtlos, mit Akku, wetterfest für Friedhof, Schul-Sportveranstaltungen, Kirchen, Veranstaltungen im Freien Weiland Funktechnik, Telefon 07563-920200 0 53 26 / 5 02 - 0 Papierkörbe 38685 Langelsheim • www.langer-georg.de Ein Gesellschafter der ELANCIA-AG Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Besteuerung der öffentlichen Hand Einzelne besonders relevante und aktuelle Themen der Besteuerung der öffentlichen Hand wurden in einer eigenen Schwerpunktausgabe der BWGZ im Jahr 2015 aufgegriffen (BWGZ 9/2015). Insofern beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen, wie bereits in Bilanz und Perspektiven 2015 (BWGZ 1/2015) auf einige wesentliche Kernaussagen. Europäische Rahmenbedingungen – Überarbeitung der Mehrwertsteuer systemrichtlinie In „Bilanz und Perspektiven 2014“ (BWGZ 1/2014 und 1/2015) wurde ausführlich dargelegt, dass die EU-Kommission die Überarbeitung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie plant. Die seinerzeit diskutierten Reformmodelle stehen nach wie vor im Raum. Generell gilt, dass Änderungen in der Mehrwertsteue rsystemrichtlinie unmittelbare Auswirkungen auf das nationale Umsatzsteuerrecht (vgl. hierzu den nachfolgenden Unterpunkt) haben werden. Die damit einhergehenden möglichen Problemstellungen dürfen keinesfalls unterschätzt werden. Wie bereits ausgeführt, wurde eine öffentliche EU-weite Konsultation durchgeführt. Aufgrund der einschlägigen Gremienberatungen hat sich die Geschäftsstelle in ihrem Konsultationsbeitrag auf folgende Kernaussagen konzentriert: • Der in Europa vielfach verwendete Begriff des potenziellen Markts ist mit der realen Wettbewerbssituation regelfalls nicht in Einklang zu bringen. Demzufolge wird die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH abgelehnt (vgl. nächster Abschnitt). • Steuerbefreiungen für die öffentliche Hand, sinngemäß lediglich als „Störung der steuerlichen Neutralität“ zu begreifen, wird der besonderen Stellung der öffentlichen Hand nicht gerecht. Zumal Steuerbefreiungen für die öffentliche Hand nicht zwingend das Funktionieren des EU-Binnenmarkts behindern. Gemeindetag Baden-Württemberg • Wettbewerbsverzerrungen liegen in Bezug auf interkommunale Zusammenarbeit aus Sicht des Gemeindetags Baden-Württemberg nicht vor, da in der Regel kein Wettbewerb besteht (Beispiel: hoheitliche Beistandsleistungen wie die Vermietung einer gemeindlichen Halle für den Schulsport einer Nachbargemeinde). • Von den vorgeschlagenen Reformmaßnahmen werden die Vollbesteuerung sowie ein „Erstattungssystem“ dem Grunde nach abgelehnt, da diese weder praktikabel noch politisch durchsetzbar erscheinen. • Es wird abgelehnt, die bisherigen Steuerbefreiungen des Art. 13 Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu streichen, da dann Tätigkeiten wie beispielsweise die Abwasserbeseitigung über Freistellungstatbestände der Art. 132 bis 134 geregelt werden müssten, die letztlich den „Einstieg in den Ausstieg“ aus der Mehrwertsteuerbefreiung darstellen würden. • Es wurde dargelegt, dass eine Umsatzbesteuerung der Abwasserbeseitigung höchst bedenklich erscheint, da zum einen in der Abwasserbeseitigung bekanntlich kein Wettbewerb möglich ist, da die Beseitigungspflicht allein der Gemeinde obliegt (§ 56 WHG i.V. mit § 46 Abs. 1 Satz 1 WG Baden-Württemberg). Private Dritte kommen also allenfalls als Erfüllungsgehilfen in Betracht. Nach Auffassung der Geschäftsstelle des Gemeindetags Baden-Württemberg kann also kein Wettbewerb zu privaten Dritten bestehen, folgerichtig gibt es in diesem Bereich auch keine Wettbewerbsverzerrung. Eine Umsatzbesteuerung der Abwasserbeseitigung hätte Mehrbelastungen in Höhe von 10 bis 20 Prozent für die Gebührenschuldner zur Folge. Diese Mehrbelastung, der keinerlei zusätzlicher Nutzen gegenüberstünde, wird deutlich abgelehnt. Der Kommission wurden hierzu ergänzende Berechnungen und Modelle aus den 1990erJahren überlassen, aus denen die befürchteten Gebührensteigerungen hervorgehen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass, wenn eine Steuerpflicht in der Abwasserbeseitigung angestrebt werden würde, langfristige Übergangsregelungen erforderlich wären, damit Gebührenerhöhungen letztlich vermieden werden könnten. So müsste insbesondere ein nachträglicher Vorsteuerabzug für Altinvestitionen auf 20 bis 30 Jahre hinweg möglich sein. Vertreter der kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg, so auch des Gemeindetags, konnten im Januar in Brüssel ein Gespräch mit Vertretern der Kommission über den aktuellen Sachstand führen. Hierbei ist es gelungen, nochmals auf die aus kommunaler Sicht besonders unbefriedigenden Fragestellungen hinzuweisen. Es ist jedoch bis dato kein konkreter Zeitplan für die Über arbeitung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie absehbar. Über den weiteren Fortgang wird zu gegebener Zeit berichtet. Umsatzbesteuerung der inter kommunalen Zusammenarbeit – Nationale Regelung durch § 2b UStG? In Bezug auf die Überarbeitung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, aber auch bereits zuvor aufgrund diverser Urteile des Bundesfinanzhofes (u.a. „Turnhallen-Urteil“ des BFH, Urteil vom 10.11.2011 – V R 41/10) hat sich in den letzten beiden Jahren in zunehmendem Maße die Frage gestellt, inwieweit die interkommunale Zusammenarbeit umsatzsteuerpflichtig ist bzw. künftig werden wird. Die Kommunalverbände hatten hiernach mehrfach gefordert, insbesondere die interkommunale Zusammenarbeit von der Umsatzbesteuerung auszunehmen, da ansonsten wesentliche IKZ-Bereiche unnötig verteuert und damit der Sinn und Zweck der IKZ konterkariert würde (vgl. u.a. Gt-INFO Nr. 433/ 2013 vom 31.05.2013 – Versandtag, sowie die Hinweise im Rahmen der Kämmerer- und Steueramtsleitertagungen 2013 und 2014). Die Bundesregierung hat diese Problemstellung erkannt und in ihrem Koalitionsvertrag formuliert: „Die interkommunale Zusammenarbeit soll steuerrechtlich nicht behindert werden. Wir lehnen daher eine umsatzsteuerliche Belastung kommunaler Beistandsleistungen ab und werden uns – soweit erforderlich – EU-rechtlich für eine umfas- 969 Geschäftsbericht sende Freistellung solcher Leistungen von der Umsatzsteuer einsetzen.“ (aus: „Deutschlands Zukunft gestalten – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode“). Mithin aus dieser Erkenntnis heraus hat die Bundesregierung mit dem Entwurf eines § 2b UStG einen Regelungsvorschlag unterbreitet, der eine weitreichende Umsatzsteuerbefreiung der interkommunalen Zusammenarbeit ermöglichen soll. Hier soll mittels der gesetzestechnischen Konstruktion von „Regel-Ausnahme-Ausnahme von der Ausnahme“ versucht werden, wesentliche Bereiche der IKZ von der Umsatzbesteuerung auszunehmen. In § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG-Entwurf wird die Regel aufgestellt, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer i.S. des § 2 UStG-Entwurf gelten. § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG-Entwurf formuliert die Ausnahme von dieser Regel, indem er Satz 1 im Falle größerer Wettbewerbsverzerrungen für nicht anwendbar erklärt. Der § 2b Abs. 2 UStG-Entwurf wiederum formuliert hiervon die Ausnahme, nach der keine größere Wettbewerbsverzerrung gegeben ist, sofern die Bagatellgrenze von 17.500 Euro pro Jahr im Leistungsaustausch nicht überschritten wird (Nr. 1) oder vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§ 9 UStG) einer Steuerbefreiung unterliegen (Nr. 2). Weiterhin sollen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht anzunehmen sein, wenn gemäß § 2b Abs. 3 UStG-Entwurf die Austauschleistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen (Nr. 1) oder die Katalog kriterien der Nr. 2 (kumulativ) erfüllt sind. Dieser Vorschlag wurde zwischenzeitlich kurzfristig nicht weiter verfolgt, jedoch auch aufgrund der großen Bemühungen des Deutschen Städte- und Gemeindebunds zwischenzeitlich wieder aufgegriffen. Es wird damit gerechnet, dass § 2b UStG im Jahr 2016 in Kraft treten kann. Damit wird ein wesent licher Unsicherheitsfaktor der Besteuerung der öffentlichen Hand geregelt (für Näheres vgl. Zimmermann/Sonnenschein BWGZ 2015 Seite 629ff.). 970 BWGZ 19 | 2015 Modifikation des Vorsteuerabzugs – Kommunalfreundliche und praktikable Regelung erreicht In „Bilanz und Perspektiven“ 2014 und 2015 wurde bereits ausführlich auf die grundsätzliche Verpflichtung zur Anwendung des BMF-Schreibens vom 02.01.2012 in Sachen Vorsteuerabzug hingewiesen. Die Geschäftsstelle des Gemeindetags Baden-Württemberg wurde hier gemeinsam mit landesweit tätigen Steuerberatungsbüros tätig, um im Gespräch mit der Finanzverwaltung Lösungen für die kommunale Praxis zu erarbeiten. Im Ergebnis ist es mittels eines Schreibens des MFW gelungen festzuhalten, dass es „bei Versorgungsbetrieben (Lieferung von Wasser, Strom, Gas und Wärme) der Kommunen aus Vereinfachungsgründen zugelassen [wird], dass bei einem Verwendungsanteil von höchstens 10% für nichtwirtschaftliche Zwecke im engeren Sinne der Umfang der nicht abziehbaren Vorsteuer erst nach Ablauf des Besteuerungszeitraums auf der Grundlage der tatsächlichen Verbrauchsmengen ermittelt wird. Es wird dabei nicht beanstandet, wenn die Höhe der Vorsteuerkürzung anhand der Verkaufspreise, ggfs. abzüglich eines Kommunalrabatts, geschätzt wird und die Kommunen hierüber innerbetriebliche Abrechnungen (vgl. Abschn. 14.1 Abs. 4 UStAE) erteilen.“ (Vgl. Gt-INFO Nr. 71/2014 vom 13.01.2014 – Versandtag). Dies bedeutet, dass das BMF-Schreiben uneingeschränkt auf alle Fälle Anwendung findet und der Vorsteuerabzug im Sinne des BMF-Schreibens grundsätzlich bereits beim Leistungsbezug (also im laufenden Jahr) zu kürzen wäre. Es wird jedoch zugelassen, die Kürzung erst nach Ablauf des Besteuerungszeitraums vorzunehmen oder alternativ die Vorsteuerkürzung – wie bisher – sinn gemäß durch eine Versteuerung der Wasser- und Energielieferungen durch innerbetriebliche Abrechnungen an die nicht abzugsberechtigten Bereiche zu erreichen. Hiermit ergeben sich für die Erstellung der Anmeldungen und der Jahressteuererklärung hinsichtlich der Wasser- und Energieversorgungseinrichtungen der Gemeinde – vorausgesetzt der Eigenverbrauch liegt unter 10 Prozent – keine wesentlichen Änderungen zur bisherigen Praxis. Änderungen des Vorsteuerschlüssels, Berechnung der Selbstkosten oder Weiterberechnung von nicht gezogener Vorsteuer sind somit nicht notwendig. Diese Vorgehensweise wird von der Finanzverwaltung, nach derzeitigem Kenntnisstand, akzeptiert – dies jedoch nur dann, wenn seitens der Gemeinde gegenüber dem örtlichen Finanzamt klar und transparent dargestellt worden ist, dass man sich auf die oben dargestellten Grundsätze bezieht. Dies muss sichergestellt sein, um von vornherein dem Verdacht (möglicherweise) strafbarer Steuerverkürzungen entgegenzuwirken. Umsatzbesteuerung der Forstverwaltungskostenbeiträge – Zweijähriges Moratorium erreicht Zum Ende des Jahres 2013 hatte der Landesbetrieb ForstBW einseitig erklärt, dass die Forstverwaltungskostenbeiträge ab dem 01.01.2014 zuzüglich Umsatzsteuer erhoben werden sollten. Hiergegen wurde der Gemeindetag BadenWürttemberg noch im Dezember 2013 initiativ. Es kam zu intensiven Gesprächen zwischen der kommunalen Seite und der Forstverwaltung. Dabei hat der Gemeindetag ein mindestens zweijäh riges Moratorium gefordert. Im Ergebnis haben Finanzminister Dr. Nils Schmid MdL und Minister Alexander Bonde in einem gemeinsamen Schreiben erklärt, dass es nicht beanstandet werde „wenn der Forstverwaltungskostenbeitrag auch in den Jahren 2014 und 2015 noch ohne Umsatzsteuer erhoben wird.“(vgl. Gt-INFO Nr. 650/2014 vom 06.08.2014). Den Forderungen des Gemeindetags nach einem zweijährigen Moratorium ist damit vollumfänglich Rechnung getragen worden. Es wird abzuwarten bleiben, wie dieses Moratorium bzw. dessen Weiterführung im Lichte der weiteren Diskussionen um das so genannte „Forstkartell“ bewertet wird. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Umsatzbesteuerung von Saunaleistungen – 19 Prozent seit dem 1. Juli 2015! Überraschend war im Jahr 2014 zunächst die Mitte September bekannt gewordene Absichtserklärung der Finanzverwaltung, Saunaleistungen bereits ab dem 01.01.2015 mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent, statt wie bisher dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent, zu unterwerfen. Dies hat im kommunalen Umfeld für erheblichen Unmut gesorgt. Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg hat ein diesbezügliches Protestschreiben an den Finanzminister gerichtet. Das Antwortschreiben war jedoch gänzlich unbefriedigend. Auf Bundesebene haben die kommunalen Spitzenverbände mit gleicher Argumentation um Verbesserungen ersucht. Die Reaktion der Finanzverwaltung auf Bundesebene war ebenfalls ernüchternd. So wurde mittels BMF-Schreiben geregelt, dass mit Wirkung zum 01.07.2015 Abschnitt 12.11 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses dahingehend geändert werden soll, dass Saunaleistungen ab diesem Zeitpunkt dem Regelsteuersatz unterliegen sollen. Eine Änderung dieser Entscheidung konnte auch auf politischem Wege bedauerlicherweise nicht erreicht werden, sodass seit dem 01.07.2015 der Regelsteuersatz auf Saunaleistungen anzuwenden ist. Die Geschäftsstelle des Gemeindetags hat sich in einem Arbeitskreis aus kommunalen Praktikern, weiteren Fachverbänden und des MFW Baden-Württemberg mit einem Positionspapier um Vereinfachungen bemüht. Zum Redaktionsschluss dieses Geschäftsberichts lag eine Reaktion des MFW bedauerlicherweise nicht vor. Insoweit werden die Mitgliedskommunen via Gt-info (Az. 962.21) über den weiteren Fortgang informiert. Besteuerung des Breitband-Ausbaus Ein Megathema ist der Breitbandausbau in den Kommunen auch in steuerrechtlicher Hinsicht. So ist es auch 2014 vielerorts zu (interkommunalen) Ausbaukonzepten gekommen. Diese Gemeindetag Baden-Württemberg Konzepte schlagen sich in aller Regel umgehend in hohen Investitionsbeträgen nieder. Es stellt sich aufgrund der hohen Investitionssummen auch zunehmend die Frage, wie die Investitionen aus steuerlicher Sicht zu behandeln sind. Im Interesse einer möglichst landeseinheitlichen Klärung und Handhabung ist der Gemeindetag Baden-Württemberg mit einem umfassenden Fragenkatalog auf die Landes finanzverwaltung zugegangen. Es wurde der Versuch unternommen, die in der Praxis auftretenden Fallkonstellationen zu systematisieren, um eine möglichst sachgerechte und kommunalfreund liche Besteuerung zu erreichen. Es wurde im Wesentlichen dargelegt, dass es Gemeinden geben kann, die noch ganz am Beginn des Breitbandausbaus stehen und die Aufgabe komplett einem Zweckverband übertragen wollen, solche die bereits Leerrohre verlegt haben und diese an einen Zweckverband verkaufen, steuerlich in den Zweckverband einlegen oder an diesen verpachten wollen, sowie solche, die bereits ein innergemeindliches Netz (Rohre und Glasfaser) haben und dieses wiederum verkaufen, einlegen oder verpachten möchten. Im Übrigen dürfte allen Gemeinden gemeinsam sein, dass sie zum Aufbau eines zwischengemeindlichen „Backbone-Netzes“ eine Inves titionskostenumlage leisten. Steuerrechtlich resultieren daraus einige Fragen. Die drei bedeutsamsten sind: • Körperschaftsteuer: Wenn ein gemeindliches Netz in den Zweckverband eingebracht wird, kann u.U. körperschaftsteuerlich die Aufdeckung stiller Reserven drohen, da keine Buchwertübertragung vom gemeindlichen BgA auf den Zweckverbands-BgA möglich ist. Das Finanzministerium teilte hierzu bislang mit, dass der Finanzminister gegenüber der Bundesregierung initiativ geworden sei. Eine landesrechtliche Regelung (im GKZ) sei jedoch wohl nicht ausreichend. nanzverwaltung die Auffassung, dass die Vorgänge nur dann nicht steuerbar (und damit sog. „echte Zuschüsse“) seien, wenn keine konkrete Gegenleistung seitens des Zweckverbands vorliege. Es ist jedoch fraglich, wie dies satzungsrechtlich wirksam dargestellt werden kann. • Umsatzsteuer; Verpachtungs-BgA: Sofern eine Gemeinde oder ein Zweckverband ein Breitbandnetz an einen Dritten (Betreiber) verpachtet und dem Betreiber einen Zuschuss bezahlt, der höher ist als das Pachtentgelt, wird die Eigenschaft eines (vorsteuerabzugsberechtigten) Verpachtungs-BgAs verneint. Diese Problematik geht zurück auf eine Verfügung der Oberfinanz direktion Niedersachsen vom Januar 2011, die auch bereits im Bereich von Schwimmbädern für Probleme gesorgt hat. Hier wird gegenüber der Finanzverwaltung nochmals nachzufassen sein, insbesondere vor dem Hintergrund einer für die Kommunen positiven Rechtsprechung in Sachsen. Diese Aspekte sind bereits, jeweils für sich betrachtet, sowie im Gesamtkontext, nicht ganz trivial. Ideal wäre es, wenn die Finanzverwaltung akzeptieren könnte, dass es sich beim interkommunalen Breitbandausbau in keinster Weise um einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch handelt, da sich die Umlagezahlung einer Gemeinde an einen Zweckverband nicht wesentlich vom Charakter der Landeszuwendung an die Gemeinden unterscheidet. Diese Argumentation überzeugt die Finanzverwaltung jedoch noch nicht vollends, sodass weitere Überzeugungsarbeit notwendig sein wird. Es darf jedenfalls nicht sein, dass das Steuerrecht den dringend notwendigen (interkommunalen) Breitbandausbau konterkariert (vgl. auch für Details/Lösungsansätze: Müller, BWGZ 2015 Seite 437ff.). • Umsatzsteuer; Weiterleitung von Zuschüssen, Besteuerung von Ver bandsumlagen: Hier vertritt die Fi- 971 Geschäftsbericht Novelle des Eigenbetriebsrechts Auf Initiative des Gemeindetags BadenWürttemberg haben sich die kommunalen Landesverbände gegenüber dem Innenministerium für eine zeitnahe Novelle des Eigenbetriebsrechts ausgesprochen. Im Wesentlichen wurde in Eckpunkten gefordert: 1.das derzeitige Wahlrecht zwischen NKHR- und HGB-Rechnungslegung beizubehalten, 2.den Wirtschaftsplan, insbesondere den Vermögensplan, zu einem sachgerechten Steuerungsinstrument – angelehnt an den NKHR-Finanzhaushalt im Kernhaushalt der Gemeinden – weiterzuentwickeln, 3.im Jahresabschluss die Finanzrechnung zu implementieren, die Bildung von Versorgungs- und Pen sionsumlagerückstellungen beim KVBW zu belassen (§ 27 Abs. 5 GKV) und keine Abschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer zuzulassen. Das Innenministerium ist diesen Vorschlägen bis dato nicht nähergetreten. Es ist nicht von einer Novelle noch im Rahmen der laufenden Legislaturperiode auszugehen. Novelle des Gemeinde wirtschaftsrechts und des GKZ Die Diskussionen um die Novelle des Gemeindewirtschaftsrechts dauerten seit Herbst 2013 an. Ein vorläufiger Gesetzentwurf des Innenministeriums wurde insbesondere von Industrie und Handwerk öffentlich diskutiert. Forciert wurden zunächst: • eine Änderung der Subsidiaritätsklausel des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO, • explizit keine Überarbeitung des Örtlichkeitsprinzips (§ 102 Abs. 7 GemO), • die Einführung einer Neben leistungsklausel (§ 102 GemO), • die Ermöglichung der „Selbständigen Kommunalanstalt“ (öffent lichen Rechts) in § 102 GemO 972 BWGZ 19 | 2015 • sowie mit letzterem einhergehend die Modernisierung des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit. In der öffentlichen Diskussion scheiden sich die Geister an der bisher vorgesehenen Änderung der Subsidiaritätsklausel des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO. Der Regierungsvorschlag zielte darauf ab, den Rechtsstand vor 2005 wiederherzustellen, wonach eine Kommune außerhalb der Daseinsvorsorge dann tätig werden dürfe, wenn ein Dritter dies nicht besser könne. Seit 2005 ist demgegenüber geregelt, dass eine Kommune nur noch dann tätig werden darf, wenn es keinen privaten Dritten gibt, der dies nicht besser kann. Die Vertreter von Industrie und Handwerk befürchteten durch diese Änderung auf den alten Rechtsstand ein nahezu schrankenloses Wirtschaften der Kommunen. Diese Meinung wurde sowohl über die Landespresse wie auch in Anschreiben an einzelne Kommunen umfassend kundgetan. Kommunale Anstalt – KommA Im Rahmen der ausführlichen Diskussion erfolgte schlussendlich eine Verständigung dahingehend, dass aktuell lediglich die Neueinführung der Rechtsform der Kommunalen Anstalt öffentlichen Rechts weiter verfolgt werden soll. Diese kann in Eckpunkten wie folgt dargestellt werden: Sie soll das bisherige Handlungsspektrum der Gemeinden für wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigungen gegenüber dem Status Quo (i.d.R. Regiebetrieb, Eigenbetrieb, Kapitalgesellschaft) erweitern. Dies gilt auch für die interkommunale Zusammenarbeit (i.d.R. Zweckverbände und Kapitalgesellschaften). Die KommA soll letztlich die Vorteile der öffentlich-rechtlichen Organisationsform (Eigenbetrieb) mit jenen der privatrechtlichen Organisa tionsform (GmbH) vereinen. Eine im Vergleich zur GmbH engere Bindung der Kommunalanstalt an die Gemeinde soll dadurch sichergestellt werden, dass der Gemeinderat als oberstes Organ der Gemeinde über alle wesentlichen Grundlagen der KommA bzw. deren Aufgabe entscheiden soll. Der Gesetzentwurf lässt hier für die erforderliche Anstaltssatzung einen sehr weiten Gestaltungsspielraum. Insbesondere soll (jedoch wohl nicht zwingend aus der Mitte des Gemeinderats) ein Verwaltungsrat bestellt werden, der Aufgaben wahrnehmen soll, die dem Betriebsausschuss des Eigenbetriebs oder dem Aufsichtsrat einer GmbH ähneln. Der Gemeinderat soll gegenüber dem Verwaltungsrat immer ein Weisungsrecht behalten, das ggf. durch die Betriebssatzung näher ausgestaltet werden kann. Der zu bestellende Vorstand einer KommA soll weitestgehend eigenverantwortlich und flexibel agieren dürfen. Auch hier gilt, dass die nähere Ausgestaltung im Zweifel der Anstaltssatzung vorbehalten bleibt. Interessant ist, dass der Vorstand einer KommA, sofern er auf Zeit bestellt wird, maximal auf fünf Jahre bestellt werden kann. Dies soll, ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs, zu einer engeren Bindung an das oberste Organ der Gemeinde führen. Die KommA kann selbst Angestellte beschäftigen und auch Beamte ernennen. In diesem Fall ist der Vorstand bzw. im Mehrpersonenvorstand der Vorstandsvorsitzende Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde der Beamten in der KommA. Sofern der Vorstandsvorsitzende selbst Beamter ist, so ist der Bürgermeister dessen Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde. Ungeklärt sind für die neue Rechts form bis dato insbesondere Rech nungslegungs- und Haftungsfragen, die bei Nichtklärung vermutlich dazu führen werden, dass die KommA keine interessante Rechtsform für die kommunale Praxis wird. So ist es Stand heute nicht gestattet, die Buchführung nach dem NKHR auszugestalten (s.u. Bemerkungen zu § 102a Abs. 6) und es gibt keine eindeutige Regelung im Insolvenzfall, da keine Gewährträgerhaftung vorgesehen ist (s.u. Bemerkungen zu § 102a Abs. 8). Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Für welche Tätigkeiten die KommA interessant wird, lässt sich nur schwer prognostizieren. In anderen Bundesländern wurden vielfach die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung in derartige Anstalten ausgelagert. Dies geschah jedoch zu Zeiten, in denen in Baden-Württemberg die Auslagerung in Eigenbetriebe oder GmbHs en vogue war. Da die KommA insbesondere keine deutlich hervorstechenden Vorteile gegenüber Eigenbetrieben aufweist, dürfte eine Überführung eines bestehenden Eigenbetriebs in eine KommA tenden ziell eher nicht interessant sein. In Frage käme die KommA wohl am ehesten für neue Aufgaben wie beispielsweise den (interkommunalen) Breitbandausbau. Bezüglich bestehender Aufgaben wird zuweilen auf Ebene der Landkreise diskutiert, die hoheit lichen Teile der Abfallwirtschaft aus bestehenden GmbHs in Kommunalanstalten zu überführen. CETA und plurilaterales Dienstleistungsabkommen PTiSA – Nur „Chlorhühnchen“ oder Gefahren für die kommunale Daseinsvorsorge?“, in: BWGZ 8/2014 Seite 336 ff.) wurde in Baden-Württemberg erstmals auf die Problematik aus kommunaler Sicht aufmerksam gemacht. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat darüber hinaus ein dezidiertes Positionspapier („Risiken für Daseinsvorsorge ausschließen, Chancen für mehr Wachstum nutzen“) veröffentlicht, in dem klargestellt wird, dass die kommunale Seite Freihandelsabkommen nicht per se ablehnt. Gleichzeitig wurde auf die Risiken in Bezug auf die Daseinsvorsorge und das öffentliche Beschaffungswesen hingewiesen. Seither haben auch Gemeinderäte intensiv über TTIP und andere Freihandelsabkommen diskutiert. In diesem Zuge war die Frage aufgekommen, inwieweit den Gemeinderäten überhaupt eine Beschlussfassungskompetenz zu- kommt. Diese Frage wurde auch innerhalb des Gemeindetags diskutiert und in einer umfassenden Gt-INFO verarbeitet. Im Kern hat jede einzelne Gemeinde zu prüfen, ob durch die Freihandelsabkommen spezifische örtliche Verhältnisse tangiert werden. Wenn dies der Fall ist, kann ggf. von der Beschlussfassungskompetenz ausgegangen werden. Für Näheres wird auf Gt-INFO Nr. 570/15 vom 6. Juli 2015 / Gt-info 2015 Heft 12 Seite 26) verwiesen. Grundsätzlich begrüßenswert erscheint es aus Sicht der Geschäftsstelle des Gemeindetags, dass sich die Gemeinden, wenn sie sich mit den Freihandelsabkommen befassen, grundsätzlich Rückgriff auf das o.g. Positionspapier der kommunalen Spitzenverbände vom Oktober 2014 oder aber auf das aktuellere Papier vom Juli 2015 nehmen, das auch mit Unterstützung des BMWi entstanden ist (vgl. Gt-INFO 573/15 vom 6. Juli 2015 / Gt-info 2015 Heft 12 Seite 27). Freihandelsabkommen TTIP, CETA und plurilaterales Dienstleistungsabkommen TiSA Erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland wurde im Jahr 2014 in erheblichem Ausmaß über den Abschluss internationaler Freihandelsabkommen diskutiert. Wesentlicher Auslöser war das zwischen der EU und den USA diskutierte Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), das wegen verschiedenster Aspekte in die Kritik geraten ist. Die in weiten Teilen unsachlich geführte öffentliche Diskussion darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass von derartigen Abkommen zentrale Aspekte der Daseinsvorsorge betroffen sein könnten. Um auf die möglichen Auswirkungen für die kommunale Ebene hinzuweisen, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg bereits Anfang 2014 ein gemeinsames Schreiben der drei kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg an die Landesregierung initiiert. Damit und mit einem Artikel in der BWGZ (Schmid/ Müller: „Freihandelsabkommen TTIP, Gemeindetag Baden-Württemberg 973 Geschäftsbericht Kommunale Wirtschafts förderung – Neuer Arbeitskreis im Gemeindetag Mit der BWGZ 20/2014 wurde die kommunale Wirtschaftsförderung in den Fokus genommen. Verschiedenste aktuelle Aspekte der Wirtschaftsförderung wurden aufgegriffen und vertieft – so beispielsweise die Maßgaben des EUBeihilferechts, die Anforderungen an Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum aber auch die neue Herausforderung „Bewältigung von Unternehmensnachfolge“. An diese Themen wird auch im Jahr 2015 weiter angeknüpft. Die großen Themen der Wirtschafts förderung sind dabei leicht zu identi fizieren: • Bestandspflege, • Entwicklung von Industrieund Gewerbeflächen im Innenund Außenbereich, • Unternehmensnachfolge, • Fachkräftemangel. Im Juli 2015 hat sich, auch mit den vorgenannten Schwerpunktthemen, erstmals der Arbeitskreis Kommunaler Wirtschaftsförderer im Gemeindetag Baden-Württemberg in Weil der Stadt konstituiert. Zur neuen Vorsitzenden wurde Erste Beigeordnete Susanne Widmaier, Weil der Stadt, gewählt. Auf die weitergehende Berichterstattung in der BWGZ wird verwiesen. Diese Veranstaltung hat eines verdeutlicht: Auch wenn Aufgaben der Wirtschaftsförderung auf kreisweite oder regionale Organisationseinheiten (z.B. Wirtschaftsförderungsgesellschaften) verlagert werden, bleibt doch immer die Gemeinde selbst in der Pflicht, die entscheidenden Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der örtlichen Wirtschaft zu schaffen. Auch deshalb wird der Gemeindetag BadenWürttemberg als unabhängiger und kompetenter Ansprechpartner und Multiplikator seinen Mitgliedsstädten und -gemeinden verstärkt Angebote in diesem Themengebiet unterbreiten. 974 BWGZ 19 | 2015 Kartellverfahren Rundholzvermarktung Im Dezember 2013 hat das Bundeskartellamt einen an das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz BadenWürttemberg (MLR) gerichteten Beschlussentwurf vorgelegt, wonach geplant sei, den gebündelten Verkauf von Nadelstammholz aus dem Staatswald zusammen mit Holz aus dem Nichtstaatswald mit mehr als 100 Hektar Besitzgröße ab 01.01.2015 zu untersagen. Mit betroffen von der Untersagungsverfügung soll auch die Erbringung von den den Holzverkauf vorbereitenden Dienstleistungen der Holz ernte, insbesondere das Auszeichnen des Holzes im Wald, sein. Das MLR hat daraufhin unter Mitwirkung der kommunalen Landesverbände eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um eine Strategie zu einer möglichen künftigen kartellrechtskonformen Neuordnung der Forstorganisation im Land zu erarbeiten. Die von der Arbeitsgruppe erarbeiteten Organisationsmodelle wurden mit dem Bundeskartellamt eingehend erörtert, wobei festgestellt wurde, dass das so genannte Staatswaldmodell (Herauslösung der Staatswaldbewirtschaftung durch Gründung eines Staatsforstbetriebes) in besonderem Maße mit dem Kartellrecht vereinbar sei. Dessen Umsetzung hätte zur Folge, dass bei den unteren Forstbehörden nur noch rein hoheitliche Aufgaben verbleiben und für die Bewirtschaftung des Kommunal- und Privatwaldes neue Strukturen geschaffen werden müssen. Damit könnte das so genannte Einheitsforstamt in der bisherigen Form nicht mehr weitergeführt werden. Im Zuge der weiteren Verhandlungen mit dem Bundeskartellamt sah sich das Land zur Abwehr der im Raum stehenden Untersagungsverfügung gezwungen, eine Verpflichtungserklärung abzugeben mit dem Inhalt, eine strukturelle Trennung des Holzverkaufs durch die Ausgliederung eines Staatsforstbetriebes durchzuführen. Wesentlicher Bestand der Verpflichtungserklärung war die Übertragung der Forsteinrichtung und der forsttechnischen Betriebsleitung als kommunale hoheitliche Aufgaben auf die Stadt- und Landkreise, die Einstufung der Wirtschaftsverwaltung einschließlich des Holzverkaufs als wirtschaftliche Tätigkeit sowie die Verpflichtung, kostendeckende Gebühren zu erheben, soweit das Kreisforstamt im Bereich der Wirtschaftsverwaltung tätig wird. In einem weiteren Beschlussentwurf hat daraufhin das Bundeskartellamt dargestellt, dass es in vielen zentralen Fragen weiterhin eine andere Auffassung vertritt, die im Widerspruch zu der vom Land abgegebenen Verpflichtungserklärung steht. Insbesondere wird nunmehr vom Bundeskartellamt die Forsteinrichtung und die forsttechnische Betriebsleitung im Körperschaftswald ebenso wie der Revierdienst als wirtschaftliche – und nicht als hoheitliche – Tätigkeit eingestuft. Damit wurde nach übereinstimmender Auffassung des MLR und der kommunalen Landesverbände den vom Land abgegebenen Verpflichtungserklärungen die Grundlage entzogen, weshalb sich das Land gezwungen sah, die Zusagen wieder zurückzunehmen. Daraufhin hat das Bundeskartellamt durch eine am 15.07.2015 zugestellte Verfügung dem Land die gemeinsame Vermarktung von Holz aus dem Staatswald mit Holz aus dem Kommunal- und Privatwald untersagt, soweit die 100 Hektar-Grenze überschritten wird. Neben dem eigentlichen Nadelstammholzverkauf sollen auch in weitem Maße die Wahrnehmung von forstlichen Betreuungsleistungen von der forsttechnischen Betriebsleitung bis zum Revierdienst in Körperschafts- und Privatwäldern über 100 Hektar Waldbesitz untersagt werden. Dies hätte eine vollständige Zerschlagung der Forststruktur im Lande zur Folge. Vor diesem Hintergrund sah sich das Land gezwungen, gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes Rechtsmittel beim OLG Düsseldorf einzulegen. Um Schadenersatzansprüche zu vermeiden, wird das Land die gemeinsame Rundholzvermarktung unverzüglich einstellen. Die Landkreise werden kommunale Holzverkaufsstellen einrichten, die ab September 2015 für die Kommunen die Vermarktung des Nadelstammholzes übernehmen werden. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Unterhaltungspflicht der Städte und Gemeinden für Kirchtürme Die altrechtlichen Verpflichtungen der Städte und Gemeinden für Unterhaltungslasten an kirchlichen Einrichtungen standen im Berichtszeitraum wegen Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg und des Staatsgerichtshof Baden-Württemberg (Landesverfassungsbeschwerde) im besonderen Fokus. Die gerichtliche Überprüfung der Verpflichtung einer bürgerlichen Gemeinde gegenüber der Kirchengemeinde ergab, dass „… infolge des im Laufe des 20. Jahrhunderts eingetretenen Bedeutungsverlusts des Turms, der Turmuhr sowie der Glocken- und Läuteanlagen hinsichtlich der für die Begründung der Kirchenbaulast wesentlichen Funktionen eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist …“ Dies führte in diesem Einzelfall dazu, dass die bürgerliche Gemeinde eine (vertragliche) Herabsetzung ihres Kosten tragungsanteils von der Kirchengemeinde beanspruchen konnte. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen; die Nichtzulassungsbeschwerde der Kirchengemeinde wurde abgelehnt. Die Landesverfassungsbeschwerde der Kirchengemeinde gegen das Urteil des VGH Baden-Württemberg wurde als unbegründet zurückgewiesen (vgl. dazu auch BWGZ 2/2015 Seite 100). Die Geschäftsstelle des Gemeindetags prüft zusammen mit dem Städtetag das weitere Vorgehen. Ein erstes gemeinsames Gespräch mit der Kirchenseite hatte den Austausch von Informationen und Sachverhalte zum Inhalt. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Beteiligten eine gemeinsame Bewertung der Urteile anstreben und die Absicht besteht, für das weitere Vorgehen Lösungswege für die verschiedenen Verhältnisse vor Ort aufzuzeigen. Gemeindetag Baden-Württemberg Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an Brennpunkten – der Runde Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ kreißt und gebiert eine Maus Über den Sachstand zum Thema „Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an Brennpunkten“ wurde zuletzt in BWGZ 1/2014 Seite 27 ausführlich berichtet. Am 6. Juni 2014 hat dann noch unter Vorsitz des Ministerpräsidenten der Runde Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ getagt. Die Schaffung einer Rechtsgrundlage im Polizeigesetz, die die Gemeinden ermächtigen würde, in örtlichen Polizeiverordnungen Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an Brennpunkten zu erlassen, fand letztlich in der grün-roten Landesregierung sowie in den diese tragenden Landtagsfraktionen keine Mehrheit und wurde auf die nächste Legislaturperiode vertagt. Und dies, obwohl die gleichnamige Arbeitsgruppe in ihrem Abschlussbericht Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an Brennpunkten als einen von mehreren wirkungsvollen Bausteinen zur Problembewältigung vorgeschlagen hatte. Übrig geblieben sind folgende Empfehlungen des Runden Tischs, die weiterverfolgt werden sollen: • Schaffung interdisziplinärer Arbeitsgruppen mit einer dauer haften Koordinierung und hoher personeller Kontinuität vor Ort Ziel ist dabei das abgestimmte Zusammenwirken von Polizei, Kommune, Suchtberatung, Gastronomie und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in einem partnerschaftlichen Kontext im Rahmen einer dauerhaften Arbeitsgruppe. • Verstärkte Präsenzmaßnahmen, Kontrolle und Durchsetzung bestehender Regelungen im öffent lichen Raum Hierbei sollen insbesondere die Einhaltung des Jugendschutzes und gaststättenrechtlicher Vorgaben wie beispielsweise das Verbot des Ausschanks an erkennbar Betrunkene in den Fokus gerückt werden. • Anwendung bestehender recht licher Handlungsmöglichkeiten wie des Erlasses kommunaler Satzungen für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen, bspw. für Spielplätze und Grünflächen Das Innenministerium will in Zusammenarbeit mit den kommunalen Landesverbänden eine Handreichung für die Kommunen des Landes erstellen. • Grundsätzliches Festhalten an den Regelungen zum Alkohol verkaufsverbot. Darüber hinaus sollten identifizierte Lücken (Warenautomaten und reine Alkoholbringdienste) geschlossen werden. • Flexiblere Regelungen zu den Sperrzeiten in der Gaststätten verordnung mit dem Ziel, den Kommunen vor Ort mehr Kompetenzen und Rechts sicherheit zu gewähren. • Erstellung einer Handreichung mit einer Beschreibung von allen durch die Arbeitsgruppe als ziel führend identifizierten Maßnahmen („Werkzeugkoffer“) Eine systematische Übersicht der landesweit bestehenden 119 Maßnahmen soll im Sinne eines „Best Practice“-Ansatzes den Verantwortungsträgern vor Ort wertvolle Impulse für das eigene Handeln geben. Diese Empfehlungen sind bislang nicht abschließend umgesetzt worden. Immerhin ist vor kurzem ein Gesetzentwurf zur Ergänzung des Gesetzes über die Ladenöffnung in die Verbandsanhörung gegangen. Damit sollen so genannte Alkoholbringdienste und Warenautomaten, die alkoholische Getränke anbieten, in das seit 1. März 2010 geltende nächtliche Alkoholverkaufsverbot einbezogen und damit bestehende Regelungslücken geschlossen werden. Vom Innenministerium ist darüber hinaus die o.g. Handreichung mit einer Beschreibung aller durch die Arbeitsgruppe als zielführend identifizierter Maßnahmen („Werkzeugkoffer“) erarbeitet und mit den kommunalen Landesverbänden abgestimmt worden. Eine Freigabe durch das Staatsministerium ist allerdings noch erforderlich. 975 Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Initiative des Gemeindetags Baden-Württemberg gegen Wohnungseinbrüche Tag ist in BWGZ 6/2015 Seite 282 und in Gt-INFO Nr. 269/2015 vom 7. April 2015 veröffentlicht worden. Nicht jeder Bürger bzw. jede Bürgerin wolle oder könne dafür die örtlich zuständige Polizeidienststelle aufsuchen. Bereits mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 hat der Gemeindetag Baden-Württemberg Innenminister Reinhold Gall MdL eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Innenministerium, Polizei und Gemeindetag gegen Wohnungseinbrüche vorgeschlagen. In seiner Antwort vom 16. Januar 2015 hat der Innenminister diesen Vorschlag aufgegriffen und im Übrigen einen Sicherheitsgipfel, unter Einbindung der beiden anderen kommunalen Landesverbände, vorgeschlagen. Am 17. März 2015 hat dann die Landesregierung ein Offensivkonzept gegen Wohnungseinbruch beschlossen. Dessen Inhalte fanden Eingang in das Antwortschreiben des Innenministers vom 24. März 2015 an den Gemeindetag. Was die Personalsituation bei der Polizei angeht, hat der Minister mitgeteilt, dass 226 Polizeivollzugsstellen nicht wie ursprünglich vorgesehen in den Jahren 2017 bis 2019 abgebaut, sondern erhalten bleiben und verstetigt werden sollen. Die daraus entstehenden Kosten für den Landeshaushalt von jährlich rund 12 Millionen Euro seien zwar eine beträchtliche, aber jedoch lohnenswerte Investition in die Sicherheit des Landes. Zudem würde die Ausbildungskapazität der Polizei im Zuge einer Einstellungs offensive für die Jahre 2017 und 2018 mit insgesamt 2.800 vorgesehenen Einstellungen erhöht werden. Als Ausfluss aus diesen Aktivitäten hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zum einen seinen Kreisverbandsvorsitzenden empfohlen, in ihren Sitzungen für die in den gemeinsamen Empfehlungen enthaltenen Maßnahmen unter Zusammenarbeit von Kommunen und Polizei zu werben. Zum anderen hat der Gemeindetag die Empfehlungen in der Gt-info mit dem Anraten, diese vor Ort umzusetzen, veröffentlicht. Im Vordergrund soll dabei stehen, dass Kom munen und Polizei zunächst dort eine Sicherheitspartnerschaft eingehen, wo es bislang noch keine gibt. Ansonsten sollten bestehende Sicherheitspartnerschaften ggf. reaktiviert und im Hinblick auf den Schutz vor Wohnungseinbrüchen ausgebaut werden. Auf die Darstellung in Gt-INFO Nr. 419/2015 vom 20. Mai 2015 und die dortigen Links zum Herunterladen der o.g. Unterlagen wird hingewiesen. Foto: Rike /PIXELIO In der Folgezeit hat das Innenministerium den kommunalen Landesverbänden dann den Entwurf gemeinsamer Empfehlungen für eine Sicherheitspartnerschaft zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen zukommen lassen. Der Gemeindetag hat die dort aufgeführten Maßnahmen allerdings nicht für ausreichend gehalten, um bei den Wohnungseinbrüchen eine Trendwende zu erreichen. Mit Schreiben vom 16. März 2015 wurde dem Innenminister deshalb ein Positionspapier des Gemeindetags Baden-Württemberg mit den aus seiner Sicht erforderlichen Maßnahmen übersandt. Die Pressemitteilung des Gemeindetags vom selben 976 Auf der Basis dieses Schriftwechsels sind dann die gemeinsamen Empfehlungen für eine Sicherheitspartnerschaft zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen ergänzt und beim Sicherheitsgipfel am 1. April 2015 im Innenministerium – unter Anwesenheit von Presse- bzw. Medienvertretern – unterzeichnet worden. Präsident Roger Kehle hat in seinem Statement für den Gemeindetag BadenWürttemberg die Empfehlungen zwar begrüßt, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche bereits seit acht Jahren steigt, weitere Schritte des Landes gefordert. Insbesondere müsste, trotz der vor kurzem gescheiterten Bundesratsinitiative Bayerns, erneut ein Anlauf unternommen werden, damit Wohnungseinbruchsdiebstähle strafrechtlich künftig nicht mehr als minder schwere Fälle geahndet werden könnten. Auch der Nichtabbau der oben genannten 226 Polizeivollzugsstellen sei lobenswert, aber seines Erachtens nicht ausreichend. Weiteres Personal sei dringend erforderlich. Darüber hinaus halte er nach wie vor die Einrichtung einer Rund-um-die-UhrTelefonhotlinie „Wohnungseinbruchsschutz“ beim LKA für erforderlich. Die Sicherheitspartnerschaft zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen war anschließend auch ein Thema der AG 10.000-Sitzung des Gemeindetags mit Ministerialdirektor Dr. Herbert O. Zinell am 19. Mai 2015. Am 24. Juli 2015 wurde dann im Beisein von Präsident Roger Kehle von den Innenministern Bayerns und BadenWürttembergs im hiesigen Innenministerium eine Kooperationsvereinbarung zur intensivierten Bekämpfung der Wohnungseinbruchkriminalität zwischen Baden-Württemberg und Bayern (Sieben-Punkte-Programm) unterzeichnet. Die Pressemitteilung des Gemeindetags dazu ist in Gt-INFO Nr. 703/2015 vom 5. August 2015 wiedergegeben. Darüber hinaus hat das Projektbüro Kommunale Kriminalprävention beim Innenministerium Baden-Württemberg, in dem auch der Gemeindetag Mitglied ist, einen Projektantrag „Prävention von Wohnungseinbrüchen durch eine aufmerksame und vertrauensvolle Nachbarschaft“ bei der BadenWürttemberg Stiftung vorbereitet. Gemeindetag Baden-Württemberg Bücherei Mediothek Dußlingen BDA Hugo-Häring-Preis 2011 AKBW Auszeichnung für beispielhaftes Bauen 2011 Iconic Award 2015 Riehle +Assoziierte Architekten und Stadtplaner Büro Reutlingen Dominohaus Am Echazufer 24 72764 Reutlingen Tel 07121 927- 0 reutlingen@ riehle-architekten.de Büro Stuttgart Lloyd-Haus Schloßstraße 70 70176 Stuttgart Tel 0711 489 000-0 stuttgart@ riehle-architekten.de Geschäftsbericht Kommunales und Wahlen Die Geschäftsjahre 2013 bis 2014 waren auch durch Bundes- und die Kommunalwahlen geprägt. Beratungsbedarf im Berichtszeitraum ergab sich vor allem auch im Hinblick auf die Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl 2013 sowie der Kommunalwahl und der Europawahl am 25. Mai 2014. Im Vorfeld der Wahlen stand eine Vielzahl von Änderungen des Bundes- und Kommunalwahlrechts im Fokus, deren Auswirkungen für die kommunale Praxis geprüft und teilweise knifflige rechtliche Fragen gelöst werden mussten. Die Wahlrechtsneuerungen sind bereits in BWGZ 1/2015 Seite 3 ff. dargestellt worden. Zu den Wahlrechtsneuerungen gehörte auch ein neues Sitzverteilungsverfahren für die Kommunalwahlen. Das seit vielen Jahrzehnten geltende Berechnungsverfahren nach d’Hondt wurde durch das Höchstzahlverfahren nach SainteLaguë/Schepers ersetzt. In den einzelnen Kommunen wurde daher mit Spannung darauf geschaut, ob und wie sich diese Rechtsänderung auf die Zusammensetzung der kommunalen Gremien auswirkt. Aus Erfahrungen beim Bundes- und Landeswahlrecht stand das neue Sitzverteilungsverfahren in dem Ruf, dass es kleineren Gruppierungen eher mehr Chancen auf Sitze einräumt. Mit Landtagsdrucksache 15/6750 wurde eine umfangreiche Untersuchung und Analyse des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg veröffentlicht, die teilweise diesen Effekt bestätigt. Begleitung und Unterstützungen für ihre Wahlgeschäfte fanden die Städte und Gemeinden durch ein vielfältiges Seminarangebot der Verwaltungsschule des Gemeindetags, laufend aktuelle elektronische Infos der Geschäftsstelle, das Extranet und über ein besonderes Kommunalforum, das ebenfalls von der Geschäftsstelle betreut wurde und auch weiterhin wird. In Anschluss an die Kommunalwahl bestand intensiver Beratungsbedarf im Hinblick auf die konstituierende Sitzung, die Besetzung der Ausschüsse und die Ortsvorsteherwahlen. Dabei ging es 978 BWGZ 19 | 2015 hauptsächlich um die Einigungs- bzw. Wahlverfahren und damit verbundenen Fragen der Auslegung rechtlicher Vorschriften. Nach der Kommunalwahl erschien am 30. Juni 2014 die Schwerpunktausgabe der Verbandszeitschrift des Gemeindetags „Die Gemeinde“ (BWGZ) Heft 11-12/ 2014 für die neu gewählten Gemeinderäte und Ortschaftsräte, die in einer Auflage von insgesamt mehr als 28.000 Exemplaren reißenden Absatz fand. Kommunale Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden nicht gefährden: Daher Hände weg von der Gemeindeordnung Der Landtag beschäftigt sich nach der Sommerpause mit einem umfangreichen Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung (LT-Drucksache 15/7265). Der Gesetzentwurf wurde gegenüber dem Anhörungsentwurf nur an ganz wenigen Stellen modifiziert. Aufgegeben wurde die ursprünglich vorgesehene Absenkung des Quorums von einem Viertel auf ein Sechstel der Gemeinde räte für das Akteneinsichtsrecht und das Einberufungsrecht von Sitzungen. Außerdem soll die Öffentlichkeit von Sitzungen beschließender Ausschüsse nicht (mehr) als Regelfall hergestellt werden. Auch eine Gleichstellung einzelner Gemeinderäte mit einer Fraktion, in Gemeinden mit bis zu 18 Gemeinderäten, wurde nicht in den in der Landtagsdrucksache veröffentlichten Gesetzentwurf aufgenommen. Dieses ist auch auf die im Anhörungsverfahren deutlich geäußerten rechtlichen Bedenken des Gemeindetags zurückzuführen. Zwar kann die Absenkung der Quoren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden akzeptiert werden, alle weiteren Änderungen der Gemeindeordnung lehnt der Gemeindetag Baden-Württemberg jedoch weiterhin ab. Das Land ist aufgefordert, auf das Gesetz zu verzichten (Erläuterungen dazu vgl. auch BWGZ 1/2015 Seite 4). Der Landesgesetzgeber hat der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden nach Art. 28 GG grundsätzlich Rechnung zu tragen und daher die Rechtsetzung so auszugestalten, dass diese den Städten und Gemeinden in BadenWürttemberg gewährleistet bleibt. Genau hier setzt die Kritik an. Das Gesetz enthält gesetzliche Vorgaben, für die der Gemeindetag weder eine rechtliche Begründung noch eine Notwendigkeit erkennen kann. Weshalb soll die Einrichtung von Fraktionen und ihrer Rechte geregelt werden? Warum müssen eine Mindestfrist für die Einberufung des Gemeinderats und andere organisatorische Einzelheiten verbindlich festgelegt werden? Wie kann der Gesetzgeber bestimmen dürfen, welche Inhalte ein Amtsblatt der Gemeinde haben muss? Fazit: Es werden mit den vorgesehenen Neuregelungen unnötige Vorgaben gemacht, anstatt auf die Entscheidungsfähigkeit der kommunalen Hauptorgane, orientiert an den örtlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten, zu vertrauen. Gemeinderäte können ihre Geschäftsabläufe selbst vereinbaren. Was durch Geschäftsordnungen jahrzehntelang zufriedenstellend geregelt war, muss nicht durch den Landtag bestimmt werden. Mehr Bürokratie hindert die erfolgreiche Arbeit der Gemeinderäte. Künftig sollen auch Aufstellungsbeschlüsse von Bauleitplänen bürgerentscheidsfähig sein. Dafür gibt es aus Sicht des Gemeindetags keine Notwendigkeit. Zudem können komplexe Einzelheiten von Bebauungsplänen nicht durch Bürgerentscheid abgewogen werden. Das bestehende Recht trägt den grundsätzlichen Anforderungen an direktdemokratische Elemente Rechnung und schränkt die Bürgerbeteiligung nicht unangemessen ein. Zumal im Vorfeld eines Bebauungsplans Bürgerentscheide über städtebauliche Entwicklungen durchaus möglich sind. Der Gemeindetag ist der Auffassung, dass die Erfüllung der kommunalen Aufgaben schwerpunktmäßig bei den kontinuierlich arbeitenden und von der Bürgerschaft gewählten Repräsentativ organen verbleiben muss. Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Papierloser Gemeinderat Die Digitalisierung der Gemeinderatsarbeit hatte im Berichtszeitraum an Bedeutung gewonnen. Der praktische Bedarf ist unbestreitbar. So haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Städten und Gemeinden so genannte Ratsinformationssysteme beschafft, mit denen der Sitzungsdienst, zu großen Teilen, papierlos gemanagt werden kann. Trotzdem ist natürlich die Ausgangslage in den Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich. Dies ist häufig auch dem Umstand geschuldet, dass nicht alle Gemeinderatsmitglieder über eine elektronische Adresse verfügen, möglicherweise auch nicht alle Entsprechendes einrichten oder generell lieber schriftlich eingeladen werden wollen. Auch fehlt es in manchen Bereichen des Landes an der erforderlichen Infrastruktur, um große Datenmengen (z.B. Pläne) in zumutbarer Geschwindigkeit abzurufen. In einigen Kommunen wird der Einsatz von verschiedenen Empfangsgeräten, wie iPad, Laptop, Smartphone oder Tablet erprobt. Die technischen Möglichkeiten werden in den nächsten Jahren weitergehen und damit werden auch für die Ratsarbeit neue Möglichkeiten eröffnet werden. Welcher Weg eingeschlagen wird, muss jede Gemeinde für sich entscheiden. Wie schon ausgeführt, spielen dabei die technischen und formalen Voraussetzungen, aber auch die Kosten eine Rolle. Mit der vorgesehenen Änderung der GemO wird das Thema insgesamt sicher einen weiteren Schub erleben. Die Sitzungsunterlagen von kommunalen Gremien sollen danach unter bestimmten Voraussetzungen auch im Internet veröffentlicht werden. Der Gemeindetag Baden-Württemberg begleitet diese Entwicklungen mit Informationen auf seinen Arbeitstagungen und nutzt solche Veranstaltungen auch, um Erfahrungen auszutauschen. Bei einer Überarbeitung des Musters des Gemeindetags für eine Geschäftsordnung des Gemeinderats, das u.a. Gemeindetag Baden-Württemberg auch im Zusammenhang mit der vorgesehenen Novelle der Gemeindeordnung weiterentwickelt werden muss, wird die Digitalisierung der Gremiumsarbeit sicher auch eine zentrale Rolle spielen. Das Geschäftsordnungsmuster soll unter Beteiligung der kommunalen Praxis überarbeitet werden und Empfehlungen vorschlagen, die dann an die konkreten Gegebenheiten vor Ort anzupassen sind. Da die Novelle der Gemeindeordnung voraussichtlich erst im letzten Quartal des Jahres im Landtag verabschiedet wird, kann die Überarbeitung des Geschäftsordnungsmusters nicht vor Ende des Jahres abgeschlossen sein. Interfraktionelle Einigung zur direkten Demokratie in der Landesverfassung Seit längerem angekündigt, nun soll es umgesetzt werden: Im Juli 2015 haben alle im Landtag vertretenen Fraktionen einen Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung eingebracht. Damit sollen die direkten Beteiligungsmöglichkeiten der Landesbürgerinnen und -bürger gestärkt werden. Vergleichbar mit dem Bürgerantrag auf kommunaler Ebene (§ 20b GemO) soll auf Landesebene die Möglichkeit eines Volksantrags eingeführt werden. Mit den Unterschriften von 0,5 Prozent der Wahlberechtigten (zirka 38.000 Wahlberechtigte) kann der Landtag verpflichtet werden, sich mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung in seinem Zuständigkeitsbereich zu befassen. Dem Quorum kommt eine wichtige Bedeutung zu. Schließlich müssen die Initiatoren eines Volksantrags eine ausreichende demokratische Legitimation nachweisen können, wenn sie den Landtag für sich in Anspruch nehmen wollen. Zudem müssen die Anforderungen an einen Volksantrag so gestaltet sein, dass die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Landtags nicht eingeschränkt wird. Gegenstand eines Volksantrags können auch Gesetzentwürfe sein. In diesem Fall muss dem Landtag ein ausgearbeiteter und mit Gründen versehener Ge- setzentwurf vorgelegt werden. Ein Anspruch, den eingebrachten Gesetzentwurf auch zu beschließen, besteht natürlich nicht. Mit dem Änderungsentwurf soll außerdem das Zustimmungsquorum für Volksabstimmungen über einfache Gesetze von 33 Prozent auf 20 Prozent der abgegebenen Stimmen abgesenkt werden. Für ein Volksbegehren sollen künftig nur noch 10 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unterschreiben müssen; bisher sind es 16,7 Prozent. Vorgesehen war, den Gesetzentwurf im September in den Landtag einzubringen. Der Gemeindetag Baden-Württemberg wird im Rahmen der offiziellen Anhörung auch die möglichen Auswirkungen auf die Aufgaben der Städte und Gemeinden thematisieren. Zielsetzung der Verfassungsänderung ist auch eine stärkere Nutzung der plebiszitären Instrumente. Da Städte und Gemeinden aufgrund der Ausführungsbestimmungen erhebliche Mitwirkungspflichten in den verschiedenen Verfahren haben (Überprüfung der Wahlberechtigung von Unterzeichnern, Ausstellung von Wahlrechtsbescheinigungen, Bekanntmachungspflichten, Durchführung der Abstimmungen u.v.m.), kann der kommunale Zuständigkeitsbereich durchaus konkret betroffen sein. Neu eingeführt: die Landesverfassungsbeschwerde Seit 1. April 2013 gibt es in Baden-Württemberg die Möglichkeit, beim Staatsgerichtshof des Landes eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. Berechtigte sind nicht nur Bürgerinnen und Bürger, auch Städte und Gemeinden können die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit aller Maßnahmen der öffentlichen Gewalt anstoßen. Die Landesverfassungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf ist naturgemäß erst nach Ausschöpfung des allgemeinen Rechtswegs zulässig. 979 Geschäftsbericht Bundesmeldegesetz und Ausführungsvorschriften dazu lassen erhöhten Aufwand bei den Meldebehörden befürchten Mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg (IM) vom 1. August 2014 ist der Gemeindetag Baden-Württemberg zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften angehört worden. In seiner Stellungnahme vom 29. September 2014 hat der Gemeindetag den Entwurf insgesamt begrüßt. Insbesondere hat er die gute Vorbereitung durch eine beim IM eingerichtete Arbeitsgruppe mit Vertretern des Datenverarbeitungsverbunds Baden-Württemberg (DVV) und der Kommunen hervorgehoben. Darüber hinaus hat der Gemeindetag Baden-Württemberg aber in zwei Schreiben auch einen finanziellen Ausgleich durch das Land für die den Gemeinden durch die Ausführung des Bundesmeldegesetzes (BMG) entstehenden Mehrkosten verlangt. Diese entstehen insbesondere durch eine Anpassung der ITFachverfahren beim DVV. Ein Schwerpunkt ist dabei die Sicherstellung eines Datenabrufs über das Internet rund um die Uhr für die Sicherheitsbehörden (jetzt bundesweit). Nachdem das Land über § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs BWGZ 19 | 2015 („Meldebehörde ist die Ortspolizei behörde“) die mit dem BMG und dem Ausführungsgesetz einhergehenden Aufgaben auf die Städte und Gemeinden übertragen hat, sieht der Gemeindetag das Land hier klar in der Ausgleichspflicht – zumal das Land bislang nicht überzeugend dargelegt hat, ob bzw. in welcher Höhe die Vorgaben des BMG bzw. des Ausführungsgesetzes möglicherweise Entlastungen für die Kommunen bringen könnten. In der allgemeinen Begründung zum Gesetzentwurf hatte das Land nur festgestellt, dass sich für die Städte und Gemeinden keine wesentlichen Mehrbelastungen aus den landesrechtlichen Regelungen ergeben. Auf eventuelle Mehrbelastungen durch Regelungen des BMG wurde dort überhaupt nicht eingegangen. Das Innenministerium hat in seinen Antwortschreiben einen Ausgleichsanspruch in Abrede gestellt. Das Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften ist im Gesetzblatt vom 26. Mai 2015 (S. 320) veröffentlicht worden und tritt, wie das Bundesmeldegesetz, zum 1. November 2015 in Kraft. Für die neue Meldeverordnung des Landes ist die Anhörung inzwischen abgeschlossen. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hatte sich dazu grundsätzlich positiv geäußert. Für verschiedene Ausfüh- rungsvorschriften des Bundes zur Neuordnung im Meldewesen, wie die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes, die Portalverordnung und die Melderegisterauskunftsverordnung, war bis zum Redaktionsschluss zwar die Anhörung abgeschlossen, eine Verkündung allerdings noch nicht erfolgt. Zensus 2011 – Stand der gerichtlichen Verfahren gegen die ZensusErgebnisseverfahren Die im Oktober 2013 bekannt gegebenen Ergebnisse des Zensus 2011 und die Auswirkungen für die kommunalen Finanzen sind auch im Berichtszeitraum wichtige Themen gewesen. Derzeit sind bundesweit 351 gerichtliche Verfahren anhängig; die Klageverfahren der sechs Pilotgemeinden in Baden-Württemberg sind nach wie vor bei den Verwaltungsgerichten anhängig. Insbesondere geht es dabei um den Stopp der Daten löschungen bei den Statistischen Ämtern. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die potenziell verfahrensrelevanten Zensusdaten auf die Statistischen Ämter in Stuttgart, Düsseldorf, Wiesbaden und München verteilt sind. Die Verwaltungsgerichte sind sich in diesen Fragen nicht einig. Nähere Ausführungen zum Thema vgl. BWGZ 15-16/ 2015, Seiten 743ff. (Gemeindefinanz bericht 2015). Eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Zensusverfahrens 2011 und die Folgen wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. Letztendlich wird sie erst nach Ausschöpfung des Rechtswegs und damit nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dem Abschluss aller Klageverfahren vorliegen. Foto: S. Hofschlaeger /PIXELIO Eine neue Perspektive kann durch die Klage des Stadtstaates Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht eröffnet sein. Die Stadt Berlin macht die Verfassungswidrigkeit des Zensusgesetzes des Bundes geltend. Dieses Verfahren dürfte für alle weiteren verwaltungsgerichtlichen Klagen von grundsätzlicher Bedeutung sein. 980 Gemeindetag Baden-Württemberg NE U! Melderecht aktuell und praxisnah Werner Süßmuth Bundesmeldegesetz Am 1. November 2015 tritt das Bundemeldegesetz in Kraft und löst damit das bisherige Melderechtsrahmengesetz sowie die noch bis zum 31.10.2015 geltenden Meldegesetze der Länder ab. Das Bundesmeldegesetz enthält erstmals Regelungen, die bundesweit einheitlich und unmittelbar gelten. 2. Auflage. Loseblattausgabe Gesamtwerk – 4. Lieferung Stand: September 2015 Ca. 700 Seiten inkl. Ordner. € 129,99 ISBN 978-3-555-01286-5 Kommentar Loseblattwerke werden zur Fortsetzung geliefert. Abbestellung jederzeit über unseren Vertrieb möglich. Auf Wunsch ist auch Einmalbezug möglich. Das Standardwerk zum Melderecht hat sich seit über 30 Jahren in der Praxis des Meldewesens sowie bei den mit melderechtlichen Fragen befassten Behörden und Gerichten bewährt. Auch nach Inkrafttreten der neuen Regelungen wird dem Anwender wieder ein unverzichtbares Arbeitsmittel an die Hand gegeben. So enthält es neben einer umfangreichen Einführung in das Meldewesen die Kommentierung des Bundesmeldegesetzes, die dazugehörige Verwaltungsvorschrift sowie die Rechtsverordnungen zum Bundesmeldegesetz, die sukzessive ebenfalls erläutert werden. Daneben sind auch die Ausführungsgesetze der Länder und der Datensatz für das Meldewesen (DSMeld) inbegriffen. Abgerundet wird die Sammlung schließlich mit den für den Praktiker einschlägigen Rechtsvorschriften aus dem Pass- und Personalausweis-, Datenschutz,- Personenstands- sowie Steuerrecht. Der Autor: Werner Süßmuth, Regierungsdirektor im Bundesministerium des Innern a.D. Christof Hoffmann Das neue Melderecht 2015 Synopse mit erläuternder Einführung Am 1. November 2015 tritt das Bundesmeldegesetz (BMG) in Kraft. Es löst das Melderechtsrahmengesetz (MRRG), die Meldegesetze der Länder und die jeweiligen darauf basierenden Meldedatenübermittlungsverordnungen ab. Als zentraler Bestandteil des Gesetzes zur Fortent wicklung des Meldewesens wird mit dem BMG das Melderecht in Konsequenz aus der Föderalismusreform I im Jahr 2006 grundsätzlich neu ausgerichtet und zukunftsfähig gemacht. 2015. 100 Seiten, Kart. € 19,99 ISBN 978-3-17-024358-3 Textausgabe Das Werk – das insbesondere auch auf die zwischenzeitliche Gesetzesänderung im Jahr 2014 eingeht – gibt allen mit melderechtlichen Fragen Befassten einen schnellen Überblick über Hintergründe und Zusammenhänge der neuen Rechtslage und ermöglicht durch eine synoptische Gegenüberstellung von BMG und MRRG eine schnelle Orientierung. auch als EBOOK Der Autor: Dr. Christof Hoffmann ist Leitender Regierungsdirektor im Landesverwaltungsamt Saarland und hat zuvor bis Oktober 2014 das Melderechtsreferat im saarländischen Ministerium für Inneres und Sport geleitet. Leseproben und weitere Informationen unter www.kohlhammer.de W. Kohlhammer GmbH · 70549 Stuttgart Tel. 0711/7863 - 7280 · Fax 0711/7863 - 8430 · [email protected] Kohlhammer Geschäftsbericht EDV in der Verwaltung Regeln für E-Government Das Land beabsichtigt, ein dem E-Government-Gesetz des Bundes entsprechendes Landesgesetz auf den Weg zu bringen, das zumindest teilweise auch für die Kommunalverwaltung gelten soll. Das Gesetz setzt die Regelungen des E-GovernmentGesetzes des Bundes in Landesrecht um, soweit dies sinnvoll erscheint. Es gilt insbesondere für die Behörden des Landes, der Gemeinden und der Gemeinde verbände. In Vorschriften für das elektronische Verwaltungshandeln sollen die materiell rechtlichen Normen zur Förderung und Unterstützung des E-Governments zusammengefasst werden. Das Gesetz soll Regeln für den elektronischen Zugang zur Verwaltung enthalten, zur Information über Verwaltungsverfahren, zum elektronischen Bezahlen und zur Vorlage von Nachweisen auf elektronischem Weg, ferner zur elektronischen Akte, zur Verfahrensoptimierung und zu elektronischen Formularen und schließlich zur Georeferenzierung von Registerdaten, zur elektronischen Veröffentlichung in Amts- und Mitteilungsblättern, zur Barrierefreiheit, zur Informationssicherheit sowie zur Bereitstellung, Pflege und Weiterentwicklung des Dienstleistungsportals des Landes und der mit ihm verbundenen zentralen Dienste. Es soll zur Umsetzung der Standardisierungsbeschlüsse des IT-Planungsrates (Bund/Länder) verpflichten. Weiter sollen die Organisation und die Strukturen der Zusammenarbeit in der Informationstechnologie innerhalb der Landesverwaltung und zwischen Land und Kommunen neu geregelt werden. Foto: Rainer Sturm/PIXELIO Für Städte, Gemeinden und Landkreise wird sich das Gesetz auf wenige verbindliche Vorschriften beschränken, vor allem auf 982 BWGZ 19 | 2015 − die Verpflichtung zur elektronischen Erreichbarkeit, − die Verpflichtung, allgemeine Informationen über die Behörde ins Internet zu stellen, − die Verpflichtung, im Rahmen elek tronischer Verwaltungsverfahren auch eine elektronische Bezahl möglichkeit anzubieten, − die Verpflichtung im Rahmen elektronischer Verwaltungs verfahren auch elektronische Nachweise zu akzeptieren, − die Ermächtigung, Akten elektronisch zu führen, − Grundstandards für die Bereit stellung elektronischer Daten, − die Ermächtigung zur elektronischen Publikation. Im Gesetzgebungsverfahren wird darauf zu achten sein, dass dem Grundgedanken der Achtung der kommunalen Organisationshoheit und der staatlichkommunalen Kooperation Rechnung getragen wird. Es ist damit zu rechnen, dass rechtliche Grundanforderungen Standards betreffen, die von den Mitgliedsstädten und -gemeinden ohnehin erfüllt werden oder mit geringem Verwaltungs- und Kostenaufwand realisierbar sind. Der Rechts-, Personal- und Europaausschuss hat eine Prüfung des Gesetzentwurfs beschlossen. Der Ausbau elektronischer Verwaltungsfunktionen (E-Government) wird grundsätzlich unterstützt. Den Mitgliedsstädten und -gemeinden wird empfohlen, die Herausforderungen aktiv anzunehmen. Die konstruktive Zusammenarbeit mit den Stellen des Landes auf der Basis der Freiwilligkeit soll fortgesetzt werden. Neue Struktur für kommunale Datenverarbeitung Neue Herausforderungen – nicht nur auf dem Feld des E-Government – ver- anlassen auch die Kommunalen Rechenzentren und die Datenzentrale, eine neue Struktur des kommunalen Datenverarbeitungsverbunds anzustreben. Ein neues, alle bisherigen Dienstleister umfassendes Unternehmen soll sich dem Wettbewerb am IT-Markt stellen und sich als wirtschaftlich erfolgreicher Partner der Städte und Gemeinden im Land präsentieren. Land und Kommunen brauchen Geodaten Stadtplanung, Dorfentwicklung, eigentlich jede nachhaltige Planung in unseren Städten und Gemeinden braucht als Basis Daten über die Ausgangslage. Besser noch: Daten, aus denen künftige Entwicklungen abschätzbar werden. Solche Daten werden heute in der Regel digital recherchiert, verarbeitet und grafisch aufbereitet. Das gilt nicht zuletzt und zunehmend auch für geographische Daten, also solche mit Bezug zu einem Standort. Viele Beteiligte, nicht nur die Kommunalverwaltung, brauchen solche Geodaten. Die Idee einer gemeinsamen staatlich-kommunalen Geodateninfrastruktur war und ist also richtig. Sie bietet Chancen für Landesbehörden, die Kommunalverwaltung und nicht zuletzt für die politische Steuerung auf allen Ebenen. Der Gemeindetag Baden-Württemberg unterstützt daher die Entwicklung einer staatlich-kommunalen GeodatenBasis. Städte und Gemeinden sollten sich des Themas intensiv annehmen. Es gilt Pflichten zu erfüllen: Einige digital vorhandene Geodaten müssen aufbereitet und zur gemeinsamen Nutzung in einem Datenportal zur Verfügung gestellt werden; z.B. Bebauungspläne. Entscheidend aber kommt es darauf an, von der technologischen Entwicklung nicht abgehängt zu werden und in der Kooperation mit anderen öffentlichen Stellen nicht zum Bremser zu werden. Jede Stadt, jede Gemeinde ist an kurzen Verfahren auf sicherer Informationsbasis interessiert, vor allem wenn sie selbst betroffen oder Herrin des Verfahrens ist. Gemeindetag Baden-Württemberg ® Dokumentenmanagement in der öffentlichen Verwaltung in Baden-Württemberg Heilbronn Tübingen Lörrach Wertheim Sersheim Nagold LRA Schwäbisch Hall Kappelrodeck LRA Böblingen Sasbach Renchen Herrenberg Offenburg Rheinau Breisach Rutesheim Achern Hausach Schliengen Ravensburg Weil am Rhein Emmendingen Lahr Tuttlingen Überlingen Albstadt Maulburg Singen Schwörstadt Gottmadingen Karlsbad Untermünkheim Freiberg a. N. Göppingen Amtzell Rottweil St. Georgen Waiblingen Neckarsulm Lauf Gundelsheim Abtsgmünd Schwäbisch Hall LRA Heilbronn Wüstenrot Heubach Crailsheim Berkheim Schwäbisch Gmünd Steinheim am Albuch Friedrichshafen Wernau Oberrot Seebach Stetten a.k.M. Neresheim Schorndorf Nieder-Olm Einhausen Mainhardt Rheinfelden Kernen i.R. Sigmaringen Inzlingen Michelfeld Metzingen Für alle gängigen Finanzwesen mit direktem Zugriff zu Questys Dokumentenmanagement vom Posteingang bis ins Archiv Vollautomatische Archivierungslösungen seit 1990 Echtes Volltextsuchsystem Homogene Cloud-Unterstützung Testinstallation mit Ihren Originaldaten möglich Wolfach Eberdingen Hemmingen Talheim Großbottwar Burgstetten Berglen Binzen Alle Kunden sind Referenzkunden GELAS mbH Dokumentenmanagement und Archivierungssysteme Anton-Schmidt-Str. 3 D - 71332 Waiblingen Telefon (07151)9534 - 0 Fax (07151)9534 - 1 [email protected] www.gelas.de Geschäftsbericht Personal Streikrecht und Daseinsvorsorge Nach 2009 wurden 2015 wieder viele kommunale Kindertagesstätten bestreikt. Auch nicht dem Kommunalen Arbeitgeberverband angehörende Städte und Gemeinden waren teilweise Zielscheibe der Arbeitskämpfe. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat sich 2012 dafür ausgesprochen, den Gesetzentwurf einiger Universitätsprofessoren zur Regelung des Streikrechts in Unternehmen der Daseinsvorsorge von kommunaler Seite zu unterstützen. Um eine gesetz liche Regelung des Streikrechts war es dann aber still geworden. 2015 bereitete die Bundesregierung, wie in der Koalition vereinbart, einen Gesetzentwurf zur Regelung der Kollision von Tarifverträgen konkurrierender Gewerkschaften vor (Tarifeinheitsgesetz). Gelegenheit, das kommunale Anliegen zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge einzubringen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat den Vorschlag des Gemeindetags Baden-Württemberg aufgegriffen und eine Regelung des Verfahrens bei Streiks in Betrieben der Daseinsvorsorge gegenüber dem Bundesarbeitsministerium vertreten. Es geht insbesondere um eine angemessene Ankündigungsfrist und die Gewährleistung einer über eine Minimalversorgung hinaus gehende Betriebsfähigkeit. Die Initiative war sofort umstritten. Die Bundesregierung verweigert auch in diesen Fragen eine gesetzliche Regelung des Streikrechts. Da immer häufiger – und in Deutschland völlig ungewohnt – die Verlässlichkeit öffentlicher Dienstleistungen durch Streiks erheblich beeinträchtigt ist, wird die Initiative des Gemeindetags und des DStGB auch von anderen aufgegriffen. So liegt dem Bundestag die Petition einer Elterngruppe vor, die eine gesetzliche Regelung verlangt. Bildungsurlaub Gegen das Votum der kommunalen Landesverbände und der Wirtschaft hat der Landtag im März 2015 ein Bildungszeitgesetz beschlossen, das Beschäftigten bezahlte Freistellung für berufliche 984 BWGZ 19 | 2015 und politische Weiterbildung oder Qualifizierung für ein Ehrenamt gewährt. Der Anspruch auf Bildungsmaßnahmen nach Wahl der Beschäftigten besteht im Umfang von fünf Arbeitstagen pro Jahr. Die Erfahrung aus dreizehn Bundesländern zeigt, dass eine gesetzliche Regelung der Weiterbildung sich nicht bewährt hat und in Einzelfällen zu unsinnigen Konflikten führt. Dem zunehmenden Fachkräftemangel kann man mit Bildungsurlaub nicht begegnen. Die Weiterbildung ihrer Beschäftigten ist den Städten und Gemeinden wichtig, so der Gemeindetag. Er hält das „Bildungszeitgesetz“ daher für völlig unnötig. Mindestlohn Vom Mindestlohngesetz sind Städte und Gemeinden nicht betroffen – meistens nicht. Es gibt aber durchaus Einzelfälle, in denen zu prüfen ist, wie den Anforderungen des Mindestlohngesetzes Rechnung getragen wird. Es geht dabei vor allem um die Beschäftigung von Praktikanten, den Stücklohn für Amtsblattausträger und die Dokumentation der Arbeitszeit für Minijobber. Daher wird zu prüfen sein, welche Vorschläge das Bundesarbeitsministerium zur Entbürokratisierung des gerade erst in Kraft getretenen Gesetzes machen wird. Arbeitnehmerüberlassung Die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vom 01.12.2011 (BGBl. I Seite 642) führte dazu, dass Personalgestellungen/Personalleihe durch öffentliche Arbeitgeber nach den Bestimmungen des AÜG erlaubnispflichtig wurden. Die Rechtslage ist unverändert ein wesentliches Hindernis für eine unbürokratische interkommunale Zusammenarbeit. Auf Initiativen des Gemeindetags Baden-Württemberg und anderer kommunaler Landesverbände wurde im Bundesrat ein Antrag auf Herausnahme öffentlicher Körperschaften aus dem Geltungsbereich des AÜG beantragt (BR-Drs. 745/13). Federführend war Rheinland-Pfalz. Der Bundesrat hat dazu am 29.11.2013 (BR-Drs. 745/13 – Beschluss) beschlossen: „Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, 1.zu überprüfen, ob und in welchem Umfang die Vorschriften des AÜG auf die Personalgestellung und Abordnung nach den Regelungen des TVöD und des TV-L Anwendung finden und welche Konsequenzen dies für bestimmte Fallkonstellationen der Personalgestellung und Abordnung hat; 2.unverzüglich zu regeln, dass öffentlichrechtliche Gebietskörperschaften im Hinblick auf Personalgestellungen und Abordnungen nicht in den Anwendungsbereich des AÜG fallen, hilfsweise für die vorgenannten Rechts träger ein vereinfachtes und kostenfreies Verfahren für die Erteilung einer unmittelbar unbefristeten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis einzuführen.“ Die Bundesregierung hat die Aufforderung bisher ignoriert. Auf Anregung des Gemeindetags Baden-Württemberg greift der Deutsche Städte- und Gemeindebund das Anliegen erneut auf. Personalvertretungsrecht Einhellig abgelehnt wurde der Gesetzentwurf, den die Landesregierung am 6. November 2013 in den Landtag eingebracht hat. Zum Personalvertretungsrecht fand fast keines der Argumente der kommunalen Landesverbände und des Kommunalen Arbeitgeberverbands Berücksichtigung. Dagegen werden weitgehende Wünsche der Gewerkschaften erfüllt. Die LPVG-Novelle führte zu einer Verdoppelung der Freistellungen für die Personalräte sowie zu mehr und schwierigeren Beteiligungsverfahren. Die Kommunalverwaltungen werden damit, das zeigt die Praxis immer deutlicher, ausgebremst und mit hohen Kosten belastet. Die Verbände hatten im Vorfeld Vorschläge für ein schlankes, zeitgemäßes und rechtssicheres Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst gemacht. Angesichts der von der Landesregierung immer wieder vorgetragenen Einsparerfordernissen ist nicht nachvollziehbar, warum das Land diese Vorschläge nicht aufgegriffen hat. Anlass zu einer umfassenden Novelle hätte Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 allenfalls eine für alle Anwender des Landespersonalvertretungsrechts wünschenswerte Rechtsvereinfachung gegeben. Stattdessen wurde das geltende Recht weiter verkompliziert. Durch zusätzliche Beteiligungsverfahren, Erschwernisse, Gremien und Freistellungen wurde das vom Land postulierte Ziel des Bürokratieabbaus konterkariert. Besoldung der Wahlbeamten Eine weitere Änderung des Kommunalbesoldungsgesetzes hat der Landtag auf Initiative der Regierungsfraktionen am 15. Oktober 2014 beschlossen. Damit wurde – bundesweit einmalig – ein Anreizbonus für Bürgermeister ab der dritten Amtszeit eingeführt. Ferner wurden strukturelle Verbesserungen der Einstufung der Bürgermeister in Städten ab 30.000 Einwohner sowie für Landräte und Beigeordnete beschlossen. Nach den Anhebungen der Bürgermeisterbesoldung in den kleineren Größenklassen 2000 und 2010 sind damit die Bürgermeisterstellen durchgehend höher bewertet. Für die Beigeordnetenstellen konnte der frühere Abstand zu den volksgewählten Bürgermeistern einerseits und zu den höchstzulässigen Stellen für Laufbahnbeamte wieder hergestellt werden. Altersgrenze für Bürgermeister Den Überlegungen des Ministerpräsidenten zur Streichung der Altersgrenzen für Bürgermeister hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zugestimmt. Nun kommt es aber darauf an, konkrete Vorschläge vorzulegen. Den sehr weitgehenden Gesetzentwurf der FDPFraktion haben alle anderen Fraktionen des Landtags abgelehnt. Erwartet wird ein Regierungsentwurf – oder ein Entwurf der die Regierung tragenden Fraktionen – nach der Sommerpause. Wie die Fraktionen der Grünen und der SPD mitteilen, soll die Altersgrenze für die Wahl zum Bürgermeister auf 67 Jahre erhöht und den so Gewählten die Möglichkeit gegeben werden, bis zur Vollendung des 73. Lebensjahres im Amt zu bleiben. Jede Änderung wird aber wohl nur für neu gewählte Wahlbeamte gelten können; eine nachträgliche Verlängerung der Wahlperiode begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Fachkräftemangel verändert Personalpolitik Zunehmender Fachkräftemangel in vielen kommunalen Berufen verändert die Personalpolitik vieler Städte und Gemeinden. Der demografische Wandel bedingt eine intensivere Befassung mit Personalentwicklung und Personalmarketing. Das vom Gemeindetag Baden-Württemberg nachhaltig unterstützte Förderprogramm der Robert Bosch Stiftung „Die Kommunalverwaltung Baden-Württemberg im Zeichen des demografischen Wandels“ ist 2014 in die zweite Runde gegangen. Im Rahmen dieses Programms haben sich inzwischen 20 Städte und Gemeinden aller Größenklassen auf den Weg gemacht, sich den aktuellen He rausforderungen mit zeitgemäßen Antworten zu stellen. Diese Vorreiter haben verstanden, dass die traditionell hohe Dienstleistungsqualität unserer Städte und Gemeinden nur gehalten werden kann, wenn es gelingt, qualifizierte und motivierte Nachfolgerinnen und Nachfolger für die in großer Zahl anstehenden altersbedingten Abgänge zu gewinnen. Kritik an Besoldungspolitik Kritisch hat sich der Gemeindetag Baden-Württemberg bei vielen Gelegenheiten zur Besoldungspolitik der Landesregierung geäußert. Die negative Signalwirkung, die von einer Absenkung der Eingangsbesoldung ausgeht, konterkariere alle kommunalen Anstrengungen, ihre Wettbewerbsfähigkeit am Ausbildungsmarkt zu erhöhen. Die Taktik der Verzögerung und Kürzung von Besoldungserhöhungen zulasten der Leistungsträger schade der Motivation und störe das Leistungsprinzip, so der Gemeindetag mehrfach. Der Verband warnte davor, den Landeshaushalt durch Eingriffe in die Besoldungsentwicklung sanieren zu wollen, statt durch Aufgabenkritik strukturelle Verbesserungen anzustoßen. Kopftuchverbot Ähnlich wie für Lehrkräfte in Schulen galt für Erziehungskräfte in kommunalen Kindertagesstätten bisher ein gesetzliches Verbot „äußerer Bekundungen“ in politischer, religiöser oder weltanschaulicher Hinsicht. Gemeint war damit vor allem das von einigen Musliminnen aus religiösen Motiven getragene Kopftuch. Gemeindetag Baden-Württemberg 985 Geschäftsbericht Städte und Gemeinden sind von dem zweiten Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts vor allem als Kindergartenträger betroffen. Denn als Schulträger haben sie keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Lehrerkollegiums und gegenüber Lehrkräften keine Führungsfunktion. Zu berücksichtigen ist auch, dass § 7 Abs. 8 KiTaG eine personalrechtliche Vorschrift ist, sie gilt nicht für die Gestaltung des Betriebsablaufs. Kommunalen Arbeitgebern fällt es natürlich schwer, fachlich qualifizierte und charakterlich geeignet erscheinende Bewerberinnen abzuweisen, nur weil sie ein Kopftuch tragen wollen. In solchen Fällen ist ihnen daran gelegen, zunächst in einer Probezeit beobachten zu können, wie sich solche Erzieherinnen in der Kita-Praxis bewähren. Auch wenn bereits länger beschäftigte muslimische Erzieherinnen sich für ein Kopftuch entscheiden, wollen Kommunen darauf im Einzelfall angemessen und nicht nur schematisch mit Kündigung reagieren können. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat in seiner Beratungspraxis – in wenigen Einzelfällen – bereits bisher die Auffassung vertreten, § 7 KiTaG lasse im Gegensatz zu § 38 SchG den kommunalen Arbeitgebern einen gewissen Beurteilungsspielraum; er hat sich dabei auf die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie gestützt. Die veränderte Rechtslage kommt den kommunalen Arbeitgebern insoweit entgegen. 986 Deutsch–griechische kommunale Zusammenarbeit Viele Bürgermeister aus Baden-Württemberg haben im Oktober 2013 zum Gelingen der Vierten Deutsch-Griechischen Versammlung beigetragen. Beeindruckend viele griechische Kommunalpolitiker haben den Weg zur DGV nach Nürnberg genommen. Von deutscher Seite wurde das als ermutigendes Signal für die weitere Zusammenarbeit gewertet. Foto: Konstantinos Dafalias/PIXELIO Zulässig war dagegen das Tragen christlicher Symbole. Dem ist, in Abänderung seiner früheren Rechtsprechung, das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 27.01.2015 entgegengetreten. Eine nur abstrakte Gefährdung der Trägerneutralität genügt demnach nicht für ein „Kopftuchverbot“. Das Gericht verlangt eine Einzelfallprüfung; es müsse zumindest eine hinreichend konkrete Gefahr für Schutzgüter vorliegen. Der Beschluss hat zu einer vorläufigen Regelung des Kultusministeriums und zu einem Gesetzentwurf geführt, mit dem das Schulgesetz und das Kinder tagesstättengesetz verfassungskonform im Sinne des Gerichtsbeschlusses geändert werden sollen. BWGZ 19 | 2015 In den zahlreichen Gesprächen zwischen deutschen und griechischen Bürgermeistern und Vertretern der Gemeinden wurde die gewachsene Verbundenheit deutlich. Intensive Gespräche zeigten, dass man zukünftig gemeinsam vorankommen will. Am Rande der DGV sind viele Anstöße für neue Projekte und Partnerschaften gegeben worden. Die Initiativen dazu gingen von beiden Seiten aus, weil alle Beteiligten diesen kommunalen Austausch als Bereicherung sehen. Im Laufe eines Jahres ist es gelungen, in zahlreichen Bürgermeistergesprächen ein besseres Verständnis für die Situation der griechischen Regionen und Kommunen zu vermitteln. Gebremst wurde der Ausbau der gemeinsamen kommunalen Projekte durch die Kommunalwahlen in Griechenland, vor allem aber durch den Regierungswechsel in Athen. Während einige laufende Projekte erfolgreich weiterlaufen können, herrscht Unsicherheit hinsichtlich neuer Projekte. Vor allem wäre eine klare Positionierung des griechischen Städteverbands (KEDE) und der griechischen Regierung einer weiteren kommunalen Zusammenarbeit sehr förderlich. Sie steht noch aus. Eine Gelegenheit, die gemeinsame Sache voran zu bringen, bietet sich bei der für 5. und 6. November 2015 in Berlin geplanten fünften Deutsch-Griechischen Versammlung. Das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen 2014/15 Das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen in gemeinsamer Trägerschaft der drei kommunalen Landesverbände Baden-Württembergs nimmt auch in den Jahren 2014 und 2015 eine Scharnierfunktion zwischen der kommunalen und der europäischen Ebene ein. Von besonderem Wert ist dabei die Zusammenarbeit innerhalb der Bürogemeinschaft der bayerischen, baden-württembergischen und sächsischen Kommunen sowie der kommunalen Familie in Brüssel. Der Berichtszeitraum stand im Zeichen der neuen Legislatur- und Amtsperiode der EU-Organe und -Institutionen. Außerdem steht das Europabüro mit Dr. Martin Silzer unter einer neuen Leitung. Außerdem konnte das 2,6 Stellen umfassende Team im April 2015 Sibylle Walker als neue Büro- und Verwaltungs assistentin begrüßen. Aufgabenbereich Information Rechtzeitige und vollständige Information ermöglicht es den kommunalen Landesverbänden Baden-Württembergs, Einfluss auf den EU-Rechtsetzungsprozess zu nehmen. Zentrales Informationsmedium ist der im Sommer 2014 grundlegend überarbeitete kommunale Newsletter „Brüssel Aktuell“. Er hält Verwaltungsmitarbeiter und kommunale Mandatsträger über aktuelle rechtspolitische und fördermittelrelevante Entwicklungen auf EU-Ebene auf dem Laufenden. Thematisch war aus kommunaler Sicht die Fortentwicklung des Beihilferechts von besonderer Bedeutung. Die Bestrebungen der Kommission, Beihilferecht und Beihilfekontrolle zu modernisieren, fanden im Verlauf des Jahres ihre weitgehende Vollendung. Unter der neuen „deMinimis-Verordnung“ und erleichterten Gruppenfreistellungen müssen weit weniger Vorhaben vorab durch die Kommission genehmigt werden. Eine umfassende Definition des Beihilfebegriffs steht allerdings noch aus, da die Kommission trotz einer Konsultation im ers- Gemeindetag Baden-Württemberg Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 Das zentrale politische Ereignis des Jahres 2014 stellte die Wahl zum Europä ischen Parlament im Mai 2014 dar, der nicht nur angesichts der Eurokrise, sondern auch wegen der erstmaligen Aufstellung gesamteuropäischer „Spitzenkandidaten“ durch die europäischen Parteifamilien. Schließlich setzte sich mit Jean-Claude Juncker (LU) in der Tat der Frontmann der stärksten Fraktion im neuen Europaparlament, der Europäischen Volkspartei (EVP), durch. Auch im neuen Parlament werden die meisten Mehrheiten auf einer großen Koalition der EVP mit der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament (S&D) in der Mitte basieren. Dieser Trend verstärkt sich durch das Erstarken der Fraktionen an den Rändern des politischen Spektrums. Die Kommission Juncker, die im November 2014 ihre Arbeit aufnahm, reagierte auf die Herausforderungen und die zunehmenden EU-kritischen Stimmen mit einer thematischen Konzentration auf zehn Schlüsselvorhaben. Entsprechend organisierte sich die Kommission erstmalig in thematischen Clustern, bei denen die Vize-Präsidenten die Koordinierung der zentralen Arbeitsfelder übernehmen und ihnen die thematisch zugehörigen „Fachkommissare“ mit ihren Generaldirektionen zuarbeiten. Die Schwerpunktsetzung der Kommission auf die bessere Rechtsetzung, eine Transparenzoffensive, die Vollendung des digitalen Binnenmarkts, die Schaffung einer Energieunion, die Umsetzung einer gemeinsamen Migrationsagenda, die Revision der Kreislaufwirtschaft, den Abschluss der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP und ein Anschubprogramm für Investitionen in der Europäischen Union („EFSI“) kann für die Kommunen spannende Entwicklungen mit sich bringen. Bis zum Sommer 2015 arbeitete die EU-Kommission vor allem Strategien aus, denen in den kommenden Monaten und Jahren konkrete Rechtsetzungsvorschläge folgen. Gemeindetag Baden-Württemberg Der Ausbau digitaler Netze, aber auch die Unterstützung von „eGovernance“ z.B. sind Prioritäten bei der Vollendung des digitalen Binnenmarkts. In der Migrationspolitik, die die Kommunen vor große Herausforderungen stellt, hat die EU-Kommission geliefert: Im Mai 2015 gab sie die Mitteilung „Eine europäische Migrationsagenda“ heraus. Darin finden sich u.a. Umsiedlungs-, Neuansiedlungs- und Rückführungspläne sowie Ausführungen dazu, wie die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems optimiert werden sollte. Die EU-Kommission strengte daraufhin erste Schritte zur Umsetzung der Mitteilung an. Zu ihrem Maßnahmenpaket zählen u.a. ein Vorschlag für einen Ratsbeschluss über vorläufige Umsiedlungsmaßnahmen zugunsten von Italien und Griechenland. Deutschland würde so in den kommenden zwei Jahren 8.763 Antragsteller übernehmen. Außerdem folgte eine Empfehlung für ein europäisches Neuansiedlungssystem. Deutschland würde demnach in den kommenden zwei Jahren 3.086 Flüchtlinge vom UNHCR übernehmen und dafür AMIF-Mittel erhalten. Außerdem startete sie mit Blick auf den Fachkräftemangel eine öffentliche Konsultation „zur Blauen Karte EU und zur Arbeitsmigrationspolitik der EU“. BWGZ 18 | 2015 30. September 2015 138. Jahrgang DIE GEMEINDE Zeitschrift für die Städte und Gemeinden Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg Europa Postvertriebsstück DPAG, Entgelt bezahlt, E 7351 | Gemeindetag Baden-Württemberg | Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart ten Halbjahr 2014 angesichts von Unstimmigkeiten mit den Mitgliedstaaten den Prozess vorerst auf Eis gelegt hat. Aufgabenbereich Interessenvertretung Ein wichtiger Einflusskanal ist die fachliche Beteiligung an Konsultationsverfahren in frühen Stadien des Gesetzgebungsprozesses. Das Europabüro koordiniert die fachlichen Beiträge der Geschäftsstellen und arbeitet Stellungnahmen zu den einschlägigen Politikfeldern aus. Neben Konsultationsbeiträgen zu den Themen − Halbzeitbewertung des Verkehrsweißbuchs von 2011, − Überarbeitung der Arbeitszeit richtlinie, − Überprüfung bestehender MwStRechtsvorschriften zu öffentlichen Einrichtungen und Steuer befreiungen für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten, − Novellierung des EU-Abfallrechts, − Trinkwasserqualität in der EU, − Entwurf des Leitfadens zum Transparenz-Register, − Leitlinien der Kommission für Konsultationen der Interessenträger, − Leitlinien der Kommission für die Folgenabschätzung, − urbane Dimension der EU-Politik: Schlüsselaspekte der EU-Städteagenda stand die Thematik der internationalen Handelsabkommen, die derzeit auf EUEbene diskutiert und verhandelt werden, im Fokus der Aktivitäten. Zahlreiche Anfragen aus den Kommunen in Baden-Württemberg belegen nicht nur, wie groß der Informationsbedarf zu den Auswirkungen der „transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ der EU mit den USA (TTIP) ist, sondern auch, dass hier zentrale Belange der kommunalen Selbstverwaltung tangiert werden könnten. Um in der Frage kommunaler Betroffenheit und möglicher Auswirkungen auf die Daseinsvorsorge Klarheit zu erhalten, verfolgte das Europabüro die laufenden Verhandlungen zu TTIP auf Brüsseler Ebene intensiv. Erfreulicherweise sprach sich zuletzt auch der Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) des Europä ischen Parlaments dafür aus, die Wasserversorgung explizit vom Freihandelsabkommen auszunehmen. Das Europa 987 Geschäftsbericht BWGZ 19 | 2015 büro hat in Zusammenarbeit mit den Geschäftsstellen der KLV einen ausführlichen Fragenkatalog ausgearbeitet, der inzwischen durch die EU-Kommission und Fraktionen des Europäischen Parlaments beantwortet wurde. Im Zuge der Transparenz-Offensive der neuen Kommission ist ein Eintrag in das Europäische Transparenz-Register, ein Online-Verzeichnis aller Lobby-Gruppen, inzwischen durch ein Anreizsystem, das eher als Sanktionssystem anzusehen ist, de facto obligatorisch. Der nicht nur physische Zugang zu den In stitutionen ist für diese Akteure ohne einen Eintrag im Register erheblich erschwert. Leider sehen sich auch das Europabüro und die vertretenen Kommunalverbände mit der Neuregelung zur Registrierung angehalten. Die Zusammenarbeit in Brüssel kann nur in Kooperation gelingen. Hierbei sind die kommunalen Spitzenverbände besonders hervorzuheben. So organisierte das Europabüro des DStGB z.B. im November 2014 gemeinsam mit der Büro gemeinschaft erneut eine historische Veranstaltung zur „Kommunalverfassung der Bismarckzeit“. Aufgabenbereich Stärkung der Europafähigkeit der Kommunen Wie in den vorherigen Jahren leistete das Europabüro auch 2014/15 Unterstützung bei der Organisation von Informationsfahrten (Spitzenwert 2014: 35) aus dem ganzen Spektrum kommunaler Akteure nach Brüssel. Für 2015 ist mit einer ähnlich hohen Zahl zu rechnen. Auch die kommunalen Landesverbände suchten auf Ebene der Präsidenten/Hauptgeschäftsführer wiederholt den fachlichen und politischen Austausch in Brüssel – u.a. mit den Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus Baden-Württemberg und mit dem nunmehr für digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständigen Kommissar Günther H. Oettinger. Nachdem der Gemeindetag Baden-Württemberg 2014 die Federführung des Europabüros innehatte, warb bei der Veranstaltung der Bürogemeinschaft zu „5 Jahren Lissabon-Vertrag“ im November 2014 Präsi- 988 dent Roger Kehle selbst gegenüber der EU-Kommission für eine bessere Berücksichtigung der kommunalen Ebene. Auch in den Fachausschüssen der kommunalen Landesverbände wie auch bei einzelnen Kommunen trägt das Europabüro durch Vortragstätigkeit zu aktuellen kommunalrelevanten europapolitischen Entwicklungen zur Stärkung der Europafähigkeit der Kommunen bei. Schließlich führt das Europabüro die Vorab-Beratungstätigkeit für interessierte Kommunen hinsichtlich möglicher EU-Fördergelder fort. Die 2014 begonnene Förderperiode war Anlass für die grundlegende Überarbeitung des Förderleitfadens für die baden-württembergischen Kommunen. Überarbeitung des kommunalen Aktenplans – „Kommunaler Aktenplan ‘21“ Bereits in vergangenen Ausgaben der BWGZ wurde umfassend über die Überarbeitung des landeseinheitlichen kommunalen Aktenplans durch die Herausgeber Gemeindetag Baden-Württemberg und Landkreistag Baden-Württemberg informiert. Es ist vorgesehen, eine Neuauflage des Aktenplans, der auch unter dem Namen „Boorberg-Aktenplan“ bekannt ist, Anfang des Jahres 2016 zu veröffentlichen. Dabei ist keine generelle Abkehr von der bisherigen Ordnungssystematik vorgesehen. Die hierarchische Systematik mit der bewährten Hauptgruppenstruktur (0 – 9) soll erhalten bleiben. Es gilt jedoch, thematisch auf den neuesten Stand zu kommen und den Aktenplan darüber hi naus auch für die Ansprüche moderner Dokumentenmanagementsysteme und damit letztlich für das „papierlose Büro“ fit zu machen. Für jede bestehende Hauptgruppe gibt es fachlich federführende Ansprechpartner, die Anregungen aus der Praxis jederzeit gerne aufnehmen. Die Mitgliedsstädte und -gemeinden des Gemeindetags werden über die Ansprechpartner im Einzelnen über die Gt-info informiert. Der Aktenplan soll künftig außerdem regelmäßig fortgeschrieben und aktualisiert werden. Die Heraus geber Gemeindetag und Landkreistag werden dazu einen dauerhaften Redaktionskreis einsetzen. Az. 036.15 Gemeindetag Baden-Württemberg
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