Geschäftsbericht 2014 - 2015 - Gemeindetag Baden

Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Geschäftsbericht des Gemeindetags
Baden-Württemberg für die Jahre 2014 bis 2015
Den Geschäftsbericht für den Zeitraum 2014 bis 2015 legt der Gemeindetag Baden-Württemberg
den Mitgliedsstädten und -gemeinden zur Mitgliederversammlung am 15.10.2015 in Ditzingen vor.
Aus dem Geschäftsbericht werden die laufenden Schwerpunkte der Arbeit des Gemeindetags
ersichtlich. Sie ergeben sich aus den jeweils zu Jahresbeginn veröffentlichten „Bilanzen
und Perspektiven“ (BWGZ 1/2014 und BWGZ 1/2015). Bestandteile des vorliegenden
Geschäftsberichts sind auch die Berichte der Verwaltungsschule des Gemeindetags
Baden-Württemberg, der Gt-service Dienstleistungsgesellschaft mbH des Gemeindetags
sowie des Europabüros der baden-württembergischen Kommunen mit Sitz in Brüssel.
Betriebskostenförderung
Foto: Gemeindetag Baden-Wüttemberg
Entwicklungen der Förderbeträge
von 2009 bis 2014
Frühkindliche Bildung
und Betreuung
Betreuungsquote
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) wurden zum Stichtag
01.03.2015 bundesweit 694.500 Kinder
unter 3 Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder in öffentlich geförderter
Kindertagespflege betreut. Nach den vorläufigen Ergebnissen waren dies 31.800
Kinder beziehungsweise 4,8 Prozent
mehr als im Vorjahr. Die Mehrzahl der
Eltern von Kindern unter 3 Jahren nutzt
die Tagesbetreuung in Einrichtungen
(85,4 Prozent). Mit einem Anteil von
bundesweiten 14,6 Prozent spielte die
Kindertagespflege bei einer Tagespflege-
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mutter oder einem Tagespflegevater
nach wie vor noch eine deutlich geringere Rolle. Im März 2015 gab es bundesweit
54.422 Einrichtungen (+1,9 Prozent
gegenüber dem Vorjahr) sowie 44.098
Tagespflegeeltern (-1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr).
In Baden-Württemberg werden 87 Prozent der Kleinkinder in Kindertageseinrichtungen und 13 Prozent durch eine
Tagespflegeperson betreut. Die landesweite Betreuungsquote erhöhte sich
von 27,7 Prozent auf 28,8 Prozent bzw.
insgesamt 79.185 unter Dreijährige. Die
jüngsten Zahlen zeigen deutlich, dass
der Ausbau in den Städten und Gemeinden voranschreitet, aber bei weitem
noch nicht abgeschlossen ist.
Pakt für Familien mit Kindern
Gemäß dem zwischen der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden am 01.12.2011 unterzeichneten
„Pakt für Familien mit Kindern“ beteiligt
sich das Land seit 2014 mit 68 Prozent
der kommunalen Brutto-Betriebsaus­
gaben an der Kleinkindbetreuung auf der
Grundlage der Ergebnisse der Jahresrechnungsstatistik des Vorvorjahres und der
Zahl der betreuten Kinder unter drei Jahren auf der Basis der Kinder- und Jugendhilfestatistik zum 01.03. des Vorjahres.
Der verbleibende Anteil von 32 Prozent
wird durch die Kommunen bzw. ergänzend durch Elternbeiträge und Trägeranteile finanziert. Dadurch soll sichergestellt werden, dass auch bei einem weiteren Anstieg der Betreuungsquote und/
oder der Steigerung der Betreuungskosten für die Kleinkindbetreuung (U3) sich
die Förderung des Landes in gleicher
Weise zeitnah erhöht.
2012 und 2013
Übergangsweise hatte das Land in den
Jahren 2012 und 2013 im Wege von Festbeträgen bei der Betriebskostenförderung
in Höhe 315 Mio. Euro und 325 Mio. Euro
zusätzlich zu der bisher vereinbarten Mitfinanzierung von 129 Mio. Euro bzw. 152
Mio. Euro seiner Verpflichtung zur Mit­
finanzierung des Ausbaus der Kleinkind-
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
betreuung Rechnung getragen. Bereits für
das Jahr 2012 erhöhte sich dadurch die
Betriebskostenförderung nach § 29c FAG
für die Kleinkindbetreuung auf 444 Mio.
Euro und für das Jahr 2013 auf 477 Mio.
Euro. Unter Berücksichtigung der Bundesmittel für die Betriebskostenförderung
von 65 Mio. Euro und 90 Mio. Euro in den
beiden Jahren standen 2012 der Betrag
von 509 Mio. Euro und 2013 der Betrag
von 568 Mio. Euro insgesamt an Fördermittel zur Verfügung.
2014
Mit der prozentualen Beteiligung des
Landes von 68 Prozent an den Betriebskosten ab 2014 ist eine Dynamisierung
des Landesanteils verbunden, so dass
sich der Landesanteil sowohl in Bezug
auf einen weiteren Anstieg der Betreuungsquote über die für 2013 angestrebten 34 Prozent der unter 3-Jährigen hi­
naus und in Bezug auf zukünftige Kostensteigerungen in gleicher Weise zeitnah
fortentwickelt.
Geschäftsbericht des Gemeindetags Baden-Württemberg 2013 bis 2015
Inhaltsverzeichnis
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Im Hinblick auf den für 2014 mit dem
Land vereinbarten Paradigmenwechsel
bei der Betriebskostenförderung bei der
Kleinkindbetreuung wurde seitens der
Geschäftsstellen des Gemeindetags Baden-Württemberg und des Städtetags
Baden-Württemberg im Jahr 2013 auch
hinsichtlich der Haushaltsplanungen
für das Haushaltsjahr 2014 stets darauf
hingewiesen, dass mit einem Rückgang
der bisherigen Förderbeträge gerechnet
werden muss, ohne dessen Umfang
konkret einschätzen zu können.
Begründet war dies durch den Umstand,
dass sich die Erhöhung der Festbetragsförderung seitens des Landes um 315 Mio.
Euro für das Jahr 2012 und um 325 Mio.
Euro an den Ausbauzielen zur Erreichung
einer Betreuungsquote von 34 Prozent für
die unter 3-Jährigen orientierte, denen
zum damaligen Zeitpunkt eine noch
deutlich geringere Betreuungsquote und
somit auch ein deutlich geringeres Platzangebot gegenüber standen.
Die deutliche Erhöhung der Betriebskostenförderung für die Kleinkindbetreuung beinhaltete somit auch die politische Zielsetzung seitens des Landes, den
Gemeindetag Baden-Württemberg
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Frühkindliche Bildung und Betreuung
Bildung und Schule
Schulsozialarbeit
Zukunftsplan Jugend
Bildungskongress auf der didacta
Menschen mit Behinderung – Inklusion
Bundesteilhabegesetz
Bund-Länder-Arbeitsgruppe: Stärkung der Rolle
der Kommunen in der Pflege
Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte
in Baden-Württemberg
Wohn-/Teilhabe- und Pflegegesetz – WTPG
Hausärztliche Versorgung in Baden-Württemberg
Gesetz zur Stärkung der sektorenübergreifenden
Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten
des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg –
Landesgesundheitsgesetz (LGG)
Gesetz zur Verbesserung von Chancengleichheit
und Teilhabe – Partizipations- und Integrations­
gesetz (PartIntG)
Aktuelle Situation der Flüchtlingshilfe
in Baden-Württemberg
Unterbringung von Obdachlosen
und Flüchtlingen in kommunalen
Unterkünften
Bürgerschaftliches Engagement
Änderung des Feuerwehrgesetzes (FwG)
Kostenersatz Feuerwehr
Feuerwehrbeschaffungskartell: Eckpunkte des
DStGB-Abschlussberichts
Änderung des Bauplanungsrechts –
Anlagen zur Unterbringung von
Asylbewerbern
Novellierung der Landesbauordnung vom Landtag
beschlossen
Novellierung der Gutachterausschussverordnung –
Die Reform ist da
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Denkmalschutzgesetzes
Änderung des Bestattungsgesetzes – VGH:
Kein Verbot von Grabsteinen
aus ausbeuterischer Kinderarbeit
in kommunalen Friedhofssatzungen
Zuverlässigkeit von Hochwassergefahrenkarten –
Bauen in Überschwemmungs­gebieten –
Hochwasserschutzregister
Neue Förderrichtlinien Wasserwirtschaft –
Änderungswünsche des Gemeindetags wurden
berücksichtigt
Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept
(IEKK), Strategie zur Anpassung an den Klima­
wandel in Baden-Württemberg und Klimaschutzpakt mit den Kommunen
Novelle des Landesnaturschutzgesetzes
beschlossen und in Kraft getreten
Neues Jagdrecht inzwischen komplett –
Ab jetzt gilt das Motto „Und ewig grüßt
die Jagdgenossenschaftsversammlung“
Ausbau der Kleinkindbetreuung im Lande zu forcieren und die Gewährleistung
des am 01.08.2013 in Kraft getretenen
Rechtsanspruches sicherzustellen. Dies
ist, wie heute feststellbar, auch gelungen.
Auf der Grundlage der Bruttobetriebskosten des Jahres 2012 und der Zahl der
nach der Kinder- und Jugendhilfestatistik zum 01.03.2013 betreuten unter
3-Jährigen hatte dies zur Folge, dass sich
für das Haushaltsjahr 2014 der Betrag
für die Betriebskostenförderung in der
Kleinkindbetreuung nach § 29c FAG
(U3) auf 9.421 Euro je Kind (Gewich-
• Erschließungsbeitragsrecht
• Erschließungsverträge und städtebauliche
Verträge nach dem Gesetz zur Stärkung
der Innenentwicklung
• Novelle des Landesgemeindeverkehrs­
finanzierungsgesetzes (LGVFG)
• Landestarif
• Rad- und Fußgängerverkehr aufwerten
• Regiobusse
• Erneuerbare Energie – aber wie?
• Energieaudit
• Breitbandförderung im Rahmen der Breitband­
initiative Baden-Württemberg II – VwV Breitbandförderung
• Neue Schlüsselzahlen für den Gemeindeanteil
an der Einkommensteuer und den Gemeindeanteil
an der Umsatzsteuer
• Gewerbesteuer
• Die Reform der Grundsteuer – immer noch
unerledigt
• Insolvenzanfechtung; Entgegenkommen
der Gemeinde kann „bestraft“ werden
• Kassenwesen, Zahlungsverkehr
• Neues Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) – Stand der Umstellung und Sachstand
der Evaluierung
• Besteuerung der öffentlichen Hand
• Novelle des Eigenbetriebsrechts
• Novelle des Gemeindewirtschaftsrechts
und des GKZ
• Freihandelsabkommen TTIP, CETA und plurilaterales Dienstleistungsabkommen TiSA
• Kommunale Wirtschaftsförderung –
Neuer Arbeitskreis im Gemeindetag
• Kartellverfahren Rundholzvermarktung
• Unterhaltungspflicht der Städte und Gemeinden
für Kirchtürme
• Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote
an Brennpunkten – der Runde Tisch „Lebenswerter
öffentlicher Raum“ kreißt und gebiert eine Maus
• nitiative des Gemeindetags Baden-Württemberg
gegen Wohnungseinbrüche
• Kommunales und Wahlen
• Interfraktionelle Einigung zur direkten Demokratie
in der Landesverfassung
• Bundesmeldegesetz und Ausführungsvorschriften
dazu lassen erhöhten Aufwand bei den
Melde­behörden befürchten
• Zensus 2011 – Stand der Zensusverfahren
• EDV in der Verwaltung
• Personal
• Deutsch-griechische kommunale Zusammenarbeit
• Das Europabüro der baden-württembergischen
Kommunen 2014/2015
• Überarbeitung des kommunalen Aktenplans –
„Kommunaler Aktenplan ‘21“
tung 1,0) gegenüber 12.852 Euro je Kind
(Gewichtung 1,0) im Jahr 2013 belief
und somit drastisch zurückging.
Der durch den 2014 eingetretene Wechsel
in der Fördersystematik kalkulierte Rückgang der Förderbeträge überstieg jedoch
mit minus 25 Prozent bzw. 3.431 Euro je
Ganztagesplatz bei weitem die Erwartungen und führte 2014 gegenüber dem Vorjahr wie auch den Haushaltsplanungen
zu eklatanten Finanzierungsdefiziten in
der Kleinkindbetreuung. In Abhängigkeit
von der Gemeindegröße erreichten die
Einnahmeausfälle für die Städte bis zu
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Geschäftsbericht
s­iebenstellige Größenordnungen. Entsprechend kamen Zweifel auf, ob die Ermittlung der Gesamthöhe der Landesbeteiligung systematisch wie auch in Bezug
auf die statistischen Zahlen im Vergleich
zur Kostensituation in der Kleinkindbetreuung ihre Richtigkeit hatte.
Der Gemeindetag hat die Ergebnisse der
Jahresrechnungsstatistik in Bezug auf die
gesamten Einnahmen und Ausgaben für
die Kinderbetreuung (0 bis 6 Jahre) und
insbesondere für die Kleinkindbetreuung (0 bis 3 Jahre) nochmals auf den
Prüfstand gestellt und ergänzend dazu
die in § 29c Abs. 2 FAG festgeschriebene
Methodik der Ermittlung des Landesanteils von 68 Prozent hinterfragt.
Entwicklungen der Förderbeträge
für das Jahr 2015
Neben einer zweifellos geringeren Betreuungsquote und durchschnittlich
geringeren Platzkosten wurde in diesem
Papier als eine maßgebliche weitere Ursache für den eklatanten Rückgang der
Fördersumme und des Förderbetrags je
betreutem Ganztagsplatz ein zu niedriger sich aus der Jahresrechnungsstatistik ergebender prozentualer Ansatz der
Elternbeiträge von lediglich 8 Prozent
bei der Ermittlung der vereinbarten
Landesbeteiligung von 68 Prozent festgestellt und nachgewiesen und dessen
Anpassung auf 20 Prozent gegenüber
dem Land gefordert (vgl. Gemeinde­
finanzbericht 2014, BWGZ 15-16/2014,
Seite 873 ff).
Erst auf dieser Grundlage war es den
kommunalen Landesverbänden gelungen, in Verhandlungen mit dem Land
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im Rahmen der Gemeinsamen Finanzkommission unter der Leitung von Finanzminister Dr. Nils Schmid, ab 2015
folgende Korrektur der Berechnung des
Kleinkindlastenausgleichs nach § 29c
FAG zu vereinbaren:
„Um die vereinbarungsgemäße Beteiligung des Landes von 68 Prozent an den
Brutto-Betriebsausgaben der Kleinkindbetreuung auf Basis der Jahresrechnungsstatistik des zweitvorangegangenen Jahres zu gewährleisten, ist die Vereinbarung im Pakt für Familien mit
Kindern vom 1. Dezember 2011 an die
gegenwärtige Entwicklung anzupassen.
Zu diesem Zweck sind die der Vereinbarung zugrunde gelegten Elternanteile
mit Wirkung ab dem Jahr 2015 von bisher 8 Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen
sowie die künftig zu berücksichtigenden
Elternanteile von 20 Prozent und die
Berechnungssystematik einschließlich
der Kosten für interne Leistungsverrechnungen (innere Verrechnungen), auf
Basis der Jahresrechnungsstatistik 2015,
im Jahr 2017 auf Änderungsbedarf zu
überprüfen und ggf. anzupassen.“
Konkret führt dies auf der Basis der
Kleinkindförderung nach § 29c FAG im
Jahr 2015 zu einer Anhebung des Fördervolumens um insgesamt zirka 204
Mio. Euro auf 659 Mio. Euro gegenüber
455 Mio. Euro im Jahr 2014. Bezogen
auf das Jahr 2014 hat dies 2015 eine Erhöhung des Förderbetrags je voll gewichtetem Ganztagsplatz von 9.421
Euro um zirka 2.210 Euro auf zirka
12.330 Euro zur Folge.
Weiter ist für 2015 die Erweiterung von
bisher 3 auf künftig 5 bzw. 6 Förder­
stufen zu beachten.
Änderung der bisherigen Parameter in der FAG-Fördersystematik im U3-Bereich
Neuausrichtung der Kindergarten­
förderung (U3) nach § 29c FAG
Um den Kommunen eine möglichst
kostenbezogene Förderung der Betriebsausgaben für die U3-Betreuung in Höhe
der Landesförderung von 68 Prozent
dem Grunde nach sicherzustellen, bedarf es auch einer weitergehenden Differenzierung der in § 29c FAG verankerten bisherigen Parameter in der Fördersystematik für die Kommunen. Dies
sind die Zeit- und Betreuungskorridore
sowie die Gewichtungsfaktoren. Die
Änderung des § 29c FAG erfolgte einschließlich einer analogen Anpassung
der Fördersystematik in der Kinder­
tagespflege.
Neuausrichtung der Kindergarten­
förderung nach § 29b (Ü3) FAG
Im Gegensatz zur Förderung der Kleinkindbetreuung (U3) nach § 29c FAG beteiligt sich das Land an der Kindergartenförderung (Ü3) nach § 29b FAG mit Ausnahme in Bezug auf den Orientierungsplan nicht mit originären Landesmitteln
bzw. anteilig an den dafür entstehenden
Kosten. Der verstärkte Elternwunsch
nach verlängerten Öffnungszeiten und
die damit einhergehende Erweiterung
des Betreuungsumfangs sowie die damit
verbundenen unterschiedlich hohen
Kosten sprachen auch bei der Kindergartenförderung für eine Fortentwicklung
der bestehenden Parameter der FAG-Fördersystematik in Anlehnung an die nach
§ 29c FAG vorgesehene Änderung.
Interkommunaler Kostenausgleich
Die gemeinsamen Empfehlungen von
Gemeindetag und Städtetag zum interkommunalen Kostenausgleich werden
auf die neuen Stufen und die Entwicklung der Förderbeträge nach §§ 29b und
c FAG für die Kleinkind- und Kindergartenbetreuung für das Jahr 2015 nach
§ 8a Abs. 6 KiTaG ab dem 01.01.2015
entsprechend angepasst.
Flexibilisierungspaket
Land, Kommunen und Träger brachten
zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs
am 01.08.2013 das befristete Flexibili-
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Gemeindetag Baden-Württemberg
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Förderfähig sind jeweils nur neugeschaffene Plätze für Kinder unter 3 Jahren.
Die Festbeträge je zusätzlich geschaffenem Betreuungsplatz betragen für
Kindertageseinrichtungen
− bei Neubau 12 000 Euro
− bei Umbau 7 000 Euro
− bei Umwandlung 2 000 Euro,
höchstens jedoch 70 Prozent der
zuwendungsfähigen Ausgaben.
Änderung der bisherigen Parameter in der FAG-Fördersystematik im Ü3-Bereich
sierungspaket auf den Weg, um kurzfristig genug Plätze in Kindertageseinrichtungen vorhalten zu können. Dies ermöglichte es den Trägern, bei kurzfristig
auftretenden Handlungsbedarf durch
eine Selbstverpflichtungserklärung
schnelle pragmatische Lösungen zu finden. Dieses Flexibilisierungspaket lief
zum Bedauern des Gemeindetags Baden-Württemberg nach mehrheitlicher
Entscheidung auf Landesebene fristgerecht zum 31.07.2015 aus. Die geringe
Inanspruchnahme der Maßnahmen
zeigt den verantwortungsbewussten
Umgang der Träger mit den flexiblen
Lösungsansätzen, aber auch die Notwendigkeit der zur Verfügung gestandenen Handlungsoptionen. Bei einzelnen
Maßnahmen gelang es jedoch, sie dauerhaft in das Betriebserlaubnisverfahren
des KVJS zu integrieren. Dies betrifft vor
allem die Lösungen zu Vertretungskräften. Weitere Maßnahmen des Flexibilisierungspakets werden künftig wieder
nur durch eine Antragstellung beim
KVJS möglich sein. Gerade auch in Bezug auf kurzfristig zu realisierende Plätze für Flüchtlingskinder ist das Auslaufen des Flexibilisierungspakets zu bedauern, bedarf es doch aus Sicht des
Gemeindetags auch künftig eines
schnellen Lösungswegs.
Umsetzung
Krippeninvestitionsprogramme
Mittlerweile läuft das 3. Bundesprogramm zur Förderung der Investitionsmaßnahmen zum Ausbau der Kleinkindbetreuung.
Die Eckpunkte der Bundesprogramme
zusammengefasst:
Gemeindetag Baden-Württemberg
„Kinderbetreuungsfinanzierung“
2008 – 2013 (1. Tranche)
Ausbau von Betreuungsplätzen im U3
Bereich
Januar 2008
2,15 Milliarden Euro für Investitionskosten, davon entfallen auf BadenWürttemberg 296.769.496 Euro
Maßnahmenbeginn: 18. Oktober 2007
Nachweis Betriebserlaubnis bis
spätestens: 31. August 2015.
„Kinderbetreuungsfinanzierung“
2013 – 2014 (2. Tranche)
Weitere 580,5 Millionen Euro für
Investitionen, davon entfallen auf
Baden-Württemberg 78.158.734 Euro
Maßnahmenbeginn: 1. Juli 2012
Nachweis Betriebserlaubnis bis
spätestens: 31. Dezember 2016.
„Kinderbetreuungsfinanzierung“
2015 – 2018 (3. Tranche)
Weitere 550 Millionen Euro, davon
entfallen auf Baden-Württemberg
73.762.468 Euro
Maßnahmenbeginn: 1. April 2014
Nachweis Betriebserlaubnis bis
spätestens: 30. November 2019
Ziel: Schaffung/Förderung weiterer
30.000 Plätze (bisher 780.000)
„Gesetz zur weiteren Entlastung von
Ländern und Kommunen ab 2015 und
zum qualitativen und quantitativen
Ausbau der Kinderbetreuung“
2016: 230,0 Mio. Euro
2017: 220,0 Mio. Euro
2018: 100,0 Mio. Euro
davon Baden-Württemberg 73,8 Mio. Euro.
Bisherige Förderbestimmungen sollen
bestehen bleiben.
Insbesondere begrüßen wir die Fristverlängerung zur Vorlage der Betriebserlaubnis und der Bestätigung der Inbetriebnahme um weitere 2 Jahre.
Neue Fristen:
Investitionsprogramm
2008 – 2013: 31.August 2017
Investitionsprogramm
2013 – 2014: 31. Juli 2018
Investitionsprogramm
2015 – 2018: 30. November 2019.
Mit dem Investitionsprogramm
2015 – 2018 sind nun auch erstmalig
Zuschüsse für Küchen möglich.
Ein entscheidendes Problem ergibt sich
daraus, dass beim dritten Förderprogramm des Bundes lediglich Maßnahmen ab dem 01.04.2014 förderfähig
sind. Damit sind Anträge, die nach
Überzeichnung oder Auslaufen zum
31.12.2013 des zweiten Förderprogramms begonnen wurde, nicht förderfähig sind, wohingegen Maßnahmen,
die nach dem 01.04.2014 begonnen
wurden, wieder eine Förderung durch
das Bundesprogramm erhalten.
Investitionsprogramm Land
Die kommunale Seite konnte in den Verhandlungen mit dem Land im Rahmen
der gemeinsamen Finanzkommission
ferner erreichen, dass das Land statt einer
Korrektur der Zuweisungsbeträge bereits
ab dem Jahr 2014 ein einmaliges Förderprogramm aus Landesmitteln von 50
Mio. Euro für investive Maßnahmen in
der Kleinkindbetreuung ab 2015 auflegt.
In dieses wurden Maßnahmen, die
zwischen dem 01.07.2012 und dem
01.04.2014 bereits begonnen wurden
und soweit diese beim Investitionsförderungsprogramm des Bundes 2. Tranche
2013 – 2014 nicht berücksichtigt werden
konnten, mit einbezogen.
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Geschäftsbericht
Dies bedeutet konkret, dass Städte und
Gemeinden, deren Förderanträge für investive Maßnahmen in der Kleinkindbetreuung im Zusammenhang mit der 2.
Tranche des Investitionsförderungsprogramms des Bundes unter Vorbehalt zur
Verfügung stehender Fördermittel nach
dem 01.07.2012 positiv beschieden wurden und diese vor dem 01.04.2014 begonnen haben, nunmehr dafür noch
Fördermittel erwarten können.
Weiterer Förderschwerpunkt ist der qualitative Ausbau der Kleinkindbetreuung.
Hier stehen für bauliche Maßnahmen,
die der Erweiterung von Betreuungszeiten oder der Inklusion von Kindern mit
Behinderung dienen, Fördermittel zur
Verfügung.
Kindertagespflege
Ende Juli 2013 hat das Kultusministerium erstmals eingeladen zu einem
„Runden Tisch Kindertagespflege“ mit
dem Ziel, einen verlässlichen Rahmen
für Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung von Kindertagespflege zu
definieren.
Schwerpunktmäßig wurden folgende
Themen erörtert und einer gemeinsamen Haltung zugeführt:
1. Harmonisierung der Elternbeiträge
(Ziel Wahlfreiheit zwischen Kindertageseinrichtung und Kindertagespflege),
2. Entbürokratisierung der Abrechungsmodalitäten für die laufende Geldleistung an die Tagespflegepersonen
durch die Jugendämter,
3.Entbürokratisierung durch generell
pauschale und pauschalierte Finanzregelungen,
4.Rahmenbedingungen für Fachliche
Begleitung, Beratung und Vermittlung für Tagesmütter,
5. Rahmenbedingungen für Tagespflege
in anderen geeigneten Räumen,
6. Änderung der VwV Kindertagespflege.
Im Sinne einer hohen Akzeptanz der
Kindertagespflege ist es unabdingbar,
dass die Elternbeiträge in der Kinder­
tagespflege vergleichbar sind mit den
­Elternbeiträgen in den Kinderkrippen/
Kindertageseinrichtungen; außerdem
ist es zielführend, die bisher sehr ver-
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waltungsaufwendige und spitz abgerechnete Betreuungsleistung der Tagespflegepersonen (Tagesmütter) entbürokratisierend und in pauschalierter Weise
vorzunehmen. Zudem wesentlich ist die
Frage der Ausgestaltung der fachlichen
Begleitung für Tagespflegepersonen, die
nach der gesetzlichen Vorgabe (§ 23
SGB VIII und § 8b KiTaG für BadenWürttemberg) zu erbringen ist und dafür 15 Prozent der zugewiesenen FAGMittel zu verwenden sind.
„Der Runde Tisch empfiehlt als wichtige
Weichenstellung (zur Weiterentwicklung
der fachlichen Begleitung in der Kindertagespflege) eine Bandbreite beim Personalschlüssel von 1 zu 90 bis 1 zu 130. Zur
Weiterentwicklung des Personalschlüssels soll im 4. Quartal 2016 neu beraten
werden.“
Weiter konnte auch erreicht werden,
dass das bereits von den kommunalen
Landesverbänden und dem KVJS – Landesjugendamt – erarbeitete Papier für
die Praxis zu dem immer wichtiger werdenden Thema Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen ebenfalls die
Zustimmung des Runden Tisches findet
und somit mit den Empfehlungen des
Runden Tisches veröffentlicht wird. Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag
versprechen sich von dem Papier eine
unterstützende Handreichung für die
Praxis, die zum weiteren Aus- und Aufbau der Kindertagespflege in anderen
geeigneten Räumen hilfreich ist.
Weiterentwicklung der Verwaltungs­
vorschrift zur Kindertagespflege
Die bisherige VwV Kindertagespflege
aus dem Jahr 2006 war von Anfang an
zeitlich befristet bis zum 31.12.2013
und wurde überarbeitet und neugefasst.
Die neu gefasste VwV Kindertagepflege
vom 12.12.2013 ist am 01.01.2014 in
Kraft getreten.
Im Kern geht es um die Fortsetzung der
finanziellen Förderung durch das Land,
insbesondere im Bereich der Vorbereitung, Qualifizierung und Fortbildung
von Tagespflegepersonen wie auch um
deren Gewinnung und fachliche Begleitung.
Ein wichtiges landespolitisches Signal
konnte nach den klaren und übereinstimmenden Stellungnahmen der kommunalen Landeverbände wie auch des
Landesverbands der Tagemüttervereine
dergestalt gesetzt werden, dass die Landesförderung in der bisherigen Höhe
(2,3 Mio. Euro) beibehalten wurde. Mit
der vorgesehenen Verteilung der Mittel
an die Stadt- und Landkreise sowie an
die kreisangehörigen Gemeinden mit
eigenem Jugendamt nach der Gewichtung je nach Qualifizierung der Tagespflegeperson sowie der Grundförderung
einer so genannten „stillen Reserve“ hat
sich der Gemeindetag Baden-Württemberg im Rahmen des Anhörungsverfahrens und nach Befassung im Präsidium
einverstanden gezeigt.
Die neu gefasste VwV Kindertagespflege
wurde erneut zeitlich befristet und tritt
am 31.12.2016 außer Kraft.
Inklusion von Kindern mit Behinde­
rung in der Kinderbetreuung
Grundsätzlich gilt der am 01.08.2013 in
Kraft getretene Rechtsanspruch auf
(frühkindliche) Bildung und Betreuung
auch für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Sowohl das SGB VIII als auch das
baden-württembergische Kindertagesbetreuungsgesetz sehen vor, dass Kinder, die aufgrund ihrer Behinderung einer zusätzlichen Betreuung bedürfen,
zusammen mit Kindern ohne Behinderung in Gruppen gemeinsam gefördert
werden sollen, sofern der Hilfebedarf
dies zulässt.
Das Land hat im Zuge der Verhandlungen zur schulischen Inklusion den Bereich der frühkindlichen Bildung und
Betreuung klar und unmissverständlich
zunächst hintangestellt. Voraussichtlich wird die Inklusion von Kindern mit
Behinderungen aber ein zu bearbeitendes Thema im Bereich der frühkind­
lichen Bildung und Betreuung der nächsten Jahre werden.
Die Inklusion von Kindern mit Behinderungen in den Alltag sowie deren Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen
Leben ist dem Gemeindetag BadenWürttemberg ein besonderes Anliegen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht | Impressumg
BWGZ 19 | 2015
Hierbei sollte das Wohl der Kinder und
deren individuelle Hilfe- und Lebens­
situation im Fokus stehen, wobei möglichst optimale Fördermöglichkeiten
der betroffenen Kinder und deren Familien, unter Berücksichtigung der entsprechenden Ausstattung der Einrichtungen und des Personals sowie insbesondere der notwendigen Klärung der
Finanzierung geeigneter Maßnahmen,
eine entscheidende Rolle spielen müssen. Eine auch gesellschaftlich anerkannte vollständige Inklusion kann
eben nur gelingen, wenn auch die notwendigen Rahmenbedingungen und
insbesondere deren Finanzierung gewährleistet sind.
Sprachförderung
in Kindertageseinrichtungen
Landesprogramme
Das Landesprogramm zur „Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für
Kinder mit Zusatzbedarf“ (SPATZ) wird
für die Kindergartenjahre 2014/2015
und 2015/2016 erweitert.
Eckpunkte der Weiterentwicklung der
SPATZ-Richtlinie zum Kindergartenjahr
2014/2015:
• Einheitliche Gruppengröße 3 bis 7
(bei SBS-Gruppen kann die Gruppe
mit nicht förderbedürftigen Kindern
aufgefüllt werden; maximal bis 20).
• Einheitlicher Zuschuss: 2.200 Euro
(statt 2.000 und 2.400).
• Senkung der Gruppengröße bei Kitas
mit mindestens 80 Prozent Kindern
mit Migrationshintergrund auf 5.
• Einbeziehung von Familien-, Mütterund Kinderzentren.
• Stärkere Einbeziehung der Erzieherinnen und Erzieher im 3. Kindergartenjahr (ESU) analog zum 1. und 2.
Kindergartenjahr.
• Vorverlegung des Auszahlungszeitpunkts vom 1. Februar auf 1. Januar.
Eckpunkte der Weiterentwicklung der
SPATZ-Richtlinie zum Kindergartenjahr
2015/2016:
• Kinder mit intensivem Sprachförderbedarf können ab 2 Jahren und 7
Monaten in Sprachfördergruppen
der Kindergärten gefördert werden.
Gemeindetag Baden-Württemberg
• Der Fördersatz für aktive Elterneinbindung wird auf 500 Euro erhöht.
• Kinder aus Flüchtlingsfamilien können in eigenen Gruppen (ab 3 Kindern) gefördert werden, bei mehr als
4 Kindern können diese Gruppen
geteilt werden. Der Wechsel von Kindern dieser Fördergruppe während
des Kindergartenjahrs ist möglich.
• Eine neue Gruppe für Flüchtlingskinder kann im laufenden Kindergartenjahr bis zum 15. Februar beantragt
werden.
Impressum
Die Gemeinde (BWGZ):
Zeitschrift für die Städte und Gemeinden,
Stadträte, Gemeinderäte und Ortschaftsräte;
Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg
(Herausgeber – Eigenverlag)
Verantwortlich für den Herausgeber:
Roger Kehle, Präsident (V.i.S.d.P.)
Verlags- und Schriftleitung/Redaktion:
Silke Gerboth-Sahm
E-Mail: [email protected]
Bundesprogramme
„Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ (2011 – 2015)
Das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend hat das
Bundesprogramm „Schwerpunkt-Kitas
Sprache & Integration“ unter dem
Stichwort „Frühe Chancen” bis zum
31. Dezember 2015 verlängert. Mit diesem Projekt werden in Baden-Württemberg bis Dezember 2015 zirka 250
halbe Stellen zur Sprachförderung in­
stalliert.
„Sprach-Kitas“ (2016 – 2019)
„Sprach-Kitas“ ist eine sich aus dem Vorgängerprogramm „Schwerpunkt-Kitas
Sprache & Integration“ („Frühe Chance“)
weiterentwickelte Förderlinie. Mit dem
Konzept der alltagsintegrierten sprach­
lichen Bildung wird ebenfalls der Alltag
in einer Kindertageseinrichtung in seiner
Gesamtheit darauf ausgerichtet, den
Spracherwerb anzuregen und zu fördern.
Der Themenschwerpunkt der sprach­
lichen Bildung wird um zwei Vertiefungsthemen, „Inklusive Bildung“ und „Zusammenarbeit mit Familien“, erweitert.
Derzeit läuft zunächst das Interessensbekundungsverfahren.
Silke Gerboth-Sahm
Redaktion
Margot Tschentscher
Vertrieb
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Die Gemeinde (BWGZ)
erscheint zweimal monatlich.
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897
Geschäftsbericht
Bildung und Schule
Schulentwicklung und
Mindestschülerzahlen
Die demografisch bedingte rückläufige
Schülerzahl, politische Entscheidungen
wie die Aufhebung der Verbindlichkeit
der Grundschulempfehlungen, die Einführung der Gemeinschaftsschule oder
verstärkte inklusive Bildungsangebote
sind für die Entwicklung der allgemein
bildenden Schulen wesentliche Faktoren.
Im Juni 2014 verabschiedete der Landtag
ein Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes, mit dem ein Verfahren der regionalen
Schulentwicklung in Baden-Württemberg eingeführt wurde (GBl. 2014 Seite
265 ff., §§ 30a – 30e). Damit wird das Ziel
verfolgt, eine geregelte, transparente und
für alle Beteiligten nachvollziehbare Planung der Schulstandorte in einer Raumschaft zu erreichen, um so langfristig eine
zukunftsfähige Schullandschaft entstehen zu lassen, die den Kindern und Jugendlichen bestmögliche Bildungschancen eröffnet. Allerdings wird dies nicht
immer einfach sein, zumal nicht auszuschließen ist, dass Standorte aufgegeben
werden müssen. Auf jeden Fall wird dieses
Verfahren nur dann zur Befriedung beitragen können, wenn die Beteiligten aktiv
und frühzeitig in den Prozess einbezogen
werden und das Verfahren gemeinsam
gestaltet und verantwortet wird (mehr Information zur Regionalen Schulentwicklung vgl. BWGZ 1/2015 Seite 25).
Zugleich wurden gesetzliche Vorgaben
von Mindestschülerzahlen sowohl für
die Einrichtung als auch für die Aufhebung einer weiterführenden Schule verankert, mit denen die Schulentwicklungsprozesse gesteuert werden sollen.
Voraussetzung für die Einrichtung weiterführender allgemein bildender Schulen ist danach, dass die Schule in der
langfristigen Prognose in den Eingangsklassen voraussichtlich mindestens 40
Schülerinnen und Schüler oder mehr
aufweist und diese Zahl aufgrund der
Prognosen auch langfristig erwartet
werden kann. Für die Neueinrichtung
allgemein bildender Gymnasien liegt
diese Mindestschülerzahl bei 60 Schülerinnen und Schülern in der Eingangsstufe. Für die Sekundarstufe II an Ge-
898
BWGZ 19 | 2015
meinschaftsschulen müssen in Klassenstufe 9 mindestens 60 Schülerinnen
und Schüler für die Klassenstufe 11
langfristig prognostiziert werden.
Eine weiterführende Schule ist nach den
schulgesetzlichen Regelungen dann aufzuheben, wenn sie in zwei aufeinander
folgenden Jahren weniger als 16 Schülerinnen und Schüler in der Eingangsklasse aufweist (vgl. § 30b Abs. 2 SchG). Von
einer Aufhebung wird ausnahmsweise
dann abgesehen, wenn kein entsprechender Bildungsabschluss in zumut­
barer Erreichbarkeit angeboten wird.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
hat sich im Zusammenhang mit den genannten Mindestschülerzahlen für Ausnahmetatbestände ausgesprochen, damit auch besonderen Verhältnissen vor
Ort Rechnung getragen werden kann.
Diese Auffassung hat sich der Landtag
jedoch nicht zu eigen gemacht.
Die aktuelle schulpolitische Entwicklung in Baden-Württemberg lässt angesichts der seitens der Landesregierung
unsachgemäß definierten Mindestschülerzahlen kurzfristig ein Schulsterben
insbesondere in kleineren Städten und
Gemeinden befürchten.
Während diese Mindestschülerzahl bei
der Realschulstruktur kaum Auswirkungen auf bestehende Standorte haben wird, führt sie im Bereich der Gemeinschaftsschulen, die sich zum weit
überwiegenden Teil aus den Werkrealschulen weiterentwickeln, zu einer
grundlegenden Veränderung der Bildungslandschaft. Es ist zu befürchten,
dass mehr als die Hälfte der seitherigen
Werkrealschulstandorte ersatzlos wegfallen werden. Schulen sind jedoch ein
zentraler Bestandteil gemeindlicher Infrastruktur. Schulschließungen im größeren Umfang können daher nicht die
Antwort auf demografische Entwicklungen sein. Auch in Anbetracht dessen, dass sich nach den neuesten Vo­
rausberechnungen des Statistischen
Landesamts Baden-Württemberg der
Schülerrückgang weniger dramatisch
entwickeln wird, müssen die Vorgaben
für die Mindestschülerzahlen angepasst werden.
Der Gemeindetag plädiert auch bei der
Genehmigung von Ganztags-Grundschulen für eine flexiblere Handhabung
der Vorgaben zur Schülerzahl. Die neue
Form der Ganztags-Grundschule kann
erst ab einer Mindestschülerzahl von 25
eingerichtet werden. Gerade für ländliche Grundschulstandorte, die in aller
Regel – zumindest zunächst – die Wahlform wählen werden, ist diese Mindestzahl eine hohe Hürde. Deshalb führen
solche Vorgaben für kleinere und/oder
ländliche Schulstandorte zu einer Benachteiligung. Denn schließlich ist gerade in solchen Schulen oft keine einem
Grundschulkind zumutbare ÖPNV-Verbindung zu einer anderen Ganztagsgrundschule vorhanden.
Zudem machen die Erfahrungen an den
bisher bereits etablierten Ganztagesschulen deutlich, dass auch unterhalb
der Grenze von 25 Schülern pro Gruppe
sinnvolle pädagogische Angebote
durchgeführt werden können.
Für den Gemeindetag steht fest, eine
ausschließliche schulgesetzliche Lenkung der Schülerströme hin zu größeren
Standorten kann nicht die Lösung sein.
Gewachsene und über Jahrzehnte funktionierende Strukturen würden damit
zerstört. Es steht außer Frage, dass auch
kleinere Standorte eine Perspektive zur
Weiterentwicklung brauchen, um eine
zukunftsfähige Ausrichtung des Bildungslandes Baden-Württemberg etablieren zu können.
Schlag auf Schlag –
zahlreiche Schulgesetznovellen
Die Summe der bildungspolitischen
Reformen der vergangenen Jahre zeigt
auf, welche fundamentalen Veränderungen die Schulen und mit diesen die
Schüler, die Lehrer, die Eltern und
auch die Schulträger zu vollziehen
hatten. Sowohl die Schularten als
auch die Unterrichtsformen wurden
neu definiert.
Genannt seien nur folgende Schlagworte:
− Einführung der Gemeinschafts­
schule,
− Abschaffung der verbindlichen
Grundschulempfehlung,
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
− Hauptschulabschluss an der
Realschule,
− gesetzliche Einführung der
Ganztagsgrundschule,
−Bildungsplanreform,
− Einführung der schulischen
Inklusion.
nung der Konnexität bei den Schulträgerkosten durch das Land zu erreichen.
Grundlage dieser Forderung ist Artikel
71 Absatz 3 Landesverfassung BadenWürttemberg, wonach das Land den
Kommunen in solchen Fällen entstehende Mehrkosten zu erstatten hat,
wenn diese nicht nur unwesentlich
sind. In zahlreichen Gesprächsrunden
und Verhandlungen mit dem Land ist es
gelungen, die grundsätzliche Anerken­
nung der Konnexität durch das Land
zu erreichen. Der Ausgleich der Kosten
der kommunalen Seite wird nicht im
Schulgesetz, sondern in einem speziellen Finanzierungsgesetz geregelt (vgl.
Gesetz zum Ausgleich kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion, zur Änderung des Gesetzes über den
kommunalen Finanzausgleich u.a., GBl.
2015, Seite 654 ff. Begründung LTDrucksache 15/6962).
Die hohe Schlagzahl an Veränderungen
hat alle Beteiligte sehr stark gefordert.
Zudem haben all diese Veränderungen
noch nicht ihre abschließende Wirkung
entfaltet, die meisten stehen vielmehr
sogar noch am Anfang. Was nach wie
vor fehlt, sind stabile Strukturen für unsere Bildungslandschaft.
Wegen Einzelheiten zu weiteren schulischen Themen, die der Gemeindetag
schwerpunktmäßig im Berichtszeitraum begleitet hat, z.B. Einführung der
Ganztags-Grundschule, Schulbauförderung, wird auf BWGZ 1/2015 Seite 25 ff.
hingewiesen.
Zum Schuljahresbeginn 2015/2016 ist
die Inklusion behinderter Kinder in der
allgemeinen Schule auch rechtlich verankert worden. Mit der Schulgesetzänderung wurde nun die Voraussetzung
geschaffen, dass Schülerinnen und
Schüler mit einem festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot künftig eine allgemeine
Schule besuchen können. Gleichzeitig
wird für diese Schülergruppe auch künftig die Möglichkeit bestehen, ein Angebot auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot an einer Sonderschule,
künftig „Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum“, zu nutzen. Die Einführung der schulischen
Inklusion stellt eine der grundlegendsten Veränderungen in unserem Bildungssystem überhaupt dar. Eine ganz
wesentliche Bedeutung bekommt in
diesem Zusammenhang auch die im
Schulgesetz vorgenommene Stärkung
des Elternwahlrechts im Hinblick auf
den schulischen Lernort ihrer behinderten Kinder.
Angesichts der Dimension dieser Reform war es oberstes Ziel, die Anerken-
Gemeindetag Baden-Württemberg
Foto: Dieter-Schütz/PIXELIO
Schulische Inklusion
im Schulgesetz geregelt
Die neue schulgesetzliche Regelung zur
Inklusion und das Finanzierungsgesetz
sind ausführlich in BWGZ 17/2015 dargestellt und erläutert worden. Es wird wegen
Einzelheiten deshalb darauf verwiesen.
Weiterentwicklung der Realschulen
Dem Landtag liegt ein weiterer Gesetzentwurf vor, der die Weiterentwicklung
der Realschulen zum Inhalt hat. Es soll
die Hauptschulprüfung an allen Real-
schulen eingeführt werden. Kein Zweifel: Mit der vorgesehenen Änderung
wird den Realschulen eine zusätzliche
Perspektive eröffnet. Dies kann aus
Sicht der betroffenen Schulen und
Schulträger grundsätzlich ein bedeutsamer Schritt sein. Auf der anderen Seite
gibt dieses Reformpaket keine Antwort
auf die Frage, welche Entwicklungen
sich das Land insbesondere für Schul­
standorte in ländlichen Regionen vorstellen kann. Schließlich könnte das
neue Konzept für die Realschule mitunter gravierende Auswirkungen auf vorhandene Schulstandorte, insbesondere
von Haupt- und Werkrealschulen, bringen. Auf der anderen Seite sind die Kriterien für Gemeinschaftsschulen oder
Realschulen so ausnahmslos geregelt
und die Mindestschülerzahlen unsachgemäß definiert, dass es gerade im ländlichen Umfeld oftmals nicht möglich
sein wird, Genehmigungen für eine solche Schulart zu erhalten.
Es besteht somit aus Sicht des Gemeindetags Baden-Württemberg die große
Sorge, dass mit dem vorliegenden Konzept nun endgültig die „schullosen Zonen“ in großen Teilen unseres Landes
besiegelt werden. Der Gemeindetag hat
das Land daher aufgefordert, sich auch
mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.
Besonders kritisiert der Gemeindetag,
dass schon wieder eine neue Reform auf
den Weg gebracht wird, ohne dass die
vorhergehenden ihre tatsächlichen
Wirkungen bereits hätten entfalten
können. Eine prozesshafte und fundierte Anpassung der kommunalen Schulentwicklung, orientiert an den Erforderlichkeiten in der Region, wird damit
erneut belastet und erschwert. Gerade
vor diesem Hintergrund wäre seitens
des Landes auch klarzustellen, welche
Rolle der Regionalen Schulentwicklungsplanung angesichts der stets abschließend getroffenen Schulgesetz­
regelungen überhaupt noch zukommt.
Zudem muss mit der geplanten Reform
eine gewisse Angleichung der Realschule
an die Gemeinschaftsschule festgestellt
werden, auch wenn nach wie vor Unterschiede bestehen. Die Realschule gehört
wie die Gemeinschaftsschule zur zweiten
Säule im Schulsystem. Die Marke „Real-
899
Geschäftsbericht
schule“ als seit langem erfolgreich arbeitende Schulart muss ihren Platz dort behalten. Dies ist eine Forderung, die gerade auch aus Wirtschaftskreisen in jüngster Vergangenheit wiederholt deutlich
artikuliert wurde und die auch der Gemeindetag bekräftigen möchte.
Wenn jedoch eine solche Angleichung
der Realschule an die Gemeinschaftsschule erfolgen soll, dann muss dies so
geschehen, dass ein fairer Wettbewerb
der Schularten möglich ist. Gewährleistet sein sollte daher, dass das Lernen
(und die Leistungsbewertung) auf dem
gymnasialen Niveau (e-Niveau) in der
Realschule auch möglich ist. Die Realschule muss auch für leistungsstärkere
Schüler ein Angebot haben. Genauso
muss den Realschulen wie den Gemeinschaftsschulen zugestanden werden, ab
Klassenstufe 8 Profilfächer anzubieten.
Andernfalls wäre dies ein weiterer Baustein für eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Realschulen.
Zudem sollte – angesichts der beschriebenen Angleichung der Realschulen an
die Gemeinschaftsschule – auch der Klassenteiler auf 28 angeglichen werden.
Von Seiten der Realschulen wird im Zusammenhang mit der Neuausrichtung
auch auf die Frage der auskömmlichen
Ressourcenzuteilung hingewiesen. Vor
allem mit Blick auf kleinere Realschulen
müssen die Ressourcen so gestaltet sein,
dass die neuen Aufgaben ohne Einschränkung erfüllt werden können und
keine Benachteiligungen entstehen.
Entwicklung der Sachkostenbeiträge
Die Entwicklung der Sachkostenbeiträge führte durch die Koppelung der Gemeinschaftsschule (GMS) an die Sachkostenbeiträge der Haupt- und Werkrealschulen in den vergangenen Jahren
zu einem zusehends wachsenden Ungleichgewicht zwischen der Gemeinschaftsschule auf der einen und den
Realschulen und Gymnasien auf der
anderen Seite. Dieses Ungleichgewicht
hat zwischenzeitlich auch zu einem intensiven landespolitischen Diskurs
zwischen Regierung und Opposition
geführt. Das Kultusministerium will
900
BWGZ 19 | 2015
daher im Schulterschluss mit den kommunalen Landesverbänden eine gezielte Weiterentwicklung der Sachkostenbeiträge erreichen, mit der dem entstandenen Ungleichgewicht ein Stück
weit begegnet wird. Haltung des Gemeindetags ist dabei, dass eine eventuelle Angleichung nicht zu Kürzungen
bei einzelnen Schulformen führen darf.
Ebenfalls sollte eine zusätzliche Vorweg­
entnahme aus dem FAG auf das zur
Zielerreichung allernötigste Maß begrenzt bleiben. Ein Ansatz könnte eine
besondere finanzielle Würdigung der
künftig an den Realschulen ebenfalls
zu unterrichtenden Hauptschüler sein.
Zudem scheint das vorübergehende
Einfrieren der Sachkostenbeiträge für
die Schularten GMS/HS/WRS auf den
aktuellen (hohen) Stand ein eventuell
gangbarer Weg zu sein. Damit könnte
– ohne Verlierer zu erzeugen – ein weiteres Auseinanderklaffen der Sachkostenbeiträge zwischen den Schularten
vermieden werden.
Die Erörterungen und Abstimmungen
mit dem Land und den anderen kommunalen Landesverbänden zur endgültigen Festlegung der Sachkostenbeiträge
2016 sind noch nicht abgeschlossen.
Dabei geht es auch um die Modalitäten
einer sachgerechten, schrittweisen Anpassung der Sachkostenbeiträge für Realschulen an die der Hauptschule/Werk­
realschule/Gemeinschaftsschule. Die
Beträge für die zuletzt genannten Schularten aus 2015 sollen jedoch keinesfalls
unterschritten werden. Die Bemühungen, auf Landesebene sachlich begründete Lösungen zu erreichen und das
weitere Auseinanderdriften einzudämmen, werden vom Gemeindetag BadenWürttemberg konstruktiv begleitet.
Bildungsplanreform 2016
Die neuen Bildungspläne werden ab
dem Schuljahr 2016/2017 in den
Grundschulen und den weiterführenden allgemein bildenden Schulen sowie denjenigen Sonderpädagogischen
Bildungs- und Beratungszentren, die
die Bildungsgänge der allgemeinen
Schulen führen, nach einem aufwachsenden Prinzip eingeführt. Die Bildungspläne sind in einem systemati-
schen Erarbeitungsprozess entstanden.
Mit einer öffentlichen Anhörung im
September 2015 soll dieser Prozess abgeschlossen sein.
Die Aufgabe des Gemeindetags BadenWürttemberg in diesem Prozess ist, die
kostenrelevanten Faktoren, einschließlich Raumbedarf und Medienausstattung zu identifizieren und die Finanzierung zu klären. Es wird nicht ausbleiben, dass die neuen Bildungspläne
auch neue Bücher, Lernmaterialien,
digitale Schulbücher usw. bedingen
und damit auch zu Kosten bei den
kommunalen Schulträgern führen. Der
Gemeindetag hat dies sehr frühzeitig in
den Entstehungsprozess eingebracht
und gebeten, diesen Aspekt in Blick zu
nehmen. Die Überarbeitung und Anpassung der Lernmittelverordnung
und der Lernmittelverzeichnisse steht
an und dabei wird der Gemeindetag erneut eine Kostenfolgenschätzung einfordern und soweit wie möglich auf
eine kostenneutrale Umsetzung der
Bildungspläne achten.
Die neuen Bildungspläne haben als Leitperspektive die Medienbildung. Diese
soll insbesondere in Grundschulen betont werden. Das hat Konsequenzen für
die künftige Ausstattung der Grundschulen und Klassenräume. Eine vom
Kultusministerium im Oktober 2013
durchgeführte Umfrage bei den Grundschulen hat ergeben, dass diese zum Teil
bereits über eine zufriedenstellende bis
sehr gute Ausstattung verfügen. Allerdings fehlt es häufig an der strukturierten Verkabelung. Der weitere Ausbau
muss sorgfältig geplant und kann nur
stufenweise und unter Berücksichtigung der Finanzierbarkeit erfolgen. Das
Konzept zur Umsetzung der Medienbildung in den Grundschulen wird im
Rahmen von Multimedia-Empfehlungen erstellt. Hierzu werden die Multimedia-Empfehlungen, die im Jahr 2002 zur
Orientierung für die weiterbildenden
Schulen entstanden sind, überarbeitet
werden. Das Kultusministerium hat
hierfür bereits verschiedene Arbeitsgruppen installiert, in denen auch der
Gemeindetag mit Praktikern vertreten ist
(weitere Einzelheiten zu diesem Thema
vgl. BWGZ 1/2015 Seite 27).
Gemeindetag Baden-Württemberg
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Geschäftsbericht
Schulsozialarbeit
Nachdrücklich hatte der Gemeindetag
Baden-Württemberg die Wiedereinführung einer Landesförderung für Schulsozialarbeit eingefordert, nachdem sich
das Land mit dem Schuljahr 2005/06
zunächst aus der Förderung zurückgezogen hatte.
In der Rahmenvereinbarung zwischen
der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden, dem Pakt für
Familie und Kindern vom 10. November 2011, ist es gelungen: Es wurde vereinbart, dass sich das Land ab dem Jahr
2012 zu einem Drittel an den Kosten der
Schulsozialarbeit beteiligt. Die Förderung des Landes wird schuljahresbezogen und als Festbetrag gewährt; sie beträgt 16.700 Euro pro Jahr und Vollzeitstelle. Bei Teilzeitkräften wird die Pauschale entsprechend reduziert.
BWGZ 19 | 2015
− Inklusionsarbeit, Aktionspläne zur
Prävention gegen menschenfeind­
liche und rechtsextremistische
Tendenzen, für Toleranz und Gleichberechtigung der Geschlechter,
− Ausbau der Beteiligungsformen
und Verantwortungsübernahme als
Bildungsziel.
Zur Erarbeitung und Weiterentwicklung
des „Zukunftsplans Jugend“ wurde hierzu eine Lenkungsgruppe mit entsprechenden Arbeitsgruppen gebildet. Für
die Umsetzung des „Zukunftsplans
Jugend“ stellt das Land 1 Mio. Euro für
2013 und von 2014 an 3 Mio. Euro jährlich bereit. Gefördert werden neue und
innovative Projekte in der Kinder- und
Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit.
Zukunftsplan Jugend
Der „Zukunftsplan Jugend“ setzt fünf
Schwerpunkte der Kinder- und Jugendarbeit:
− Entwicklung und Umsetzung
eines mit der Schule abgestimmten
Bildungskonzeptes,
− Einrichtung von Bildungsnetz­
werken,
− Förderung neuer Zielgruppen,
902
Der Bildungskongress 2014 stand ganz
im Zeichen der vielschichtigen Veränderungen der baden-württembergischen Schul- und Bildungslandschaft.
Es war zu verspüren, dass der Bedarf
nach Orientierung und Information der
Städte, Gemeinden und Landkreise und
ihrer Bildungspartner enorm ist. Die
Großveranstaltung war hierfür sowie
auch für den Austausch der Bildungsverantwortlichen untereinander ein gutes Angebot.
Foto: Schülerarbeit im EJW
Die Pauschalförderung hat den Ausbau
von Schulsozialarbeit in den Kommunen unterstützt. Am 31. Juli 2014 waren
zirka 1.990 Schulsozialarbeiter auf zirka
1.305 Vollzeitstellen tätig. Auch für den
neuen Förderzeitraum ab 1. August
2015 bis 31. Juli 2016 werden für neue
Stellen Fördermittel beantragt. Der Aufwuchs wird wohl nicht mehr so stark
sein wie in den Anfangsjahren der Förderung, aber tendenziell wird der Bedarf
für Schulsozialarbeit weiterhin steigen.
Die Landesregierung hat mit den Partnern der Kinder- und Jugendarbeit und
der Jugendsozialarbeit am 12. März
2013 gemeinsam die Vereinbarung „Zukunftsplan Jugend“ unterzeichnet, der
vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember
2016 gilt.
Die Veranstaltung der kommunalen Landesverbände hat bereits Tradition; die
Veranstaltungen in 2008 und 2011 waren wichtige Treffpunkte für den Austausch unter Bildungsverantwortlichen
der Kommunen, Schulen und des Landes. Auch 2014 konnten zirka 1.000 Bildungsakteure begrüßt werden und der
Kongress war damit auch ein Spitzentreffen der Kommunal- und Landespolitik.
Bildungskongress
auf der didacta
„Kommune macht Schule“ – Unter dieser Überschrift hatten Gemeindetag,
Städtetag und Landkreistag am 28. März
2014 zu einem Bildungskongress eingeladen. Es war die dritte Veranstaltung
dieser Art, die im Rahmen der weltgrößten Bildungsmesse didacta in der Messe
Stuttgart stattfand. Der Didacta Verband
der Bildungswirtschaft und die Messe
Stuttgart waren zuverlässige Kooperationspartner der kommunalen Landesverbände bei der Durchführung des
Kongresses.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hob in seiner Rede auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der
Bildung und die von der Politik angestoßenen Bildungsreformen ab. Die aktuelle Situation sowie die Positionen, Forderungen und Vorschläge der kommunalen Seite und des Gemeindetags hatte
Präsident Roger Kehle im Rahmen der
Veranstaltung und als Auftakt für diese
Podiumsdiskussion deutlich gemacht.
Die anschließende Diskussionsrunde
der Präsidenten der kommunalen Landesverbände mit den Vorsitzenden der
Landtagsfraktionen rundete das Kongressprogramm erkenntnisreich ab.
Dass die Kommunen im wörtlichen
Sinne „Schule vor Ort“ machen, zeigte
eine eindrucksvolle Ausstellung von
rund 60 Kommunen und Bildungspartnern, die innovative Schulprojekte und
Schulangebote vorstellten. Einzelheiten finden sich dazu auch in BWGZ
18/2014 Seite 1007 ff.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Menschen mit Behinderung –
Inklusion
Landesbehindertengleichstellungsgesetz – L-BGG
Zum 01.01.2015 trat das neue Landesbehindertengleichstellungsgesetz in
Kraft. Sowohl in der öffentlichen Landtagsanhörung als auch schriftlich hat
der Gemeindetag Baden-Württemberg
zum Gesetzentwurf Stellung genommen und Änderungen gefordert. Der
erweiterte Anwendungsbereich führt zu
neuen Aufgaben für Städte und Gemeinden. Außerdem bewirkt die neue
Definition von Menschen mit Behinderung entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention die Ausweitung
des Berechtigtenkreises.
Die seitens der Landesregierung verfolgte Zielsetzung der Novellierung des
L-BGG beruht auf dem Grundgedanken
der UN-Behindertenrechtskonvention
mit dem Ziel, behinderten Menschen
eine möglichst vollständige Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Dieses Ziel wird vom Gemeindetag ausdrücklich unterstützt, was sich
auch daran zeigt, dass die Belange von
Menschen mit Behinderungen bei der
kommunalen Weiterentwicklung regelmäßig mit einbezogen werden. Zahlreiche Vorgaben im L-BGG hat der Gemeindetag vor diesem Hintergrund als
unverhältnismäßig und nicht erforderlich abgelehnt. Besonders im Hinblick
auf die enthaltenen Ansprüche ist zu
befürchten, dass es in Einzelfällen zu
keinen konstruktiven und pragmatischen Lösungsansätzen mehr kommen
wird, sondern lediglich die individuellen Ansprüche reklamiert werden.
Bedenken hat der Gemeindetag BadenWürttemberg zu folgenden Inhalten
geäußert und entsprechende Änderungen gefordert:
• Der Begriff der Barrierefreiheit lässt
sich nicht abschließend definieren.
Für die Kommunen besteht folglich
keine Rechtssicherheit, ab wann sie
ihrer Pflicht zur Gewährleistung einer barrierefreien Umgebung Genüge getan haben.
Gemeindetag Baden-Württemberg
• Bei der Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr knüpft die Vorschrift die
Pflicht der barrierefreien Herstellung an entsprechende Kriterien. So
muss eine Neubau- oder eine Umbaumaßnahme vorliegen, wobei
der Begriff Neubau aus sich heraus
zu verstehen ist. Fraglich bleibt, ob
der Anbau an ein vorhandenes Gebäude ein Neubau im Sinne dieser
Vorschrift ist. Außerdem ist der Begriff des Umbaus auslegungsfähig
und damit nicht rechtssicher. Ein
Umbau kann sowohl kleinere Baumaßnahmen als auch umfassendere
Maßnahmen bedeuten. Liegt eine
Neubau- oder Umbaumaßnahme
vor, beurteilt sich die technische
Anforderung an die Barrierefreiheit
nach den „einschlägigen Rechtsvorschriften“. Hinsichtlich der Landesbauordnung geht es dann nicht um
die Pflicht zur Barrierefreiheit
selbst, sondern um deren technische Umsetzung, also insbesondere
die Geltung der entsprechenden
DIN-Vorschriften.
• Problematisch ist die Beweislastumkehr. Die kommunale Ebene gewährleistet eine gebührende Achtung aller
Bürger und eine Sorgfalt im Umgang
mit diesen. Bürger, die sich in ihren
Rechten missverstanden fühlten,
hatten auch auf Grundlage der seitherigen Gesetzeslage die Möglichkeit
einer rechtlichen Überprüfung.
• Die Beweislastumkehr ist vor allem
in Verbindung mit dem Verbandsklagerecht eine besorgniserregende
Entwicklung für die Städte und Gemeinden. Das Verbandsklagerecht
erstreckt sich künftig auch gegen
Gemeinden, Gemeindeverbände
und sonstige juristische Personen
des öffentlichen Rechts. Seither bestand das Klagerecht lediglich bei
Verstößen gegen die Verwendung
der Gebärdensprache; zukünftig gilt
dies zudem auch bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot, die
Barrierefreiheit von Bauvorhaben
und im Personenverkehr sowie die
Barrierefreiheit des Schriftverkehrs
und medialer Angebote.
• Das Land verpflichtet die Stadt- und
Landkreise, Behindertenbeauftragte zu
beschäftigen und erstattet diesen die
entstehenden Kosten. Die übrigen
Städte und Gemeinden können freiwillig ebenfalls Behindertenbeauftragte installieren, jedoch ohne finanzielle
Entschädigung seitens des Landes. Die
Einwohnerzahl oder die Zahl der Behinderten der jeweiligen Städte und
Gemeinden werden hierbei nicht berücksichtigt. Zudem soll zukünftig ein
Landesbehindertenbeirat gegründet
werden, der im Gesetzgebungsverfahren frühzeitig zu beteiligen sein wird.
Beratungsstelle Inklusion
für Städte und Gemeinden
Um seine Mitglieder bei der Umsetzung
der Inklusion zu unterstützen, hat der
Gemeindetag Baden-Württemberg einen Antrag beim Ministerium für Arbeit
und Sozialordnung, Familien, Frauen
und Senioren auf die Bewilligung einer
„Beratungsstelle Inklusion für Städte
und Gemeinden“ gestellt. Nachdem das
Ministerium seine Zusage erteilt hat,
konnte die Beratungsstelle Inklusion
beim Gemeindetag zum 01.12.2014 neu
geschaffen werden.
Die Beratungsstelle wurde im Sozial- und
Gesundheitsausschuss, bei den landesweiten Haupt- und Personalamtsleiter­
tagungen sowie in einigen Kreisverbänden vorgestellt. In einem Erfahrungsaustausch der Sozialreferenten der Kommunalverbände aller Bundesländer im Frühjahr 2015 wurde die Arbeit der Beratungsstelle beim Gemeindetag ebenfalls
dargestellt. Hierbei zeigte sich, dass Baden-Württemberg bundesweit eine Vorreiterrolle einnimmt, was die Unterstützung der Städte und Gemeinden durch
die kommunalen Landesverbände bei
der Umsetzung von Inklusion anbetrifft.
Die Beratungsstelle wirkt in der Arbeitsgruppe „Barrierefreier Zugang zu Kulturdenkmalen“ des Wirtschaftsministe­
riums Baden-Württemberg mit. Dies
dient dazu, an einer Broschüre mit
nachahmenswerten Beispielen dergestalt mitzuarbeiten, dass darin nicht
Maximallösungen, sondern pragmatische und finanzierbare Zugangsmög-
903
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
lichkeiten aufzeigt werden. Außerdem
soll der Stellenwert von Inklusion innerhalb der Gesamtheit der kommunalen Aufgaben vermittelt werden.
Schließlich wurde in der Ausgabe vom
15. September 2015 der Mitgliederzeitschrift „Die Gemeinde“ (BWGZ) das
Thema „Inklusion in Kommunen“
grundsätzlich aufgearbeitet und mit
zahlreichen Praxisbeispielen aus den
Mitgliedsstädten und -gemeinden angereichert. Solche guten und pragmatischen Ansätze sollen andere Kommunen anspornen, selbst nachhaltig inklusiv tätig zu werden, ohne die Gesamtheit der kommunalen Aufgabenpalette
aus den Augen zu verlieren.
BWGZ 17 | 2015
15. September 2015
138. Jahrgang
DIE GEMEINDE
Zeitschrift für die Städte und Gemeinden
Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg
Postvertriebsstück DPAG, Entgelt bezahlt, E 7351 | Gemeindetag Baden-Württemberg | Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart
Inklusion
Best Practice
Um einen ersten Überblick über inklusive Projekte zu gewinnen, die zum Teil
seit Jahren in den Kommunen laufen,
wurde eine entsprechende Umfrage unter den Mitgliedern gestartet. Der bisherige Rücklauf vermittelt folgenden Eindruck: Keine Aktion gleicht der anderen,
aber besonders erfolgversprechend im
Bemühen, Menschen mit Schwierigkeiten aller Art teilhaben zu lassen, scheint
die Vereinsarbeit und dort die Bereiche
Musik und Sport zu sein. Die Umfrageergebnisse werden stetig erweitert und stehen den Mitgliedern des Gemeindetags
zur Verfügung. Dies ist einerseits gedacht
904
als Erstinformation darüber, was eine
Kommune vor Ort selbst initiieren und
wo und wie sie geeignete Anreize für andere Akteure geben kann. Andererseits
soll das den Kontakt und Informationsaustausch interessierter Städte und Gemeinden untereinander ermöglichen.
Folgende Bausteine sind bis jetzt abrufbar:
− Inklusion – Versuch einer prag­
matischen Definition,
− Auflistung kommunaler Aktionen
im Bemühen um Inklusion,
− Das Zwei-Sinne-Prinzip,
− Leichte Sprache.
Beratung
Diese Beratungsmodule können niemals vollständig oder abschließend
sein. Das ganze Konzept gewinnt dadurch, dass es stetig ausgebaut wird und
dass langjährige Erfahrungen darin Eingang finden. Ziel ist es, den Kommunen
ein Gerüst zu bieten, entlang dessen sie
ihre eigenen, den örtlichen Gegebenheiten angepassten Lösungen entwickeln können.
Erste Beratungen haben bereits stattgefunden. Die durchweg positiven Rückmeldungen bezogen sich vor allem da­
rauf, dass wir konkrete Anregungen zum
Einstieg in aktive Inklusionsarbeit und
Ideen für Maßnahmen, die zum Teil ohne großen finanziellen Aufwand möglich sind, geben konnten. Hierbei ist es
wichtig, dass sich die Städte und Gemeinden nicht überfordert fühlen. Vielmehr sollen sie durch konkrete Hilfestellungen zu pragmatischen und zielgerichteten Lösungen ermutigt werden, die
sich an den örtlichen Gegebenheiten
und konkret an den Bedürfnissen der Betroffenen in der Gemeinde orientieren.
Die Beratungsstelle Inklusion beim Gemeindetag steht im Austausch mit Betroffenenverbänden, dem Landesbehintertenbeauftragten und dem KVJS. Dadurch
kann sie aus erster Hand erfahren, welche
konkreten Maßnahmen die Teilnahme
am gesellschaftlichen Leben tatsächlich
spürbar verbessern oder zu mehr Selbstbestimmung führen. Andererseits kann ein
gemeinsames Gespräch ausloten, wie diese Verbesserungen gemeinsam, unkompliziert und wirtschaftlich umgesetzt werden können. Besichtigungen von einzelnen Einrichtungen und besonders aktiven Städten und Gemeinden runden die
Informationsgewinnung ab.
Beratungsmodule
Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungsstelle liegt in der Ausarbeitung
von Beratungsmodulen. Kommunen
sollen diese individuell abrufen können, je nach Stand der Inklusionsbemühungen und den örtlichen Wünschen
und Erfordernissen. Beginnend von ersten Überlegungen in einer Kommune
bis hin zur Durchführung einzelner Projekte sollen einzelne Bausteine als Unterstützung angeboten werden.
Folgeantrag
Die Geschäftsstelle beabsichtigt, im
Herbst einen Folgeantrag zur weiteren
Förderung der Beratungsstelle beim Ministerium für Arbeit und Sozialordnung,
Familien, Frauen und Senioren zu stellen. Dieser soll die Etablierung und den
Ausbau des bereits begonnen Beratungsangebotes sowie die Unterstützung von
4 bis zu 5 Modellgemeinden auf ihrem
beispielhaften Weg zur gleichberechtigten Teilhabe ihrer Bürgerinnen und Bürger beinhalten. Idealerweise handelt es
sich dabei um Gemeinden verschiedener Größenordnungen, die außerdem
von unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen heraus agieren. Die Gemeinden Leutenbach und Dusslingen sowie
die Stadt Holzgerlingen haben sich dazu
schon bereit erklärt.
Konversion von Komplex­
einrichtungen der Behindertenhilfe
Bereits im Jahr 2012 wurde im so genannten „Gültsteinprozess“ die Konversion von Komplexeinrichtungen der
Behindertenhilfe beschlossen. Ziel ist
die Umsetzung des Artikels 19 UN-Behindertenrechtskonvention, nämlich
die selbstbestimmte Entscheidung von
Menschen mit Behinderung, wo und
wie sie wohnen wollen.
Auf Einladung des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen
und Senioren und der Landesarbeitsge-
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
meinschaft der öffentlichen und der
freien Wohlfahrtspflege (LAGÖFW)
fand eine Arbeitstagung mit dem Titel
„Gestaltung inklusiver Wohn- und Beschäftigungsangebote – Umbau der
Strukturen in der Behindertenhilfe unter Berücksichtigung der Konversion
von Komplexträgern“ statt. Als Ergebnis
wurde das „Impulspapier Inklusion“
veröffentlicht. Dieses kann u.a. auf der
Seite des KVJS eingesehen werden
(www.kvjs.de/fileadmin/dateien/soziales/
Impulspapier-Inklusion.pdf).
Das Sozialministerium begleitet und
moderiert diesen Prozess durch ein
Zwei-Säulen-Modell. Aktuell sollen nun
regionale Entwicklungskonferenzen
zur Dezentralisierung (REDs) stattfinden. Im Juli 2015 nahm die Geschäftsstelle zusammen mit Vertretern von
Standortgemeinden an einem „Fach­
forum Dezentralisierung“ teil, bei dem
die Vorgehensweise vorgestellt wurde.
In einem ersten, bereits anlaufenden
Schritt wird durch reine Datenerhebung der Ist-Zustand der momentanen
Wohnsituation in allen Land- und
Stadtkreisen erhoben. Anschließend
wird der Bedarf an Wohnstandorten ermittelt und dem Bestand gegenübergestellt. Die besondere Herausforderung
hierbei besteht darin, alle Betroffenen
in die Lage zu versetzen, ihren eigenen
Bedarf selbst zu beurteilen und zu artikulieren. In einem dritten Schritt
schließlich soll die Sozialplanung auf
den ermittelten Bedarf abgestimmt
werden. Im gesamten Prozess sollen
kommunal besetzte Planungsforen
flankierend mitwirken und gemeinsam
soll darüber entschieden werden, wo
erste REDs stattfinden werden.
Bundesteilhabegesetz
Entlastung bei der
Eingliederungshilfe
Der Gemeindetag begrüßt den Beschluss
des Bundeskabinetts, die Kommunen ab
2015 durch eine Soforthilfe um jährlich
1 Mrd. Euro und ab 2018 in Rahmen
einer Reform der Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen um weitere
5 Mrd. Euro jährlich zu entlasten.
Im Zusammenhang mit den Verhandlungen zur Umsetzung des mit der EU vereinbarten Fiskalpakts haben sich Bund und
Länder Ende Juni 2013 u.a. darauf verständigt, dass der Bund in der nächsten
Legislaturperiode anteilig die Finan­
zierung der Kosten für die Eingliederungshilfe für Behinderte durch ein Bundes­
leistungsgesetz übernimmt. Für diese
Sozialleistungen wenden die Kommunen
und in Teilen die Länder entsprechend
inzwischen jährlich etwa 15 Mrd. Euro
auf. Tendenz weiter massiv steigend.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU,
CSU und SPD verpflichten sich die Regierungsparteien darauf, innerhalb der
laufenden Legislaturperiode durch das
Inkrafttreten eines Bundesteilhabegesetzes zu einer Kostenentlastung der
Kommunen bei der Eingliederungshilfe
in Höhe von 5 Mrd. Euro pro Jahr zu
kommen sowie zuvor bereits eine jährliche Entlastung in Höhe von 1 Mrd.
Euro vorzunehmen.
Der Koalitionsvertrag lautet dazu wie folgt:
„Die Kommunen sind ein zentraler Bestandteil unseres Gemeinwesens. [...] Um
die grundgesetzlich garantierte kommunale
Selbstverwaltung zu sichern, müssen die
Kommunen handlungsfähig sein. Voraussetzung dafür sind auch gesunde Finanzen.
[...] Wir werden ein Bundesleistungsgesetz
für Menschen mit Behinderung (Bundesteilhabegesetz) erarbeiten. Mit Inkrafttreten
dieses Gesetzes wird der Bund zu einer Entlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe beitragen. Darüber hinaus sollen
die Kommunen im Rahmen der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes im Umfang von 5 Mrd. Euro jährlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden. Bereits
vor der Verabschiedung des Bundesteil­
habegesetzes beginnen wir mit einer jähr­
lichen Entlastung der Kommunen in Höhe
von 1 Mrd. Euro pro Jahr.“
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
begleitet in diesem Prozess intensiv die
Standortgemeinden von großen Einrichtungen der Behindertenhilfe ebenso
wie die Kommunen, in denen künftig
dezentrale Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten eingerichtet werden sollen.
Es geht insbesondere darum, den jeweiligen Strukturen vor Ort gebührend
Rechnung zu tragen und die Gemeinden, bei denen sich aus der Dezentra­
lisierung Veränderungen ergeben, zu
unterstützen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
905
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Erhöhung des Gemeindeanteils an der
Umsatzsteuer wirksam werden.
Der Landkreistag Baden-Württemberg
wirbt in diesem Zusammenhang bereits
für eine Lösung, die die baden-württembergischen Landkreise in Baden-Württemberg unmittelbar entlasten würde.
Dazu soll die Verteilung des Anteils von
Baden-Württemberg an der Soforthilfe
von 1 Mrd. Euro im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs durch das
Land auf die Kreise unmittelbar erfolgen.
Zwischenstand
In den meisten Flächenländern sind
wie in Baden-Württemberg die Landkreise und Kreisfreien Städte oder aber
höhere kommunale Sozialverbände
Aufgabenträger der Eingliederungshilfe, die sich wiederum über die Landkreise und Kreisfreien Städte finanzieren (Sozialumlage). Im Saarland sowie
in Brandenburg und Sachsen-Anhalt
sind die Länder für die Eingliederungshilfe zuständig.
Keine Festlegungen haben die Koalitionäre im Koalitionsvertrag darüber getroffen, zu welchen Zeitpunkten und
auf welchen Wegen die jährliche Entlastung der Kommunen in Höhe von
1 Mrd. Euro bzw. 5 Mrd. Euro erfolgen
und erreicht werden soll.
Als mögliche Entlastungswege zugunsten
der Kommunen schlägt der DStGB vor:
− Einführung eines Bundesteilhabegeldes,
− zusätzliche Umsatzsteuerpunkte,
− Erhöhung der Bundesbeteiligung
an den Kosten der Unterkunft,
− Entlastung der Kommunen durch
Bund/Länder-Staatsverträge.
Am 12.03.2014 hat das Bundeskabinett
beschlossen, die Kommunen ab 2015 im
Rahmen einer Soforthilfe ab dem Jahr
2015 um 1 Mrd. Euro und ab 2018 im
Rahmen einer Reform der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen um weitere 5 Mrd. Euro jährlich zu entlasten. Die
Soforthilfe soll dabei zunächst über eine
906
Wie das Bundesministerium für Finanzen zwischenzeitlich mitgeteilt hat, verständigten sich die Spitzen der Koalition
am 2. März 2015 im Vorgriff auf diese
Entlastung darauf, im Jahr 2017 die vorgesehene kommunale Entlastung von
1 Mrd. Euro um zusätzliche 1,5 Mrd. aufzustocken. Zusätzlich soll es einen Fonds
in Höhe von 3,5 Mrd. Euro geben, mit
dem Investitionen im kommunalen Bereich gefördert werden könnten.
Die aktuellen Überlegungen zur Entlastung der Kommunen ab 2018 gehen allerdings nicht mehr in Richtung Eingliederungshilfe, da eine zielgenaue
Entlastung der Kommunen im System
der Eingliederungshilfe nicht möglich
ist. Um dieses Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu realisieren, wird nach
einem anderen Transferweg gesucht.
Unabhängig von der Frage des Zusammenhangs zwischen der Reform der
Eingliederungshilfe und der kommunalen Entlastung hat der Auftrag des Koalitionsvertrags Bestand, die Eingliederungshilfe zu reformieren und ein
modernes Teilhaberecht zu entwickeln.
Bundesteilhabegesetz
Um den zentralen Gedanken der UNBehindertenrechtskonvention, das
Verständnis der gleichberechtigten
Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und sozialen Leben,
umzusetzen, wird ein neues Bundesteilhabegesetz erarbeitet. Dabei bekommt insbesondere die Teilhabe am
Arbeitsleben als zentraler Baustein der
Reform der Eingliederungshilfe einen
wichtigen Stellenwert.
Die Einführung eines neuen Bundesteilhabegesetztes und insbesondere die Reform der Eingliederungshilfe schaffen
große Erwartungen bei allen Beteiligten.
Betroffene hoffen auf eine Verbesserung
der Leistungen und damit auch auf positive Auswirkungen auf ihre jeweilige
Lebenssituation. Ein solcher Prozess der
Erarbeitung vieler Verbesserungspotenziale wird sicherlich enttäuschen, wenn
diese nicht realisierbar sind. Mit einer
finanziellen Ausweitung der Sozialleistungen kann jedoch nicht gerechnet
werden. Die begrenzten Ressourcen waren bereits im Vorfeld auch offen und
klar kommuniziert worden. Die Kommunen erwarten hingegen zu recht,
dass die vom Bund zugesicherte Entlastung auch vollumfänglich auf der kommunalen Ebene ankommt. Um eine
erste Einschätzung des geplanten Bundesteilhabegesetztes zu bilden, bleibt
zunächst der Referentenentwurf abzuwarten, mit dem im Herbst 2015 gerechnet werden kann.
Das Bundesministerium der Finanzen
hat dennoch darauf hingewiesen, dass
der Koalitionsvertrag Mehrausgaben
des Bundes für Leistungsverbesserungen und strukturelle Veränderungen
nicht vorsieht („keine neue Ausgabendynamik“) und solche in der Finanzplanung nicht bereitgestellt wurden.
Das Thema solle aber auf der Tagesordnung bleiben. Die klare Maßgabe, dass
der Bund keine zusätzlichen Haushaltsmittel zur Verfügung stellen kann
und mit der Neuorganisation der Ausgestaltung des Teilhaberechts keine
neue Ausgabendynamik entstehen
soll, wurde immer wieder betont. Das
bedeutet, dass die sich ergebenden
Leistungsverbesserungen einzelner
Handlungsoptionen und die damit
verbundenen Mehrausgaben aus dem
Teilhaberecht selbst gegenfinanziert
werden müssen. Das Problem und das
haushaltspolitische Verständnis der
Gegenfinanzierung werden seitens der
Mitglieder der Arbeitsgruppe unterschiedlich gesehen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Stadt.
Neu.
Denken.
www.steg.de
Geschäftsbericht
Bund-Länder-Arbeitsgruppe:
Stärkung der Rolle der
Kommunen in der Pflege
Am 29. September 2014 wurde die
Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der
Pflege eingerichtet. Sie setzte sich aus
Vertretern der Bundesministerien für
Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie
Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
zehn Länderministerien und den drei
kommunalen Spitzenverbänden auf
Bundesebene zusammen.
Schwerpunkt des Arbeitsauftrags
war die Klärung, wie
• die kommunale Steuerungs- und Planungskompetenz für die regionale
Pflegestruktur gestärkt werden kann,
• wie Kommunen stärker in die Strukturen der Pflege verantwortlich eingebunden werden können und wie
• Sozialräume so entwickelt werden
können, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben
können.
Vor diesem Hintergrund hat die BundLänder-Arbeitsgruppe unter anderem
folgende Empfehlungen beschlossen,
die vom Gemeindetag als besonders
wichtig für Baden-Württemberg eingestuft werden:
• Erprobung neuer
Beratungsstrukturen
Unterschiedliche Modelle zu Verbesserung von Koordination und Kooperation
bei der Beratung von Bürgerinnen und
Bürgern bezüglich Pflegebedürftigkeit und
anderen Fragen im Umfeld von Pflegebedürftigkeit sollen erprobt werden. Dazu
gehört auch das Modellprojekt „Pflegeberatung“. Dieses sieht vor, dass bundesweit
in 60 Stadt- und Landkreisen neue Beratungsstrukturen erprobt werden. Um eine
umfassende Pflegeberatung vor Ort zu ermöglichen, werden beim Modellprojekt
neben der Pflege auch flankierende Themen wie zum Beispiel präventive Angebote, familienunterstützende Hilfen, Maßnahmen zum Wohnumfeld, die recht­
liche Betreuung oder die Nutzbarkeit
des öffentlichen Personennahverkehrs
mit in die Beratung einbezogen.
908
BWGZ 19 | 2015
• Initiativrecht zur Einrichtung
von Pflegestützpunkten
Ein Initiativrecht für Kommunen bei
deren finanzieller Beteiligung zur Einrichtung von Pflegestützpunkten soll
erprobt werden. Bund und Länder wollen den Kommunen das Recht übertragen, künftig mitzuentscheiden, ob und
wo neue Pflegestützpunkte eingerichtet
werden. Dafür sollen nun die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen
geschaffen werden. Derzeit können lediglich die Pflegekassen die Einrichtung
neuer Pflegestützpunkte vorschlagen.
Finanziert werden Pflegestützpunkte zu
je einem Drittel durch Pflegekassen,
Krankenkassen und Kommunen.
Zwar wurde von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums und der Regierungsfraktionen zugesagt, die Ergebnisse der Bund-Länder Arbeitsgruppe im
Rahmen des 2. Pflegestärkungsgesetzes
(PSG II) ins SGB XI zu integrieren, allerdings sieht der Referentenentwurf des
PSG II dies angesichts der ansonsten
eintretenden Zustimmungsnotwendigkeit des Bundesrates nicht vor. Der Gemeindetag Baden-Württemberg wird
sich deshalb nochmals dafür einsetzen,
dass die Ergebnisse in das PSG II Einfluss finden.
Weiterentwicklung
der Pflegestützpunkte
in Baden-Württemberg
Mit dem Aufbau von 48 Pflegestützpunkten ist es in Baden-Württemberg in
den vergangenen Jahren gelungen, ein
funktionsfähiges Angebot zur Auskunft
und Beratung, Koordinierung und Vernetzung nach § 92c SGB XI einzurichten. Im nächsten Schritt geht es nun
darum, die Pflegestützpunkte zu konsolidieren und weiterzuentwickeln sowie
die noch vorhandenen Lücken zu schließen. Zunächst sollte in jedem Stadt- und
Landkreis mindestens ein Pflegestützpunkt bestehen und finanziert werden.
Dies ist in 42 von 44 Stadt- und Landkreisen bereits geschehen. Es zeigt sich
jedoch, dass gerade in Landkreisen mit
großer Fläche die Wege zu den Beratungsangeboten der Pflegestützpunkte
für eine Vielzahl der Einwohner zu weit
ist. So gab es schon ursprünglich eine
Planung, in Baden-Württemberg deutlich mehr als nur 50 Pflegestützpunkte
einzurichten.
Auch die Evaluation der Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg durch
das Kuratorium Deutsche Altershilfe
(KDA) zeigte, dass es noch nicht gelungen ist, eine Beratungsinfrastruktur zu
schaffen, die flächendeckend eine
wohnortnahe und neutrale Beratung
sicherstellt. Zur Anzahl der Pflegestützpunkte innerhalb der Stadt- und
Landkreise ist jedoch keine bestimmte
Zielgröße vorgegeben. Maßgebend für
den Ausbau sollen nach den „Anforderungen für die Weiterentwicklung der
Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg“ insbesondere der Bedarf und die
Nachfrage nach Beratungsleistungen
sein.
Zwischenzeitlich haben zwölf Vorgespräche mit Stadt- und Landkreisen
stattgefunden, die einen Antrag auf einen oder mehrere zusätzliche Pflegestützpunkte gestellt haben. Bei den Vorgesprächen zeigte sich allerdings, dass
der in den „Anforderungen“ beschriebene bedarfsorientierte Ansatz bei der
Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte im Fachausschuss der LAG unterschiedlich interpretiert wird. Die Vertreter der Kranken- und Pflegekassen
sehen die Beratungsleistung der Pflegestützpunkte im Vordergrund, die Auf­
gabenfelder Koordination und Ver­
netzung spielen keine Rolle. Sie fließen
nicht in die Berechnung der Auslastung
ein. Die kommunale Seite betrachtet alle drei in § 92c SGB XI genannten Bereiche als gleich wichtig und will dies bei
der Beurteilung der Anträge entsprechend berücksichtigt wissen.
Daher konnten sich die Landesverbände der Pflege- und Krankenkassen und
die kommunalen Landesverbände bisher nicht über einen weiteren Ausbau
der Pflegestützpunkte im Land verständigen. Der Gemeindetag BadenWürttemberg wird sich auch weiterhin
mit Nachdruck für einen bedarfsgerechten, flächendeckenden und wohnortnahen Ausbau der Pflegestützpunkte einsetzen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Wohn-/Teilhabe- und
Pflegegesetz – WTPG
Am 31. Mai 2014 ist das neue „Gesetz
für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege“ (WTPG) in Kraft getreten. Es löst das alte Landesheimgesetz ab und gibt neue Antworten auf
die gesellschaftlichen Herausforderungen sowie die gewandelten Erwartungen und Bedürfnisse von Menschen
mit Pflege- und Unterstützungsbedarf.
Während das alte Heimgesetz nur die
Alternative „Pflegeheim“ oder „Häuslichkeit“ kannte, fördert und ermöglicht das neue Gesetz eine Vielfalt von
Wohn- und Versorgungsformen zwischen der Pflege zu Hause und stationären Einrichtungen.
Mit dieser Neuausrichtung des Anwendungsbereichs wird einerseits dem
Wunsch der Menschen mit Unterstützungsbedarf Rechnung getragen, so lange und so selbstbestimmt wie möglich
in einer vertrauten, an der Normalität
ausgerichteten und möglichst wenig
fremdgesteuerten Umgebung leben zu
können. Andererseits sollen der notwendige Schutz sichergestellt und Möglichkeiten geschaffen werden, neue Betreuungs- und Wohnformen konzeptionell zu fördern.
wirtschaftlichen Betrieb einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft.
Nach intensivem Einsatz konnte zumindest erreicht werden, dass der finale Gesetzestext die Formulierung „in
der Regel“ enthält. Es bleibt somit zu
hoffen, dass die Heimaufsichten den
ihnen nun eingeräumten Spielraum
praxisgerecht auslegen, um flexible
Einzelfalllösungen zu ermöglichen und
damit ambulant betreute Wohngemeinschaften zu fördern und zu unterstützen.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes muss
nun eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit und Angebotsberatung betrieben werden. Viele Initiativen und
Interessenten stehen mit der Gründung
ambulant betreuter Wohnformen bereits in den Startlöchern.
Der Gemeindetag hatte deshalb gegenüber dem Sozialministerium BadenWürttemberg mehrfach darauf hingewiesen, dass die geplante Fachstelle für
ambulant unterstützte Wohnformen
schnellstmöglich etabliert werden muss.
Ende Oktober 2014 verkündete die Sozialministerin, dass die Fachstelle ihre Arbeit zum 1. November 2014 aufnehmen
wird. Seitdem werden bei dieser Stelle
Erfahrungen aus der täglichen kommunalen Praxis gebündelt und im Rahmen
eines Wissenstransfers an andere Interessenten weitergegeben. Sie ist beim Kommunalverband für Jugend und Soziales
(KVJS) angesiedelt und zunächst auf zwei
Jahre befristet. Neben Beratung von interessierten Städten und Gemeinden stellt
die Fachstelle auch Informationsmaterialien zur Verfügung und entwickelt ein
Schulungskonzept für Multiplikatoren.
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens
hat sich der Gemeindetag Baden-Württemberg mehrfach für die Anregungen
aus den Mitgliedsstädten und -gemeinden eingesetzt. Besonders die Festlegung der Obergrenze auf 12 Bewohner
in ambulant betreuten Wohngemeinschaften war ein Anliegen vieler Mitgliedskommunen, die der Gemeindetag im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt eingebracht hat.
So konnten wir erreichen, dass die Landesregierung von ihrem ursprünglichen Vorhaben, die Obergrenze auf 8
Bewohner festzulegen, abgerückt ist.
Zwar ist die Zahl 12 nun gesetzlich verankert, allerdings sind damit hohe
Hürden verbunden. Vor allem die Voraussetzung, dass jeder Bewohnerin und
jedem Bewohner ein Einzelzimmer mit
zugeordnetem Sanitärbereich zur Verfügung stehen soll, erschwert einen
Gemeindetag Baden-Württemberg
909
Geschäftsbericht
Hausärztliche Versorgung
in Baden-Württemberg
Die Sicherung der Grundversorgung
stellt im niedergelassenen hausärzt­
lichen Bereich – gerade im ländlichen
Raum – eine zunehmend anwachsende
Problematik dar. Schon heute gibt es,
trotz großer kommunaler Anstrengungen, in 172 Städten und Gemeinden in
unserem Bundesland keinen niedergelassenen Hausarzt mehr. In weiteren
198 Städten und Gemeinden beträgt der
Versorgungsgrad unter Berücksichtigung aller Hausärzte weniger als 75 Prozent. Auch in naher Zukunft ist mit einem weiteren Rückgang zu rechnen.
Perspektivisch geht das Land – gestützt
auf eine Prognose der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) – in den nächsten Jahren von einem weiteren Rückgang der
niedergelassenen Hausärzte in der Größenordnung von 500 bis 1.000 Arztpraxen aus.
Die für die Sicherstellung der ärztlichen
Versorgung zuständige KVBW sowie die
Krankenkassen (gemäß § 72 SGB V), sehen allerdings weniger sich selbst in der
Pflicht, stattdessen sollen nach dortiger
Ansicht die Kommunen als Lücken­
büßer in die Bresche springen.
BWGZ 19 | 2015
Der Landesvorstand des Gemeindetags
Baden-Württemberg hat deshalb im
Rahmen seiner Klausurtagung am 24.
und 25. September 2014 in Bad Wildbad
das Thema der Sicherstellung einer flächendeckenden, hausärztlichen Versorgung in Baden-Württemberg sehr intensiv beraten.
Am Ende dieser Beratungen wurde folgender Beschluss gefasst:
1.Der Gemeindetag misst der Sicherstellung einer flächendeckenden
ärztlichen Versorgung höchste Bedeutung bei. Er fordert daher die Einführung eines Rechtsanspruchs für
eigenständige Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg auf mindestens einen niedergelassenen
Hausarztsitz.
2. Auf dem Weg zur Realisierung dieses
Anspruchs fordert der Gemeindetag
zum Zwecke einer homogenen und
stabilen medizinischen Versorgung
die Festlegung einer abweichenden
Raumgliederung nach § 99 Absatz 1
Satz 3 SGB V. So sollen auf dieser
Grundlage die Planungsbereiche gemeindescharf bemessen werden.
3. Der Mindestbedarf an Hausarztsitzen
einer Gemeinde ergibt sich aus der
Verhältniszahl nach der Bedarfsplanungsrichtlinie zur hausärztlichen
Versorgung. Nach dieser soll je 1.671
Einwohner eine Hausarztpraxis vorgehalten werden.
4. Der Gemeindetag erachtet angesichts
der hohen Priorität der Gesundheitsversorgung für die Bürgerinnen und
Bürger eine gesamtpolitische Diskussion zu diesem wichtigsten Element
der Daseinsvorsorge für dringend geboten.
Foto: Andrea Damm/PIXELIO
5. Zur Eröffnung dieser politischen Diskussion wird das Positionspapier
„Hausarztversorgung in Baden-Württemberg“ verabschiedet.
Im Rahmen einer Pressekonferenz und
durch das Positionspapier wurde die
Forderung nach dem Rechtsanspruch
auf einen Hausarzt dann in die öffent­
910
liche Diskussion gegeben. Es wurde
schnell klar, dass der Gemeindetag Baden-Württemberg damit eine über die
Landesgrenzen hinausreichende Wahrnehmung erreichen konnte.
Die weit überwiegende Zahl der Pressereaktionen wie auch zahlreiche Rückmeldungen aus der Mitgliederschaft
machten deutlich, dass der Gemeindetag mit einer solch klaren Positionierung bei diesem zentralen Thema den
Finger in eine zunehmend klaffende
Wunde gelegt hat.
An dieser Stelle sei deshalb nochmals
darauf hingewiesen, dass auf Grundlage
der geltenden Bemessungssystematik
sich allein schon durch die gemeindescharfe Ausweisung der Versorgungsgebiete im hausärztlichen Bereich und
damit im Kernbereich der medizinischen Daseinsvorsorge eine Garantie
auf einen Hausarztsitz je 1.671 Einwohner ergäbe (= Rechtsanspruch). Diese
Änderung der Planungsbereiche liegt in
der Entscheidungskompetenz der KV
Baden-Württemberg.
Vor diesem Hintergrund hat zwischenzeitlich auch der DStGB die Forderung
aufgegriffen und in sein Positionspapier
„Ärztliche Versorgung flächendeckend
sicherstellen“ aufgenommen.
Es ist daher festzustellen, dass es dem
Gemeindetag durch den pointierten
Aufschlag mit der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Hausarztsitz gelungen ist, die angestrebte
gesamtpolitische Diskussion anzustoßen und damit das Thema Gesundheitsversorgung wieder in den Blickpunkt zu
rücken.
Entwicklung der Gespräche
mit der kassenärztlichen Vereinigung
Baden-Württemberg
Der Gemeindetag hat seitdem weitere
Gespräche vor allem mit der kassenärztlichen Vereinigung geführt, um auf eine
schnelle Lösung des Hausärztemangels
hinzuwirken. Ziel dieser Gespräche war
es, die Raumschaften in Baden-Württemberg zu identifizieren, die den größten Handlungsbedarf bei der Ansiede-
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
lung eines Hausarztes haben. Die beiden Gesprächspartner einigten sich
über die Durchführung einer landes­
weiten, gemeindescharfen Situations­
analyse mit folgenden Prüfungsschritten:
1.Liegt eine vermutete Versorgungslücke im hausärztlichen Bereich vor?
(Verhältniszahl ist in Kommune nicht
erreicht, d.h. der Versorgungsgrad unter Berücksichtigung aller Hausärzte
beträgt weniger als 75 Prozent).
2.Ist eine Zulassungsmöglichkeit gegeben?
3. Algorithmus der Kassenärztliche Vereinigung: Verhältnis der Ärzte über
63 Jahre in der Raumschaft zu den
Ärzten insgesamt bezogen auf die
Einwohnerzahl in der Raumschaft.
4.Bestätigt die raumschaftsbezogene
Situation die vermutete Versorgungslücke?
5.Prüfung der Förderungswürdigkeit
anhand einer Ergebnisliste.
Zwischen den Gesprächsteilnehmern
bestand Einigkeit, dass es nach Durchführung der Situationsanalyse einer
gemeinsamen Anstrengung bedarf, um
in den Raumschaften mit dem größten
Handlungsbedarf auch erfolgreich die
Ansiedlung von Hausärzten realisieren
zu können. Die Kommunen erkennen
dabei ihre Aufgabe insbesondere darin,
die örtlichen Rahmenbedingungen so
zu gestalten, um die Attraktivität für
interessierte Mediziner passgenau zu
optimieren. Hier können das Angebot
von bedarfsgerechten Kinderbetreuungsplätzen, die Unterstützung des
Ehepartners des Mediziners bei der
Stellensuche oder aber die Bereitstellung moderner Praxisräumlichkeiten
zu angemessenen Mietpreisen beispielhafte Maßnahmen sein.
Zudem finden – auch motiviert durch
den Vorstoß des Gemeindetags – in drei
Landkreisen aktuell Vor-Ort-Dialoge
statt, in denen konkret die Umsetzung
kleinerer Versorgungsgebiete erörtert
wird. Die Moderation wird seitens des
Sozialministeriums übernommen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Das Ergebnis dieser Vor-Ort-Gespräche,
in deren Rahmen insbesondere die örtlichen kommunalen Vertreter eine bedeutende Rolle spielen, soll dann Eingang in den Sektorenübergreifenden
Landesbeirat finden. Es zeichnet sich
ab, dass in allen Regionen ein klarer
Bedarf für eine kleinteiligere Bedarfs­
­
planung gesehen wird.
Modelle für zukunftsfähige
Hausarztstrukturen
Um möglichst zukunftsfähige Versorgungsstrukturen zu etablieren, müssen
bei der Vergabe gegebenenfalls zum
Einsatz kommende Fördermittel die
Vorstellungen der kommenden Generation der Hausärzte zu deren Berufsbild und den angestrebten Niederlassungsformen berücksichtigt werden.
Dabei ist festzustellen, dass es künftig
neben der sicher weiterhin stark verbreiteten Einzelpraxis vermehrt auch
Gemeinschaftspraxen geben wird. Gerade in ländlicheren Regionen können
Gemeinschaftspraxen, die über Hausbesuche, Außensprechtage und Zweigpraxen die Flächendeckung sichern,
die Chancen einer Arztansiedlung erhöhen. Sollte es zum Einsatz finanzieller Anreize kommen, so sollten bewusst
verschiedene Niederlassungsformen
gefördert werden.
Beispielhaft werden den unterversorgten Kommunen hierzu verschiedene
Niederlassungsformen als Handlungsoption vorgeschlagen (vgl. Tabelle). Gerade bei den Gemeinschaftspraxen ist
ausdrücklich auch eine interkommunale Kooperation denkbar und unterstützenswert.
Kommunale Landesverbände
kooperieren mit der Perspektive
Hausarzt BW und gründen gemein­
sames Aktionsforum zur Stärkung
der hausärztlichen Versorgung
Die kommunalen Landesverbände in
Baden-Württemberg, Gemeindetag,
Städtetag und Landkreistag, haben am
7. Mai 2015 gemeinsam mit der Initiative
Perspektive Hausarzt BW ein Aktionsforum zur gezielten Unterstützung der
hausärztlichen Versorgung gegründet.
Neben dem regelmäßigen Austausch unter den Partnern sollen gemeinsame Aktionen entwickelt werden, die BadenWürttemberg bei dem hausärztlichen
Nachwuchs attraktiv machen. Das Ziel
des neuen Bündnisses ist es, alle Akteure
an einen Tisch zu bringen.
Mit konzertierten Maßnahmen soll im
Rahmen des Aktionsforums für die Attraktivität von Baden-Württemberg gearbeitet werden. Im Herbst 2015 werden
die ersten Sitzungen des Aktionsforums
stattfinden und auch die Planungen für
eine mehrtätige Veranstaltung für Medizinstudierende und Ärzte in Weiterbildung erfolgen.
911
Geschäftsbericht
Gesetz zur Stärkung
der sektorenübergreifenden
Zusammenarbeit und
Vernetzung aller Beteiligten
des Gesundheitswesens
in Baden-Württemberg –
Landesgesundheitsgesetz (LGG)
Ziel des Gesetzentwurfes, dem das Kabinett am 21. Juli 2015 zugestimmt
hat, ist es, eine tragfähige gesetzliche
Grundlage für die Weiterentwicklung
des Gesundheitswesens in BadenWürttemberg zu schaffen. Als inhalt­
licher Anhaltspunkt und Auftrag für
die Ausgestaltung der Gesundheitspolitik in Baden-Württemberg soll das Gesundheitsleitbild dienen. Unter Beachtung der bundes- und landesrecht­
lichen Kompetenzordnung und der
gesetzlichen Verantwortung der jeweiligen Gewährleistungsträger für die
verschiedenen Versorgungsbereiche
werden neue und bewährte Dialogund Arbeitsformen, nämlich die Gesundheitskonferenzen auf Landes- und
Kreisebene sowie der Sektorenübergreifende Landesausschuss (nach § 90a des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch –
SGB V) und ein Landesausschuss für
Gesundheitsförderung und Prävention
auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Gesetzlich geregelt werden die Arbeitsweise, Zuständigkeit, Interaktion und
Vernetzung dieser Beteiligungsgremien.
Hierdurch wird das Zusammenwirken
von Landes- und kommunaler Ebene
im Bereich des Gesundheitswesens gestärkt und die sektorenübergreifende
Zusammenarbeit intensiviert. Bürgerinnen und Bürger sollen in den gesamten Weiterentwicklungsprozess (Stichwort „Gesundheitsdialog“) frühzeitig
einbezogen werden.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg, der ebenfalls zum Gesetzentwurf
Stellung genommen hat, begrüßt die
mit dem Gesetz verbundene bessere
Einbindung der Kommunen in das
baden-württembergische Gesundheitswesen. Bedauerlich ist allerdings,
dass vor allem eine sektorenübergreifende Versorgung auch zwischen den
Bereichen Gesundheit und Pflege
durch den Entwurf unberücksichtigt
bleibt. Ebenso hätte sich der Gemein-
912
BWGZ 19 | 2015
detag gewünscht, dass das Land gesetzlich verpflichtet wird, die kommunale Ebene einzubinden, bevor es am
Landesausschuss der Krankenkassen
und Vertragsärzte teilnimmt. Dadurch
wäre eine weitere deutliche Stärkung
der Kommunen im Gesundheitswesen
einhergegangen. Darüber hinaus werden zwar die kommunalen Gesundheitskonferenzen zu Pflichtaufgaben
für die Stadt- und Landkreise erklärt,
allerdings ohne dass eine entsprechende Refinanzierung durch das
Land Baden-Württemberg erfolgt.
Gesetz zur Verbesserung
von Chancengleichheit und
Teilhabe – Partizipations- und
Integrationsgesetz (PartIntG)
4.Die Schulen werden zur Unterstützung von Eltern, insbesondere auch
solchen mit Migrationshintergrund,
bei der Wahrnehmung ihrer Elternrechte verpflichtet. Die Hochschulen
müssen künftig bei unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen für die
Aufnahme eines Studiums werben
und ebenso wie die Verfassten Studierendenschaften die Integration ausländischer Studierender fördern.
5.Beschäftigte muslimischen und alevitischen Glaubens können sich zur
Begehung ihrer wichtigsten religiösen Feiertage für den Besuch des Gottesdienstes vom Dienst oder von der
Arbeit unter bestimmten Voraussetzungen freistellen lassen.
Bewertung
Die wesentlichen Inhalte des Entwurfs
eines Gesetzes zur Verbesserung von
Chancengleichheit und Teilhabe –
Partizipations- und Integrationsgesetz
(PartIntG), der am 21. Juni 2015 vom
Ministerrat beschlossen und danach zur
Anhörung freigegeben wurde, sind:
1.Das Gesetz definiert die Ziele und
Aufgaben des Landes hinsichtlich der
interkulturellen Öffnung. Die Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund in besonders sensiblen Bereichen (Unterbringung, Justizvollzug, Maßregelvollzug) müssen
berücksichtigt werden.
2.Die Landesregierung stärkt die Inte­
grationsstrukturen: Auf kommunaler
Ebene stellt sie für kommunale Integrationsausschüsse und -räte sowie
Integrationsbeauftragte gesetzliche
Leitbilder dar. Auf Ebene des Landes
wird ein Landesbeirat für Integration
vorgesehen und die Zusammenarbeit
mit dem Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen geregelt. Die Landesregierung wird verpflichtet, dem Landtag alle fünf Jahre
über den Stand der Integration in
Baden-Württemberg zu berichten.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
steht hinter dem grundsätzlichen Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs,
die rund 27 Prozent der 10,6 Mio. Einwohner Baden-Württembergs mit Migrationshintergrund am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Für die
Einrichtung bestimmter Integrationsorgane stellt das Gesetz den Städten und
Gemeinden keine zwingenden Verpflichtungen vor. Es bleibt somit den
Städten und Gemeinden selbst überlassen, ob sie entsprechende Einrichtungen für Menschen mit Migrationshintergrund schaffen. Dies begrüßen wir
ausdrücklich.
Sollte eine Gemeinde jedoch die Einrichtung eines Ausschusses, eines Beirats oder Ähnliches für erforderlich halten, dann werden die Zusammensetzung und das Verfahren der einzelnen
Gremien sehr detailliert geregelt. Die
Gemeinde wird damit sehr weitgehend
in ihrer verfassungsrechtlich garantierten Kompetenz, ihre inneren Angelegenheiten passgenau nach den örtlichen Gegebenheiten selbst zu bestimmen, eingeschränkt. Der Gemeindetag
kann daher den Gesetzentwurf in dieser
Tragweite nicht befürworten.
3.Menschen mit Migrationshintergrund sollen in Gremien, auf deren
Besetzung das Land Einfluss nehmen
kann, angemessen vertreten sein.
Gemeindetag Baden-Württemberg
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Geschäftsbericht
Aktuelle Situation
der Flüchtlingshilfe
in Baden-Württemberg
Die Krisen im Nahen und Mittleren Osten und die Bürgerkriege im Norden
Afrikas aber auch wirtschaftliche Beweggründe führen weltweit zu einem
erheblichen Anstieg der Zahl an Menschen auf der Flucht. Auch in Deutschland hat sich die Zahl der ankommenden Flüchtlinge und Asylbewerber gravierend erhöht. Für das Jahr 2015 muss
nach der aktualisierten Prognose (Stand
August 2015) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von
800.000 Menschen ausgegangen werden, die asylsuchend in die Bundesrepublik kommen. Nach einem auf Bundesebene festgelegten Verteilungsschlüssel
werden von diesen Menschen 12,97
Prozent auf Baden-Württemberg verteilt. Ging man Anfang des Jahres von
etwa 52.000 Flüchtlingen aus, die 2015
im Südwesten ankommen, bewegt sich
die aktuelle Erwartung bei rund 100.000
Menschen. Damit ist eine Dimension
erreicht, deren Unterbringung, Begleitung und Versorgung alle Beteiligten
vor außerordentliche Herausforderungen stellen wird.
Städte und Gemeinden stehen
zu ihrer humanitären Verantwortung
Es ist den Städten und Gemeinden ein
großes Anliegen, in einem gemeinsamen Schulterschluss mit allen sonstigen
Akteuren diese humanitäre Aufgabe im
Sinne der bei uns ankommenden hilfebedürftigen Menschen zu bewältigen.
Um dies zu gewährleisten, werden auf
kommunaler Ebene größte Anstrengungen unternommen. Nur auf diese Weise
konnte es gelingen, in der breiten Mitte
der Gesellschaft eine bemerkenswert
positive und hilfsbereite Grundstimmung zu schaffen und bisher auch zu
erhalten.
Nicht zuletzt können wir daher zum
heutigen Tage feststellen, dass es in Baden-Württemberg trotz zwischenzeitlich zu überwindender Hürden mit großem Erfolg gelungen ist, die 26.000
Menschen, die im Jahr 2014 hilfe­
914
BWGZ 19 | 2015
suchend bei uns angekommenen sind,
gut unterzubringen und zu versorgen.
Die Städte und Gemeinden haben maßgeblich dazu beigetragen, diesen Zustrom von auf der Flucht befindlichen
Menschen auf dem Niveau eines Zehnjahreshochs zu bewältigen.
Dieser Erfolg darf jedoch nicht darüber
hinweg täuschen, dass der weiter steigende Flüchtlingszustrom alle gesellschaftlichen Akteure in Zukunft noch in
viel größerem Maße fordern wird, als
dies im Jahr 2014 der Fall war. Daher
müssen auch die Fluchtursachen verstärkt in den Blick genommen und
durch gezielte Unterstützung der (insbesondere sicheren) Herkunftsländer der
Flüchtlinge behoben werden.
Die Arten der Unterbringung
Die Unterbringung von Asylbewerbern
und Flüchtlingen gliedert sich in drei
verschiedene Phasen:
1. Landeserstaufnahme
In dieser werden die ankommenden
Menschen nach dem so genannten Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer
verteilt, in denen sie in die Landeserstaufnahmestellen (LEA) aufgenommen werden. In Baden-Württemberg gibt es solche Erstaufnahmestellen aktuell in Karlsruhe, Meßstetten und Ellwangen.
2. Vorläufige Unterbringung
Aus den Erstaufnahmestellen werden
die Asylbewerber und Asylfolgeantragsteller dann nach einem an der Einwohnerzahl orientierten Schlüssel auf
die Stadt- und Landkreise zur vorläufigen Unterbringung zugewiesen (§ 1
DVO FlüAG). Die Kreise haben die
Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften bzw. in Wohnungen unterzubringen (§ 8 FlüAG). Die Unterkünfte
hat der Landkreis zu errichten, zu verwalten und zu betreiben.
3. Anschlussunterbringung
Die Asylbewerber und Asylfolgeantragsteller verlassen die vorläufige Unterbringung mit Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Asylantrag oder den
Folgeantrag (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 FlüAG).
Zudem endet der Aufenthalt in der vor-
läufigen Unterbringung auch mit Erteilung eines Aufnahmetitels oder 24 Monate nach der Aufnahme durch die untere Aufnahmebehörde (§ 9 Abs. 1 Nr. 3
und Nr. 4 FlüAG). Ist es den Asylbewerbern nicht möglich, eigenständig eine
Wohnung zu finden, sind die Städte
und Gemeinden verpflichtet, die Asylbewerber unterzubringen.
Kommunale Betroffenheit
Soweit zur Rechtstheorie und den gesetzlichen Rahmenvereinbarungen der Flüchtlingsunterbringung und -betreuung.
Denn in Ermangelung einer „eigenen“
Gemarkung liegt es auf der Hand, dass
sowohl Land als auch Landkreise die in
ihre Zuständigkeit fallenden Aufgaben
nur in Städten und Gemeinden erfüllen
können. Damit hat die Flüchtlingsversorgung und -betreuung bereits mit
dem Ankunftstag der Menschen in Baden-Württemberg einen unmittelbaren
kommunalen Bezug. Dies wird in vielfältiger Weise – insbesondere bei nachfolgend genannten kommunalen Aufgabenfeldern – deutlich:
−Bauleitplanung,
−Kinderbetreuung,
−Schule,
−Flüchtlingsbegleitung,
− Integrations-/ Sozialarbeit,
− Öffentliche Sicherheit,
− Gemeinde als Lebenswelt der Bürger.
Die Kommunen sind damit der zentrale
Anker in der Bewältigung dieser Auf­
gaben. Umso wichtiger ist es, dass sie
dabei auch als solcher von Bundes- und
Landesebene anerkannt und unterstützt
werden.
Aktuelle Situation erfordert ein
Gesamtkonzept für Flüchtlinge
Aktuell sind die verfügbaren Kapazitäten in den LEAs in Karlsruhe, Meßstetten und Ellwangen hoffnungslos überlastet. Es entstehen Zeltstädte und sonstige Behelfsunterkünfte. Aufgrund dieses Notstandes werden in großem
Umfang asylbegehrende Menschen ohne Identitätsklärung, ohne gesundheitliche Untersuchung und ohne Asyl­
antragstellung in die Stadt- und Land-
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
kreise verlegt. Dadurch fehlen den
Flüchtlingen nicht nur die für sämtliche
Behördengänge notwendigen Papiere
(Aufenthaltsgestattung), es kann zudem
auch kein Eintrag in das Ausländerzentralregister erfolgen. Dies bringt die Sicherheitsbehörden wie auch die Kommunen unverschuldet unter einen immensen Handlungsdruck. Die gegenwärtige Situation, gründend auf den
beschriebenen unkoordinierten Abläufen der Asylverfahren, wird angesichts
des weiteren Anstieges der Flüchtlingszahlen alle Beteiligten in absehbarer
Zeit überfordern.
Es wird daher von entscheidender Bedeutung sein, dass die von staatlicher
Seite bereits ergriffenen und noch zu
ergreifenden Maßnahmen zielgerichteter aufeinander abgestimmt werden. Es
braucht ein Gesamtkonzept für BadenWürttemberg und es braucht eine zen­
trale Verantwortlichkeit auf Landes­
ebene. Es muss sichergestellt werden,
dass die ergriffenen Einzelmaßnahmen
ineinandergreifen.
und damit knapp 300.000 Asylbewerber
in der vorläufigen Unterbringung ankommen. Herunter gerechnet auf Baden-Württemberg wären dies rund
39.000 Menschen. Aktuell werden jedoch nahezu 100 Prozent der ankommenden Flüchtlinge auf die Kommunen
weiterverteilt.
Bund und Länder müssen gewährleisten, dass nur die Menschen an die
Stadt- und Landkreise weiterverteilt
werden, die ein Anrecht auf Asyl in
Deutschland haben. Sowohl unter humanitären als auch unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten ist dies eine
unabdingbare Notwendigkeit, die von
staatlicher Seite sicherzustellen ist. Gerade auch die vielen ehrenamtlichen
Helferkreise vor Ort würden dadurch
eine dringend benötigte Entlastung erfahren. Für die Zeit bis zur Erreichung
dieses Zieles muss es zudem eine kurzfristige und zielgerichtete Nachbearbeitung der Asylanträge der bereits in die
vorläufige Unterbringung verlegten
Menschen geben.
Hierzu sind insbesondere folgende
Maßnahmen konkret zu ergreifen:
• Kurzfristige Erhöhung der Mitarbeiterzahl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Es müssen auch Abordnungen im Wege der
Amtshilfe erwogen werden.
• Vereinfachung/Pragmatisierung der
Asyl-Verfahrensabläufe.
• Konsequente Rückführung von Personen mit unbegründetem Antrag.
Hierzu muss auch das Personal an
den Verwaltungsgerichten weiter
aufgestockt werden.
• Verhinderung von Missbrauch des
deutschen Asylrechts. Bei Bedarf
Gesamtkonzept
Ein solches Gesamtkonzept muss
folgende Maßnahmen enthalten:
1. Beschleunigung der Verfahren
Asylverfahren müssen innerhalb von
drei Monaten durchgeführt werden und
die asylbegehrenden Menschen während dieser Zeit in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen verbleiben. Nach
der Statistik des Bundesinnenministeriums lag die durchschnittliche Anerkennungsquote bei den Asylanträgen bei
etwas über 35 Prozent. Hinzu kommen
1,4 Prozent der Asylbewerber, bei denen
sonstige Schutzgründe anerkannt wurden. Rund 38 Prozent wurden abgelehnt, gut 25 Prozent anderweitig er­
ledigt (z.B. Antragsrücknahme, DublinVerfahren).
Diese Quoten und die neue BAMF-Prognose von 800.000 Flüchtlingen im Jahr
2015 unterstellt, würden damit – sollte
tatsächlich nur eine Weiterverteilung
der Personen mit Bleiberecht auf die
Kommunen erfolgen – rund 37 Prozent
Gemeindetag Baden-Württemberg
915
Geschäftsbericht
•
•
•
•
müssen auch notwendige Rechtsänderungen vorgenommen werden.
Ausweitung der Kapazitäten in der
Landeserstaufnahme auf das zur
Zielerreichung notwendige Maß.
Keine Weiterverteilung der asylbegehrenden Menschen ohne gesundheitliche Untersuchung und notwendige Impfungen.
Prüfung einer nochmaligen Erweiterung der sicheren Drittstaaten und
ggf. Einführung einer Visumspflicht
für Balkanstaaten.
Streichung/Kürzung des Taschengeldes für Asylbegehrende aus den sicheren Herkunftsstaaten.
2. Unterstützung der Kommunen
Auch mit einer solchen Beschleunigung der Verfahren wird sich die Zahl
der Menschen, die in den Kreisen und
Gemeinden ankommen werden, auf
absehbare Zeit noch deutlich erhöhen.
Allein die Frage nach einer menschenwürdigen Unterbringung stellt die
kommunalpolitischen Akteure bereits
vor eine außerordentliche Aufgabe. Immense Investitionsmittel, die in der
mittelfristigen Planung der kommunalen Haushalte in aller Regel noch gar
nicht vorgesehen waren, müssen aufgewandt werden. Zugleich bedarf es
einer sensiblen Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, um den sozialen
Frieden vor Ort nicht zu gefährden.
Doch selbst wenn die Kommunen damit bereits eine Herkulesaufgabe zu bewältigen haben, so ist das allenfalls der
erste Schritt hin zu einer erfolgreichen
Integration der anerkannten Asylbewerber. Denn letztlich kann Integration nur gelingen, wenn die in den Städten und Gemeinden ankommenden
Menschen frühzeitig am gesellschaft­
lichen und wirtschaftlichen Leben vor
Ort teilnehmen.
Ein hohes Maß an öffentlicher Unterstützung muss daher auf eine zielgerichtete Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet
werden. Die Beteiligung der ehrenamtlichen Kräfte vor Ort entfaltet dabei eine zusätzliche Integrationswirkung,
doch auch diese muss gut organisiert
und begleitet sein. Maßgeblich für die
ersten Wochen wird daher neben einer
916
BWGZ 19 | 2015
ehrenamtlichen Unterstützung auch
die professionelle soziale Begleitung der
Asylbewerber sein. Hierzu könnte ein
neues Berufsbild „Flüchtlingsmanager“
etabliert werden.
Folgende Maßnahmen sind daher zu ergreifen:
• Dauerhafte Erhöhung des Landesförderprogramms „Wohnraum für
Flüchtlinge“ analog zur Entwicklung
der Flüchtlingszahlen.
• Punktuelle Entbindung von bau­
lichen Standards (Barrierefreiheit,
Mindestfläche, Dachbegrünung u.Ä.).
• Keine Ausweitung der Bürgerentscheide auf die Bauleitplanung. Der
verfügte Erlass zur Nutzungsänderung wird hier nicht ausreichen.
• Kostendeckende Erstattung der laufenden Kosten der Unterbringung
(Mieten, Nebenkosten).
• Kostendeckende Landeserstattungen
an die Stadt- und Landkreise.
• Staatliche Finanzierung der Flüchtlingssozialarbeit in der Anschlussunterbringung.
• Zielgenauere Ausrichtung der vielfältigen Förderprogramme für ehrenamtliche Flüchtlingshilfe. Die Städte
und Gemeinden müssen Adressat der
Förderprogramme sein.
• Etablierung eines Berufsbildes
„Flüchtlingsmanager“.
3.Sprachförderung und
Arbeitsmarktzugang
Schlüssel für eine erfolgreiche Integration sind neben der Schaffung einer angemessenen Unterbringung auch das Erlernen der deutschen Sprache, der frühzeitige Zugang zum Arbeitsmarkt und
die Vermittlung der in Deutschland
vorherrschenden Werte. Die Schaffung
des notwendigen Wohnraums kann,
unterstützt durch staatliche Finanzierung, in kommunaler Hoheit vorangetrieben werden.
Die Rahmenbedingungen für den
Sprach­erwerb wie auch für den Zugang
zum Arbeitsmarkt sind aber auf Landesbzw. Bundesebene zu regeln. So braucht
es einen möglichst niederschwelligen
Zugang zu Sprachkursen; die Integration darf nicht an der Zulassung zum
Sprachkurs scheitern. Zudem müssen
Wege zum Arbeitsmarkt eröffnet werden, die es zulassen, die Interessenlage
bereitwilliger Arbeitgeber zu berücksichtigen. Die Verkürzung des Arbeitsverbots auf drei Monate war hierzu eine
richtige und wichtige Weichenstellung.
Aber es sind weitere Maßnahmen erforderlich:
• Zielgerichtete Erfassung von Qualifikationen und Fähigkeiten der Flüchtlinge in der Erstaufnahme.
• Ausweitung der Integrations- und
Sprachkurse auf Menschen mit guter
Bleiberechtsperspektive und Geduldete.
• Schneller und einfacherer Zugang
zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
Gerade Praktika können hier eine
wichtige Einstiegsfunktion übernehmen.
• Gezielte Ausbildungsprogramme für
Sparten mit Fachkräftemangel.
4. Sicherstellung der Finanzierung
Durch eine angemessene Flüchtlingsversorgung und -betreuung dürfen keine zusätzlichen Belastungen für kommunale Haushalte entstehen. Die noch
immer vorherrschende positive Stimmung droht ansonsten sehr schnell zu
kippen, wenn die Kommunen geplante
Maßnahmen zum Beispiel für Kindergärten, Schulen oder Vereine aufgrund
der notwendigen Flüchtlingsfinanzierung zurückstellen oder ganz absetzen
müssen. Sowohl die Bundes- wie auch
die Landesregierung stehen in der Verantwortung, diese große Aufgabe nicht
am Geld scheitern zu lassen.
Hierzu sind folgende Maßnahmen
sicherzustellen:
• Bereitstellung eines Sonderhaushaltstopfes auf Bundes-/Länderebene
in zweistelliger Milliardenhöhe zur
Finanzierung der kommunalen Aufwendungen in der Flüchtlingsarbeit.
• Abwicklung der Gesundheitskosten
für bleibeberechtigte Asylbewerber
über eine Gesundheitskarte. Den
Ausgleich der Kosten gegenüber den
Krankenkassen übernimmt der Bund
direkt; es bedarf keiner Beteiligung
der kommunalen Ebene.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Flüchtlingsgipfel
Erste Sitzungen der Lenkungsgruppe haben bereits stattgefunden. Weitere Sitzungen werden innerhalb von kurzen
Zeitabständen folgen, um auf aktuelle
Herausforderungen und Problemstellungen gemeinsam schneller reagieren
zu können als bisher. Dennoch muss
das Land die Flüchtlingshilfe noch in
deutlich stärkerem Maße ganzheitlich
und vom gewünschten Ergebnis her
denken. Wie kann es gelingen, die Weiterverteilung auf die Stadt- und Landkreise auf die Flüchtlinge zu begrenzen,
die mit einem Anrecht auf Asyl nach
Baden-Württemberg kommen? Und
welche Rahmenbedingungen braucht
es, dass diese Menschen dann tatsächlich nach wenigen Jahren zu einem aktiven Bestandteil unserer Gesellschaft
und Volkswirtschaft werden können.
Der Gemeindetag wird im Rahmen der
Lenkungsgruppe die Beantwortung genau dieser Fragestellungen forcieren.
Denn wenn seitens des Landes darauf
keine schlüssigen Antworten gefunden
werden, dann droht in den Städten und
Gemeinden ein Stimmungswandel. Mit
dieser dringenden Bitte hat sich der Gemeindetag auch Ende August 2015 in
einem Brief an den Bundesinnenminister und auch an den Ministerpräsidenten Baden-Württembergs gewandt.
Durch die starke Zunahme der Zahl der
Flüchtlinge in den letzten Monaten
sind die Herausforderungen seit dem
ersten Flüchtlingsgipfel im Herbst vergangenen Jahres nochmals in einem
dramatischen Maße größer geworden.
Die Landesregierung hat angesichts der
zunehmenden Wortmeldungen, auch
des Gemeindetags Baden-Württemberg,
darüber, dass ein Kippen der Stimmung
drohe, am 27. Juli 2015 zu einem zweiten Flüchtlingsgipfel eingeladen.
Als Ergebnis wurde seitens des Landes
die Umsetzung eines Maßnahmenbündels verkündet. Darin wurden zwar einige der oben genannten Forderungen des
Gemeindetags von der Landesregierung
aufgegriffen, andere hingegen fanden
keine Erwähnung. Aus Sicht des Gemeindetags sind vor allem der Ausbau
der Kapazitäten der Landeserstaufnahmeeinrichtungen sowie die Einrichtung
einer Lenkungsgruppe für Flüchtlingsfragen mit Vertretern der Ministerien
sowie der kommunalen Landesverbände ausdrücklich zu begrüßen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Aufgrund der hohen Zahl an Flüchtlingen, die im Rahmen der Anschlussunterbringung auf kommunaler Ebene
untergebracht werden müssen, kommt
den damit einhergehenden organisationsrechtlichen, polizeirechtlichen und
gebührenrechtlichen Problemen zunehmend Bedeutung zu. Da die Unterbringung auf der (polizeirecht­
lichen)
Grundlage des Obdachlosenrechts erfolgt, kommt den satzungs- und gebührenrechtlichen Grundlagen der Unterkünfte wieder besondere Bedeutung zu.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
hat deshalb das letztmals im Jahr 1998
veröffentlichte Muster für eine Satzung
über die Benutzung von Obdachlosenund Flüchtlingsunterkünften überarbeitet und aktualisiert. Darüber hinaus
wurde zur Kalkulation der Benutzungsgebühren ein Kalkulationsbeispiel mit
Erläuterungen erarbeitet. Diese Unterlagen wurden zusammen mit einem
Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen zu steuerrechtlichen Billigkeitsmaßnahmen bei vorübergehender
Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern in Gt-INFO
19/2015 veröffentlicht.
Nach wie vor unbefriedigend bei der Unterbringung ist die Kostensituation. Weil
nach der Rechtsprechung die festgesetzten Gebührensätze für die Unterkunft
nicht wesentlich über der ortsüblichen
Vergleichsmiete liegen dürfen, ist nicht
auszuschließen, dass die Kommunen die
ihnen entstehenden Kosten nicht in vollem Umfang weitergeben können.
Foto: Rike/PIXELIO
Allerdings blieben beim 2. Flüchtlingsgipfel auch zahlreiche Fragen aus kommunaler Sicht offen. Zwar stellt das
Land für das Landesförderprogramm
„Wohnraum für Flüchtlinge“ im Jahr
2016 erneut 30 Mio. Euro zur Verfügung. Sowohl die stark gestiegenen Zugangszahlen an Flüchtlingen als auch
die Tatsache, dass die dieses Jahr zur
Verfügung stehenden 30 Mio. Euro bereits zur Jahresmitte ausgeschöpft gewesen sind, lassen den Schluss zu, dass die
zusätzlichen Mittel für 2016 keinesfalls
ausreichen werden. Ebenso hat das
Land keine weiteren Unterstützungsleistungen an die Städte und Gemeinden für die Anschlussunterbringung
zugesagt. Gerade im Bereich der Flüchtlingssozialarbeit als auch der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe konnten keine
Fortschritte erzielt werden. Hier wird
der Gemeindetag Baden-Württemberg
gegenüber der Landesregierung weiterhin mit Nachdruck darauf drängen, dass
die Städte und Gemeinden bei der Integration der Flüchtlinge vor Ort ebenfalls
verstärkt finanziell entlastet werden.
Unterbringung von Obdachlosen
und Flüchtlingen in kommunalen
Unterkünften
Auch sonstige Leistungsträger wie
Landratsämter bzw. die Arbeitsagentur
orientieren sich an „angemessenen Unterkunftskosten“, die in Anlehnung an
die ortsüblichen Vergleichsmieten definiert werden. Kommen auf die Kommunen vor dem Hintergrund des immer knapper werdenden Wohnungsangebots deutlich höhere Anmietungskosten zu, müssen sie damit rechnen,
auf einem Teil der Kosten „sitzen zu
bleiben“.
917
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Bürgerschaftliches Engagement
Seit jeher engagieren sich Bürgerinnen
und Bürger gemeinnützig in ihren Gemeinden. Die verschiedensten kommunalpolitisch relevanten Themen füllen
ehrenamtliche Helfer mit Leben. Die
Bedeutung des Bürgerschaftlichen Engagements für das Miteinander und den
Zusammenhalt vor Ort spielen im Alltag eine zentrale Rolle und sind auch
Grundlage für eine funktionierende
Bürgerbeteiligung. Auch politisch rückte die Bedeutung des bürgerschaftlichen
Engagements in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus.
Eine Mitgliedschaft im Gemeindenetzwerk BE steht allen Mitgliedern des
Gemeindetags offen. Ziel des Gemeindenetzwerks BE ist es, die Netzwerkmitglieder durch fachliche Beratung
bei der Verankerung des Bürgerschaft­
lichem Engagements innerhalb der
kommu­nalen Politik zu unterstützen
und neue Impulse für bürgerschaftlich
engagierte Projekte auf kommunaler
Ebene zu geben.
In Abstimmung mit dem Gemeindetag
Baden-Württemberg und dem Sozialministerium Baden-Württemberg finden
regelmäßig Fachveranstaltungen und
Informationsgespräche zu aktuellen
Themen rund um das Bürgerschaftliche
Engagement und die Beteiligung der
Bürger statt. Zusätzlich erhalten die
Netzwerkmitglieder fachliche Beratung
zu ihrem örtlichen Entwicklungsprozess
und den Fördermöglichkeiten.
Das Gemeindenetzwerk BE ist Teil des
Landesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement und entwickelt sich kontinuierlich weiter. Mittlerweile sind es über
165 Städte und Gemeinden, die ihre
918
Foto: Gemeinde Bad Boll
Um die Städte und Gemeinden im Prozess des Bürgerschaftlichen Engagements vor Ort individuell beraten und
unterstützen zu können, wurde vom
Gemeindetag Baden-Württemberg am
6. September 2001 unter Mitwirkung
und Förderung des Ministeriums für
­Arbeit und Sozialordnung, Familien und
Senioren das Gemeindenetzwerk Bürgerschaftliches Engagement gegründet.
Mitgliedschaft erklärt haben und aktive
Netzwerkpartner geworden sind. Der
gemeinsame Erfahrungsaustausch innerhalb des Netzwerks ist für die Netzwerkmitglieder ein wichtiger Informationsgewinn.
Das Gemeindenetzwerk BE berät die Gemeinden bei der Antragstellung und
Umsetzung von Projekten zum bürgerschaftlichen Engagement.
Derzeit laufen folgende
Förderprogramme:
Kommunale Entwicklungsbausteine
Förderung Bürgerschaftlichen Engagements in Städten und Gemeinden Baden-Württembergs mit bis zu 1500 Euro
zur Entwicklung Bürgerschaftlichen
­Engagements in der Gemeinde.
„MITTENDRIN –
Willkommen im Engagement“
Das Programm ermöglicht die Qualifizierung von Freiwilligen und deren anleitenden Fachkräfte, Anerkennung,
schriftliche Bescheinigung des Einsatzes
und finanzielle Unterstützung zur Realisierung neuer Ideen.
ECHT GUT –
Ehrenamtspreis des Landes
Die Landesregierung dankt Engagierten
für ihre Arbeit. Gleichzeitig soll diese
Anerkennung andere Menschen motivieren und auffordern, sich ebenfalls zu
engagieren.
Die Landesregierung vergibt mit Unterstützung der EnBW Energie BadenWürttemberg AG und den Sparkassen
im Land den Ehrenamtspreis ECHT
GUT! Die Gewinner erhalten Preisgelder
von bis zu 4.000 Euro für sich und ihre
Projekte. Der gesamte Wettbewerb steht
unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann
und wird von prominenten Paten unterstützt.
Förderprogramme
der Allianz für Beteiligung
Die Allianz für Beteiligung bietet drei
Projektförderprogramme, mit denen
Kommunen ihr Projekt im Bereich Jugendbeteiligung oder Beteiligung von
Personen aus anderen Kulturen in der
Gemeinde mit bis zu 6.000 Euro fördern lassen können. Darüber hinaus
gibt es ein Förderprogramm für Kom-
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
munen im ländlichen Raum, das zivilgesellschaftliche Organisationen für
ihre Bürgerbeteiligungsprojekte nutzen können.
Engagement Strategie
In Forschungs- und Entwicklungsteams
haben Experten und Expertinnen, Engagierte und Betroffene Empfehlungen
zur Weiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamts entwickelt. Die so entstandene
„Engagementstrategie Baden-Württemberg“ beinhaltet eine Vielzahl von Maßnahmen zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements unter anderem in den Bereichen
− Menschen mit Behinderung,
− Menschen mit Migrationshintergrund,
− Alter,
− Pflege,
− Jugend und Freiwilligendienste,
− Corporate Social Responsibility
(Unternehmerisches gesellschaftliches Engagement).
Im Rahmen der Umsetzung der Engagementstrategie wurden zu besonders
wichtig erscheinenden Handlungsfeldern Empfehlungen erarbeitet, die sich
an verschiedene Adressaten richten. Diese werden aus kommunaler Sicht zu prüfen sein. Die Landesregierung wird einen
Teil der an sie gerichteten Handlungsempfehlungen unmittelbar umsetzen.
Ein weiterer Teil der Empfehlungen soll
in Entwicklungsprojekten modellhaft erprobt werden. Teil der Engagementstrategie ist auch das Förderprojekt „Gemeinsam sind wir bunt“.
„Gemeinsam sind wir bunt“:
Lebensräume zu Engagement­
Räumen entwickeln
Ziel des Programms „Gemeinsam sind
wir bunt“ ist, dass aus unterschiedlichen Lebens- und Begegnungsräumen
Bewerbungen eingehen, die zum Ziel
haben, die Vielfalt der in ihnen lebenden Menschen für ein engagiertes Miteinander und Füreinander zu nutzen.
Sie entwickeln und fördern so ihren Lebens- und Begegnungsraum und schaffen in ihm eine ganz besondere, sozial
wirksame Gemeinschaft.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Gemeinsam in Vielfalt –
Lokale Bündnisse für Flüchtlingshilfe
Förderprogramm zur Unterstützung
des Bürgerschaftlichen Engagement für
und mit Flüchtlingen. Fördergegenstand sind lokale Bündnisse für Flüchtlingshilfe, die dem Engagement von
Flüchtlingen, der Gewinnung und der
Koordinierung des Engagements für
Flüchtlinge und insbesondere dem Zusammenwirken und der Vernetzung
der im Sozialraum agierenden Akteure
dienen. Netzwerke sollen auf- und ausgebaut werden. Die geförderten Projekte können eine fachliche Begleitung
durch die bei den kommunalen Lan-
desverbänden angesiedelten Fachberatungen der kommunalen Netzwerke
sowie Zuwendungen in Höhe von bis
zu 15.000 Euro erhalten. In einem
zweiten Schwerpunkt sind Qualifizierungsmaßnahmen für Engagierte vor
Ort geplant. Fortführung des Programms ist nicht ausgeschlossen.
Die angeführten Angebote sind nicht
abschließend, auf der Homepage des
Gemeindetags Baden-Württemberg stehen weitere Informationen.
www.gemeindetag-bw.de
www.gemeindenetzwerk-bw.de
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919
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Änderung
des Feuerwehrgesetzes (FwG)
werkerlösung durch landeseinheitliche
Pauschalsätze ersetzt werden soll.
Das Land Baden-Württemberg plant
noch in dieser Legislaturperiode – voraussichtlich noch in diesem Kalenderjahr – das Feuerwehrgesetz Baden-Württemberg zu ändern. Wie weit das Vorhaben gediegen ist und welche Reformen
im Einzelnen vollzogen werden sollen,
wird im Folgenden dargelegt.
Mit Schreiben vom 24.06.2015 hat das
Innenministerium die Änderung des
Feuerwehrgesetzes zur Anhörung freigegeben. Folgende Neuregelungen sind dabei vorgesehen, auf die in der gemeinsamen Stellungnahme des Gemeindetags
und des Städtetags Bezug genommen
wurde. Darüber wurde mit Gt-INFO
Nr. 753/2015 in der Druckausgabe vom
07.09.2015 berichtet.
Der Kostenersatz für die Einsätze der
Gemeindefeuerwehr nach § 34 FwG
stellte seit geraumer Zeit ein großes
Problem dar.
Seit Einführung der so genannten
Handwerkerlösung in § 34 Absatz 5 Satz
1 FwG für Feuerwehrfahrzeuge und -geräte war es der überwiegenden Mehrheit
der Kommunen im Land nicht möglich,
angemessene Kostenersätze zu erheben.
Dies ist maßgeblich darin begründet,
dass die neu kalkulierten Stundensätze
im Vergleich zu dem nach früherem
Recht festgesetzten Kostenersätzen drastisch reduziert werden mussten.
Die Schwierigkeit auf kommunaler Ebene ergab sich daraus, dass sich die Kostenkalkulation als sehr kompliziert und
aufwendig erwies. Dies folgte aus der
Tatsache, dass weder die Bemessung der
Kostenersätze nach Jahresstunden noch
die nach (örtlich auch noch sehr unterschiedlichen) Einsatzstunden zu einem
vertretbaren Ergebnis führte.
Aufgrund dieser unbefriedigenden Lage
hat sich eine Arbeitsgruppe auf maßgebliche Initiative und unter Beteiligung
von Vertretern des Gemeindetags und
des Städtetags mit Vertretern des Innenministeriums sowie des Feuerwehrverbands die Lösung dieser Problematik
zum Ziel gemacht.
Der Landesvorstand hat zur geplanten
Änderung des Feuerwehrgesetzes in der
Sitzung vom 22.04.2015 folgenden Beschluss gefasst: Der Landesvorstand
nimmt die vorgesehenen Änderungen
des Feuerwehrgesetzes Baden-Württemberg zur Kenntnis und begrüßt ausdrücklich die geplante Änderung des
§ 34 Absatz 6 FwG, wonach die Hand-
920
Stundensätze
Der neu vorgesehene § 34 Absatz 5 FwG
soll zu Stundensätzen führen, die den
Leistungen der Feuerwehr angemessen
sind.
In dem neuen § 34 Absatz 6 FwG ist die
Ermächtigung des Innenministeriums
enthalten, nach Maßgabe des Absatzes
5 Stundensätze für Feuerwehrfahrzeuge durch Rechtsverordnung festzusetzen. Dies ist besonders hervorzuheben,
da damit einem besonderen Anliegen
der im Vorfeld gegründeten Arbeitsgruppe Rechnung getragen wurde.
Auch wenn die Berechnungsmethode
nach § 34 Absatz 5 FwG deutlich vereinfacht wurde, wird an der Forderung
einer landeseinheitlichen Lösung festgehalten. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass möglichst noch im
Herbst eine entsprechende Rechtsverordnung mit landeseinheitlichen Pauschalsätzen für alle gängigen Feuerwehrfahrzeuge zu erlassen ist.
Neben den Änderungen bezüglich des
§ 34 FwG werden auch Möglichkeiten
eröffnet, zusätzliche Feuerwehrleute
aufzunehmen, die dann den so genannten eingeschränkten Dienst leisten. Zudem soll die bereits bestehende Möglichkeit der Aufnahme von Fachberatern um einen Personenkreis erweitert
werden, der in der Freiwilligen Feuerwehr nur einen bestimmten Teil des
Dienstes leisten kann/will. Ziel ist es,
damit eine gewisse Art von Flexibilität
zu ermöglichen.
Die dem Bürgermeister im Rahmen seiner Zuständigkeit für die organisatori-
sche Oberleitung (§ 27 Absatz 4) obliegenden Befugnisse, Überlandhilfe anzufordern und über Ersuchen um Überlandhilfe zu entscheiden, können nach
§ 53 Absatz 1 der Gemeindeordnung
nur auf Gemeindebedienstete übertragen werden; dies sind ehrenamtlich
tätige Feuerwehrangehörige nicht.
­
Wenn es die Schadensbekämpfung erfordert und die Entscheidung des Bürgermeisters oder eines von ihm beauftragten Gemeindebediensteten nicht
rechtzeitig eingeholt werden kann,
muss auch der ehrenamtlich tätige
Technische Einsatzleiter der Feuerwehr
unverzüglich selbst Überlandhilfe anfordern können. Dies sieht der neue­
§ 26 Absatz 1 Satz 3 FwG vor.
Vereinbarungen zwischen Gemeinden
und die Festlegung von Einsatzgebieten
für die Überlandhilfe durch die Aufsichtsbehörde nach § 22 Absatz 6 Satz 2
können vorsehen, dass Gemeindefeuerwehren regelmäßig im Wege der Überlandhilfe tätig werden. Dies ist häufig
auf Bundesautobahnen der Fall, wenn
anstelle der örtlich zuständigen Gemeinde, deren Feuerwehr keine direkte
Zufahrt hat, regelmäßig die Feuerwehr
tätig wird, die eine günstigere Zufahrtsmöglichkeit hat und damit schneller
Hilfe leisten kann. Die Hilfe leistende
Gemeinde soll künftig den Kostenersatz
nach § 34 FwG direkt beim Kostenersatzpflichtigen geltend machen und bei
Bedarf ihren Anspruch selbst durchsetzen können. Dadurch wird die örtlich
zuständige Gemeinde entlastet, deren
Feuerwehr vielfach am Einsatz nicht beteiligt war und die nach der geltenden
Rechtslage in diesem Fall allein bei der
Abwicklung des Kostenersatzes tätig
werden muss. Dies ergibt sich aus dem
neuen § 26 Absatz 2 Satz 2 FwG.
Außerhalb des Anhörungsentwurfs bittet das Innenministerium auch zum
Vorschlag des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg, § 16 Abs. 2
Feuerwehrgesetz neu zu fassen, um Stellungnahme.
Die dort vorgesehene „Ermächtigung“
für Gemeinden, den Angehörigen der
Gemeindefeuerwehr finanzielle Unterstützung zu gewähren, ändert an der
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Rechtslage nichts und hat lediglich deklatorische Bedeutung. Bereits heute
können die Gemeinden ihre Feuerwehrangehörigen unterstützen, sofern sie
dabei den Gleichheitsgrundsatz nach
Art. 3 des Grundgesetzes und den
Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit beachten.
Mit Schreiben vom 24.07.2015 hat uns
überdies das Innenministerium in Bezug auf die vereinfachte Festlegung von
Personalkosten bei Einsätzen der Feuerwehr, die nach der Novelle nicht über
die Gebührenverordnung des Landes
abrechenbar wären, zu einer Stellungnahme aufgefordert.
Bei den Hauptamtlichen Feuerwehren
hat das Ministerium zwei Vorschläge
unterbreitet. Zu beiden Vorschlägen ist
festzustellen, dass die Gehälter der
Hauptamtlichen Feuerwehrangehörigen aufgrund ihrer konkreten Einsatzzeiten nicht völlig deckungsgleich sind
mit den Endgrundgehältern der anderen Bediensteten des öffentlichen
Dienstes. Aus diesem Grunde ist die Berücksichtigung des auch vom Innenministerium vorgeschlagenen pauschalen
Zuschlages sowohl beim Modell A (jährliche Personalkosten auf der Basis der
monatlichen Endgrundgehälter) als
auch beim Modell B, das das Innenministerium alternativ unter Bezugnahme
auf den Rückgriff auf allgemein anerkannte Berechnungen vorschlägt, erforderlich.
lagen und sonstigen, den Feuerwehran­
gehörigen entstehenden Kosten. Durch
Satzung können Durchschnittswerte gebildet werden.“
Der letzte Satz des Entwurfs sollte gestrichen werden, da seine Umsetzung nicht
praktikabel ist und zu Ungleichbehandlungen bei den Ersatzpflichtigen führt.
Strategiepapier des Landesfeuerwehr­
verbandes Baden-Württemberg
„freiwillig.stark!“
Die Nachwuchsgewinnung innerhalb
der Freiwilligen Feuerwehren stellt eine
zunehmend anwachsende Problematik
dar. Durch das Strategiepapier möchte
der Landesfeuerwehrverband BadenWürttemberg die besondere Förderung
des Ehrenamtes bei der Freiwilligen
Feuerwehr unterstützen und so deren
Zukunftssicherung gewährleisten. Der
Gemeindetag Baden-Württemberg unterstützt ausdrücklich die oben genannte Zielsetzung. Allerdings darf
nicht verkannt werden, dass nicht alle
im Positionspapier genannten Maßnahmen rechtlich und tatsächlich umsetzbar sein dürften.
Das Positionspapier enthält einige Maßnahmen, die vorrangig die Gemeinden
in die Pflicht nehmen und deren Umsetzung in der geforderten Art und Weise nicht zu bewerkstelligen sein dürften.
So ist die Fortschreibung der feuerwehrspezifischen Satzungen nur dann als
sinnvoll anzusehen, wenn wesentliche
rechtliche Änderungen dies notwendig
machen.
Mit Blick auf die Leistungsfähigkeit von
insbesondere kleineren Gemeinden
sind einige Forderungen unverhältnismäßig (Feuerwehrrente, Vergünstigung
Hinsichtlich der ehrenamtlich tätigen
Einsatzkräfte besteht bei dem vorgeschlagenen Berechnungsmodell das
Problem, dass örtlich höchst unterschiedliche Konstellationen anzutreffen
sind. Ziel sollte deshalb eine weitgehende Pauschalierung des Kostenersatzes
sein. In das Gesetz sollte deshalb nach
unserer Ansicht eine allgemeine Kalkulationsformel aufgenommen werden
und auf eine Verweisung auf § 16 FwG
verzichtet werden:
Gemeindetag Baden-Württemberg
Foto: E. Kopp/PIXELIO
„Die Stundensätze für ehrenamtlich tätige
Einsatzkräfte setzen sich zusammen aus
der für den Einsatzdienst gewährten Entschädigung für Verdienstausfall und einen
Zuschlag für die Entschädigung der Aus­
921
Geschäftsbericht
bei Bankdarlehen, Urlaubsgutscheine
für Familie). Richtig ist zwar, dass sich
die Verpflichtung der Gemeinde zur
Aufstellung, Unterhaltung und Ausrüstung der Gemeindefeuerwehr an den
den Feuerwehren obliegenden Aufgaben und dem örtlichen Gefahrenpotenzial orientiert. Schon diese Aufgabenerfüllung bedeutet für die Städte und Gemeinden eine erhebliche finanzielle
Herausforderung.
Weiterhin muss beachtet werden, dass
die Grenzen zwischen den Angehörigen
der Freiwilligen Feuerwehr und hauptberuflich tätigen Feuerwehrangehörigen nicht verwischt werden darf. Die
Gemeinden müssen bei Maßnahmen
zur Förderung des Ehrenamtes recht­
liche Grenzen einhalten, wie zum Beispiel die Einhaltung des Gebotes der
Gleichbehandlung nach Art. 3 GG. Die
zusätzlichen Leistungen und Vergünstigungen dürfen den Charakter der Ehrenamtlichkeit nicht unterlaufen und
das Ehrenamt als solches nicht in Frage
stellen. Wesensmerkmal der Ehrenamtlichkeit ist und bleibt die Unentgeltlichkeit. Dieser Grundsatz muss bei der Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen
Berücksichtigung finden.
Aufgrund dessen spricht sich der Gemeindetag Baden-Württemberg für einen Dialog zwischen den Gemeinden
einerseits und dem Landesfeuerwehrverband aus. Das soll die Möglichkeit
schaffen, einen Konsens herbeizuführen, um einen praktikablen Umgang
mit den Forderungen aus dem Strategiepapier sowie einer guten Umsetzung
gewährleisten zu können.
In der Präsidiumssitzung des Gemeindetags vom 25.02.2015 wurde bezüglich des Strategiepapiers folgender Beschluss gefasst: Das Präsidium nimmt
das Positionspapier des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg
zur Kenntnis. Das Präsidium betont,
dass aus seiner Sicht das Wesensmerkmal der Ehrenamtlichkeit bei einer
Feuerwehr zwingend erkennbar bleiben muss. Der Bau- und Verkehrsausschuss wird beauftragt, sich vertieft mit
den Überlegungen des Landesfeuerwehrverbandes auseinanderzusetzen.
922
BWGZ 19 | 2015
Gegebenenfalls wäre eine gemeinsame
Arbeitsgruppe der kommunalen Landesverbände mit dem Landesfeuerwehrverband geeignet, eine praxisgerechte Empfehlung zu entwickeln.
Der Bau- und Verkehrsausschuss hat in
seiner Sitzung am 04.03.2015 zum
„Strategiepapier“ folgenden Beschluss
gefasst: Der Bau- und Verkehrsausschuss nimmt das Positionspapier des
Landesfeuerwehrverbandes BadenWürttemberg zur Kenntnis. Der Bauund Verkehrsausschuss betont, dass
aus seiner Sicht gewisse Forderungen
als rechtlich bedenklich einzustufen
sind und das Wesensmerkmal der Ehrenamtlichkeit bei einer Freiwilligen
Feuerwehr zwingend sein muss. Der
Bau- und Verkehrsausschuss spricht
sich zur weitergehenden Behandlung
der Thematik für die Gründung einer
Arbeitsgruppe aus. Diese besteht aus
Mitgliedern der kommunalen Landesverbände sowie des Landesfeuerwehrverbandes. Deren Ziel ist die Herausarbeitung einer praxisgerechten Empfehlung.
In einem Spitzengespräch zwischen Vertretern der kommunalen Landesverbände sowie dem Landesfeuerwehrverband
Baden-Württemberg am 20.07.2015
wurde die oben genannte Linie bestätigt, indem eine Arbeitsgruppe mit insgesamt 15 Vertretern gebildet wurde.
Das erste Arbeitstreffen soll noch im
Herbst dieses Jahres stattfinden.
Kostenersatz Feuerwehr
Im Zusammenhang mit der Novellierung des Feuerwehrgesetzes im Jahr
2010 wurde auch der Kostenersatz für
die Einsätze der Gemeindefeuerwehr
von Grund auf neu geregelt. Dabei
wurden die Kalkulationsgrundlagen
weitgehend in Anlehnung an die
Grundsätze des Benutzungsgebührenrechts ausgestaltet, wobei § 34 Abs. 5
Satz 4 FwG bestimmt, dass bei den Feuerwehrgeräten und -fahrzeugen die
Vorhaltekosten auf der Grundlage der
im gewerblichen Bereich üblichen Nutzungszeiten berechnet werden können
(sog. Handwerkerlösung). Diese Nut-
zungszeiten werden in der amtlichen
Begründung zum Gesetzentwurf mit
2000 Jahresstunden definiert.
Statt zu einer angemessenen Einnahmeverbesserung hat die Neuregelung
im Sinne der so genannte Handwerkerlösung in der Praxis überwiegend zu
drastisch reduzierten Stundensätzen
bei den Fahrzeugen und Geräten geführt, weil die Jahreseinsatzstunden
viel zu hoch festgesetzt worden sind.
Von kommunaler Seite wurde deshalb
seit Jahren gefordert, § 34 Abs. 5 FwG
so zu ändern, dass es den Kommunen
ermöglicht wird, wieder angemessene
Kostenersätze zu erheben.
Dieser Forderung wird nunmehr durch
einen Gesetzentwurf zur Änderung des
Feuerwehrgesetzes Rechnung getragen.
In § 34 werden die Berechnungsgrundlagen für die Stundensätze der Feuerwehrfahrzeuge und Einsatzkräfte neu
gefasst. Die Berechnungsmethode wird
nicht nur deutlich vereinfacht, es wird
auch sichergestellt, dass künftig wieder
angemessene Stundensätze festgesetzt
werden können. Außerdem trägt der
Gesetzentwurf einem weiteren wesentlichen Anliegen von Gemeindetag
Baden-Württemberg und Städtetag
Baden-Württemberg Rechnung, indem
neu eine Ermächtigung an das Innenministerium in § 34 Abs. 6 FwG aufgenommen wurde, künftig die Stundensätze für Feuerwehrfahrzeuge durch
Rechtsverordnung (pauschal) festzusetzen. Weil dadurch örtliche Kalkulationen überflüssig werden, trägt die
Neuregelung auch wesentlich zu einer
Verwaltungsvereinfachung im Feuerwehrbereich bei.
Feuerwehrbeschaffungskartell:
Eckpunkte des DStGBAbschlussberichts
Bekanntlich hat das Bundeskartellamt
Anfang 2011 das zulasten der Kommunen stattgefundene „Feuerwehrbeschaffungskartell“ mit den vier Unternehmen Albert Ziegler, Rosenbauer, Iveco
Magirus (jetzt Magirus GmbH) sowie
Schlingmann aufgedeckt. In der Folge
haben die kommunalen Spitzenverbän-
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
de unter Federführung des Deutschen
Städte- und Gemeindebunds mit den
Kartellanten eine außergerichtliche
Einigung über die Begleichung der
durch das Preiskartell (01.01.2000 bis
23.06.2004) den Kommunen entstandenen Schäden erzielt. Die Bündelung der
Ersatzansprüche hat zeit- und kosten­
intensive Einzelklagen von Kommunen
mit ungewissem Ausgang verhindert.
Die Abwicklung des Schadens aus dem
Regulierungsfonds kommt jetzt sowohl
beim „Löschfahrzeugkartell“ als auch
beim „Drehleiterkartell“ zum Abschluss.
Die Eckpunkte der Schadensersatzregulierung sowie auch des Verfahrens über
die vergaberechtliche „Selbstreinigung“
der Unternehmen sind nachfolgend zusammengefasst.
• Schadensersatz
und Schadenausgleich
Löschfahrzeugkartell
Die drei Kartellanten (Rosenbauer, Iveco, Schlingmann; Anmerkung: Die Firma Ziegler hat sich wegen ihrer Insolvenz nicht beteiligt) haben als Teil ihrer
erforderlichen „Selbstreinigung“ ein
neutrales Gutachten zu den Fragen der
Existenz und der Höhe des kartellbedingten Schadens finanziert. Dieses
Gutachten wurde gemeinsam von den
kommunalen Spitzenverbänden und
den Kartellanten nach Durchführung
eines Auswahlverfahrens bei der Firma
Lademann & Associates (Hamburg) in
Auftrag gegeben.
Auf Basis des ermittelten Kartellschadens im Zeitraum vom 01.01.2000 bis
23.06.2004 wurde ein Kompensationsvorschlag entwickelt. Dieser sah vor,
dass die Kartellanten als Schadensausgleich bis zu 6.738.000 Euro in einen
Fonds einzahlen. Aus diesem Fonds haben die betroffenen Kommunen eine
Entschädigung erhalten. Alle betroffenen Kommunen werden entschädigt
und damit auch die Kommunen, die bei
der insolventen Firma Ziegler ihre Fahrzeuge beschafft haben. 1579 Kommunen haben Regulierungsanträge gestellt
und es wurde die Kompensation für
2596 Löschfahrzeuge beantragt und in-
Gemeindetag Baden-Württemberg
zwischen auch ausgezahlt. Die Entschädigung pro Fahrzeug liegt, abhängig
vom Fahrzeugtyp, zwischen 1.620 Euro
und 2.200 Euro. Insgesamt wurden bisher 4.327.200 Euro an Entschädigung
gezahlt. Es wurde die Rücknahme aller
anhängigen Gerichtsverfahren bei den
teilnehmenden Kommunen erreicht.
Drehleiterkartell
Beim „Drehleiterkartell“ waren die Unternehmen Magirus und Metz (Rosenbauer) beteiligt. Hier beträgt die Kompensation von 10.500 Euro bis zu 16.000
Euro pro Fahrzeug. Die Auszahlung an
die Kommunen erfolgte Anfang Juli. Bis
zum 30.06.2014 wurden von den Kommunen 356 Anträge, die eine Kompensation für 436 Fahrzeuge beinhalten,
gestellt. Insgesamt wurde ein Kompensationsbetrag von 5.451.500 Euro genehmigt, der mit 3.400.000 Euro auf
Metz und mit 2.051.500 Euro auf Magirus entfällt.
• Zertifizierung und Mitwirkung
der Kartellanten
bei der Schadensaufklärung
Prüfung und Zertifizierung
der vergaberechtlichen Zulässigkeit
durch die „ZertBau“
Bereits die Vergabekammer Niedersachsen hatte in zwei Entscheidungen vom
24. März 2011 und vom 14. Februar
2012 zum Feuerwehrbeschaffungskartell die Rechtsauffassung der kommunalen Spitzenverbände nach einer umfassenden Aufklärungspflicht der Unternehmen auch hinsichtlich des Schadensumfangs voll inhaltlich bestätigt. Im
Zuge dessen haben sich die Unternehmen zu einer fortlaufenden und jährlich durchgeführten vergaberechtlichen
Prüfung ihrer Eignung („Selbstreinigung“) und damit auch zu einer Zertifizierung verpflichtet.
Diese Prüfung und Zertifizierung wird
durch ein eigenes hierfür durch die
kommunalen Spitzenverbände ausgewähltes Institut, die „ZertBau GmbH“,
durchgeführt. Aktuell sind von der
„ZertBau“ die Unternehmen Magirus,
Rosenbauer und Schlingmann geprüft
und – positiv – zertifiziert. Eine Zertifizierung der Albert Ziegler GmbH & Co
KG ist aktuell nicht gegeben. Nach Auskunft der „ZertBau“ war die Bescheinigung für die Albert Ziegler GmbH & Co
KG (Zertifizierung) auf den 22. April
2014 befristet.
Die erfolgten Zertifizierungen haben im
Sinne einer Präqualifikation bei der Prüfung der Eignung der Unternehmen den
Erklärungswert einer Eigenerklärung.
Dies bedeutet, dass die jeweils zertifizierten Unternehmen mit der Abgabe der
Eigenerklärung (Zertifizierung) deutlich
machen können, dass die von der Eignungsprüfung umfassten Nachweise als
erbracht gelten. Einer separaten Prüfung
bedarf es dann nicht mehr. Kann eine
derartige Eigenerklärung mangels Zertifizierung nicht abgegeben werden, müssen sich grundsätzlich die Städte und
Gemeinden im Rahmen von Vergabeverfahren von der Richtigkeit der von ihnen
abgeforderten Nachweise im Rahmen
einer separaten Eignungsprüfung des
oder der Unternehmen überzeugen. Dies
führt regelmäßig für die Vergabestellen,
aber auch für die Unternehmen, zu einem erhöhten Aufwand, etwa durch zusätzliche Anfragen sowie durch das Abfordern und Beibringen von Nachweisdokumenten durch die Vergabestellen
und die Unternehmen.
Wegen der aktuell nicht vorhandenen
Zertifizierung des Unternehmens Albert
Ziegler GmbH & Co KG durch die „ZertBau“ hat der DStGB die „ZertBau“ gebeten, nochmals bei dieser schriftlich um
eine Prüfung und – bei positivem Ausgang – Erteilung der Zertifizierung nachzufassen. Dies ist durch ein Schreiben der
„ZertBau“ vom 30. Juni 2014 an die
Albert Ziegler GmbH & Co KG erfolgt.
• Entwicklungen auf der EU-Ebene
In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, dass die seit dem 17. April 2014
geltende EU-Vergaberichtlinie eine ausdrückliche Bestimmung über die notwendige „Selbstreinigung“ und die hiervon erfasste Aufklärungspflicht der Unternehmen (Kartellanten) sowie auch
zur Mitwirkung bei der Schadensbeseitigung enthält. Auch die EU-Richtlinie
923
Geschäftsbericht
über „Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbliche Bestimmungen“ ist im Sinne der kommunalen Forderungen. Diese am 17. April
2014 vom EU-Parlament beschlossene
Richtlinie sieht u.a. eine Vermutung dahingehend vor, dass Kartelle stets einen
Schaden verursachen. Mit deren Umsetzung wird in Zukunft der Schadensnachweis durch Kommunen bei ähnlich gelagerten Fällen hoffentlich erleichtert möglich sein. Denn insoweit
muss mit Recht der Grundsatz gelten:
Der Schädiger (Kartellant) und nicht der
Geschädigte ist bei Kartellen hinsichtlich des Schadennachweises in der
Bringschuld!
• Anmerkung
Die Gemeinde P. hat gegen die Firma
Schlingmann Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Es handelte sich
um ein Vergabeverfahren, in dem die
Gemeinde die Formulare des Kommunalen Vergabehandbuchs VOL verwendet hat, nach denen bei wettbewerbswidrigen Absprachen die Gemeinde
einen pauschalen Schadenersatzanspruch in Höhe von 15 Prozent der
Auftragssumme hat, sofern nicht der
Auftragnehmer einen niedrigeren
Schaden nachweisen kann. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat
seinen Mitgliedern immer wieder die
Anwendung des Vergabehandbuchs
empfohlen, um eine rechtssichere Vergabe zu gewährleisten.
Das LG Mannheim hat mit Urteil vom
04.05.2012 – 7 O 436/11 Kart – den Anspruch der Gemeinde P. bestätigt. Nach
den Entscheidungsgründen ist das Zivilgericht gemäß § 33 Abs. 4 GWB an die
Feststellungen einer bestandskräftigen
Entscheidung der Kartellbehörde gebunden, wenn das kartellrechtswidrige
Verhalten vor dem Inkrafttreten der
Vorschrift begangen, die Entscheidung
aber danach erlassen worden ist. Der
von der Gemeinde mit dem Lieferanten
des Feuerwehrfahrzeugs vereinbarte
pauschale Schadenersatz sei auch unter
AGB-Gesichtspunkten wirksam. Hat
demnach die Gemeinde in den von ihr
gestellten allgemeinen Vertragsbedin-
924
BWGZ 19 | 2015
gungen den Schadenersatz im Fall kartellrechtswidrigen Verhaltens des Auftragnehmers auf 15 Prozent der Vertragssumme pauschaliert, ist die Klausel
jedenfalls dann wirksam, wenn die im
Bußgeldbescheid festgestellten Verhaltensweisen dazu dienten, zuvor gewährte Sonderrabatte von bis zu 30 Prozent
zu vermeiden und Rabatte von 10 bis 12
Prozent auf dem Markt üblich sind.
Im Berufungsverfahren hat das OLG
Karlsruhe mit seinem Urteil vom
31.07.2013 – 6 U 51/12 (Kart.) – die Klage der Gemeinde ebenfalls bestätigt; die
Berufung der Firma Schlingmann wurde
zurückgewiesen. Der Fall ging zwar zum
BGH; die Firma Schlingmann hat dann
jedoch die Revision zurückgenommen.
In seiner Entscheidung stellte das OLG
Karlsruhe fest: Die Zusätzlichen Vertragsbedingungen des Formblatts zum
Kommunalen Vergabehandbuch VOL
enthalten keine Vertragsstrafenabrede,
sondern eine schadenspauschalierende
Klausel für den Fall einer kartellrechtswidrigen Absprache. Ist die Beschaffung
eines Löschgruppenfahrzeugs unter einem – vom Bieter begangenen – Verstoß
gegen die Vorschriften des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB) erfolgt, hat die das Fahrzeug
beschaffende Gemeinde als Betroffene
des Kartellverstoßes einen gesetzlichen
Schadensersatzanspruch. Anspruchsgrundlage für den wegen einer Beschaffung im Jahre 2004 geltend gemachten
Schadensersatzanspruch wegen eines
Kartellverstoßes ist § 33 i.V. mit § 1
GWB in der Fassung vom 26.08.1998
(gültig vom 01.01.1999 bis 30.06.2005).
Die Vorschrift des § 33 Abs. 4 GWB n.F.
(in Kraft seit 13.07.2005) ist – trotz einer Beschaffung im Jahre 2004 – maßgeblich, weil sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des kartellbehördlichen Verfahrens im Jahr 2011 in Kraft war. Zugunsten der Gemeinde besteht ein
Anscheinsbeweis dafür, dass das Angebot eines Bieters gegenüber der Gemeinde und damit der Vertrag mit der
Gemeinde von dem Kartell und damit
zum finanziellen Nachteil der Klägerin
beeinflusst waren. Es besteht ein Anscheinsbeweis für die Tatsache, dass
sich das Feuerwehr-Quotenkartell all-
gemein preissteigernd ausgewirkt hat
und ein weiterer Anscheinsbeweis dafür, dass der Verkauf des Feuerwehrfahrzeugs an die Gemeinde nicht frei
von den Einflüssen des Feuerwehrbeschaffungskartells war, die Gemeinde
also von dem Kartell betroffen ist. Eine
nach den kommunalen ZVB vereinbarte Schadenspauschalierung schneidet
die Nachweismöglichkeit, wonach keine oder einer geringerer Schaden besteht, nicht ab. Die schadenspauschalierende Klausel in Nr. 16 ZVB nach
dem kommunalen Vergabehandbuch
VOL ist nicht unwirksam und verstößt
nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie
ist außerdem nach dem Maßstab des §
309 Nr. 5a BGB nicht unzulässig und
nach dem Maßstab des § 309 Nr. 5b
BGB nicht unwirksam.
• Realisierung der von den
Kommunen an Magirus/Rosenbauer
abgetretenen Forderungen gegen
Ziegler – Bitte um Unterstützung
durch die Betroffenen
„Ziegler-Kommunen“
Die Bundevereinigung der kommunalen Spitzenverbände teilte mit Schreiben vom 08.05.2015 in oben genannter
Sache Folgendes mit:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen der Kompensation des zwischen Iveco Magirus Brandschutztechnik
GmbH (jetzt: Magirus GmbH), Rosenbauer Deutschland GmbH und Schlingmann
GmbH & Co.KG sowie den kommunalen
Spitzenverbänden vereinbarten Regulierungsabkommens vom Mai 2013 im Fall
Feuerwehrlöschfahrzeuge hatten die genannten Unternehmen sich zur Erledigung
kartellbedingter Schäden den Kommunen
gegenüber verpflichtet, diesen Ausgleichszahlungen zukommen zu lassen. Die Regulierung ist zwischenzeitlich erfolgreich
abgeschlossen.
Die Albert Ziegler GmbH & Co. KG hat
sich als ebenfalls an den vorgeworfenen
Kartellverstößen beteiligtes Unternehmen
weder an der Regulierungsvereinbarung
noch an der Schadenswiedergutmachung
beteiligt. Um den Kommunen Ausgleichszahlungen auch für die Ziegler-Fahrzeuge
zu gewähren, hatten sich Magirus und Rosenbauer bereiterklärt, auch für diese
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Fahrzeuge Kompensation zu leisten. Insgesamt haben Magirus und Rosenbauer hierfür einen Betrag von 1,6 Mio. Euro in den
Entschädigungsfonds gezahlt.
Zum Ausgleich für die von Magirus und
Rosenbauer geleisteten Zahlungen haben
die an dem Regulierungsverfahren teilnehmenden Kommunen ihre Schadensersatzforderungen gegen das Unternehmen
Ziegler an Magirus und Rosenbauer abgetreten. Von dem Schadensersatz, den Magirus und Rosenbauer aufgrund dieser
Forderungen ggf. erfolgreich realisieren,
geht gemäß der Regulierungsvereinbarung
die Hälfte an den gemeinsamen Regulierungsfonds und damit letztlich an die
beteiligten Kommunen.
Die Albert Ziegler GmbH & Co. KG ging
kurz nach Verhängung des Bußgeldbescheides gegen das Unternehmen im Jahr
2011 in Insolvenz. In dem Ziegler-Insolvenzverfahren haben Magirus und Rosenbauer die abgetretenen Forderungen der
Kommunen zwischenzeitlich zur Insolvenztabelle angemeldet. Diese Forderungen sind vom Insolvenzverwalter noch
nicht geprüft, sie werden jedoch von ihm in
voller Höhe bestritten. Vergleichsbereitschaft zur Befriedigung der abgetretenen
Forderungen war auf Seiten des Insolvenzverwalters bislang nicht zu erkennen. Magirus und Rosenbauer müssen sich deshalb
darauf einstellen, dass die Berechtigung
ihrer Forderungen nach Vorliegen des Ergebnisses der Prüfung durch den Insolvenz­
verwalter im gerichtlichen Verfahren festgestellt werden muss.
Die Unterlagen, die von den Kommunen
bislang in dem bereits durchgeführten Regulierungsverfahren vorgelegt wurden, reichen aber für die erforderliche gerichtliche
Geltendmachung der Forderungen gegen
den Insolvenzverwalter nicht sicher aus.
Die von den Kommunen im Insolvenzverfahren selbst getätigten Anmeldungen beruhten häufig auf einer Schadensannahme
in Höhe von 15 Prozent, die in dieser Höhe
mit so genannten Klausel-Vereinbarungen
in Aufträgen begründet wurden. Die Nachweise für diese Klausel-Vereinbarungen befinden sich jedoch nicht bei den Unterlagen,
die von den Kommunen bei der Geltendmachung der Kompensationsforderung gegenüber Lademann & Associates GmbH vorgelegt wurden. Es ist deswegen erforderlich,
diese nunmehr ergänzend von den Kommunen zu erbitten.
Für die erfolgreiche Geltendmachung ist es
zur Vorbereitung einer Klage erforderlich,
dass seitens der Kommunen die Unterlagen
zu den so genannten Klauselfällen vorliegen, d.h. zu den Fällen, in denen Kommunen sich auf eine vertragliche Vereinbarung
in Form einer Schadensersatzklausel, in der
Regel 15 Prozent, berufen haben. Darüber
hinaus ist es aber auch erforderlich, dass
für die Schadensersatzansprüche, die nicht
aus einer solchen Klausel abgeleitet werden,
die erforderlichen Angaben und Unterlagen
für eine erfolgreiche gerichtliche Feststellung der Ansprüche zur Verfügung gestellt
werden. Das betrifft sowohl Ausschreibungsunterlagen wie auch die Zuschlagsschreiben im Vergabeverfahren.
Sollten im Ergebnis tatsächlich Forderungen realisiert werden, ist beabsichtigt, die
unterstützenden Kommunen an den erzielten Erlösen zu beteiligen. Einzelheiten hierzu müssen allerdings noch zwischen den
kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt werden.
Die Kommunen werden konkret gebeten,
folgende Unterlagen zu übermitteln:
− die vollständigen Ausschreibungsunterlagen mit Leistungsbeschreibung/Leistungsverzeichnis und den Vertragsbedingungen – in den zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) oder den Besonderen
Vertragsbedingungen (BVB) können sich
die pauschalierte Schadensersatzklausel
befinden – und
− die Zuschlagsschreiben der Kommune
an Ziegler.
Sind die Ausschreibungsunterlagen oder
Zuschlagsschreiben nicht vorhanden, wird
um Übersendung
− der Ziegler-Angebote sowie
− der Unterlagen über die Auswahl und
Zuschlagserteilung (Vergabevermerk
oder - Protokoll)
gebeten.
(...)“
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
hat im Anschluss an das Schreiben
sämtliche betroffenen Kommunen angeschrieben, die ihre Unterlagen zur
Vorbereitung der Klage an die entsprechende Stelle gesandt haben.
Gemeindefinanzbericht Baden-Württemberg 2015
Der in dieser BWGZ 15-16/2015 vorgestellte Gemeindefinanzbericht stellt die aktuelle kommunale Finanzsituation in Baden-Württemberg in allen
Facetten dar. Im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen 2016 bietet dieser Bericht der Verwaltung sowie den Gemeinde­rätinnen und
Gemeinderäten eine fundierte und umfassende Informationsgrundlage.
Alle Mitgliedsstädte und Mitgliedsgemeinden, die diese Informationsquelle nutzen möchten, können Mehrexemplare dieser BWGZ 15-16/2015
zu einem Sonderpreis bestellen.
Mehrexemplare dieser BWGZ 15-16/2015 können zu folgenden Preisen bezogen werden:
1 bis 4 Hefte 9 Euro pro Exemplar
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ab 10 Heften 7 Euro pro Exemplar
Bestellungen per Mail bitte mit Angabe der Anzahl an: [email protected]. Die Lieferung erfolgt mit Rechnung.
Gemeindetag Baden-Württemberg
925
Geschäftsbericht
Änderung des Bauplanungsrechts
– Anlagen zur Unterbringung von
Asylbewerbern
Die Bundesregierung hat mit Datum
vom 08.10.2014 dem Bundestag den
Gesetzentwurf des Bundesrates eines
Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen übermittelt (BT-Drs. 18/2752). Hintergrund
sind die bauplanungsrechtlichen Fragen für die Zulässigkeit von Anlagen
zur Unterbringung von Asylbewerbern.
Die aktuellen Zuwanderungszahlen
des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge lassen vermuten, dass mindestens 800.000 Flüchtlinge im Jahr
2015 in die Bundesrepublik Deutschland kommen werden.
Die Bereitstellung von Unterkünften für
diese Menschen, die oft aus Krisengebieten stammen, stellt in Ballungszentren
mit ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt ein großes Problem dar. Flächen,
die zur Versorgung breiter Schichten der
Bevölkerung mit Wohnraum für den
Wohnungsbau benötigt werden, stehen
im Regelfall nicht zur Verfügung. Die
zeitnahe Nutzung anderer Flächen scheitert vielfach an planungsrechtlichen
Vorschriften. Vor diesem Hintergrund
waren gesetzgeberische Maßnahmen im
Rahmen eines zeitlich befristeten Maßnahmengesetzes im Bereich des Bauleitplanungsrechts und der bauplanungs-
BWGZ 19 | 2015
rechtlichen Zulässigkeit von Anlagen zur
Unterbringung von Flüchtlingen und
Asylbewerbern dringend geboten, mit
deren Hilfe die bedarfsgerechte Schaffung von öffentlichen Unterbringungseinrichtungen zeitnah ermöglicht und
gesichert wird.
Änderungen
Das Gesetz vom 20.11.2014, BGBl. 1748,
in Kraft seit 26.11.2014, enthält eine
Reihe von Änderungen.
Zu den Grundsätzen der Bauleitplanung
(siehe § 1 BauGB) gehört nun auch, dass
bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen
nach dem Baugesetzbuch die Belange
von Flüchtlingen, Asylbewerberinnen
und Asylbewerbern, insbesondere deren
Unterbringung, zu berücksichtigen sind.
Für die Zulassung von Befreiungen gilt,
dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB
auch bei der Errichtung und Erweiterung
von Anlagen zur Unterbringung von
Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen
und Asylbewerbern sowie bei der Nutzungsänderung bestehender baulicher
Anlagen in Anlagen zur Unterbringung
von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern vorliegen.
Die Vorschrift des § 34 Abs. 3a Satz 1
BauGB ist entsprechend auf die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäude in Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder
Asylbewerberinnen und Asylbewerbern
dienen, und auf deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung anzuwenden.
Foto: Gemeindetag Baden-Württemberg
Für Vorhaben, die der Unterbringung
von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern dienen, gilt die
Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 Satz 1 des
Baugesetzbuchs, wenn das Vorhaben im
unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.
Besonders bedeutsam ist im Hinblick
auf die Rechtsprechung des VGH zur
Zulässigkeit von Gemeinschaftsunter-
926
künften für Asylbewerber die Änderung
des § 8 Abs. 3 BauNVO. Danach können
Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge oder
Asylbewerberinnen und Asylbewerber
in Gewerbegebieten ausnahmsweise zugelassen werden; das gilt auch für Bebauungspläne, die auf der Grundlage
einer früheren Fassung der Baunutzungsverordnung in Kraft getreten sind.
Hintergrund dieser Rechtsänderung ist
die Rechtsprechung des VGH BadenWürttemberg: Eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber ist nach dieser Rechtsprechung in einem Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise nach
§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als Anlage für
soziale Zwecke zulässig, weil sie nach
ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung
für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbewerbers ist, ihr damit ein
wohnähnlicher Charakter zukommt
und sie sich daher in einem Gewerbegebiet als gebietsunverträglich erweist
(VGH Baden-Württemberg, Beschluss
vom 14.03.2013 – 8 S 2504/12).
Hinweise des Ministeriums
für Verkehr und Infrastruktur
Baden-Württemberg
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg hat mit
Schreiben vom 27.10.2014 – 2-2513.0/79
– auf die beabsichtigte Änderung des
Bauplanungsrechts hinsichtlich der Zulassung von Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende hingewiesen
(siehe Gt-INFO Nr. 906/2014 vom
04.11.2016). Dabei wird über die kurzfristig bevorstehende Änderung des
Baugesetzbuchs berichtet. Dem Schreiben des MVI sind beigefügt die Hinweise zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Standorten für Unterkünfte
von Flüchtlingen und Asylbegehrenden
in den verschiedenen Gebietskulissen
(Stand 02.10.2014), beschlossen durch
die Fachkommission Städtebau am
02.10.2014. Diesen Hinweisen beigefügt ist eine tabellarische Darstellung
der Rechtsprechung zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Unterkünften für Flüchtlinge bzw. Asylbewerber in
den verschiedenen Gebietskulissen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
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Geschäftsbericht
Novellierung der
Landesbauordnung
Der Landtag hat am 05.11.2014 die
neue Landesbauordnung beschlossen;
sie ist am 1. März 2015 in Kraft getreten.
Der Gemeindetag hat bereits Ende Juli
2013 den Anhörungsentwurf für ein Gesetz zur Änderung bauordnungsrecht­
lichen Vorschriften zur Stellungnahme
erhalten. Die nun novellierte Landesbauordnung setzt den Koalitionsvertrag
vom 27.04.2011 um, wonach die Landesbauordnung nach sozialen und ökologischen Kriterien überarbeitet werden
soll. Wesentlicher Inhalt sind Regelungen über Fahrrad- und Kfz-Stellplätze,
die erleichterte Nutzung regenerativer
Energien und die Beschränkung des Anwendungsbereichs des Kenntnisgabeverfahrens. Der Gesetzesbeschluss des
Landtags enthält die nachfolgenden
Rechtsänderungen.
Vereinfachung der Giebelhöhenan­
rechnung im Rahmen der Abstands­
flächenberechnung: In § 5 Abs. 5 Nr. 2
werden bei der Berechnung der einzuhaltenden Abstandsflächen die Giebel
aller Dächer in gleicher Weise berücksichtigt werden.
Begrünung baulicher Anlagen: Ist eine
Begrünung des Baugrundstücks nicht
oder nur sehr eingeschränkt möglich,
sind die baulichen Anlagen künftig zu
begrünen (z.B. durch Dach- oder Fassadenbegrünung), soweit ihre Beschaffenheit, Konstruktion und Gestaltung dies
zulassen und die Maßnahme für den
Bauherrn wirtschaftlich zumutbar ist.
Anzeigepflicht für Grundstückstei­
lungen: Eine geplante Teilung eines
Grundstücks muss künftig zwei Wochen
vorher der unteren Baurechtsbehörde
angezeigt werden; damit kann die untere Baurechtsbehörde prüfen, rechtzeitig
Maßnahmen zu ergreifen, falls durch
die Teilung bauordnungswidrige Verhältnisse entstehen.
Verbesserung des Brandschutzes bei
der Tierhaltung in Ställen: Gebäude
zur Haltung von Tieren müssen künftig
über angemessene Einrichtungen zur
Rettung der Tiere im Brandfall verfügen.
928
BWGZ 19 | 2015
Erweiterung der Verwendung von
Holz: Decken sowie tragende, aussteifende oder raumabschließende Wände
und Stützen, die als hochfeuerhemmende Bauteile (d.h. mit der Feuerwiderstandsfähigkeit F 60) oder als feuerbeständige Bauteile (F 90) ausgeführt
werden müssen, dürfen aus brennbaren Baustoffen (z.B. Holz) ohne (nichtbrennbare) Brandschutzbekleidung bestehen, soweit die erforderliche Feuerwiderstandsdauer von 60 bzw. 90 Minuten tatsächlich erreicht wird.
Dadurch wird auch bei Gebäuden über
7 Meter Höhe der Massivholzbau
durchgängig ermöglicht, wodurch der
Einsatzbereich von Holz als Baustoff
deutlich erweitert wird.
Barrierefreiheit im allgemeinen Woh­
nungsbau (§ 35 Abs. 1 LBO): In Wohngebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein. In
diesen barrierefrei erreichbaren Wohnungen eines Geschosses müssen die
Wohn- und Schlafräume, eine Toilette,
ein Bad und die Küche oder Kochnische
barrierefrei nutzbar und mit dem Rollstuhl zugänglich sein.
Pflicht zur Schaffung von Abstellflä­
chen für Kinderwagen und Gehhilfen
und Ausweitung der Pflicht auf ge­
mischt genutzte Gebäude: Diese Abstellflächen müssen nicht nur in Wohngebäuden, sondern auch in gemischt
genutzten Gebäuden geschaffen werden.
Umwandlung von Kfz-Stellplätzen in
Fahrrad-Stellplätze: Bis zu einem Viertel der vorgeschriebenen Kfz-Stellplätze
nach § 37 Abs. 2 können durch FahrradStellplätze ersetzt werden. Dabei werden für einen Kfz-Stellplatz vier Fahrrad-Stellplätze herzustellen sein. Eine
Anrechnung auf die Zahl der nach § 37
Abs. 2 vorgeschriebenen (notwendigen)
Fahrrad-Stellplätze ist ausgeschlossen.
Außerdem wird die Umwandlung vorgeschriebener Kfz-Stellplätze für Wohnungen nicht möglich sein.
Verpflichtung zur Anlage von FahrradStellplätzen: Der neugefasste § 37 Abs. 2
enthält die allgemeine Verpflichtung zur
Schaffung von Fahrrad-Stellplätzen. Da-
nach werden bei der Errichtung baulicher Anlagen, bei denen ein Zu- und
Abfahrtsverkehr mit Fahrrädern zu erwarten ist, notwendige Fahrrad-Stellplätze in solcher Zahl herzustellen sein, dass
sie für die ordnungsgemäße Nutzung der
Anlagen ausreichen. Für jede Wohnung
müssen zwei geeignete wettergeschützte
Fahrrad-Stellplätze (notwendige Fahrrad-Stellplätze) hergestellt werden; es
gibt die Öffnungsklausel, wonach die
Pflicht zur Herstellung von Fahrrad-Stellplätzen dann nicht besteht, wenn solche
nach Art, Größe oder Lage der Wohnung
nicht erforderlich sind.
Anreize für Carsharing-Stellplätze: Als
Verwendungsoption für die Einnahmen
aus der Ablösung von Kfz-Stellplätzen
wird künftig die Herstellung von Parkeinrichtungen für die gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen ausdrücklich genannt, um die Mittelverwendung für diesen Zweck zu fördern.
Einschränkung des Kenntnisgabever­
fahrens: Das Kenntnisgabeverfahren ist
nur noch für Bauvorhaben möglich, die
die Festsetzungen des Bebauungsplans
einhalten. Die bisherigen isolierten Entscheidungen über Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen von baurechtlichen Vorschriften entfallen somit. Sind solche Entscheidungen erforderlich (z.B. Ausnahmen nach § 31
BauGB), kann der Bauherr auch das
vereinfachte Baugenehmigungsverfahren beschreiten. Die Vorschrift schränkt
das Kenntnisgabeverfahren jedoch
nicht ein, wenn der Bauherr die von der
Gemeinde beschlossenen örtlichen
Bauvorschriften nicht einhalten will
und dafür eine Befreiung nach § 56 LBO
benötigt.
Ausweitung der Abweichungsmög­
lichkeiten zur erleichterten Nutzung
regenerativer Energien: Es besteht ein
Rechtsanspruch auf Zulassung von Abweichungen von bauordnungsrecht­
lichen Vorgaben „zur Nutzung erneuerbarer Energien“. Damit soll die Errichtung von Solar- oder Kleinwindenergieanlagen erleichtert werden.
Beschränkung von Regelungen in
kommunalen Gestaltungssatzungen
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
(örtliche Bauvorschriften), die Vorha­
ben zur Nutzung regenerativer Ener­
gien entgegenstehen: Anforderungen
an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen in örtlichen Bauvorschriften, die
allein zur Durchführung baugestalterischer Absichten gestellt werden, dürfen
die Nutzung erneuerbarer Energien
nicht ausschließen oder unangemessen
beeinträchtigen. Damit soll zum Beispiel der generelle Ausschluss von Solaranlagen auf Dächern aus rein gestalterischen Gründen verhindert werden.
− nach der Verbändevereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene und den
Mobilfunknetzbetreibern vom Juli
2001 (die Mobilfunkerklärung Baden-Württemberg vom November
2004 ist insoweit identisch),
−Anhörungspflicht der Gemeinden
nach dem neuen § 7a der 26. BImSchV
(siehe Bericht in BWGZ 14/2013)
und
−die (oben beschriebene) Anzeigepflicht nach der LBO.
terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
auf der Basis seiner Gremienbeschlüsse
gefordert, die Zuständigkeit der Gemeinden für die Gutachterausschüsse
nicht zu verändern. Die Aufgaben des
Gutachterausschusses sollen somit weiterhin eine Gemeindeaufgabe sein. Die
Einrichtung eines Gutachterausschusses und der Geschäftsstelle für den Gutachterausschuss ist derzeit nur auf der
Ebene einer Gemeinde oder einer Verwaltungsgemeinschaft möglich.
Kommunales Satzungsrecht hinsicht­
lich der Anzahl der Kfz-Stellplätze:
Gemeinden werden ermächtigt, durch
örtliche Bauvorschrift auch weniger als
den nach § 37 LBO vorgeschriebenen
einen notwendigen privaten Kfz-Stellplatz pro Wohnung festzulegen, um den
Individualverkehr zu beschränken.
Der Gemeindetag hat deshalb diese
LBO-Anzeigepflicht als absolut unnötig
abgelehnt.
Die Aufgaben der Geschäftsstelle des
Gutachterausschusses sind nach der geltenden Rechtslage mit der Zuständigkeit für den Gutachterausschuss verbunden bzw. daran gekoppelt. Somit
kann die Erledigung allein der Aufgaben
der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses nicht auf eine andere Gemeinde übertragen werden. Dies wäre nur
denkbar gemeinsam mit der Übertragung der gesamten Aufgabe des Gutachterausschusses. Eine denkbare Aufgabenübertragung würde über eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung erfolgen,
in der nicht nur die gemeinsame Aufgabenerfüllung, sondern auch die Verantwortlichkeit, Kostenverteilung usw. zu
regeln wären. Das MLR ist inzwischen
dieser vom Gemeindetag seit langem
vertretenen Rechtsmeinung beigetreten. Der Gemeindetag hat diesen grundsätzlichen Überlegungen zugestimmt;
insbesondere die Beibehaltung der kommunalen Zuständigkeit ist – wie oben
formuliert – klare Forderung des Gemeindetags bzw. seiner Gremien.
Erweiterung der Verfahrensfreiheit
von Solaranlagen auf Gebäuden: Solaranlagen auf oder an Gebäuden werden umfassend verfahrensfrei gestellt.
Damit wird vor allem die gewerbliche
Nutzung von Dachflächen durch andere Personen als die Hauseigentümer zur
Erzeugung von Solarenergie verfahrensfrei möglich sein.
Anzeigepflicht der Netzbetreiber bei
der Errichtung von Mobilfunkanten­
nen: Mobilfunkbetreiber müssen die
Errichtung baurechtlich verfahrensfreier Mobilfunkantennen mindestens acht
Wochen vorher der Gemeinde anzeigen
(also Anzeigepflicht gegenüber der Gemeinde und damit entgegen der sonst
üblichen Systematik im Bauordnungsrecht kein Verfahren bei der Baurechtsbehörde). Das Ministerium für Ländlichen Raum und Infrastruktur wird nach
bisher vorliegenden Informationen keine Hinweise zur Umsetzung dieser Anzeigepflicht machen. Dann können die
Gemeinden auf der Basis einer gemeinsamen Empfehlung der kommunalen
Landesverbände und der Netzbetreiber
ein unbürokratisches Anzeigeverfahren
handhaben.
Mit dieser (weiteren) Anzeigepflicht gibt
es für Mobilfunkantennenanlagen drei
Informations- bzw. Anzeigeverfahren:
Gemeindetag Baden-Württemberg
Zu kritisieren ist die Aufteilung von Änderungen der Landesbauordnung in
mehrere und darüber hinaus kurz hintereinander geschaltete Gesetzgebungsverfahren (Einführung der Rauchmelderpflicht in einem eigenen Gesetz – Juli 2013 – und jetzt die „kleine“ Novelle).
Die früheren LBO-Novellen waren von
dem Grundsatz geprägt, Novellen zur
Landesbauordnung nur über einen größeren Zeitraum – mit einem gewissen
Abstand – vorzunehmen (etwa 10 Jahre,
siehe Novellen 1996, 2009). Die aktuelle
Novelle enthält keine grundsätzlich
notwendigen Änderungen. Die Rechtsänderungen führen zu mehr Bürokratie
und zu höheren Baukosten und verteuern damit die Wohnkosten.
Novellierung der Gutachter­ ausschussverordnung –
Die Reform kommt
Bereits seit längerem bestehen Überlegungen, die Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse für die gestiegenen Anforderungen an die Erstellung von Gutachten und die Auswertung der Kaufverträge
zu stärken. Dies soll durch eine Qualifizierung der Gutachterausschüsse bzw.
deren Geschäftsstellen und die dafür
notwendige Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit erfolgen;
auch dies wird Teil der Novelle zur Gutachterausschussverordnung sein.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
hat in den Gesprächen mit dem Minis-
Das MLR und Verbraucherschutz hat im
Sommer 2012 mit einem Anschreiben an
alle Gutachterausschüsse einen Erhebungsbogen zum Gutachterausschusswesen in Baden-Württemberg verschickt.
Dort wurde nach dem Organisationsgrad
und der Aufgabenerledigung gefragt. Bestätigt hat das Umfrageergebnis die vom
Gemeindetag Baden-Württemberg angestrebte Notwendigkeit einer Qualifizierung der Arbeit der Geschäftsstellen der
Gutachterausschüsse. Das hat zur Diskussion um die Größe des Einzugsbereichs der Geschäftsstellen geführt, insbesondere ob die Zahl der im Jahr auszuwertenden Kaufverträge ein maßgeben-
929
Geschäftsbericht
des Kriterium sein kann bzw. ob auch die
Einwohnerzahl den räumlichen Zuständigkeitsumfang bestimmen kann.
In der Sitzung des Bau- und Verkehrsausschusses des Gemeindetags am
09.07.2014 wurde über die damals diskutierten zwei Modelle für Organisation
der Gutachterausschüsse berichtet:
• Beim Modell A (das das MLR favorisiert) soll es gemeinsame Gutachterausschüsse mit einer gemeinsamen
Geschäftsstelle geben. Damit wäre
die Zuständigkeit von Gutachterausschuss und Geschäftsstelle identisch.
• Beim Modell B bleibt es bei den bestehenden Gutachterausschüssen, für
benachbarte Gemeinden gibt es eine
gemeinsame Geschäftsstelle. Die Zuständigkeit für den Gutachterausschuss als Gremium bliebe bei allen
Gemeinden, mehrere Gemeinden
würden dann eine gemeinsame Geschäftsstelle bilden. Kriterium für die
Größe wäre eine entsprechende Anzahl von Kaufverträgen; das MLR
nennt mindestens 1000 Kaufverträge
– nach Auffassung des Gemeindetags
muss dies flexibel geregelt werden,
also auch mit weniger Kaufverträgen
möglich sein. Der Gemeindetag hat
immer erklärt, es müsse eine substantielle kommunale Zuständigkeit auch
bei den Geschäftsstellen bestehen.
Zwei oder drei Geschäftsstellen in einem Landkreis würden dem nicht
gerecht.
Im Sommer 2014 hat das Ministerium
für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ein Eckpunktepapier für die
Überarbeitung der Gutachterausschussverordnung vorgelegt. Über dieses Eckpunktepapier hat die Geschäftsstelle des
Gemeindetags die Mitglieder mit GtINFO vom 20.10.2014 unterrichtet.
Eckpunkte des MLR zur Novellierung
der Gutachterausschussverordnung
(GuAVO) – Stand Juli 2014
Nach Aussage des MLR könnten – vor
allem wegen der gestiegenen Anforderungen – Gutachterausschüsse insbesondere in kleinen Gemeinden die gesetzlichen Aufgaben kaum mehr erfüllen, da zu wenig Kauffälle und damit
930
BWGZ 19 | 2015
keine ausreichende Basis für die Ableitung der Wertermittlungsdaten vorliegen. Insgesamt resultierten daraus eine
unzureichende Datenlage und eine
mangelnde Grundstücksmarkttrans­
parenz im Land. Die Aufgabenerfüllung
sei vielfach nicht gesetzeskonform.
Nicht zuletzt im Blick auf die geplante
Einführung einer wertorientierten
Grundsteuer sind nachhaltige Verbesserungen im Gutachterausschusswesen
dringend notwendig. Diese lassen über
die Qualitätssteigerungen hinaus auch
wirtschaftliche Synergien bei den Gemeinden erwarten.
Die Fortentwicklung soll sich an folgenden Eckpunkten orientieren:
• Das Gutachterausschusswesen soll in
kommunaler Verantwortung mit Zuständigkeit bei den Gemeinden beibehalten werden.
• Es werden leistungsfähige Einheiten
für die Ermittlung der Grundstücksmarktdaten gebildet, so dass eine
Mindestzahl von jährlich rund 1000
auswertbaren Kauffällen zur Verfügung steht.
• Das so definierte Zuständigkeitsgebiet liegt zusammenhängend innerhalb eines Landkreises. (Die Stadtkreise erfüllen grundsätzlich diese
Voraussetzungen.)
• Mit diesen Vorgaben bilden benachbarte Gemeinden bzw. Verwaltungsgemeinschaften einen gemeinsamen
Gutachterausschuss mit einer Geschäftsstelle. Die Zuständigkeit für
die Besetzung des Gutachterausschusses bleibt bei den Gemeinden,
indem die Gutachter von ihrer jeweiligen Gemeinde in den gemeinsamen
Gutachterausschuss bestellt werden.
Bei Wertermittlungsaufgaben im jeweiligen Gemeindegebiet, beispielsweise Verkehrswertgutachten, werden in der Regel die Gutachter der
jeweiligen Gemeinde tätig.
• Über die Analyse und Darstellung des
Grundstücksmarktes auf Kreisebene
verständigen sich die Kooperationen
innerhalb des Landkreises.
• Die vom Land einzurichtende Zen­
trale Geschäftsstelle für Grundstückswertermittlung konzentriert sich auf
die unumgänglichen Aufgaben. Dabei sind die „Analysen und Auswer-
tungen des Grundstücksmarktgeschehens“ (§ 198 Abs. 2 BauGB) auf
Landesebene nur in dem Maße möglich, wie aussagekräftige Daten der
Gutachterausschüsse vorliegen.
Anmerkung
Zu begrüßen ist die – entsprechend der
Forderung des Gemeindetags – Beibehaltung der Zuständigkeit der Städte
und Gemeinden.
Ein besonderer Aspekt sind die im Papier
genannten jährlich rund 1000 Kauffälle
als Basis der Größe der Gutachterausschüsse. Auf Grund der o.g. Umfrage im
Jahre 2012 hat das MLR festgestellt, dass
lediglich rund 2 Prozent der Gutachterausschüsse eine Mindestzahl von 1000
jährlich auswertbaren Kauffällen erreichen, die nach seiner Auffassung statistisch für eine sachgerechte Ableitung
von Wertermittlungsdaten mindestens
erforderlich ist.
Die Geschäftsstelle hält diese Zahl für zu
hoch. Sie würde dazu führen, dass in
den Landkreisen nur noch 2 oder 3 Gutachterausschüsse bestehen würden. Eine qualifizierte Arbeit erfordert selbstverständlich entsprechende qualifizierte Mitarbeiter.
Beschluss des Bau- und Verkehrs­
ausschusses vom 14.10.2014
Der Bau- und Verkehrsausschuss des Gemeindetags hat nach Information durch
Mitarbeiter des MLR und intensiver Beratung beschlossen:
• Der Ausschuss begrüßt die vorliegende Konzeption des MLR insoweit, als
die kommunale Zuständigkeit für die
Gutachterausschüsse bei den Gemeinden weiterhin verbleibt.
• Diese vom Gemeindetag BadenWürttemberg immer geforderte
kommunale Zuständigkeit muss den
Gemeinden Gestaltungsmöglichkeiten für die Organisation des Gutachterausschusses (bei der Bestellung
der Gutachter) und für die Einrichtung der dazu gehörenden Geschäftsstelle des Gutachterausschusses einräumen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
• Die vom MLR genannte Zahl von
1000 Kauffällen ist zu hoch. Die Erfüllung der Aufgaben der Gutachterausschüsse, insbesondere der Geschäftsstellen, ist nach Auffassung
des Bau- und Verkehrsausschusses
auch mit einer deutlich geringeren
Zahl von Kauffällen gewährleistet.
Entscheidendes Kriterium muss die
Erledigungsqualität des jeweiligen
Gutachterausschusses sein.
Entwurf der Verordnung der Landes­
regierung zur Änderung der Gutach­
terausschussverordnung
Mit Schreiben vom 01.07.2015 hat das
MLR den Entwurf der Verordnung der
Landesregierung zur Änderung der Gutachterausschussverordnung zur Anhörung freigeben.
Der Entwurf sieht dabei folgende maßgebliche Änderungen vor.
Die Novellierung verfolgt das Ziel,
−die grundsätzliche Aufgabenzu­
weisung an die Gemeinden beizubehalten,
− benachbarte Gemeinden innerhalb
eines Landkreises die Möglichkeit zur
Bildung leistungsfähiger Einheiten
für die sachgerechte Aufgabenerfüllung zu eröffnen (gemeinsamer Gutachterausschuss),
−die Bildung einer Zentralen Geschäftsstelle für Grundstückswertermittlung im Land rechtlich zu verankern und
− sich im Übrigen auf die unbedingt
notwendigen Regelungen zu beschränken (Anpassung an bundesrechtliche Vorgaben und Umsetzung
fachlicher Erfordernisse in Ausübung
der bundesrechtlichen Ermächtigung).
Der neue § 1 Absatz 1 Satz 1 GuAVO
bleibt unverändert, indem die Gemeinden weiterhin die Verantwortung für
das Gutachterausschusswesen inne
­haben.
§ 1 Absatz 1 Satz 2 GuAVO sieht zukünftig vor, dass innerhalb eines
Landkreises benachbarte Gemeinden
die Aufgabe nach den Vorschriften der
Gemeindetag Baden-Württemberg
Gemeindeordnung und des Gesetzes
über kommunale Zusammenarbeit
übertragen können. Diese Übertragung kann durch öffentlich-rechtliche
Vereinbarung der Verwaltungsgemeinschaft, den Gemeindeverwaltungsverband, eine die Aufgabe inne habende
Gemeinde im Landkreis und den
Landkreis als neue Aufgabenträger
nach den Vorschriften der Gemeindeordnung (§§ 59ff) und des Gesetzes
über kommunale Zusammenarbeit –
GKZ – (§§ 1, 25) erfolgen. Aufgrund
des Verweises auf das GKZ ist auch eine Übernahme der Aufgabenträgerschaft durch einen Zweckverband
oder eine selbständige Kommunalanstalt nicht ausgeschlossen.
Der neue § 1 Absatz 1 Satz 3 GuAVO
beinhaltet die Bündelung der Daten auf
Landkreisebene. Der Satz sieht vor, dass
die zuständigen Stellen ein Zusammenwirken der Gutachterausschüsse auf
Kreisebene vereinbaren können.
Der neue § 1 Absatz 1a GuAVO bezieht
sich auf die erforderliche Zahl von Kauffällen, die zum Erfordernis gemacht
werden. Weiterhin wird festgelegt, dass
diese Erforderlichkeit bei einer Mindestzahl von 1000 auswertbaren Kauffällen
im Jahr vorausgesetzt werden kann.
Weiterhin wird der § 15 GuAVO neu
eingeführt. Dieser beinhaltet die so genannte „Zentrale Geschäftsstelle“, die
nach Absatz 1 beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung
nach § 198 BauGB angesiedelt sein wird.
Diese wird die Bezeichnung „Zentrale
Geschäftsstelle für Grundstückswertermittlung Baden-Württemberg“ tragen.
Diese Zentrale Geschäftsstelle wird die
Aufgaben nach § 198 Absatz 2 Satz 1
BauGB auf der Grundlage der nach
§ 193 Absatz 5 BauGB ausgewerteten
und ermittelten sowie auf Kreisebene
gebündelten Daten erfüllen. Zu diesem
Zweck wird sie ein Verzeichnis der Gutachterausschüsse mit folgenden Angaben führen:
− Bezeichnung, Zuständigkeitsbereich
und gegebenenfalls Kooperationsform,
− Postadresse, Telefonnummer sowie
E-Mail- und Internet-Adresse.
Der neue § 15 Absatz 3 GuAVO beinhaltet die Möglichkeit des MLR, eine
­Arbeitsgrupe aus sachkundigen Personen unter Vorsitz der Zentralen Geschäftsstelle zu berufen, um Unterstützungsleistungen für das Gutachterausschusswesen zu gewährleisten.
Stellungnahme des Gemeindetags
Baden-Württemberg
Der Gemeindetag hat mit Schreiben vom
28.08.2015 bezüglich der oben genannten Änderungen folgende Stellungnahme abgegeben, über die per Gt-info
­informiert wurde.
Der Gemeindetag kann einen Großteil
der geplanten Weiterentwicklungen innerhalb der Gutachterausschussverordnung unterstützen. Dies bezieht sich
insbesondere auf die Eröffnung weiterer
Möglichkeiten zur interkommunalen
Zusammenarbeit neben der Verwaltungsgemeinschaft. Außerdem wird
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
die Aufgabe „Gutachterausschuss“ auch
künftig eine kommunale Aufgabe bleiben wird und muss.
Im Weiteren wird darauf verwiesen, dass
nach § 1 Absatz 1 Satz 2 GuAVO verschiedene Arten der interkommunalen
Zusammenarbeit vorgesehen sind ohne
die Möglichkeit zu eröffnen, ausschließlich die Erledigung der Aufgabe „Gutachterausschuss“ auf eine Geschäftsstelle zu übertragen. Darüber hinaus wird
auf das Erfordernis eingegangen, dass
das Land für Kooperationen auf Grundlage von öffentlich-rechtlichen Verträgen Musterverträge erarbeiten sollte
ebenso wie für die Fallkonstellation,
dass bereits bestehende interkommunale Gutachterausschüsse in Verwaltungsgemeinschaften nur in sehr begrenzten
Umfang in der Lage sein werden, auf
Grundlage ihrer bisherigen Rechtsform
für weitere Gemeinden die Aufgabe
„Gutachterausschuss“ zu übernehmen.
Ferner wird auf § 1 Absatz 1a Satz 2
GuAVO Bezug genommen, der eine
­
Festschreibung der 1000 auswertbaren
Kauffälle vorsieht. Der Gemeindetag
hat sich bereits in zahlreichen Gesprächen mit dem MLR gegen die Festschrei-
931
Geschäftsbericht
bung einer Mindestzahl ausgesprochen.
Die Normierung der notwendigen Erledigungsqualität wird als der bessere Weg
angesehen. Insofern wird für die ersatzlose Streichung des § 1 Absatz 1a Satz 2
GuAVO plädiert.
Hinsichtlich des § 1 Absatz 1 Satz 3
GuAVO wird darauf hingewiesen, dass es
für die Gemeinden als Träger der Gutachterausschüsse keine Pflicht zur Bündelung auf Landkreisebene gibt. Aufgrund
dessen sollte aus Sicht des Gemeindetags
Aufgabe der Zentralen Geschäftsstelle
auf Landesebene sein, diese Bündelung
nach Landkreisen selbst vorzunehmen.
Was den § 15 Absatz 3 GuAVO angeht,
regt der Gemeindetag die Ergänzung
um einen Absatz 4 an:
„Die Zentrale Geschäftsstelle hat bei der
Aufgabenerledigung die Notwendigkeiten der Gutachterausschüsse zu berücksichtigen. Insbesondere sollten Form, Art
und Umfang der Datenabfrage in Abstimmung mit den Gutachterausschüssen erfolgen. Die in Absatz 3 genannte
Arbeitsgruppe kann hierfür einen sachdienlichen Rahmen bilden.“
BWGZ 19 | 2015
Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des
Denkmalschutzgesetzes
Die Landesregierung hat mit Datum
vom 14.10.2014 dem Landtag das Gesetz zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes übermittelt (LT-Drs. 15/5870).
Der Landtag hat die Rechtänderung am
26.11.2014 beschlossen.
Hintergrund ist der grün-rote Koalitionsvertrag vom 27.04.2011, in dem das Ziel
formuliert ist, die Überprüfung bestehender Strukturen und Zuständigkeiten
im Bereich der Landesverwaltung fortzusetzen. Der Koalitionsvertrag enthält zudem den Auftrag zu prüfen, wie die
Denkmalpflege organisatorisch gestärkt
werden kann. Zur Umsetzung dieser Vorgaben wurde für den Bereich der Landesdenkmalpflege ein Reformvorschlag erarbeitet, der auf Ebene der Regierungspräsidien eine Konzentration der fachlichen Denkmalpflege im Landesamt für
Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart vorsieht. Hierzu sollen die derzeit in den anderen Regierungspräsidien
bestehenden regionalen Fachreferate
Denkmalpflege organisatorisch in das
neue Vor-Ort-Präsidium Stuttgart eingegliedert werden; an den bisherigen
Standorten Karlsruhe, Freiburg und Tübingen sollen Außenstellen die notwendige Ortsnähe sicherstellen.
Foto: Rainer Sturm/PIXELIO
Ziel der Organisationsreform ist es,
durch Bündelung derzeit regionalisierter Strukturen im künftigen Vor-OrtPräsidium Stuttgart eine größere Einheitlichkeit der Denkmalverwaltung zu
erreichen und Doppelstrukturen abzubauen. Durch Konzentration der fachlichen Denkmalpflege soll eine landeseinheitliche Entscheidungsfindung in
denkmalfachlichen Fragen erleichtert
und die Denkmalpflege insgesamt effektiver und zukunftsfähiger gestaltet
werden. Die Neuorganisation ermöglicht zudem ein besseres Personalmanagement und die Ausbildung spezieller Fachkompetenzen, um vor dem
Hintergrund begrenzter personeller
und finanzieller Ressourcen fachliche
Schwerpunkte setzen und einen hohen
Standard konservatorischen Handelns
erhalten zu können. Dagegen sollen
932
die Aufgabenbereiche der übrigen
Denkmalschutzbehörden von der Organisationsreform unberührt bleiben.
Durch den Kompetenzzuwachs des
Landesamtes erwartet das Land einen
flexibleren, über die Grenzen des Regierungsbezirks hinausgehenden Einsatz von Technik und Personal. Kritiker
in den anderen drei Regierungsbezirken befürchten, dass dem Regierungspräsidenten in Stuttgart, der Vorgesetzter des Abteilungsleiters des Landesamts für Denkmalpflege ist, ein Projekt
im eigenen Bezirk wichtiger sein könnte als außerhalb. Im Jahre 2013 gab es
für die Denkmalpflege vom Land
knapp 16 Mio. Euro.
Entsprechend der künftigen Ausgestaltung des Landesamtes für Denkmalpflege als landesweit zuständige Denkmalfachbehörde ist zudem vorgesehen,
beim Finanz- und Wirtschaftsministerium als oberste Denkmalschutzbehörde
einen landesweit zuständigen Denkmalrat einzurichten, der die Denkmalbehörden bei grundsätzlichen Entscheidungen berät. Die derzeit bei den Regierungspräsidien bestehenden vier regionalen Denkmalräte sollen in diesem
landesweiten Gremium aufgehen.
Mit Schreiben vom 24.06.2015 hat das
Ministerium für Finanzen und Wirtschaft den Gemeindetag über Gründung des oben genannten Denkmal­
rates informiert. Nachdem der Landtag
von Baden-Württemberg Ende 2014 die
Änderung des Denkmalschutzgesetzes
Baden-Württemberg verabschiedet hat,
ist das Landesamt für Denkmalpflege
(LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart mit Dienstsitz in Esslingen am Neckar landesweit der zentrale Ansprechpartner für alle denkmalrechtlichen
Fragen. Das LAD wird mit Außenstellen
in Karlsruhe, Freiburg und Tübingen
präsent sein.
Zentrales Anliegen ist weiterhin die Errichtung eines landesweit zuständigen
Denkmalrates. Hinsichtlich der personellen Ausgestaltung wird der Gemeindetag Baden-Württemberg mit insgesamt vier Personen (zwei ordentliche
Mitglieder, zwei Stellvertreter) beim
Denkmalrat vertreten sein.
Gemeindetag Baden-Württemberg
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Geschäftsbericht
Änderung des Bestattungs gesetzes – VGH: Kein Verbot von
Grabsteinen aus ausbeuterischer
Kinderarbeit in kommunalen
Friedhofssatzungen
Novelle zum Bestattungsgesetz
Der Landtag hat am 26.03.2014 das Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes beschlossen. Basis des Gesetzentwurfs
ist die Überlegung, dass der ausdrücklich
verfügte oder der mutmaßliche Wille des
Verstorbenen hinsichtlich Ort und Art
und Weise seiner Bestattung maßgebend
ist. Deshalb wurde die Sargpflicht für
Erdbestattungen aufgehoben. Hintergrund sind die Bestattungsriten der Muslime und Juden. Ein Religionsnachweis
wird aber nicht gefordert – obwohl nach
dem Wortlaut auf die Religionszugehörigkeit abgehoben wird. Der Transport
zur Grabstätte ist weiterhin im Sarg möglich. Die Friedhofspflicht für Urnen wurde beibehalten; es können aber reine
Urnenfriedhöfe unter der Trägerschaft
der Gemeinden und Kirchen eingerichtet werden. Eine Pflicht zur Anlegung
von Grabfeldern für muslimische Bestattungen in kommunalen Friedhöfen besteht somit nicht.
§ 39 Abs. 1 BestattG wurde wie folgt ergänzt: „In den Fällen, in denen die Religionszugehörigkeit eine Bestattung ohne Sarg vorsieht, können die Verstorbenen in Tüchern erdbestattet werden,
sofern keine gesundheitlichen Gefahren zu befürchten sind. Für den Transport Verstorbener bis zur Grabstätte
sind geschlossene Särge zu verwenden.“
Eine Aushändigung von Urnen an Angehörige kommt nicht in Frage. Auf eine zeitliche Vorgabe für den frühesten
Bestattungszeitpunkt wird verzichtet
(bisher 48 Stunden, siehe § 36 Abs. 1
BestattG a.F.). Somit ist künftig eine Bestattung nach der erfolgten ärztlichen
Leichenschau denkbar. Dabei entstehen
organisatorische Fragen bei den Standesämtern und den kommunalen Friedhofsverwaltungen sowie bei den Bau­
höfen (Ausgraben und Zufüllen der Gräber). Für die Gemeinde stellt sich die
Frage nach der Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes. Bestattungen sind an
Sonn- und Feiertagen möglich: „Nach
934
BWGZ 19 | 2015
dem Arbeitszeitgesetz und dem Feiertagsgesetz ist eine Bestattung am Sonntag grundsätzlich zulässig, sofern dafür
religiöse Gründe geltend gemacht werden können.“ (Gesetzesbegründung
S. 16). Dies hat natürlich Folgen für die
Kosten und die Kalkulation der Bestattungsgebühren.
Im Zusammenhang mit der Bestattung
von Muslimen wird auf das so genannte
ewige Ruherecht hingewiesen. Der muslimische und jüdische Glauben kennt die
so genannte „ewige Ruhe“. Nach dem
Bestattungsgesetz Baden-Württemberg
gibt es die Mindestruhezeit von 15 Jahren, die aus Pietätsgründen auch für Urnen gilt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 BestattG). Die
Gemeinden bestimmen in der örtlichen
Friedhofssatzung die Ruhezeit; sie dient
der Sicherstellung der Verwesung und
wird (deshalb) im Benehmen mit dem
Gesundheitsamt festgelegt (§ 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BestattG). Entsprechend dem
jahrzehntelangen System kann an Grabstätten ein so genanntes öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht durch die Gemeinde verliehen werden (Wahlgrab); dies ist
regelmäßig länger als die Ruhezeit. Das
Nutzungsrecht kann gegen eine Gebühr
verlängert bzw. neu verliehen werden.
Nicht thematisiert wurde im Gesetzentwurf der Grundsatz der „unberührten
Erde“ für die Bestattung von Muslimen.
Die Grabstelle für verstorbene Muslime
darf somit vorher nicht durch andere
Bestattungen belegt gewesen sein. Das
kann auf den kommunalen Friedhöfen
schwierig werden, da auf den Friedhöfen praktisch alle Flächen „belegt“ sind
(waren), nicht belegte Flächen also
kaum mehr zu finden sind. Werden in
muslimischen Grabfeldern Grabstellen
frei, können sie nicht mehr wiederbelegt werden. Das führt zu gestalterischen Problemen in diesen Feldern und
zu zusätzlichen Kosten, deren Abgeltung zu klären ist.
Die Notwendigkeit von Einrichtungen
für rituelle Waschungen wird im Gesetzentwurf angesprochen (S. 17): „Konsequenterweise sollten vom Friedhofsträger auch entsprechende Einrichtungen
zur Durchführung islamischer Bestattungsriten (z.B. Waschung) vorgehalten
werden.“ Das hat zwangsläufig Kostenfolgen und die Frage nach der Kostentragung bzw. Kalkulation der Gebühren
für die Bestattungsdurchführung auch
im Hinblick auf die jährliche Zahl der
rituellen Waschungen.
Im Bestattungsgesetz wurde das Wort
„Leichen“ durch das Wort „Verstorbene“ ersetzt. An die Stelle des Wortes
„Leichenwagen“ trat das Wort „Bestattungskraftwagen“ (nach DIN 57081).
Die Geschäftsstelle des Gemeindetags
Baden-Württemberg hatte aufgrund der
Beratungspraxis für seine Mitglieder einige Vorschläge für die Novelle des Bestattungsgesetzes erarbeitet. Diese beziehen
sich auf das Rechtsverhältnis an Urnen
nach Ablauf der Ruhezeit/Nutzungszeit.
Es bedarf der Klarstellung, dass nach Ablauf der Ruhezeit/Nutzungszeit kein –
öffentlich-rechtlicher – Herausgabeanspruch der Hinterbliebenen gegenüber
der Gemeinde besteht. Dies ist begründet
mit einem pietätvollen Umgang mit Urnen (wie mit Leichen; siehe für Leichen
§ 6 Abs. 3 BestattG: „Nach Ablauf der
Ruhezeit aufgefundene Gebeine [Überreste von Leichen] sind in geeigneter
Weise innerhalb des Friedhofs zu bestatten.“). Die im Vorfeld vom Gemeindetag
gegenüber dem Sozialministerium angesprochene Thematik hat dazu geführt,
dass die angesprochene Vorschrift des § 6
Abs. 2 BestattG (aufgefundene Gebeine)
auch auf Urnen ausgedehnt wurde.
VGH – Keine Satzungsregelung
mit Verbot von Grabsteinen
aus ausbeuterischer Kinderarbeit
Bei der Novellierung des baden-württembergischen Bestattungsgesetzes im
Jahr 2012 war § 15 um den neuen Absatz
3 ergänzt worden, wonach Friedhofs­
träger im Rahmen ihrer Satzungskom­
petenz festlegen können, „dass nur
Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich
aus fairem Handel stammen und ohne
ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne
der Konvention 182 der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt
sind. Die Anforderungen an den Nachweis sind in den Friedhofsordnungen
und Polizeiverordnungen festzulegen“.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Der VGH Baden-Württemberg hat nun
aber am 29.04.2014 entschieden, dass
die Friedhofssatzung der Stadt Kehl, die
sich auf den novellierten § 15 BestattG
gründet, rechtswidrig und daher unwirksam ist. Nach der Begründung des
VGH ist das Verbot von Grabsteinen aus
ausbeuterischer Kinderarbeit mit dem
verfassungsrechtlichen Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar. Es
belaste Steinmetze unzumutbar. Denn
es sei für sie nicht hinreichend erkennbar, welche Nachweismöglichkeiten bestünden und als ausreichend gälten.
Verlässliche Möglichkeiten für den
Nachweis, dass Grabsteine ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt
seien, seien – wie bereits das Bundes­
verwaltungsgericht mit Urteil vom
16.10.2013 zur Friedhofssatzung der
Stadt Nürnberg festgestellt habe – nicht
vorhanden. Es fehle eine allgemeine
Auffassung, welche der vorhandenen
Zertifikate für faire Steine als vertrauenswürdig gelten könnten. Es gebe keine Anerkennung solcher Zertifikate
durch eine zuständige staatliche Stelle.
Die Satzung regle auch nicht ausdrücklich unter Benennung der Zertifikate,
welche als Nachweis ausreichten. Da die
angegriffene Satzungsvorschrift bereits
aus diesen Gründen unwirksam sei,
könne offen bleiben, ob ihre gesetzliche
Ermächtigung in § 15 Absatz 3 BestattG
verfassungsgemäß sei.
Hinterbliebenen aufgenommen werden, dass bei Steinen, die außerhalb des
EU-Raumes gebrochen und bearbeitet
werden, nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass gegen die
ILO-Konvention 182 verstoßen wird.
Bei Steinen, die aus Ländern innerhalb
der EU stammen – z.B. Granit aus Polen
und Finnland, Marmor aus Italien und
Portugal – besteht diese Gefahr nicht.
Davon abgesehen gelten die vorgenannten Überlegungen auch für die
Einhaltung der notwendigen Vorgaben
für Arbeits- bzw. Mutterschutz.
Insoweit ist bedeutsam, dass der VGH
die Regelung in der Friedhofssatzung
der Stadt Kehl für unwirksam erklärt
hat, weil die Vorschrift über den Nachweis durch ein vertrauenswürdiges, allgemein anerkanntes Zertifikat den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt und die satzungsrechtliche Regelung, dass die
zuständige Friedhofsverwaltung fortlaufend ein Verzeichnis der vertrauenswürdigen Zertifikate führt und aktualisiert, gegen den Gesetzesvorbehalt des
Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt.
Über die zahlreichen Normenkontrollklagen gegen kommunale Friedhofssatzungen (über 45) und die Entscheidung
des VGH vom 29.04.2014 zur Friedhofssatzung der Stadt Kehl hat der Gemeindetag Baden-Württemberg wiederholt
im Gt-info berichtet (siehe zuletzt Sachstandsbericht in Gt-INFO Nr. 498/2014
vom 07.07.2014, Versandtag 16.06.2014,
sowie zur Erledigungsgebühr Gt-INFO
Nr. 706/2014 vom 05.09.2014, Versandtag 22.08.2014). Trotz des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hat es die Stadt Stuttgart auf einen
weiteren Prozess ankommen lassen. Die
Satzungsregelung unterscheidet sich geringfügig von der Friedhofssatzung der
Stadt Kehl.
Dieser Maßgabe folgend hat der VGH
BW in den Beschlüssen vom 21.05.2015
entschieden, die zum Gegenstand die
Friedhofssatzung der Landeshauptstadt
Stuttgart hatten.
Die Vorschrift in der Friedhofssatzung
der Landeshauptstadt Stuttgart (Antragsgegnerin), nach der nur Grabmale
aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, und der Nachweis hierfür mittels Zertifikat einer anerkannten Organisation erbracht wird,
ist rechtswidrig und daher unwirksam.
Dies hat der 1. Senat des VGH BadenWürttemberg in vier Normenkontroll-
Derzeit sind leider keine Belege bzw.
Zertifikate verfügbar, die die gesamte
Wertschöpfungskette bei Grabsteinen
zum Beispiel von Indien über China
und Vietnam zuverlässig abbilden. Solange dies der Fall ist, kann Steinmetzen
bei ihrer Materialbeschaffung nicht der
Nachweis über den Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit aufgebürdet werden, ohne einen unzumutbaren Eingriff
in die gemäß Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG
geschützte Berufsfreiheit vorzunehmen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Foto: Gemeindetag Baden-Württemberg
Um dennoch die Umsetzung der ILOKonvention 182 zu befördern, hat das
Sozialministerium den Friedhofsträgern
in Baden-Württemberg vorgeschlagen,
von der Satzungskompetenz gemäß § 15
Abs. 3 BestattG keinen Gebrauch zu machen. Stattdessen könnte in den Friedhofssatzungen eine Information an die
935
Geschäftsbericht
verfahren auf Anträge von insgesamt
neun Steinmetzbetrieben (Antragsteller) aus dem Raum Stuttgart mit Beschlüssen ohne mündliche Verhandlung am 21.05.2015 entschieden.
Im Anschluss daran legt der VGH in seinen Beschlüssen vom 21.05.2015 zur
Stuttgarter Friedhofssatzung dar, ausreichende Nachweismöglichkeiten bestünden weiterhin nicht. Insbesondere
sei eine hinreichend gesicherte Verkehrsauffassung, welche Zertifikate über
Grabsteine, die ohne ausbeuterische
Kinderarbeit hergestellt sind, als vertrauenswürdig gelten können, derzeit
nicht festzustellen. Dem Vorbringen der
Antragsgegnerin, es gebe eine allgemeine Verkehrsauffassung, dass die Siegel
der Organisationen „XeritifiX“ und
„fair stone“ vertrauenswürdig seien,
könne nicht gefolgt werden. Das Fehlen
einer allgemeinen Verkehrsauffassung
zeige sich bereits in den unterschied­
lichen Regelungen baden-württembergischer Gemeinden in ihren Friedhofssatzungen. Auch die bekannte Verbraucherzeitschrift Ökotest habe im Mai
2014 festgestellt, die Meinungen darüber, was nachprüfbare Dokumente für
ohne Kinderarbeit hergestellte Natursteine seien, gingen auseinander. Eine
Anhörung von Sachverständigen im
Landtag von Nordrhein-Westfalen habe
ebenfalls ergeben, dass die Aussagekraft
bestehender Siegel ungeklärt sei.
Die Gemeinden können somit abwarten, wie der VGH über diese Fälle entscheidet bzw. ob sich diesen Verfahren
dann noch Rechtsmittel zum Bundesverwaltungsgericht anschließen. Damit
können die Gemeinden entsprechend
der Empfehlung des Sozialministeriums
derzeit auf eine satzungsrechtliche Regelung verzichten.
Änderung der Bestattungs­
verordnung – BestattVO
Mit Schreiben vom 04.09.2014 wurde
der Gemeindetag Baden-Württemberg
zur Stellungnahme zur neuen Bestattungsverordnung durch das Sozialministerium aufgefordert. Die neue Bestattungsverordnung ist am 19.06.2015 in
Kraft getreten. Damit einhergehend
936
BWGZ 19 | 2015
wurde auch die Todesbescheinigung geändert. Hervorzuheben ist dabei der
§ 36 BestattVO, der die jeweilig zuständige Behörde zum Inhalt hat. Zur Klarstellung der Zuständigkeit hat das Sozialministerium mit Schreiben vom
21.07.2015 folgende Hinweise erteilt:
Das Regierungspräsidium ist gemäß § 36
Absatz 1 BestattVO zuständige Behörde
für die Genehmigung von reinen Urnenfriedhöfen im Sinne von § 5 Absatz
1 BestattVO in öffentlichen Gebäuden,
etwa von Kolumbarien in Kirchengebäuden.
Die untere Verwaltungsbehörde ist gemäß § 36 Absatz 1 BestattVO zuständige Behörde für die Genehmigung für
die Anlage bzw. Erweiterung von Friedhöfen gemäß §§ 1-3 BestattVO. Dies
umfasst auch die Genehmigung für
Friedhöfe, auf denen ausschließlich
Naturbestattungen vorgesehen sind sowie für private Bestattungsplätze gemäß § 9 Bestattungsgesetz, an deren
Trägerschaft kein Friedhofsträger gemäß § 1 Absätze 1 und 2 Bestattungsgesetz beteiligt ist.
Die Ortspolizeibehörde ist gemäß § 5
Absatz 2 BestattVO zuständig für die Genehmigung von Flächen für Naturbestattungen auf bestehenden Friedhöfen.
Zuverlässigkeit von Hochwasser gefahrenkarten – Bauen in
Überschwemmungsgebieten –
Hochwasserschutzregister
Zu dieser Thematik wurde sehr ausführlich in BWGZ 1/2015 Seite 35 berichtet.
Zwischenzeitlich hat die WBW Fortbildungsgesellschaft, wie zwischen Umweltministerium und Gemeindetag Baden-Württemberg vereinbart, eine Internet-Plattform für die Gemeinden zum
Hochwasserschutz bzw. Bauen in Überschwemmungsgebieten aufgebaut. Diese
wird Zug um Zug mit wichtigen Informationen zu diesem Bereich bestückt. Dort
sind u.a. die Broschüre „Hochwasser-Risiko – bewusst planen und bauen“ sowie
die FAQ’s der Regierungspräsidien zum
Bauen in Überschwemmungsgebieten
abrufbar (http://wbw-fortbildung.net/
pb/,Lde/Home/Taetigkeiten/Hochwasseran-
gepasst.html). Auf die Gt-INFO Nrn.
205/2015 und 231/2015 vom 20. März
2015 wird insoweit hingewiesen.
Zwischenzeitlich haben der Städtetag
und der Gemeindetag auch ein vorläufiges Satzungsmuster für kommunale
Hochwasserschutzregister samt Hinweisen an ihre Mitglieder versandt. Dieses
ermöglicht allerdings nur eine Erstattung der tatsächlich bereits entstandenen Kosten für Hochwasserschutz- und
Rückhaltemaßnahmen durch den jeweiligen Bauherrn. Die Intention der Arbeitsgruppe Hochwasserschutzregister
war jedoch, den Kommunen, ähnlich
wie bei den Anschlussbeiträgen für die
Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung, die Möglichkeit einzuräumen,
auch zukünftig entstehende Kosten für
den Ausgleich des Verlustes von verloren
gehendem Rückhalteraum in die „Kostenerstattung“ mit einzubeziehen. Damit soll eine Ungleichbehandlung der
Bauherren, aber auch ein „Windhundrennen“ um die günstigsten Kubikmeter
Rückhalteraum vermieden werden.
Ein diesbezügliches Gutachten von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jörg Birk
schlägt dafür eine Änderung des Wassergesetzes für Baden-Württemberg
(WG) vor. Gemeindetag und Städtetag
haben vor diesem Hintergrund gegenüber dem Umwelt- und dem Innenminister angeregt, den Kommunen entgegenzukommen und dieses Vorhaben zu
unterstützen. Auf die ausführliche Darstellung in Gt-INFO Nr. 603/2015 vom
6. Juli 2015 wird hingewiesen. Die Antworten der beiden Minister liegen zwischenzeitlich vor. Insbesondere die
ausführliche Antwort des Umweltministers (Auszug: „… bin ich zu der Auffassung gelangt, dass eine Gesetzesinitiative zum jetzigen Zeitpunkt in jedem
Fall verfrüht wäre“…) lässt befürchten,
dass es in dieser Legislaturperiode zu
keiner Änderung des WG mehr kommen wird, auch nicht über ein Artikelgesetz. Gemeindetag und Städtetag haben ihr Anliegen zwischenzeitlich
nochmals per Schreiben vom 17. Juli
2015 erläutert und ein erneutes Gespräch mit Vertretern der kommunalen
Landesverbände, des Umwelt- und des
Innenministeriums vorgeschlagen.
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Geschäftsbericht
Neue Förderrichtlinien
Wasserwirtschaft – Änderungswünsche des Gemeindetags
wurden berücksichtigt
Per Schreiben des Umweltministeriums
vom 10. März 2015 erfolgte die offizielle
Anhörung zum Entwurf der neuen Förderrichtlinien Wasserwirtschaft 2015
(FrWw). Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat dazu per Schreiben vom
21. April und 8. Mai 2015 Stellung genommen. Der Ministerrat hat die FrWw
2015 Ende Juli 2015 beschlossen. Sie
treten zum 1. November 2015 in Kraft.
Wesentliche Inhalte
der neuen Förderrichtlinien
1. Thermische Klärschlamm­
entsorgung als Fördervoraussetzung
Eine Zuwendung für Maßnahmen auf
Kläranlagen kann grundsätzlich nur
noch bewilligt werden, wenn der Antragsteller den auf der Kläranlage anfallenden
Klärschlamm thermisch entsorgt. Damit
wird dem Ziel der vollständigen thermischen Entsorgung für einen verbesserten
Boden- und Grundwasserschutz auch in
den FrWw Rechnung getragen.
2. Maßnahmen zur Umsetzung
von Strukturgutachten sind auch
unabhängig vom Erreichen
der Antragschwelle förderfähig
Im Bereich der Wasserversorgung und
der Abwasserbeseitigung gibt es im Land
teilweise sehr kleinräumige Strukturen.
Mit der Förderung sollen in den Gebieten mit geringer Anschlussdichte diejenigen strukturverbessernden Maßnahmen gefördert werden, die aufgrund des
demografischen Wandels, des Klimawandels, der Wirtschaftlichkeit und
steigender Umweltstandards für die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser und
eine gesicherte Abwasserbeseitigung in
der Zukunft dringend notwendig sind.
3. Erstmalige großtechnische
Umsetzung innovativer Verfahren
als neuer Fördertatbestand
In der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung soll, insbesondere
zur Steigerung der Energieeffizienz in
diesem energieintensiven Bereich, die
erstmalige Umsetzung innovativer Ver-
938
BWGZ 19 | 2015
fahren förderfähig und damit die breite
Anwendung erleichtert werden.
4. Erstmalige Ausleitung von
Abwasser aus Wasserschutzgebieten
Zum Grundwasserschutz wird die erstmalige Ausleitung von Abwasser aus
rechtskräftig festgesetzten Wasserschutzgebieten als neuer Bonustatbestand eingeführt.
5. Schadlose Ableitung von Nieder­
schlagswasser infolge von Stark­
regenereignissen aus Außenbereichen
Die Zunahme von Starkregenereignissen aufgrund des Klimawandels erfordert es, Überflutungen der bebauten
Ortslage aus Außenbereichen zu verhindern. Die hierzu erforderlichen Maßnahmen werden förderfähig.
6. Erhöhter Fördersatz für gewässer­
ökologische Maßnahmen
Gewässerökologische Maßnahmen zur
Verbesserung der Gewässerstruktur und
zur Herstellung der Durchgängigkeit bilden einen Schwerpunkt derjenigen Maßnahmen, die zur Erreichung des guten
Zustands nach Wasserrahmenrichtlinie
erforderlich sind. Hier besteht auch an
den in der Unterhaltungslast der Kommunen stehenden Gewässern II. Ordnung
nach wie vor ein hoher Handlungsbedarf.
Um die Umsetzung zu beschleunigen,
wird der Fördersatz von bislang 50 Prozent
bzw. 70 Prozent (im ländlichen Raum) auf
künftig einheitlich 85 Prozent erhöht.
7. Förderung von Gewässer­
entwicklungsflächen
Gewässerentwicklungsflächen, die in
der Breite über die Gewässerrandstreifen
hinausgehen, ermöglichen die dynamische Eigenentwicklung von Gewässerabschnitten und sind ein wichtiges Instrument, um in den Gewässern Lebensraum zu schaffen. Damit leisten auch sie
einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung
der Wasserrahmenrichtlinie.
8. Maßgebliche Gebühr
über zwei Jahre berechnet
Das maßgebliche Wasser- und Abwasserentgelt, das für die Berechnung des
Fördersatzes in diesen Bereichen zugrunde gelegt wird, wird künftig aus
dem Mittelwert der Gebührenhöhe des
Antragsjahres und des Vorjahres ermittelt. Dies dient dazu, Manipulationen
zu verhindern, die durch zu große Gebührenerhöhungen zur Erreichung eines höheren Fördersatzes bislang möglich gewesen wären. An der Antragsschwelle von 5,90 Euro/m3 maßgebliches Wasser- und Abwasserentgelt hat
sich dagegen nichts geändert.
Verbesserungen
bei strittigen Punkten
Strittig war insbesondere die ursprünglich vorgesehene Absenkung der Förderkurve in den Bereichen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung und darüber hinaus auch für Härtefälle (Kanalsanierungsmaßnahmen sowie Sanierung
von Ortsverteilungsnetzen bei der Wasserversorgung). Dagegen hatte sich vor
allem der Gemeindetag Baden-Württemberg gewandt. Dahinter stand insbesondere die Befürchtung, dass dies zur Streichung oder Verschiebung wasserwirtschaftlich wichtiger Vorhaben oder aber
zu einer drastischen Gebührenerhöhung
(insbesondere bei Gemeinden im ländlichen Raum) führen wird. Das Umweltministerium ist deshalb bei den alten
Förderkurven der FrWw 2009 geblieben.
Gemeindetag und Landkreistag hatten
außerdem ein Inkrafttreten der Förderrichtlinie erst zum 1. November 2015
angeregt, damit für die Vorbereitung der
Anträge und die Beratung der Antragsteller ausreichend Zeit zur Verfügung
steht. Dieser Bitte ist das Umweltministerium ebenfalls nachgekommen.
Entsprechend der Stellungnahme des Gemeindetags ist für den Nachweis des Vorliegens eines Hochwasseralarm- und
Hochwassereinsatzplans als Voraussetzung für die Förderung einer Hochwasserschutzmaßnahme bzw. für die thermische
Klärschlammentsorgung als Voraussetzung für die Förderung einer Abwassermaßnahme eine entsprechende Bestätigung der Gemeinde ausreichend. Als
Nachweis für das Vorliegen eines Hochwasseralarm- und Hochwassereinsatzplans hatte das Umweltministerium ursprünglich das Ausfüllen einer ausführlichen Checkliste durch die (überwiegend
kommunalen) Antragsteller vorgesehen.
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Geschäftsbericht
Integriertes Energie- und
Klimaschutzkonzept (IEKK),
Strategie zur Anpassung
an den Klimawandel in BadenWürttemberg und Klimaschutzpakt mit den Kommunen
Der Ministerrat hat am 15. Juli 2014 das
Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept für Baden-Württemberg (IEKK)
verabschiedet. Das IEKK ist Teil des baden-württembergischen Klimaschutzgesetzes, mit dem sich Baden-Württemberg das Ziel gesetzt hat, bis 2050 die
landesweit ausgestoßene Treibhausgasmenge um 90 Prozent zu reduzieren
­(Bezugsjahr 1990). Bis 2020 soll das
25-Prozent-Ziel erreicht sein.
Das Konzept umfasst insgesamt 108
Maßnahmen aus den Handlungsbereichen Strom, Wärme, Verkehr, Landnutzung und Stoffströme und enthält unter
anderem Maßnahmen zur Energieeinsparung und Energieeffizienz, zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur
Modernisierung der Infrastruktur. Wesentlicher Bestandteil ist der Bereich
Mobilität. Der Straßenverkehr trägt mit
einem knappen Drittel einen Großteil
zu den energiebedingten CO2-Emissionen in Baden-Württemberg bei.
Der Verabschiedung des IEKK ging eine
umfassende Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung voraus. In einem bisher einmaligen Beteiligungsverfahren wurden
180 zufällig ausgewählte Bürgerinnen
und Bürger und 120 Vertreterinnen und
Vertreter von Interessengruppen an 12
Runden Tischen zur Bewertung und Verbesserung der Vorschläge eingeladen.
Über 1000 Empfehlungen einschließlich
der Empfehlungen aus einer Online-Beteiligung gingen ein. Knapp ein Viertel
der Empfehlungen wurde berücksichtigt.
Über den Stand der Umsetzung des IEKK
und die Fortschritte auf dem Weg, die
Klimaschutzziele zu erreichen, will das
Umweltministerium jährliche Kurzberichte erstellen und dem Kabinett sowie
dem Landtag 2016 einen umfassenden
Zwischenbericht geben. Auf Basis dieser
Berichte wird das Integrierte Energieund Klimaschutzkonzept spätestens
nach fünf Jahren fortgeschrieben.
940
BWGZ 19 | 2015
Das IEKK ist im Internet auf der Homepage des Umweltministeriums unter
www.um.baden-wuerttemberg.de/de/klima/
klimaschutz/integriertes-energie-und-klima­
schutzkonzept-iekk/ zu finden. Darüber
hinaus siehe Gt-INFO Nr. 581/204 vom
21.07.2014 und Nr. 652/2014 vom
05.09.2014.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
hatte zuvor am 27. Februar 2014 eine
schriftliche Stellungnahme zum IEKKEntwurf abgegeben. Er hat dabei vor allem seine Erwartung an die Landesregierung ausgedrückt, dass die kommunalen Landesverbände rechtzeitig vor dem
Erlass von Rechtsvorschriften, die der
Umsetzung des Klimaschutzgesetzes
bzw. den Zielen des IEKK dienen sollen,
angehört werden – und zwar auch und
insbesondere für den Erlass von Förderrichtlinien, die den Klimaschutz in der
Städten und Gemeinden fördern sollen,
aber auch von solchen, die eine Förderung von kommunalen Maßnahmen
von der Erfüllung bestimmter Standards
beim Klimaschutz abhängig machen.
Darüber hinaus wurde eine weitere Stärkung der regionalen Klimaschutz- und
Energieagenturen eingefordert.
Aus Sicht des Gemeindetags weist das
im Juli 2014 verabschiedete IEKK einige
Defizite auf. Insbesondere kommt ihm
so gut wie keine Steuerungskraft zu.
Eine Verknüpfung mit der Finanzplanung wurde leider nicht hergestellt.
Auch wurde darauf verzichtet, Um­
setzungsschwerpunkte für die laufende
Legislaturperiode förmlich zu fixieren.
Mitte Mai 2015 hat das Umweltministerium dann den Entwurf einer Strategie
zur Anpassung an den Klimawandel in
Baden-Württemberg in die Anhörung
gegeben. Wenige Monate zuvor, am 14.
November 2014, war ein Arbeitsentwurf
der Anpassungsstrategie auf einem Kongress mit 130 Vertretern aus Wirtschaft,
Kommunal- und Landesverwaltung, Regionalverbänden, Umwelt- und Interessenverbänden sowie Experten aus Wissenschaft und Forschung diskutiert
worden. Danach wurde der Arbeitsentwurf über das Beteiligungsportal des
Landes gut einen Monat für die Öffent-
lichkeit zugänglich gemacht. Zwischenzeitlich ist die Anhörungsrunde abgeschlossen.
Nach eigener Aussage des Ministeriums ist die Anpassungsstrategie kein
Leitplan, der verbindliche Handlungen vorschreibt oder untersagt. Vielmehr enthalte er Empfehlungen und
Umsetzungsvorschläge für die betroffenen Akteure quer durch alle Handlungsfelder.
Der Gemeindetag hatte in seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2015 hierauf
Bezug genommen und darum gebeten,
den Städten und Gemeinden – entsprechend ihrer Vorbildfunktion nach
§ 7 Abs. 4 Satz 1 Klimaschutzgesetz
Baden-Württemberg – grundsätzlich
zu ermöglichen, Klimaanpassungsmaßnahmen in eigener Verantwortung durchzuführen. Für den Fall, dass
aus Sicht des Landes, unter Bezugnahme auf die Empfehlungen und bzw.
Vorschläge des Strategiepapiers, später
Handlungspflichten der Kommunen
für erforderlich gehalten werden, hat
der Gemeindetag Baden-Württemberg
eine rechtzeitige Anhörung angemahnt. Für diesen Fall hat er auch eine
konkrete Maßnahmen-, Zeit- und Finanzierungsplanung, mit Darstellung
der konnexitätsrelevanten Verpflichtungen, gefordert. Auf die Gt-INFO
Nr. 541/2015 vom 22. Juni 2015 und
­Nr. 591/2015 vom 6. Juli 2015 wird
hin­
gewiesen. Die Klimaanpassungsstrategie wurde am 28. Juli 2015 vom
Landes­kabinett beschlossen.
Die nach § 7 Abs. 4 Satz 3 des Klimaschutzgesetzes vorgesehene Vereinbarung zwischen Land und kommunalen
Landesverbänden liegt inzwischen im
Entwurf vor. Aus Sicht der kommunalen Landesverbände sind allerdings
noch einige Änderungen bzw. Ergänzungen erforderlich. Insoweit war eine
Unterzeichnung der Vereinbarung vor
der Sommerpause 2015 nicht mehr
möglich. In einer solchen Verein­
barung soll bekanntlich Näheres zur
Vorbildfunktion der Gemeinden und
Gemeindeverbände (beim Klimaschutz),
die sie in eigener Verantwortung erfüllen,
geregelt werden.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
Novelle des Landesnatur schutzgesetzes beschlossen
und in Kraft getreten
Der Gemeindetag Baden-Württemberg ist
vom Ministerium für Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz Baden-Württemberg bereits im Sommer 2014 um die Abgabe einer Stellungnahme zu eventuellen
Konnexitätsfolgen des neuen Naturschutzgesetzes (NatSchG) gebeten worden. Der Gemeindetag hat sich dazu per
Schreiben vom 12. September 2014 geäußert. Sein Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss hat ihn dann in seiner Sitzung
vom 15. Oktober 2014 u.a. ermächtigt, auf
der Basis seiner Stellungnahme zu den
Konnexitätsfolgen eine Äußerung im Rahmen der offiziellen Verbandsanhörung
zur NatSchG-Novelle abzugeben.
Darüber hinaus hat der Ausschuss darum gebeten, mit den zuständigen Vertretern der beiden Regierungsfraktionen
über den Gesetzentwurf zu reden und
dabei die kommunalen Positionen vorzutragen. Diese Gespräche fanden im
Januar und im Februar 2015 statt. Die
Argumentation der beiden Vertreter des
Gemeindetags ist dabei auf ein grundsätzlich positives Echo gestoßen.
Im Anschluss fanden verschiedene Gespräche zwischen den kommunalen
Landesverbänden und dem MLR statt.
Ein wichtiges Ergebnis für den Gemeindetag bzw. seine Mitglieder war dabei,
dass bei Landschafts- und Grünordnungsplänen (§ 12) vom MLR eine 1:1
Umsetzung der entsprechenden Vorgaben im BNatSchG (dort § 11 Abs. 2) zugesagt wurde (entspricht damit im Wesentlichen der alten Rechtslage in BadenWürttemberg). Darüber hinaus wurde
vereinbart, dass bei Landschaftsplänen
– abweichend vom Referentenentwurf
zur Abklärung der Konnexitätsfolgen –
nicht mehr das „Einvernehmen“, sondern nur noch das „Benehmen“ (also
lediglich Anhörung) mit der unteren Naturschutzbehörde erforderlich ist. Auch
Grünordnungspläne „sollen“ nicht
mehr, sondern „können“ aufgestellt werden. Das MLR hat insoweit auf Betreiben
der kommunalen Landesverbände die
ursprünglich vorgesehenen Verschärfungen wieder rückgängig gemacht.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Per Schreiben vom 27. Januar 2015 hat
das MLR dann den offiziellen Gesetzentwurf in die Verbandsanhörung gegeben.
Im Vergleich zum früheren „Konnexitätsentwurf“ waren dort noch einige Änderungen bzw. Ergänzungen vorgenommen worden, zum Beispiel – zusätzlich
– ein gesetzlicher Schutz von Alleen in
den Absätzen 4 bis 7 des § 31 der Novelle.
Erfreulicherweise ist es zum Ende der
vom MLR gesetzten Stellungnahmefrist
noch gelungen, eine gemeinsame Stellungnahme aller drei kommunalen Landesverbände abzugeben. Aus dieser Äußerung vom 10. März 2015 lassen sich
vier Kernanliegen herausarbeiten.
Diese vier Kernanliegen lauten:
• Ausgleich der durch die Novelle des
Naturschutzgesetzes ausgelösten
Mehrbelastungen der unteren Naturschutzbehörden;
• gesetzliche Absicherung der finanziellen Förderung der Landschaftserhaltungsverbände – und zwar einschließlich der Finanzierung des Natur-2000-Beauftragten bei den unteren Naturschutzbehörden;
• kein Eingriff in die durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie
verbürgte Organisationshoheit der
kommunalen Gebietskörperschaften, indem der Widerruf der Bestel-
lung eines Naturschutzbeauftragten
von der Zustimmung der höheren
Naturschutzbehörde abhängig gemacht bzw. die Übertragbarkeit der
Entscheidung über Bestellung und
Widerruf von Naturschutzbeauftragten auf beschließende Ausschüsse
ausgeschlossen wird;
• Begrenzung der im Gesetzentwurf
vorgesehenen Mitwirkungsbefugnisse der Naturschutzverbände insbesondere in wasserrechtlichen Verfahren (wichtiges Anliegen vor allem des
Gemeindetags).
Darüber hinaus wurde dem MLR zu den
Konnexitätsfolgen nochmals das vom
Landkreistag am 8. Januar 2015 erstellte
Papier übersandt. Die Stellungnahme
und das „Konnexitätsfolgenpapier“
können über Gt-INFO Nr. 254/2015
vom 7. April 2015 abgerufen werden.
Der Landtag von Baden-Württemberg
hat dann am 17. Juni 2015 in zweiter
Lesung die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes beschlossen. Die Forderungen bzw. Anliegen der drei kommunalen Landesverbände sind dabei teilweise, aber beileibe nicht vollständig
berücksichtigt worden. Diesbezüglich
wird auf Gt-INFO Nr. 595/2015 vom
6. Juli 2015 hingewiesen. Die Novelle ist
zwischenzeitlich im GBl. vom 13. Juli
2015 S. 585 veröffentlicht worden und
am 14. Juli 2015 in Kraft getreten.
Foto: Rainer Sturm/PIXELIO
BWGZ 19 | 2015
941
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Über das neue Jagd- und Wildtier­
managementgesetz, welches zum 1. April
2015 in Kraft getreten ist, wurde in
BWGZ 1/2015 Seite 38 ausführlich berichtet. Anfang 2015 hat dann das Ministerium für Ländlichen Raum und
Verbraucherschutz Baden-Württemberg
den Entwurf einer Durchführungsverordnung zum Jagd- und Wildtier­
managementgesetz (DVO JWMG) in die
Verbandsanhörung gegeben. Die Stellungnahme des Gemeindetags BadenWürttemberg vom 25. Februar 2015 ist
in Gt-INFO Nr. 224/2015 vom 20. März
2015 wiedergegeben worden.
In dieser Äußerung wurden vor allem
Verfahrenserleichterungen für die Jagdgenossenschaften und für die Gemeinden als Verwalter von Jagdgenossenschaften, insbesondere um nicht ständig Jagdgenossenschaftsversammlungen einberufen zu müssen, verlangt. Bei
einer öffentlichen Anhörung des Arbeitskreises „Ländlicher Raum und Verbraucherschutz“ der CDU-Landtagsfraktion am 10. März hat der Gemeindetag dann seine Argumente nochmals
vorgetragen.
Leider hat dann die am 2. April 2015
erlassene (GBl. vom 17. April 2015 Seite
942
Foto: H.D.Volz/PIXELIO
Neues Jagdrecht inzwischen
komplett – Ab jetzt gilt
das Motto „Und ewig grüßt
die Jagdgenossenschaftsversammlung“
202) und in ihren wesentlichen Vorschriften am 18. April in Kraft getretene
DVO JWMG in dieser Hinsicht keinerlei
Verbesserungen im Sinne von Verfahrenserleichterungen enthalten. Dies
dürfte in absehbarer Zeit zu einer erheblichen Zunahme von Jagdgenossenschaftsversammlungen führen. Der Verwaltungsaufwand für die Einberufung
und Durchführung solcher Versammlungen ist zum Teil erheblich, vor allem
für Kommunen, auf deren Gemarkung
mehrere von ihnen verwaltete Jagdgenossenschaften existieren oder die für
viele Jagdbögen, mit der Folge häufiger
Pächterwechsel, Verpächter sind. Näheres dazu ist aus Gt-INFO Nr. 383/2015
vom 5. Mai 2015 zu entnehmen.
Das MLR hat anschließend, am 1. Juni
2015, noch Hinweise zum Inkrafttreten
des JWMG und zur DVO JWMG an die
nachgeordneten Jagdbehörden herausgegeben. Auf Gt-INFO Nr. 602/2015
vom 6. Juli 2015 wird hingewiesen.
Der Gemeindetag hat zwischenzeitlich einen Entwurf eines Satzungsmusters für durch den Gemeinderat
verwaltete Jagdgenossenschaften gefertigt. Der Entwurf befindet sich derzeit in Abstimmung mit dem MLR.
Der Gemeindetag wird auch ein Muster für kommunale Jagdpachtverträge
erstellen. Mit einer Fertigstellung ist
voraussichtlich zum Jahresende 2015
zu rechnen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Erschließungsbeitragsrecht
Einige Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, aber auch des
Bundesverwaltungsgerichts haben für
die erschließungsbeitragsrechtliche Praxis eine größere Bedeutung.
Im Urteil vom 20.02.2014 – Az. 2 S
1215/13 – (BWGZ 2014 Seite 378) hat
sich der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit der Bildung von Abrech­
nungseinheiten beschäftigt. Er hat die
mit der Übernahme des Erschließungsbeitragsrechts in Landesrecht vom Landesgesetzgeber verfolgte Zielsetzung,
den Städten und Gemeinden einen größeren Entscheidungsspielraum bei der
Zusammenfassung mehrerer Straßen
zur gemeinsamen Abrechnung einzuräumen, anerkannt. Aus Sicht der Kommunen eine erfreuliche Bestätigung.
In einer weiteren Grundsatzentscheidung vom 10.7.2014 – Az. 2 S 2228/13
– (BWGZ 2014 Seite 1308) hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim zu verschiedenen weiteren Aspekten des landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrechts Stellung genommen.
Unter anderem hält er auch für das baden-württembergische Landesrecht da­
ran fest, dass wie bereits früher im
BauGB-Erschließungsbeitragsrecht die
sachlichen Beitragspflichten erst mit
dem Eingang der letzten Unterneh­
merrechnung entstehen können, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Dieses im Gesetzeswortlaut des
§ 41 KAG nicht ausdrücklich genannte
Tatbestandsmerkmal der Ermittelbarkeit der beitrags- bzw. umlagefähigen
Kosten führt die Rechtsprechung also
auch im landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht fort.
Besondere Beachtung verdient die
Entscheidung aber wegen ihrer Aussage zu Kreisverkehrsanlagen, deren
Beitragsfähigkeit in Baden-Württemberg bisher nicht einheitlich beurteilt
wurde, zumal der Gesetzgeber auch in
der KAG-Novelle 2009 – trotz einer
entsprechenden Forderung seitens des
Gemeindetags Baden-Württemberg –
gerade zu dieser Frage eine explizite
Gemeindetag Baden-Württemberg
gesetzliche klarstellende Regelung
zum Kreisverkehr deswegen nicht für
notwendig erachtete, weil er ausweislich der Gesetzesbegründung (LT-Drs.
14/4002 Seite 72) mit der klarstellenden Ergänzung des § 35 Abs. 1 Nr. 2
KAG durch Art. 10 Nr. 9 Buchst. a des
Gesetzes zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts vom 4.5.2009 (GBl.l S.
185) davon ausging, dass zu den Kosten des Anschlusses an andere Verkehrsanlagen auch die Kosten für
Kreuzungen und Einmündungen gehörten und der Begriff der Kreuzungen
auch Kreisverkehrsplätze als bautechnisch besonders gestaltete höhengleiche Kreuzungen einschließe (weshalb
auch die Kreisverkehrskosten im
Grundsatz beitragsfähig seien).
Hier hat sich der VGH Mannheim nicht
mit der Gesetzesbegründung zufrieden
gegeben, sondern sich der Auffassung
von Driehaus (Erschließungsbeitragsrecht in Baden-Württemberg, 1. Aufl.
2005, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012) und Göppl (Leitfaden
zum Erschließungsbeitragsrecht in Baden-Württemberg) angeschlossen, wonach die Kosten für die Herstellung
eines Kreisverkehrs jedenfalls dann,
wenn es sich dabei um eine selbst­
ständige Verkehrsanlage handele, kei­
ne Anschlusskosten i.S. von § 35 Abs. 1
Nr. 2 KAG sein sollen. Nachvollziehbar
ist dies nicht, zumal es dem Gesetzgeber
überhaupt nicht auf die (erschließungsbzw. beitragsrechtliche) Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit von Kreisverkehren ankam.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
hat dieses Thema gegenüber dem Land
aufgegriffen und die zuständigen Landesministerien darum gebeten, die Beitragsfähigkeit der Kosten von (auch
selbstständigen) Kreisverkehrsanlagen
ausdrücklich im Kommunalabgabengesetz klarzustellen, wie dies nicht nur
2009, sondern bereits 2005 in der Gesetzesbegründung als Vorstellung des Gesetzgebers klar zum Ausdruck kam.
Denn es ist nicht nachvollziehbar, wa­
rum hier zwischen selbstständigen Kreisverkehrsanlagen und unselbstständigen
Kreisverkehren (deren Mittelinsel überfahren werden kann), unterschieden
werden soll (und die Kosten letzterer
vom VGH wohl als beitragsfähig gesehen werden).
Allerdings besteht bisher seitens des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft
Baden-Württemberg bislang keine Bereitschaft zu einer entsprechenden gesetzlichen Klarstellung. Es hält im Gegenteil die Auffassung des VGH Mannheim für zutreffend und hat die kommunalen Landesverbände darum
gebeten, die Zahl der Fälle, in denen
Kreisverkehre als selbstständige Verkehrsanlagen in Folge der Rechtsprechung nicht abgerechnet werden konnten bzw. aktuell nicht abgerechnet werden können, mitzuteilen sowie um Angaben zur Höhe der dadurch nicht
beitragsfähigen Kosten gebeten. Der
Gemeindetag Baden-Württemberg wird
versuchen, über die Mitglieder entsprechende Zahlen zu gewinnen. Nachdem
es in dieser Legislaturperiode nicht
mehr zu einer KAG-Novelle kommen
wird, wird auch die gesetzliche Klarstellung zur Beitragsfähigkeit selbstständiger Kreisverkehre nicht mehr in dieser
Legislaturperiode zu erreichen sein.
Im Urteil vom 20.03.2015 – Az. 2 S
1327/14 – hat sich der VGH Mannheim
mit der in der Praxis immer wieder auftretenden Frage beschäftigt, wann die
Fahrbahn einer Anbaustraße nach
Bauprogramm und technischem Aus­
bauprogramm endgültig hergestellt
ist mit der Folge, dass spätere Veränderungen nicht mehr erschließungsbeitragsfähig sind. Diese Frage stellt sich
vielerorts, wenn an älteren Straßen größere Straßenerneuerungsmaßnahmen
bis hin zum vollständigen Austausch
des Straßenoberbaus (Deckschicht und
darunter liegende Tragschicht) durchgeführt werden und zu beantworten ist,
ob der „neue“ Straßenoberbau zur erstmaligen endgültigen Herstellung führt
und diese Kosten beitragsfähig sind
oder ob die bereits länger zurückliegende Anlegung der Fahrbahn die erstmalige Herstellung war und lediglich die
damaligen Kosten erschließungsbeitragsrechtlich ansatzfähig sind. Das beitragsrechtliche Schicksal älterer oder
ganz alter Straßen stellt auch in der beitragsrechtlichen Beratungstätigkeit der
943
Geschäftsbericht
Geschäftsstelle einen Schwerpunkt dar.
Hier knüpft der VGH Mannheim an die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an: Ist eine Anbaustraße
insgesamt oder eine ihrer Teilanlagen
(etwa die Straßenentwässerung) im
oben beschriebenen Sinne bereits durch
eine frühere Baumaßnahme endgültig
hergestellt worden, ist die Gemeinde gehindert, die Anbaustraße oder die Teilanlage im Zuge eines späteren Ausbaus
wieder mit erschließungsbeitragsrechtlicher Auswirkung zu ändern. Berücksichtigungsfähig sind dann vielmehr
nicht die Änderungskosten eines späteren Ausbaus, sondern ausschließlich
diejenigen Kosten, die durch die erstmalige, seinerzeit bereits endgültige Fertigstellung entstanden sind.
In dem genannten Urteil stellt der VGH
Mannheim – für die Praxis äußerst
wichtig –klar, dass für die Beantwortung
der Frage, ob eine Teileinrichtung einer
Erschließungsanlage (z.B. die Fahrbahn)
mit kostenbegrenzender Wirkung bereits früher endgültig hergestellt worden ist, die Rechtmäßigkeit der Straßenherstellung nach § 125 BauGB keine
Rolle spielt. Eine endgültige Herstellung
mit kostenbegrenzender Wirkung durch
die bis Ende der 1960er-Jahre durchgeführten Baumaßnahmen könne, so der
VGH Mannheim, nicht bereits deshalb
verneint werden, weil die Herstellung
einer Erschließungsanlage gemäß § 125
Abs. 1 BauGB einen Bebauungsplan voraussetze und ein solcher erst seit dem
Jahr 2006 existiere. Führen allerdings
spätere Straßenbaumaßnahmen nicht
lediglich zu Änderungen an einer bereits endgültig hergestellten Straße, sondern wird damit eine völlig neue Erschließungsanlage hergestellt, die mit
der ausgebauten Anlage nicht identisch
ist (so genanntes Aliud), so entstehen
für dieses Aliud (neue) Erschließungsbeitragspflichten.
Licht und Schatten gibt es auch in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die weiterhin auf das baden-württembergische Erschließungsbeitragsrecht ausstrahlt und teils auf
heftige Kritik stößt (Driehaus, u.a. in
KStZ 2015 S. 61 und parallelen Veröffentlichungen in weiteren Medien).
944
BWGZ 19 | 2015
So hat das Bundesverwaltungsgericht
mit Urteil vom 21.01.2015 – Az. 9 C
1.14 – (BWGZ 2015 Seite 572) die im
Jahr 1990 vom Gericht selbst gesetzte
Missbilligungsgrenze für Ablösungs­
verträge wieder aufgegeben. Dieser Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sie wird wohl auch vom VGH
Mannheim in die Rechtsprechung zu
§ 26 KAG übernommen werden. Wie in
den Anmerkungen zur Urteilsveröffentlichung (BWGZ 2015 Seite 572) dargelegt, ist den Gemeinden entgegen Driehaus (a.a.O.) keinesfalls anzuraten, eine
entsprechende Missbilligungsgrenze in
die örtlichen Ablösungsbestimmungen
bzw. Ablösungsregeln aufzunehmen.
Wenn diese Grenze schon von der
Rechtsprechung mit guten Gründen
aufgegeben wird, dann sollte sie die Gemeinde nicht in ihr örtliches Recht
übernehmen und dieses damit angreifbar machen.
Die Abgrenzung zwischen dem er­
schließungsbeitragsrechtlich relevan­
ten Innenbereich und dem Außenbe­
reich ohne Baulandqualität sowie das
Verhältnis einer Tiefenbegrenzung in
der Erschließungsbeitragssatzung zu
einer Abgrenzungssatzung waren Gegenstand der Entscheidungen des
BVerwG vom 12.11.2014 – Az. 9 C 7.13
und 9 C 9.13 – (BWGZ 2015 Seite 188).
Auch für die baden-württembergischen
Kommunen sehr wesentlich (vgl. § 40
KAG) sind die Hinweise des Gerichts,
dass die typische wohnakzessorische
Nutzung bebauter Grundstücke, insbesondere ein Hausgarten, bei zutreffender Beurteilung der örtlichen Verhältnisse regelmäßig noch ganz oder teilweise dem Innenbereich zugeordnet
werden könne. Für die Ermittlung der
erschlossenen Flächen bei nicht überplanten Grundstücken in der Randlage
zum Außenbereich ist dies eine wertvolle
Abgrenzungshilfe.
Der Anwendungsbereich einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung sei
im Übrigen, so das BVerwG, nicht darauf beschränkt, den Innen- vom Außenbereich abzugrenzen (wie Urteil vom
01.09.2004 – 9 C 15.03 – BWGZ 2004
Seite 945). Für das landesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht im KAG gilt
nach wie vor die Auffassung bzw. Empfehlung von Strauß (BWGZ 2006 Seite
664), bei Aufnahme einer Tiefenbegrenzungsregelung in die Beitragssatzung
diese ausschließlich auf Grundstücke in
der Randlage im Übergang zum Außenbereich zu beschränken, wie dies bereits
seit 2005 im Satzungsmuster des Gemeindetags vorgesehen ist (vgl. BWGZ
17/2005 Seite 634, 657).
Eine hinter einer satzungsrechtlichen
Tiefenbegrenzung zurückbleibende
Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 BauGB gehe, so das BVerwG,
für die Bestimmung des Erschließungsvorteils der Tiefenbegrenzung als speziellere Regelung vor. Dieser Auffassung
des BVerwG ist auch für das landesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht
zu folgen. Nicht zu folgen ist der Auffassung des BVerwG indes, die Tiefenbegrenzung als speziellere Regelung habe
im Erschließungsbeitragsrecht Vorrang,
wenn der Geltungsbereich der Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr.1
BauGB über die Tiefenbegrenzung hinausreiche. Denn auch hier zieht die
Klarstellungssatzung – wenn auch deklaratorisch – die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich so eindeutig,
dass für die Anwendung einer beitragsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung
kein Raum ist.
Zur Beseitigung von Zweifelsfragen sollte die Gemeinde, wenn sie eine Tiefenbegrenzung in ihre Erschließungsbeitragssatzung aufnimmt, den Anwen­
dungsbereich der beitragssatzungs­
rechtlichen Tiefenbegrenzung auf
Grundstücke in der Randlage vom
Übergang in den Außenbereich be­
schränken und einer Satzung nach
§ 34 Abs. 4 BauGB den Vorrang vor
der beitragsrechtlichen Tiefenbegren­
zung einräumen (so genannte qualifizierte Tiefenbegrenzung), wie dies das
aktuelle Satzungsmuster des Gemeindetags vorsieht.
Im Urteil des BVerwG vom 12.11.2014
– 9 C 4.13 – (BWGZ 2015 Seite 428) ging
es schließlich um so genannte nicht ge­
fangene Hinterliegergrundstücke in
den Fällen der Eigentümeridentität.
Solche Fallkonstellationen treten auch
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
im landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht in der Beratungspraxis immer
wieder auf, wenn das Anlieger- und das
Hinterliegergrundstück im selben Eigentum stehen und das (selbstständig
nutzbare) Hinterliegergrundstück über
die verkehrliche Erreichbarkeit von einer weiteren Anbaustraße verfügt. Hier
ist die Linie des VGH Mannheim für das
landesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht noch nicht ganz klar vorgezeichnet (vgl. Urt. vom 11.10.2012 – 2 S
1419/12 –, KStZ 2013).
Schließlich wäre noch auf das Urteil des
BVerwG vom 05.05.2015 – 9 C 14.14 –
(BWGZ 2015 Seite 674) hinzuweisen,
das auch im baden-württembergischen
Erschließungsbeitragsrecht im einen
oder anderen Fall zu Zweifelsfragen führen könnte: Es geht um den Funktions­
wandel einer früheren Außenbe­
reichsstraße zu einer Anbaustraße
und die Beitragsfähigkeit der für die
Herstellung der später in eine Anbaustraße umgewandelten Außenbereichsstraße aufgewandten Kosten. Das Urteil
legt hier nahe, dass auch die Kosten, die
für den Bau der Außenbereichsstraße
angefallen und bei der Herstellung als
Anbaustraße mitverwendet werden
konnten, beitragsfähige Kosten sein sollen. Dieser Ansatz erscheint zu weitgehend. Wenn eine Gemeinde ganz bewusst eine im Außenbereich verlaufende Straße hergestellt hat, die später nach
Funktionswandel zu einer Anbaustraße
wird, spricht einiges dafür, die Mitverwendung des vorhandenen Ausbauzustands als ersparte Kosten zu behandeln.
Anders wäre es nur, wenn die Gemeinde
bereits (mit einem Bauprogramm) den
Funktionswandel zur Anbaustraße im
Auge hat und mit Blick darauf die
(Noch-)Außenbereichsstraße entsprechend „ertüchtigt“.
Erschließungsverträge
und städtebauliche Verträge
nach dem Gesetz zur Stärkung
der Innenentwicklung
Durch das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung vom 11.06.2013 (BGBl. I
2013 Seite 1548) wurde u.a. die Regelung
zum Erschließungsvertrag aus § 124
BauGB in § 11 BauGB vorgezogen. Dabei
wurde auch klargestellt, dass die Gemeinden mit einer Eigen- oder Beteiligungsgesellschaft Erschließungsverträge
schließen dürfen.
Dem war vorausgegangen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Falle einer baden-württembergischen Stadt entschieden hatte, dass eine kommunale Eigenoder Beteiligungsgesellschaft nicht als
Dritter i.S. des § 124 BauGB und damit
als Vertragspartner eines Erschließungsvertrags in Frage käme (Urteil vom
01.12.2010 – 9 C 8.09 – BWGZ 2011 S­ eite
493). Zugleich hat der Gesetzgeber den
Standortwechsel genutzt, den insbesondere als Folgekostenvertrag bekannten
städtebaulichen Kostenabwälzungsvertrag auch für beitragsfähige Erschließungsanlagen und Anschlusseinrichtungen zugänglich zu machen.
Wie bereits in BWGZ 2/2014 Seite 99
ausführlich dargestellt, wirft die Neuregelung mehr Fragen auf und führt zu
neuen Rechtsunsicherheiten und sogar
Hemmnissen, als dass sie den kommunalen Entscheidungsspielraum nennenswert stärken würde. Zum einen
greift die „zeitliche Sperre“ des § 11
Abs. 2 Satz 2 BauGB nun auch für den
Abschluss von Erschließungsverträgen,
was die eine oder andere Kommune
­aktuell bereits als unerwartetes Hindernis für den Vertragsabschluss leidvoll
erfahren musste.
Zum anderen ist auch nach der gesetzlichen Neuregelung nach wie vor die
Frage offen, ob in Erschließungsvertragsgebieten Anschlussbeiträge entstehen und wie mit diesen im Erschließungsvertrag umzugehen ist. Der Gemeindetag Baden-Württemberg vertritt
– wie auch die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA-Mitteilung 2/2014 vom 15.8.2014) – die Auf-
Gemeindetag Baden-Württemberg
fassung, dass nach der Rechtsänderung
durch die BauGB-Novelle 2013 das Entstehen von Anschlussbeiträgen in Erschließungsvertragsgebieten nicht ausgeschlossen ist, da der Anschlussbeitrag bekanntlich nicht nur die Gegenleistung für die Wasserleitung oder den
Kanal im Vertragsgebiet darstellt, sondern für die Anschlussmöglichkeit an
die öffentliche Einrichtung in ihrer Gesamtheit – mit allen damit verbundenen Kosten.
Auch die verschiedenen Fragen, ob,
bis wann und unter welchen Voraussetzungen die Kosten beitragsfähiger
Erschließungsanlagen oder Anschlusseinrichtungen zum Gegenstand eines
städtebaulichen Kostenabwälzungsvertrags gemacht werden dürfen und
ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das Entstehen landesrechtlicher
Erschließungs- und Anschlussbeiträge
durch den Abschluss eines solchen
Vertrags „gesperrt“ wird, wurden in
der BWGZ 2/2014 dargestellt. Sie sind
v.a. mit Blick auf die dem Bund nicht
zugängliche Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Kommunalabgabenrecht spannend. Die Praxis hat
– den Empfehlungen des Gemeindetags folgend – hier bisher größte Zurückhaltung geübt.
Der Gemeindetag hatte die zuständigen
Landesministerien darum gebeten, mit
der notwendigen Anpassung des Kommunalabgabengesetzes an die Änderungen des BauGB auch das Verhältnis zwischen Erschließungs- und städtebau­
lichen Verträgen und dem landesrecht­
lichen Beitragsrecht aus Sicht des
Landesgesetzgebers klarzustellen. Da es
aber bis zuletzt keine Bereitschaft seitens
des Landes für eine KAG-Novelle gab,
wird es nun auch in der restlichen Legislaturperiode nicht mehr zu einer KAGNovelle und den notwendigen Klarstellungen kommen.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang ferner auf die GPA-Mitteilung
Nr. 1/2014 vom 07.07.2014 (Vergaberecht und Verträge im Städtebau), wo
auch zur Ausschreibung von Leistungen
in Erschließungsverträgen Stellung genommen wird.
945
Geschäftsbericht
Novelle des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes
(LGVFG)
Anfang September 2014 hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur BadenWürttemberg den Gemeindetag darüber
informiert, dass beabsichtigt sei, das
LGVFG zu novellieren. So soll der Kreis der
förderfähigen Vorhaben in § 2 LGVFG
erweitert und modifiziert werden. Das
übergeordnete Ziel des Landes sei es, das
LGVFG angesichts der beschränkten Mittel auch für kostengünstigere kleinere
Maßnahmen zu öffnen, um auf eine effiziente Weise die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur zu unterstützen. Im Bereich des Baus und Ausbaus von verkehrsleitenden Infor­mationssystemen und Umsteigeanlagen (P & R) soll die Förderung der
Vernetzung der Verkehrsmittel bei Umsteigesituationen verbessert werden („andere
Einrichtungen, die der Vernetzung verschiedener Mobilitätsformen dienen“).
Die Förderung der Radverkehrs- und
(neu) Fußgängerinfrastruktur soll ausgeweitet werden. Der Fördertatbestand soll
dann nicht nur den Straßenkörper erfassen, sondern er soll weiter gehen und auf
weitere verkehrswichtige Elemente der
kommunalen Rad- und Verkehrsinfrastruktur ausgedehnt werden. Die Förderung von Lärmschutzmaßnahmen soll
künftig nicht mehr nur auf innerörtliche
Straßen beschränkt bleiben. Die Finanzierung soll ausschließlich als Festbetragsfinanzierung erfolgen; die Höhe des
Fördersatzes soll nicht im Gesetz festgeschrieben werden.
Das Anhörungsverfahren folgt, sobald die
Eckpunkte konkretisiert sind. Die Einführung neuer kleinerer Fördertatbestände
birgt die Gefahr, dass – bei gleichbleibenden Fördermitteln – das LGVFG sich weiter
vom seitherigen Zweck zur Sicherung der
elementaren kommunalen Verkehrsinfrastruktur entfernt. Über die Eckpunkte hat
der Gemeindetag Baden-Württemberg in
Gt-INFO Nr. 855/2014 vom 05.11.2014
­berichtet mit der Verlinkung auf den vollständigen Text der Eckpunkte.
In der Präsidiumssitzung des Gemeindetags vom 13.05.2015 wurde bezüglich der
Novelle des Landesgemeindeverkehrs­
946
BWGZ 19 | 2015
finanzierungsgesetzes Folgendes beschlossen: Das Präsidium nimmt die Änderungen
des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) zur Kenntnis und begrüßt die Aufnahme der Nachrüstung der
Barrierefreiheit als eigenen förderfähigen
Tatbestand. Das Präsidium spricht sich gegen die Absenkung der Förderquote von
75 Prozent auf 50 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten aus. Dies führt im Zusammenspiel mit der Erweiterung der förder­
fähigen Tatbestände zu einer deutlichen
Erhöhung des Eigenanteils der Kommunen
beim kommunalen Straßenausbau.
Stellungnahme des Gemeindetags
Baden-Württemberg
Mit Schreiben vom 12.06.2015 hat der
Gemeindetag Baden-Württemberg zum
Anhörungsentwurf wie folgt Stellung genommen.
Das LGVFG in seiner bisherigen Fassung
wurde zum 01.01.2011 neu geschaffen.
Grund dafür war die im Rahmen der Föderalismusreform getroffene Entscheidung,
das LGVFG als Bundesgesetz auslaufen zu
lassen. Für die weggefallene Förderung erhielten die Länder vom Bund ersatzweise
Mittel aus dem so genannten Entflechtungsgesetz. Diese Mittel sind bis zum Jahr
2019 begrenzt. Die Mittel aus dem Entflechtungsgesetz waren zunächst an verkehrliche Belange gebunden. Diese
Zweckbindung ist seit dem 31.12.2013
weggefallen. Allerdings ist die verkehr­
liche Zweckbindung nicht vollständig
entfallen – die Mittel müssen weiterhin
für investive Zwecke verwendet werden.
Das Land hat sich bei der Schaffung des
LGVFG dafür entschieden, den investiven
Zweck der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse beizubehalten.
Ziel des Gesetzentwurfes ist es, eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im
Sinne einer nachhaltigen Mobilität herbeizuführen. Die vorgesehenen Änderungen entstammen den Zielsetzungen
der Koalitionsvereinbarung für die Ausgestaltung des LGVFG. Das Gesetz soll
mithin ökologosch, nachhaltig und
kommunalfreundlich ausgestaltet werden, wozu 60 Prozent der Mittel für den
Ausbau der Infrastruktur des Umweltverbundes reserviert werden. Seit 2014 ste-
hen nun 60 Prozent der Mittel für den
Umweltverbund zur Verfügung. Zudem
ist vorgesehen, in Zukunft weniger besonders kostenintensive Großmaßnahmen zu fördern, wenn diese verkehrlich
nicht besonders dringlich sind. Stattdessen soll die Zahl der geförderten Projekte
insgesamt erhöht und zeitgleich die Zahl
der Förderanträge und der tatsächlich
gewährten Förderungen einander angenähert werden.
Positiv anzumerken ist, dass im geplanten
§ 2 Satz 1 Nummer 8 die Nachrüstung der
Barrierefreiheit aufgenommen wird. Diese
Norm dient auch der Umsetzung der
Pflicht der Aufgabenträger des straßengebundenen ÖPNV aus § 8 Absatz 3 PBefG
zur Herstellung von Barrierefreiheit im
ÖPNV. Die Norm bezieht sich auf alle Formen des ÖPNV, womit auch der Schienenverkehr umfasst ist. Förderfähig sind der
Umbau und die Nachrüstung bestehender
verkehrswichtiger Anlagen zur vollständigen Erreichung von Barrierefreiheit als eigenständigem Vorhaben. Die Förderung
ist hauptsächlich auf Nachrüstungen ausgerichtet, d.h. auf solche Fälle, in denen
das Ziel relativ schnell und kostengünstig
erreicht werden kann und keine teuren
Ausbauten erforderlich sind. Nicht förderfähig ist ein Umbau bzw. Ausbau, bei dem
die Barrierefreiheit nur als Nebenzweck
umgesetzt ist.
Darüber hinaus werden weitere neue Fördertatbestände in den § 2 LGVFG aufgenommen. Insbesondere haben die Radund Fußverkehrsförderung Einzug in das
LGVFG gefunden. Grundsätzlich ist es
zwar zu begrüßen, dass auch diese verkehrlichen Belange förderfähig werden. Allerdings ist dies bei Beibehaltung des seitherigen Fördervolumens (165,5 Mio Euro für
die Bereiche kommunaler Ausbau, ÖPNV
und Radverkehr) in Anbetracht der geplanten Absenkung der Förderquote nach § 4
Absatz 1 nicht tragbar. Die Förderung erfolgt nur noch als Festbetragsförderung
und ist in der Höhe auf 50 Prozent begrenzt. Bislang wurden 75 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten gefördert. Die
Absenkung der Förderquote unter Aufnahme neuer förderfähiger Tatbestände führt
zu einer massiven Erhöhung des Eigenanteils der Kommunen. Aufgrund dessen ist
diese Vorgehensweise abzulehnen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
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Geschäftsbericht
Landestarif
Ende September 2014 hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur in einem Gespräch mit den kommunalen
Landesverbänden Grundzüge des „Landestarifkonzeptes“ vorgestellt und die
Gründe für die Erforderlichkeit des Landestarifs erläutert: Vereinfachung der
Tariflandschaft im verbundgrenzüberschreitenden SPNV/ÖPNV in BadenWürttemberg (Motto: eine Reise, ein
Ticket), unternehmensneutrale Tarifstruktur als Voraussetzung für einen gut
funktionierenden SPNV-Wettbewerb,
Wegbereiter für innovative Vertriebsformen (bes. E-Ticketing, stationärer und
mobiler Internetvertrieb). Für den Gemeindetag Baden-Württemberg stellt
sich die Frage nach der Erforderlichkeit
des Landestarifs – besonders in Anbetracht der bereits bestehenden verbundgrenzüberschreitenden Tarifangebote
und des Baden-Württemberg-Tickets –
sowie die Frage nach der Finanzierung
des Landestarifs.
Jenseits der bereits bestehenden, die Verbundgrenzen überschreitenden Tarif­
angebote und auch jenseits des BadenWürttemberg-Tickets ist nach dem „Landestarifkonzept“ des MVI der Landestarif
erforderlich. Bestehende verbundgrenzüberschreitende Tarifangebote sind unterschiedlich ausgestaltete und zumeist
nur bilaterale Vereinbarungen zwischen
Verkehrsverbünden, die sich auf einzelne Ticketarten und auf die Relationen
zwischen einem Verbund und seinem
BWGZ 19 | 2015
Nachbarverbund beschränken. Der Landestarif dagegen schafft mit einem vollen Tarifsortiment ein landesweit einheitliches Tarifangebot für alle verbundgrenzenüberschreitenden Verkehre. Das
Tarifangebot „Baden-WürttembergTicket“ ist zwar ein landesweit gültiges
Tarifangebot für verbundgrenzenüberschreitende Verkehre, ist jedoch als Tagesticket mit zeitlicher Einschränkung ausgestaltet und gilt nicht in Fernverkehrszügen. Der Landestarif dagegen schafft
dieses landesweit gültige Tarifangebot
auch im Einzel- und Zeitkartenbereich,
der heute 50 Prozent der Fahrten im verbundgrenzenüberschreitenden Verkehr
betrifft. Außerdem soll der Landestarif
auch im Fernverkehr gelten.
Zur Finanzierung des Landestarifs wurde das MVI darauf hingewiesen, dass
aus der Sicht der kommunalen Landesverbände die Erforderlichkeit eines Landestarifs sowohl per se als auch hinsichtlich Inhalt und Ausgestaltung und
damit auch die ungeklärte Finanzierungsfrage klärungsbedürftig ist. Damit
verbunden ist die Befürchtung, dass
Kosten für Einführung und Betrieb des
Landestarifs auch bei den kommunalen
Aufgabenträgern anfallen. Die dazu präzisierten Fragen hat das MVI zwischenzeitlich beantwortet.
Zu unterscheiden sind der Initialaufwand für die Einführung des Landes­
tarifs und die Organisationskosten für
die Verwaltung des Landestarifs. Da die
Tarifkonzeption der Vorgabe folgt, dass
der Landestarif sich selbst trägt, fallen
im Gegensatz zu den Verbundtarifen
beim Landestarif keine tarifbedingten
Ausgleichszahlungen an. Der Initialaufwand, der unmittelbar und ursächlich
im Zusammenhang mit der Einführung
des Landestarifs entsteht, wird nach Erklärung des MVI in vollem Umfang vom
Land getragen. Die Organisationskosten
für die Verwaltung des Landestarifs würden bei voller Ausprägung der Landes­
tariforganisation auf 1,5 Mio. Euro im
Jahr veranschlagt und werden sich laut
gutachterlicher Prognose aus den zusätzlichen Einnahmen des Landestarifs
finanzieren. Eine finanzielle Belastung
der kommunalen Aufgabenträger, die
aus dem Landestarif resultiert, ist daher
nicht zu sehen.
Problematisch bleibt die Einführung des
Landestarifs in Bezug auf die Gestaltung
der Anschlussmobilität. Laut MVI ist
vorgesehen, dass die Anschlussmobilität obligatorisch im Ticket enthalten
sein soll, wobei der Preis zusammen mit
den Verbünden kalkuliert wurde. Ergebnis dieser Beratungen war, dass der
Grundzuschlag für die Anschlussmobilität im Durchschnitt (vor Abzug von
BahnCard-Rabatten) 60 Cent bei Einführung in ganz Baden-Württemberg
beträgt bzw. 25 Cent bei Einführung in
den 25 größten Städten Baden-Württembergs. Dies soll durch eine Solidar­
finanzierung umgelegt werden, was bedeutet, dass jeder Fahrgast diese Summe
zusätzlich zu entrichten hat (auch diejenigen, die von der Anschlussmobilität
keinerlei Gebrauch machen). Weiterhin
ist zu berücksichtigen, dass diese Werte
bisher lediglich für die Anschlussmobilität hinsichtlich des Zielortes kalkuliert
wurden. Ob und um wie viel sich die
Preise erhöhen, sofern noch die Anschlussmobilität vom Startort einbezogen wird, ist derzeit unklar.
Weiterhin sollen laut MVI die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen,
dass die Einführung des Landestarifs zu
spürbaren Nachfrage- und Einnahmesteigerungen führe. Nach den uns vorliegenden Erfahrungswerten besteht nur
ein geringer Prozentsatz an Reisenden,
die von dieser Einführung profitieren
bzw. diese in Anspruch nehmen würden.
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Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
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Ferner bleibt auch das gesamte Finanzierungskonzept des Landestarifs vage. Das
Land hat mit Schreiben vom 16.10.2014
sowie im Spitzengespräch vom 07.01.2015
nochmals bestätigt, dass der Initial­
aufwand, der unmittelbar und ursächlich im Zusammenhang mit der Einführung des Landestarifs steht, in vollem
Umfang vom Land getragen wird. Auf
Nachfrage bei der 4. Lenkungskreissitzung am 22.01.2015, welches denn nun
die Initialkosten seien, die das Land
übernehme bzw. ob auch Kosten im Bereich Fahrkartenautomaten/Busdrucker
übernommen werden, wurde geantwortet, dass für Leistungen, bei denen die
Kosten nicht über die ausgeschriebenen
Verkehrsverträge übernommen werden,
eine Abstimmung im Einzelfall erfolge.
Die Aussage des Ministers und des Ministerialdirektors bleibe weiterhin bestehen, wonach die ursächlich auf den Landestarif zurückzuführenden Kosten vom
Land übernommen werden.
Die zu gründende Tarifgesellschaft soll als
Landestarif Mischgesellschaft ausgestaltet
werden und alle relevanten Akteure einbinden sowie zeitgleich die Zuständigkeiten möglichst klar abgrenzen. Wesent­
liches Konstruktionselement sind hierbei
zwei Vertragskreise. Unterschieden werden Zuständigkeit und Betroffenheit im
Bereich „Verbundgrenzen überschreitende Verkehre“ sowie im Bereich „Anschlussmobilität in Verbünden“. Die zwei
Vertragskreise sind über die Rahmenvereinbarung LT-Verbünde verknüpft.
Vorgesehen sind ferner differenzierte
Entscheidungsstrukturen. Bei Mehrheitsentscheidungen ist die Kombination aus absoluter Mehrheit und einfacher Mehrheit vorgesehen. Bei wich­
tigen Grundsatzentscheidungen ist ein
Konsens erforderlich. Hinsichtlich der
Teilnahme gilt, dass diejenigen, die im
Rahmen der Erlösverantwortung an den
Landestarifeinnahmen Tarifhoheit beanspruchen, auch an der Landestariforganisation Beteiligung zeigen sollen.
Allerdings ist keine Zwangsmitgliedschaft vorgesehen. Darüber hinaus soll
laut dem MVI die Finanzierung der Organisationskosten so weit wie möglich
Gemeindetag Baden-Württemberg
Foto: Erich Westendarp/PIXELIO
Finanzierungskonzept bleibt vage
aus den zusätzlichen Einnahmen des
Landes erfolgen. Ob dieses Ziel erreicht
werden kann, stellt sich als fraglich dar.
Das Thema wurde innerhalb der Lenkungskreissitzungen kontrovers diskutiert, zumal die Befürchtung besteht,
dass die Kosten für die LT-Gesellschaft
auf den Ticketpreis umgelegt werden.
ten bis zum marktseitigen Start der
1. Stufe übernehmen will, die Kosten
der Stufe 2 anschließend vollumfänglich von den Verbünden bzw. Aufgabenträgern zu tragen sind. Gleichzeitig wird
bei den Aufgabenträgern/Verbünden
keine Bereitschaft gesehen, diese Kosten
zu übernehmen.
Festzuhalten bleibt, dass das Finanzierungskonzept bezüglich des Initialaufwands und der Organisationskosten
unklar bleibt. Zwar wird seitens des
MVI darauf Wert gelegt, dass bei kommunalen Aufgabenträgern keine Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen bestehen, jedoch bestehen dahingehend
noch Bedenken.
Die kommunalen Landesverbände sehen nach wie vor das Land in der Pflicht,
die notwendigen Finanzmittel zur Einführung des Landestarifs bereitzustellen. Auch wird erwartet, dass das Land
entsprechende Ausgleichsleistungen
vornimmt, sollte es nicht gelingen, den
Landestarif einkommensneutral einzuführen. Es bleibt festzuhalten, dass die
kommunalen Landesverbände so lange
die Absichtserklärung nicht mitzeichnen können, wie das Land es unterlässt,
entsprechend klare Aussagen zur Finanzierung der 2. Stufe vorzunehmen. Eine
solche Zusage wurde bereits mehrfach
eingefordert, ohne jedoch konkrete Angaben diesbezüglich zu erhalten.
Im Zuge der Einführung des Landes­
tarifs ist zunächst die Unterzeichnung
einer so genannten „Absichtserklärung“
geplant. Aus Sicht der kommunalen
Landesverbände beinhaltet die vorgelegte Absichtserklärung eine Vorfestlegung zur Einführung der Stufe 2. Diese
Vorgehensweise wurde gegenüber dem
MVI von Seiten der kommunalen Landesverbände bereits mehrfach angemahnt. Nichtsdestotrotz findet sich in
der Regelung zur Finanzierung innerhalb der Absichtserklärung kein Hinweis mehr auf die Stufe 2. Diese Vorgehensweise bestärkt die kommunalen
Landesverbände in der Befürchtung,
dass das Land nur die Einführungskos-
Das Präsidium des Gemeindetages Baden-Württemberg hat sich in der Sitzung
vom 25.02.2015 dafür ausgesprochen,
die weiteren Maßnahmen zur Einführung des Landestarifs eingehend weiterzuverfolgen und einer kritischen Prüfung zu unterziehen, um insbesondere
auf eventuelle Mehrkosten für Kommunen frühzeitig hinweisen zu können.
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Geschäftsbericht
Rad- und Fußgängerverkehr
aufwerten
Die im Jahr 2014 vom Ministerium für
Verkehr und Infrastruktur vorgeschlagenen und begonnenen Maßnahmen zur
Förderung des Radverkehrs haben ihre
Grundlage im grün-roten Koalitionsvertrag vom 27.04.2011. Danach wollen
die Koalitionäre Baden-Württemberg zu
einem fußgänger- und fahrradfreund­
lichen Land machen. Dazu soll der Radverkehr im Rahmen einer nachhaltigen
Verkehrspolitik aufgewertet werden
und zwar nicht nur in der Freizeit und
beim Tourismus, sondern auch als Verkehrsmittel im Alltag.
Das bestehende derzeit noch lückenhafte Radwegenetz soll attraktiver und sicherer gemacht und vor allem flächendeckend ausgebaut werden. Um die
Radwegeinfrastruktur unabhängig vom
Straßenbau sinnvoll weiterentwickeln
zu können, soll im Landeshaushalt ein
eigener Haushaltstitel für den Bau von
Radwegen eingerichtet werden. Der
Rad- und Fußgängerverkehr in BadenWürttemberg soll bei der Verkehrsplanung nicht nur die Flächen zugestanden bekommen, die übrig bleiben. Ziel
ist die Steigerung des landesweiten
Anteils des Radverkehrs an der Zahl der
zurückgelegten Wege auf 20 Prozent.
Weiteres Ziel ist die Steigerung des
­Anteils der nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG)
geförderten Investitionen für den Fußgänger- und Radverkehr.
Am 24.02.2015 fand die Auftaktveranstaltung des MVI zur Förderung des Fußverkehrs statt. Unter dem Motto „Los
geht‘s“ wurde zu mehr körperlicher Betätigung mithilfe des Laufens aufgerufen. Neben den gesundheitlichen Vorteilen wurden auch die Vorzüge für die
Umwelt wie auch für den Städtebau
aufgezeigt. Im Zuge dessen wurde auch
der Fußverkehrs-Check für Baden-Württemberg ausgelobt, auf den mit Gt-INFO
Nr. 539/2015, Druckausgabe vom
22.06.2015, hingewiesen wurde.
Die Gewinner wurden auf der Veranstaltung des MVI am 27.07.2015 bekanntgegeben. Aufgrund der guten Resonanz
950
BWGZ 19 | 2015
hatte sich das MVI kurzfristig dazu entschieden, nicht wie ursprünglich geplant nur 10, sondern vielmehr 15
Kommunen in den Genuss des Fußverkehrs-Checks kommen zu lassen. Bei
den Fußverkehrs-Checks bewerten Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung
und Politik im Rahmen von Workshops
und Begehungen im Dialog die Situation für den jeweils örtlichen Fußverkehr.
Mit der Unterstützung des Fachbüros
Planersocietät erarbeiten sie einen konkreten Maßnahmenplan, um die Wege
zu Fuß künftig noch attraktiver und sicherer zu gestalten.
Fortschreibung des Förderprogramms
kommunale Rad- und Fußverkehrs­
infrastruktur
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hatte Mitte August 2014 die
Kommunen aufgefordert, bis spätestens zum 30.09.2014 Vorschläge für
Infrastrukturmaßnahmen zur Fortschreibung des Förderprogramms kommunale Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG)
zu übersenden. Grundlage der Förderung ist bisher die Richtlinie des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur
zur Gestaltung und Förderung von
Radverkehrsanlagen (RL-Radinfrastruktur) vom 01.06.2012. Darin ist benannt, welche Unterlagen der Anmeldung von Fördervorhaben beizufügen
sind. Die formale Antragsstellung erfolgt in einem zweiten Schritt nach
Aufnahme des Vorhabens in das Förderprogramm. Besondere Beachtung
sollten Maßnahmen finden, die im laufenden Entwicklungsprozess des RadNETZ Baden-Württemberg in der Abstimmung sind.
Das zuständige Regierungspräsidium ist
als Prüfungs-, Entscheidungs- und Bewilligungsstelle Ansprechpartner für
alle Fragen zum Förderprogramm. Maßnahmen, die bereits in vergangenen
Jahren bei den Regierungspräsidien als
Vorschlag zur Programmaufnahme eingereicht wurden und bislang nicht bei
der Programmfortschreibung berücksichtigt werden konnten, sind erneut
von den Kommunen als Vorschlag zur
Programmfortschreibung bei den Regierungspräsidien einzureichen, sofern eine Förderung nach LGVFG weiterhin
angestrebt wird. Es erfolgt keine automatische Berücksichtigung von bereits
früher eingereichten Maßnahmenvorschlägen durch die Regierungspräsidien. Sofern keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden, reicht ein
kurzes Schreiben der Kommune, ohne
erneute Zusendung der Gesamtunterlagen. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat mit Gt-info vom 22.09.2014
seine Mitglieder aufgefordert, Vorschläge
zur Fortschreibung des Förderprogramms
zu machen.
Pedelecs an Bahn-Haltepunkten –
Fördermöglichkeiten im Rahmen der
Landesinitiative Elektromobilität
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg hat die
Städte und Gemeinden an Fördermöglichkeiten von ausleihbaren Pedelecs an
Bahn-Haltepunkten erinnert. Das MVI
möchte in Ausführung des Koalitionsvertrags den Radverkehr in BadenWürttemberg fördern. Um mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf das
Rad zu bewegen, gibt es für Kommunen
im Rahmen der Landesinitiative Elektro­
mobilität II Fördermittel für die Beschaffung von ausleihbaren Pedelecs an
Bahn-Haltepunkten. Ziel ist es, Pendlern, die täglich mit Bus oder Bahn zur
Arbeit fahren, die Möglichkeit zu bieten, auch die „letzte Meile“ nach Hause
bequem mit einem Pedelec zurückzu­
legen und dadurch auf Kurzstrecken mit
dem Auto zu verzichten.
Für den Bau einer Pedelec-Station an
Bahn-Haltepunkten haben sich bereits
zahlreiche Kommunen entschieden. Im
Oktober 2013 konnte die erste Station
in Bietigheim-Bissingen ihren Betrieb
aufnehmen. Weitere werden im laufenden Jahr folgen. Um solche Vorhaben in
allen Städten und Gemeinden in BadenWürttemberg zu unterstützen, fördert
das Ministerium die Beschaffung von
ausleihbaren Pedelecs mit 50 Prozent
des Anschaffungspreises, jedoch maximal 2000 Euro pro Pedelec. Städte und
Gemeinden können sich hierüber ausführlich im Internet informieren:
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
http://mvi.baden-wuerttemberg.de/de/
mobilitaet-verkehr/nachhaltige-mobilitaet/
elektromobilitaet/landesinitiative.
„RadNETZ Baden-Württemberg“
Die Radverkehrsinfrastruktur ist regional unterschiedlich ausgebaut. Durch
eine umfassende Bestandsanalyse sollen
Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt
und Lücken geschlossen werden, um
auch im Alltagsverkehr einen deutlichen Anstieg der Radverkehrsnutzung
zu erzielen. Ziel ist ein flächendeckendes, durchgängiges Routennetz alltagstauglicher Fahrradverbindungen zwischen Mittel- und Oberzentren. Das
RadNETZ Baden-Württemberg soll sich
durch sichere und komfortable Streckenführung, einheitliche und durchgängige Beschilderung und konsequente Wartung auszeichnen.
Zur Ermittlung des Status werden Strecken im Umfang von rund 8000 Kilometern befahren und aus Radfahrerperspektive ausgewertet. Erfahrene Ingenieur­
büros identifizieren entscheidende Qualitätsmängel oder Lücken im Netz und
erstellen Empfehlungen für eine zügige
und kosteneffiziente Verbesserung. Unter Beteiligung der Landkreise, Städte
und Gemeinden und sowie der Verbände
wird dazu ein Netz entwickelt. Ziel ist es,
die Routen zunächst möglichst schnell
so herzurichten, dass diese durchgängig
sicher befahren werden können. Nur
Routen, die den Mindestkriterien entsprechen, werden beschildert.
Darüber hinaus wird das RadNETZ
Schritt für Schritt weiter verbessert. Ziel
ist es, das gesamte RadNETZ BadenWürttemberg attraktiv und sicher nach
dem aktuellen Stand der Technik auszubauen. Die Bürger erhalten ein bedarfsorientiert geplantes, komfortables und
einfach zu nutzendes Radverkehrsangebot, das im Alltag für Arbeits-, Schuloder Einkaufswege, aber auch in der
Freizeit bequem genutzt werden kann.
Auf den als RadNETZ Baden-Württemberg gekennzeichneten Routen fällt die
Orientierung anhand einheitlicher Beschilderung leicht. Qualitätsstandards
sorgen dafür, dass das Netz durchgängig
sicher befahren werden kann.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Die Politik und Planung vor Ort sind als
aktive Partner in den Prozess integriert –
so finden örtlicher Belange Berücksichtigung und die Einbindung in die lokalen
Radverkehrsnetze ist gewährleistet. Das
Land stellt den Kommunen eine umfassenden Bestandsaufnahme sowie erste
Hinweise zur Behebung von Mängeln
zur Verfügung und sorgt für eine Koordination über Kreisgrenzen hinweg.
Durchgängige Radverkehrsverbindungen von einheitlich hohem Niveau machen Alltagswege attraktiver, unterstützen aber auch die Freizeitinfrastruktur
(www.mvi.baden-wuerttemberg.de;
www.fahrradland-bw.de).
AGFK-BW – Arbeitsgemeinschaft
fahrradfreundlicher Kommunen
in Baden-Württemberg e.V.
Die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V. (AGFK-BW) wurde im Mai 2010
mit Unterstützung der Landesregierung
gegründet. Seither haben sich immer
mehr Landkreise, Städte und Gemeinden dem Netzwerk angeschlossen – Tendenz weiter steigend. Die Mitglieder profitieren vom Erfahrungsaustausch, von
Synergien in Projekten und von der Arbeit der Geschäftsstelle, die das als Verein
organisierte Netzwerk koordiniert. Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den
Verwaltungen werden dadurch unterstützt; das eröffnet Möglichkeiten, die
für eine Kommune allein nicht erreichbar gewesen wären.
Um diese Ziele zu verwirklichen, unterstützt die AGFK-BW ihre Mitglieder unter anderem bei der Öffentlichkeits­
arbeit, im Handlungsfeld Mobilitäts­
management und bei der Umsetzung
von konkreten Projekten, beispielsweise
der Aktion „Die Schul-Radler“ für die
neuen Fünftklässler. Sie stößt Forschungsvorhaben an, von deren Ergebnissen die Kreise, Städte und Gemeinden profitieren, und dient als kommunale Interessenvertretung in Sachen
Radverkehr gegenüber Dritten. Die
AGFK-BW wird dabei ihrerseits von einer
Kommunikationsagentur beraten.
Die AGFK-BW ist ein wichtiger Teil der
Fahrradförderung des Landes und wird
vom Verkehrsministerium finanziell
und ideell unterstützt. So finanziert das
Ministerium beispielsweise die AGFKGeschäftsstelle bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg. Alle
Städte und Gemeinden können Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in BadenWürttemberg e.V. werden, wenn sie sich
dazu bekennen, den Radverkehr nachhaltig fördern zu wollen. Die Bereitschaft zur Mitarbeit in der AGFK-BW
muss deutlich werden, indem der Bürgermeister aktiv an der AGFK-Mitgliederversammlung teilnimmt und einen
fachlichen Mitarbeiter in den Facharbeitskreis und in mindestens eine thematische Arbeitsgruppe entsendet. Die
Mitgliedsbeiträge betragen aktuell für
Städte und Gemeinden mit bis zu
20.000 Einwohnern 1000 Euro im Jahr,
für Städte und Gemeinden mit 20.000
bis 50.000 Einwohnern 2000 Euro. 3000
Euro ist der Jahresbeitrag für Landkreise
sowie Städte mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern. Städte mit mehr als 100.000
Bürgern zahlen 4000 Euro.
Weitere Informationen stehen im Internet unter www.agfk-bw.de/startseite/, u.a.
die Broschüre des AGFK-BW zum Download. Städten und Gemeinden, die an einer Mitgliedschaft interessiert sind, wird
empfohlen, die Erfahrungen bei einem
bestehenden Mitglied abzufragen.
RadSTRATEGIE Baden-Württemberg
Mit Schreiben vom 17.08.2015 hat das
MVI den Entwurf der Radverkehrsstrategie Baden-Württemberg bekannt und
zur Anhörung frei gegeben. Die RadSTRATEGIE beinhaltet die strategische
und konzeptionelle Grundlage für die
Radverkehrsförderung in Baden-Württemberg in den kommenden zehn Jahren. Der Entwurf zur RadSTRATEGIE
wurde unter Einbindung diverser Akteure erarbeitet. Darüber hinaus wurde
zusätzlicher fachlicher Input in Form
von Gutachten, Interwievs und Fachveranstaltungen eingeholt.
Bezüglich der Stellungnahme wird auf
die entsprechende Gt-INFO verwiesen.
951
Geschäftsbericht
Regiobusse
Mit Schreiben vom 27.03.2015 hat das
MVI sein Förderprogramm Regiobuslinien vorgestellt und gleichzeitig zur
Anhörung freigegeben.
Die geplante Einführung der Regiobusse
hat zum Ziel, die nachhaltige Mobilität
zu fördern. Da die Anbindung an das
Schienennetz nicht in jeder – insbesondere kleineren Kommune – gewährleistet ist, sollen die bestehenden Lücken
zunächst ausgemacht werden, um diese
anhand der Einführung der Regiobusse
zu schließen und um auf diese Weise die
Anbindung auch dieser Gebiete an größere Netze zu gewährleisten.
Die Vorgehensweise sieht dergestalt aus,
dass das Netz der Regiobusse zunächst
zu definieren ist. Dabei sollen die bisher
nicht angebundenen Unter- und Mittelzentren vorrangig in den Blick genommen werden, d.h. die Regiobusse sollen
dort zuerst eingeführt werden.
Foto: Viktor Mildenberger/PIXELIO
Zur Finanzierung hat das Land im laufenden Doppelhaushalt für 2015 einen
Betrag von 1,5 Mio. Euro und für 2016
dann 3,0 Mio. Euro eingestellt. Ab 2017
beabsichtigt das Land, 1,5 Prozent der
Regionalisierungsmittel (etwa 10 Mio.
Euro) für dieses Konzept zur Verfügung
zu stellen. Um zielgenau die bedarfsgerechten Linien zu ermitteln, ist an eine
je hälftige Finanzierung des Landes und
der Aufgabenträger Busverkehr (Landkreise) gedacht.
Bürgerbus
952
BWGZ 19 | 2015
Die Zielrichtung dieser Initiative ist
ausdrücklich zu begrüßen. Insbesondere für Mittel- und Unterzentren im
ländlichen Raum kann so punktuell
ein sinnvoller Anschluss an den SPNV
geschaffen werden. Auch die jeweils
hälftige Finanzierung ist zu unterstützen, da auf diesem Wege einerseits ein
gemeinsames Interesse eines bedarfsgerechten Einsatzes der Regiobusse
sichergestellt wird und andererseits mit
den verfügbaren Landesmitteln mehr
Regiobuslinien in eine Förderung kommen können.
Der Gemeindetag Baden-.Württemberg
hat in der Präsidiumssitzung vom
25.02.2015 beschlossen, die weiteren
Maßnahmen zur Einführung der Regiobusse eingehend weiterzuverfolgen und
einer kritischen Prüfung zu unterziehen, um insbesondere auf eventuelle
Mehrkosten für Kommunen frühzeitig
hinweisen zu können.
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat in der Kabinettssitzung am
24.02.2015 den Entwurf seines Förderprogramms „Regiobuslinien“ vorgestellt. Ziel ist es, Bahnen und Busse im
ganzen Land voranbringen. Weiterhin
soll schrittweise möglichst flächendeckend ein ganztägiger Stundentakt mit
Zügen, Bussen oder Sammeltaxis erreicht werden. Darüber hinaus sollen
größere Lücken im Schienennetz mit
hochwertigen, vertakteten Buslinien geschlossen werden.
Aus Sicht des Landes besteht das Problem darin, dass nicht alle Mittel- und
Unterzentren in Baden-Württemberg
an das Schienennetz im Land angebunden sind. Ein Neubau würde hohe Investitionen erfordern und ist mittelfristig nicht realisierbar. Ein landesweites
Grundnetz von Regiobuslinien soll
deshalb als kostengünstige Alternative
mittelfristig alle zentralen Orte des
Landes (Oberzentren, Mittelzentren,
Unterzentren sowie die Verkehrsflughäfen) mindestens stündlich anbinden. Die Regiobuslinien sind aus Sicht
des Landes ein Baustein aktiver Infrastrukturpolitik, insbesondere für den
ländlichen Raum mit seinem weniger
dichten Schienennetz.
Für 2015/2016 hat der Landtag 4,5 Millionen Euro für das Projekt bereitgestellt. Damit kann das MVI die ersten
Regiobuslinien fördern. In einer ersten
Umsetzungsstufe soll sich die Förderung auf die Anbindung aller Mittelzentren an den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) durch Regiobusse sowie Lückenschlüsse zwischen Mittelzentren konzentrieren.
Stellungnahme des Gemeindetags
Mit Schreiben vom 29.04.2015 hat der
Gemeindetag Baden-Württemberg Stellung genommen.
Die Zielrichtung des Förderprogramms
Regiobuslinien wird vom Gemeindetag grundsätzlich begrüßt. Insbesondere für Mittel- und Unterzentren im
ländlichen Raum kann so punktuell
ein sinnvoller Anschluss an den SPNV
geschaffen werden. Allerdings wurde
ebenso darauf hingewiesen, dass am
07.01.2015 ein Spitzengespräch zwischen dem MVI und den kommunalen
Landesverbänden stattgefunden hat.
Darin hatte man sich darauf geeinigt,
dass die „förderfähigen Netze“ mit den
kommunalen Vertretern und den Verbünden bezüglich des tatsächlichen
Bedarfs vor Ort und der Kompatibilität
mit den Nahverkehrsplänen rückgekoppelt werden. Eine solche Abstimmung hatte jedoch nicht stattgefunden, weswegen gebeten wurde, diesem
Erfordernis noch nachzukommen.
Mit Gt-INFO Nr. 526/2015, Versandtag
vom 28.05.2015, Druckausgabe vom
22.06.2015, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg über das Förderprogramm Regiobuslinien informiert. Das
MVI hatte mit Schreiben vom
26.05.2015 über die beabsichtigte Einführung des Förderprogramms „Regiobuslinien“ informiert und darauf hingewiesen, dass Aufgabenträger für Busverkehre im Sinne des § 6 ÖPNV antragsberechtigt sind. Die vom MVI
beigefügten Dokumente wurden mittels oben genannter Gt-INFO verlinkt.
Die Förderanträge sind im Zeitraum
vom 15. Juni bis zum 31. August 2015
beim MVI einzureichen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
BWGZ_Die_Gemeinde_WikomMT_sw.pdf 1 24.09.2015 07:56:15
Als Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft sind
wir für Unternehmen der öffentlichen Hand und vornehmlich
mittelständische private Unternehmen in den Bereichen
Prüfung, Beratung, Planung, Gestaltung und Organisation tätig.
Unsere Kompetenz
Wir haben spezielles praxisnahes Know-how auf den
Gebieten:
Prüfung des Jahresabschlusses
Erstellung von Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss
und Gesamt- (Konzern-) abschluss
Gesellschafts-, Wirtschafts- und Steuerrecht
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neuen kommunalen Haushaltsrechts
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Geschäftsbericht
Erneuerbare Energie – aber wie?
Mit dieser Fragestellung setzen sich in
Baden-Württemberg auch im Jahr Fünf
nach den Energiewende-Beschlüssen
im Jahr 2011 viele Akteure auseinander. Die Energiepolitik von Städten und
Gemeinden spielt dabei aufgrund der
zunehmenden Dezentralität der Energieversorgung eine immer maßgeblichere Rolle. Denn auf kommunalen
Gemarkungen werden die alternativen
Energien angesiedelt, hier müssen
Übertragungs- und Verteilnetze in verstärktem Maße ausgebaut und eine
neue Infra- und Speicherstruktur geschaffen werden.
Das Spektrum der kommunalen energiewirtschaftlichen Themen wird somit
stetig breiter. Gerade die Jahre 2014 und
2015 waren bzw. sind daher auch geprägt von vielfältigen Gesetzes-, Verordnungs- und Programminitiativen von
Bund und Land auf dem und um das
Gebiet des Energiewirtschaftsrechts.
Herauszuheben ist hierbei die Novelle
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
im Frühjahr 2014 (EEG 2014), zu welcher der Gemeindetag Baden-Württemberg eine eigene Stellungnahme gegenüber dem zuständigen Bundesministerium für Umwelt und Bauen abgegeben
hat (vgl. u.a. Gt-INFO Nr. 261/14 vom
07.04.2014). Maßgebliche Forderungen
und Inhalte der Novelle sind den Ausführungen in BWGZ 2/2015 ab S. 68 zu
entnehmen.
In der gleichen Ausgabe der BWGZ
werden auch die Regelungen der Neuauflage des Erneuerbare-Wärme-Ge­
setzes (EWärmeG 2015) betrachtet,
welches am 1. Juli 2015 in Kraft trat.
Insbesondere die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf
kommunale Nichtwohngebäude im
Bestand und die damit einhergehende
Pflicht, beim Austausch oder nachträglichen Einbau einer Heizanlage mindestens 15 Prozent des Wärmeenergiebedarfs durch Erneuerbare Energien
abzudecken, werden für kommunale
Gebäude, die häufig in den 1970erJahren errichtet wurden, finanzielle
Belastungen darstellen. In Arbeitsgrup-
954
BWGZ 19 | 2015
pen, Besprechungen im Umweltministerium sowie während der Anhörung
hat der Gemeindetag Baden-Württemberg versucht, die Folgen der Gesetzesänderung für Städte, Gemeinden sowie
deren selbstständige und unselbstständige Einrichtungen abzumildern. Im
Besonderen wurde darauf verwiesen,
dass Kommunen sinnvolle Investitionen in Energieeffizienz im Gebäudebereich bereits vielerorts getätigt hätten
und eine Verschärfung der gesetzlichen
Regelungen im Einzelfall energetische
Sanierungsmaßnahmen verhindern
oder zumindest verzögern kann.
Vor diesem Hintergrund war aus Sicht
der Geschäftsstelle erfreulich, dass die
Novellierung verschiedene Erfüllungsoptionen offen lässt, wie der gesetzlichen Pflicht im Einzelfall entsprochen
werden kann. In der Stellungnahme
vom 29.09.2014 wurde insoweit beispielsweise das Instrument des Energetischen Sanierungsfahrplans als vollwertige Erfüllungsoption ausdrücklich
begrüßt.
Im Frühsommer 2015 folgte darauf die
„Verordnung zum gebäudeindividuellen energetischen Sanierungsfahrplan
Baden-Württemberg (SFP-VO)“. Eine
ausführliche Besprechung des Gesetzesentwurfs erfolgte in BWGZ 1/2015 ab
S. 70 sowie per Gt-INFO Nr. 295/2015
vom 20.03.2015. Wie sich die Neuerungen in der Praxis auswirken und welche
zusätzliche Aufgabenfülle für die unteren Baurechtsbehörden damit einhergeht, bleibt abzuwarten.
IEEK und daraus
hervorgehende Initiativen
Nachdem der Ministerrat am 15. Juli
2014 das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) für BadenWürttemberg verabschiedet hatte, wurden im zweiten Halbjahr 2014 bereits
erste der insgesamt 108 darin enthaltenen Maßnahmen angegangen:
Energieatlas Baden-Württemberg
Nachdem das Umweltministerium bereits im März 2013 einen online-basierten Potenzialatlas Erneuerbare Energien
(www.potenzialatlas-bw.de) veröffent-
licht hat, soll dieser Atlas nun durch einen Wärmebedarfs-Atlas ergänzt werden. Derzeit arbeitet die Landesanstalt
für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) an einem ersten Entwurf. Eine Veröffentlichung ist nicht
vor Herbst 2015 zu erwarten. Die Geschäftsstelle wird per Gt-info berichten.
Initiative zur Energieberatung
einkommensschwacher Haushalte
Trotz stetig sinkender Energiepreise an
der Strombörse in Leipzig ist der BruttoStrompreis für kommunale wie auch
private Endverbraucher in den letzten
Jahren stetig angestiegen. Verantwortlich hierfür sind Steuern und Umlagen,
die notwendig sind, um die Energiewende bedingten Ausgaben zu refinanzieren (EEG-Umlage, KWK-Umlage,
Haftungsumlage Offshore, § 19 Ab. 2
StromNEV-Umlage etc.). Für einkommensschwache Haushalte – im Regelfall
Haushalte, die staatliche Transferleistungen beziehen – stellt diese Entwicklung ein Problem dar, welches in vielen
Fällen darin gipfelt, dass aufgrund von
Zahlungsrückständen der Strom abgeschaltet wird. Vor diesem Hintergrund
haben Sozialministerium und Umweltministerium im Jahr 2014 die Initiative
zur Energieberatung einkommensschwacher Haushalte gestartet. Konkreter Inhalt einer gemeinsamen Erklärung
von Politik, Sozialbehörden, Stromversorgungsunternehmen, freien Wohlfahrtsverbänden und den kommunalen
Landesverbänden sollte nicht allein die
Energieberatung, sondern auch die bessere Zusammenarbeit der einzelnen Akteure sein, beispielsweise bei einer drohenden Stromabschaltung aufgrund
von Zahlungsrückständen. Nach intensiven Debatten, bei denen nicht zuletzt
auch die Geschäftsstelle erfolgreich darauf hingewirkt hatte, einen Ausgleich
zu finden zwischen neuen Angeboten
zur Energieberatung, deren Finanzierung sowie Forderungen der freien
Wohlfahrtsverbände nach der Verpflichtung von Versorgungsunternehmen zu kostenintensiven Beratungsstrukturen mit zweifelhaftem Mehrwert, kam die Erklärung aufgrund von
für die freien Wohlfahrtsverbände nicht
verhandelbaren Kernkritikpunkten
nicht zustande.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Landeskonzept
Kraft-Wärme-Kopplung
Am 14.07.2015 hat die Landesregierung
ihr Konzept zur Entwicklung der Stromund Wärmeerzeugung aus Kraft-WärmeKopplungsanlagen
(Landeskonzept
KWK) in Baden-Württemberg verabschiedet. Ausgehend von der Zielmarke,
dass im Jahr 2020 der Beitrag der KWKAnlagen zur jährlichen Bruttostromerzeugung auf rund 13 TWh (d.h. von bislang 12 Prozent auf 20 Prozent) gesteigert
werden soll, und der für Sommer 2015
angekündigten Novellierung des KWKGesetzes des Bundes wurden im Rahmen
eines Gutachtens des Deutschen Luftund Raumfahrtzentrums (DLR), des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) und von Dr. Joachim Nitsch Maßnahmenvorschläge erarbeitet. Diese sahen unter anderem vor,
im Wege einer Bundesrats­initiative die
Verpflichtung zur Aufstellung von kommunalen Wärmeplänen zu fordern. Die
Geschäftsstelle hat sich per Ministerschreiben g
­egen diesen Vorschlag gewandt und stattdessen angeregt, einen
Anreiz für kommunale Wärmeplanungen über das Förderprogramm KlimaschutzPlus zu schaffen. In Bayern werden
entsprechende Planungen bereits heute
aus Landesmitteln mit Förderquoten von
bis zu 70 Prozent gefördert. Dieser Vorschlag wird nunmehr von Seiten des Umweltministeriums geprüft, der einstweilige Verzicht auf gesetzliche Verpflichtungen wurde indes bereits zugesagt. Sobald
weitere Ergebnisse vorliegen, wird die
Geschäftsstelle per Rundschreiben informieren.
Ein weiterer Maßnahmenvorschlag aus
dem Landeskonzept KWK lautete, den
Bau von zukunftsfähigen Wärme­
netzen in Baden-Württemberg zeitnah
voranzutreiben. Die bestehenden Fördertatbestände im Programm KlimaschutzPlus sollen daher überarbeitet und
die Mittel aufgestockt werden. Konkrete
Ergebnisse hierzu liegen der Geschäftsstelle noch nicht vor (Stand: Juli 2015).
Ausbau der Stromübertragungsnetze
in Baden-Württemberg
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hatte
am 27.02.2015 den zweiten Entwurf des
Gemeindetag Baden-Württemberg
Netzentwicklungsplans (NEP) Strom
2024 veröffentlicht und eine bundesweite Konsultation gestartet, bei welcher der Gemeindetag Baden-Württemberg eine eigene Stellungnahme abge­
geben hat.
Entgegen des Vorschlags des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW wurde
in dem benannten zweiten Entwurf die
im November 2014 von diesem angemeldete Gleichstromübertragungstrasse
vom Kreis Segeberg nach Wendlingen
am Neckar von der Bundesnetzagentur
als „nicht bestätigungsfähig“ eingestuft.
Im Netzentwicklungsplan des Jahres
2025 oder später könnte das Vorhaben
allerdings bestätigt werden, da die Ablehnung durch die Bundesnetzagentur
bislang lediglich „vorläufig“ erfolgt ist.
Neben dem Vorhaben Kreis SegebergWendlingen enthielt der Netzentwicklungsplan 2024 noch weitere Vorhaben
in Baden-Württemberg, wobei ein
Großteil derselben jedoch in bereits bestehenden Trassen und damit nicht als
kompletter Neubau realisiert wird.
Nicht Gegenstand des Netzentwicklungsplans Strom 2024 war hingegen
die geplante Trasse Brunsbüttel-Großgartach (Projekt ­SuedLink), welche bereits gesetzlich im Bundesbedarfsplan
vom 27.07.2013 verankert ist.
Diesbezüglich veröffentlichte das Umweltministerium Baden-Württemberg
am 06.03.2015 eine Pressemitteilung, in
der auf eine gemeinsame Erklärung des
Umweltministeriums mit zahlreichen
Vertretern von Verbänden aus Wirtschaft und Handwerk, aus dem Umweltschutzbereich, vom Deutschen Gewerkschaftsbund und von Politik und Verwaltung für ein Dialogverfahren zum
Netzausbau in Baden-Württemberg aufmerksam gemacht wurde. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat die Erklärung nicht unterzeichnet.
Darüber hinaus wurden Einzelheiten
zum, der Bundesfachplanung und
Planfeststellung des Vorhabens vorgeschalteten, Beteiligungsverfahren verlautbart, u.a. sollte es als ersten Schritt
einen Multiplikatorendialog mit Verbänden geben, welcher mittlerweile
abgeschlossen ist.
Zur Projektbegleitung wurde ein Steuerungskreis aus Vertretern des Ministe­
riums, des Übertragungsnetzbetreibers
TransnetBW, der Deutschen Umwelt­
hilfe und des Regionalverbandes Heilbronn-Franken eingerichtet. Die Moderation des gesamten Dialogverfahrens
übernimmt die Deutsche Umwelthilfe.
Mit Schreiben vom 24.03.2015 an Umweltminister Franz Untersteller MdL hat
der Gemeindetag Baden-Württemberg
auf die beschriebenen Entwicklungen
reagiert und Änderungen angemahnt
(vgl. Gt-INFO Nr. 325/2015 vom
30.03.2015). Nach Behandlung des Themas in Präsidium und Landesvorstand
nahm die Geschäftsstelle am 13.05.2015
gegenüber der Bundesnetzagentur als
zuständiger Genehmigungsbehörde
Stellung (vgl. Gt-INFO Nr. 494/2015
vom 18.05.2015). Die wesentlichen Forderungen lauteten:
• Möglichst rasche, d.h. in jedem Fall
geraume Zeit vor der formellen Antragstellung in der Bundesfach­
planung erfolgende Vorlage von konkreten Trassenkorridorvorschlägen
seitens des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW für vom Projekt
­SuedLink betroffene Kommunen. Diese Vorschläge sollten möglichst entlang bestehender Infrastrukturen wie
Autobahnen oder Schienenverläufen
konzentriert werden. Zudem sollte das
Potenzial von bestehenden Leitungen
weiter genutzt und optimiert werden.
• Anhörung und Berücksichtigung von
Belangen der betroffenen Kommunen zu den Trassenkorridoren bzw.
Trassenplanungen im Planfeststellungsverfahren bei allen geplanten
Vorhaben in Baden-Württemberg,
und zwar bevor sich die Planungen
verfestigt haben.
• Grundsätzliche Bereitschaft der Übertragungsnetzbetreiber, berechtigte
kommunale Planungsvorstellungen
weitgehend zu berücksichtigen.
• Einbeziehung neuer technischer
Möglichkeiten (Kompaktmasten bei
Freileitungen etc.).
• Bundesrechtliche Normierung von
Trassenabständen zur Wohnbebauung im Innen- und Außenbereich
unter Berücksichtigung der Möglichkeit zur Erdverkabelung.
955
Geschäftsbericht
• Frühzeitige Kommunikation bei Änderungen des Netzentwicklungsplans, d.h. insbesondere die Erläuterung der Auswirkungen der Änderungen bzw. deren Vorläufigkeit aufgrund ausstehender Entscheidungen
der BNetzA gegenüber jeder betroffenen Kommune im Untersuchungsraum.
• Darüber hinaus sprechen wir uns für
eine abschließende Aussage der
BNetzA zur energiewirtschaftlichen
Notwendigkeit der Gleichstromübertragungstrasse Kreis Segeberg-Wendlingen (C06WDL) im nächsten Netzentwicklungsplan aus. Die Ausführungen der BNetzA im vorläufigen
Prüfbericht hinsichtlich der Wirksamkeit und damit der vorläufigen
Nicht-Bestätigung der Leitung sind
für uns weitgehend nachvollziehbar.
Insbesondere der letzte Absatz des
Prüfberichts (S. 84) lässt jedoch den
Schluss zu, dass die Maßnahme
C06WDL in naher Zukunft bereits
bestätigungsfähig sein könnte. Um
weiteren Flurschaden zu vermeiden
und eine frühzeitige und intensive
Befassung der kommunalen Gremien
zu ermöglichen, wäre eine abschließende Aussage der BNetzA zum frühestmöglichen Zeitpunkt daher sehr
zu begrüßen.
• Aus dem Plan sollte hervorgehen, inwiefern Alternativen zum geplanten
Ausbau der Übertragungsnetze in Betracht kommen. Uns ist bewusst, dass
der jeweilige Szenariorahmen die
Grundlage für die Netzentwicklungsplanung bildet, wir vermissen jedoch
– auch angesichts der technischen
Entwicklung – die Berücksichtigung
von Energiespeichern, welche den
Ausbaubedarf der nächsten zehn Jahre ggf. merklich reduzieren könnten.
Derzeitiger Sachstand
Nachdem die Einwände Bayerns auf einem Koalitionsgipfel am 1. Juli 2015
durch Zugeständnisse in Richtung einer
grundsätzlichen Öffnung der Trassen auf
bayerischem Gebiet für die Möglichkeit
der Erdverkabelung ausgeräumt werden
konnten, erfolgt derzeit die Finalisierung
des Netzentwicklungsplans 2024 und die
Vorbereitung des Netzentwicklungs-
956
BWGZ 19 | 2015
plans für das Zieljahr 2025. Aufgrund der
Änderungen wird sich die Veröffentlichung der Entwurffassung wohl bis zum
Jahresende hinziehen (vgl. hierzu GtINFO Nr. 714/2015 vom 30.07.2015).
Die Geschäftsstelle befindet sich diesbezüglich im regen Austausch mit der
TransnetBW. Gegenstand der Gespräche
sind neben der Netzentwicklungsplanung und dem Projekt SuedLink auch
die weiteren Übertragungsnetzprojekte
in Baden-Württemberg. Der Gemeindetag Baden-Württemberg setzt sich hierbei neben den bereits oben benannten
Punkten auch für den Einsatz alternativer Betriebsmittel wie beispielsweise
Kompakt-/Vollwandmasten ein, um neben den herkömmlichen Stahlgittermasten und der Erdverkabelung im Wege
von kleinräumigen Pilotprojekten weitere Alternativen zu haben.
Um nähere Informationen und Arbeitsmaterialien rund um die Gesamtthematik
„Übertragungsnetze“ zu erhalten, steht
den Mitgliedskommunen des Gemeindetags dessen Energiewende-Homepage
www.energiewende-gemeindetag-bw.de (Ratgeber – Arbeitsmaterialien – Netze) zur
Verfügung.
Entwicklung bei der Vergabe
von Strom- und Erdgaskonzessionen
Wie in BWGZ 2/2015 ausführlich dargestellt, herrscht im Bereich der Vergabe
von Konzessionen für Strom- und Erdgasnetze bereits seit geraumer Zeit eine
große Rechtsunsicherheit. In den Jahren 2013 und 2014 wurden diesbezüglich von Seiten des Bundesgerichtshofs
einige wegweisende Entscheidungen
gefällt (vgl. hierzu u.a. Gt-INFO Nr. 115/
2015 vom 27.05.2015).
Im Frühjahr 2015 haben Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur diese Entwicklungen aufgegriffen und ihren im
Jahr 2010 erstmals erschienenen Leitfaden
zur Konzessionsvergabe in überarbeiteter
Form herausgegeben. Trotz Gerichtsurteilen und Entscheidungen der Kartellbehörden fehlt es allerdings nach wie vor
an einer Konkretisierung des maßgeblichen § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes
(EnWG). Insbesondere die darin nicht
explizit und nicht abschließend geregel-
ten Themen „Rügefrist“, „Berücksichtigung kommunaler Belange neben den
Zielen des § 1 EnWG“, „Verfahren der
Netzwertermittlung“ sowie „Fortzahlung der Konzessionsabgabe bei mehrjährigen Gerichtsverfahren“ trugen bislang zu einer großen Rechtsunsicherheit
auf kommunaler Ebene und damit auch
zu einer Vielzahl an vermeidbaren Gerichtsverfahren unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel bei.
In den vergangenen Jahren hat die Geschäftsstelle über den Deutschen Städteund Gemeindebund immer wieder versucht, eine Novellierung des § 46 EnWG
anzustoßen. Im Herbst 2015 soll nun
eine solche erfolgen. Inwieweit kommunale Anregungen im Referentenentwurf
Berücksichtigung gefunden haben, wird
sich zeigen. Die Geschäftsstelle wird
sich über den DStGB an der Gesetzesanhörung beteiligen und über die weiteren
Entwicklungen informieren.
Kommunale Notfallplanung
bei Stromausfall
Was passiert, wenn der Strom ausfällt und
wie kann die Handlungsfähigkeit einer
Kommune in einem solchen Fall gewährleistet bleiben? Mit diesen Fragestellungen haben sich in den vergangenen vier
Jahren nicht nur viele Städte und Gemeinden, sondern auch die Katastrophenschutzbehörden des Landes intensiv auseinandergesetzt.
So stellte das Regierungspräsidium
Karlsruhe am 18. März 2014 in Hambrücken einen „Musternotfallplan Stromausfall“ vor. Dieser war das Ergebnis einer Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des Innenministeriums, den vier
Regierungspräsidien, einigen unteren
Katastrophenschutzbehörden sowie der
EnBW AG und der TransnetBW als netztechnischen Beratern. Diese Arbeitsgruppe hatte bereits seit Mitte des Jahres
2012 getagt und schlussendlich einen
Musternotfallplan erstellt. Bereits bei
der Vorstellung in Hambrücken zeigte
sich allerdings, dass der Plan allenfalls
Handlungsempfehlungen in Form einer
Zusammenfassung des 2010 vom Innenministerium erstellten Krisenhandbuchs Stromausfall enthielt und kein
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Schema, dass zeigen konnte, wie eine
Notfallplanung auf kommunaler Ebene
konkret anzugehen wäre.
Nichtsdestotrotz wurde durch diese Veranstaltung und weitere Veranstaltungen zum Thema im Jahr 2014 in den
Regierungsbezirken Freiburg, Tübingen
und Stuttgart von Seiten der Feuerwehr,
der Katastrophenschutzbehörden sowie
der Stromnetzbetreiber eine erhöhte
Aufmerksamkeit für diese wichtige Problematik geschaffen.
Kommunales Pilotprojekt gestartet
Nachdem sich das Präsidium des Gemeindetags Baden-Württemberg im
Frühjahr 2014 nochmals mit der Erstellung „Kommunaler Notfallpläne bei flächendeckenden Stromausfällen“ befasst
hatte, ergriff eine Gemeinde im Landkreis Esslingen in unmittelbarer Abstimmung mit dem Gemeindetag die Initiative zur Erstellung eines Pilot-Notfallplans.
Im Rahmen eines interdisziplinären Arbeitskreises mit der örtlichen Verwaltungsführung, dem regionalen Netzbetreiber, der unteren Katastrophenschutzbehörde, der Feuerwehr sowie einem
Vertreter des Gemeindetags wurden erste
Schritte hin zu einem kommunalen Notfallplan unternommen. Die konkrete
Erarbeitung eines Notfallplans wurde dabei in einen eher administrativen Teil
(Bildung und Besetzung eines Krisenstabs, gesetzliche Rechte und Pflichten,
Kommunikationspolitik intern und ex-
Gemeindetag Baden-Württemberg
tern) und einen technischen Teil (Telekommunikation, Identifikation kritischer Infrastrukturen, Notstromversorgung etc.) aufgegliedert.
Beide Teile sollen dann bis Ende 2015 in
der Gesamtschau in ein Dokument – den
konkreten „Notfallplan“ – zusammengeführt werden. Bei Erstellung des administrativen Teils hat sich gezeigt, dass die
Einrichtung eines Krisenstabs, die Festlegung gewisser Räumlichkeiten als Krisenzentrale im Rathaus/Feuerwehrhaus
sowie die Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie intern wie extern grundsätzlich für verschiedene Krisensituationen (Hochwasser, extremer Schneefall,
Stromausfall etc.) sinnvoll sind und dieser Teil somit eine große Klammer über
der spezifischen Notfallplanung bilden
kann. Insbesondere hinsichtlich der
Notwendigkeit von Hochwasseralarmund -einsatzplänen als Voraussetzung für
Fördermittel aus der Richtlinie Wasserwirtschaft des Landes bietet sich an, einen grundlegenden örtlichen Alarmund Einsatzplan auszuarbeiten und je
nach Gefahrenszenario entsprechende
Maßnahmenpläne modular anzufügen.
Weitere Vorgehensweise
Nach der Fertigstellung des Notfallplans
für die Gemeinde durch den Arbeitskreis ist angedacht, die Grundstrukturen, Anforderungen, Checklisten etc.
soweit möglich in Form eines Leitfadens
landesweit über den Gemeindetag Ba-
den-Württemberg zu publizieren. Eine
erste Übersicht über mögliche niederschwellige Maßnahmen zur Notfallvorsorge kann unter www.energiewendegemeindetag-bw.de (Ratgeber – Arbeitsmaterialien – Versorgungsicherheit)
bezogen werden.
Erneuerbare Energie –
Mehr wissen dank des Online-Portals
zur Energiewende
Die im Jahr 2012 eingeführte OnlinePlattform zur kommunalen Energiewende in Baden-Württemberg, das
„Kommunale Portal für Erneuerbare
Energie, Energieeffizienz und Energieeinsparung“ des Gemeindetags BadenWürttemberg hat sich mittlerweile fest
etabliert und wird von kommunaler Seite immer stärker frequentiert. Mehr als
500 registrierte Mitgliedskommunen,
über sieben Millionen Klicks bei insgesamt zirka 300.000 Besuchern sowie die
Nutzung vor allem während der Bürozeiten zeichnen hier ein klares Bild.
Auch weiterhin werden unter www.
energiewende-gemeindetag-bw.de aktuelle
Meldungen zur kommunalen Energiewende und zu Entwicklungen auf Landes- und Bundesbene gepostet werden
sowie im geschützten Mitgliederbereich
wertvolle Arbeitsmaterialien für kommunale Praktiker zur Verfügung gestellt
werden.
www.energiewende-gemeindetag-bw.de
957
Geschäftsbericht
Energieaudit
Bereits im November 2014 wurde die
Geschäftsstelle auf das „Gesetz zur Teil­
umsetzung der Energieeffizienzricht­
linie und zur Verschiebung des Außerkrafttretens des § 47g Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB)“ aufmerksam. Dieses Gesetz
sieht eine Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes (EDL-G) vor, wonach
Unternehmen die kein kleines oder
mittleres Unternehmen (KMU-Definition gemäß Empfehlung 2003/361/EG,
Abl. L 124 vom 20.05.2003 Seite 36)
sind, verpflichtet werden, bis zum
05.12.2015 und danach alle vier Jahre
ein Energieaudit nach der europäischen
Norm DIN EN 16247-1 durchzuführen.
BWGZ 19 | 2015
Das Gesetz ist zwischenzeitlich in Kraft
getreten. Problematisch hieran ist aus
kommunaler Sicht, dass kommunale
Unternehmen per Definition der Europäischen Union (Art. 3 Abs. 4 2003/361/
EG) nicht als KMU gelten, sofern die öffentliche Hand zu mindestens 25 Prozent unmittelbar oder mittelbar an ihnen beteiligt ist. Dies ist der Regelfall.
Die Geschäftsstelle des Gemeindetags
wurde hiergegen bereits im Dezember
2014 mit einem Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann initiativ. Vor der zweiten Lesung im Deutschen Bundesrat am 06.03.2015 wurde
die Geschäftsstelle abermals gegenüber
der Landesregierung, nunmehr gegenüber Umweltminister Franz Untersteller
MdL, aktiv. Beide Schreiben wurden jedoch aus kommunaler Sicht nicht zufriedenstellend beantwortet.
Gleichwohl stellt sich die Frage der
Sinnhaftigkeit von Energieaudits, wie
das folgende Beispiel einer Stadt belegt:
„Der Eigenbetrieb Wasserversorgung der
Stadt S. (ca. 12.000 Einwohner) liefert
jährlich etwa 600.000 m³ Wasser an seine
Kunden (Bilanzsumme 2013: ~6,4 Mio.
Euro, Umsatzerlöse ~1,3 Mio. Euro). Das
Wasser bezieht der Eigenbetrieb aber ausschließlich von kommunalen Zweckverbänden und fördert das Wasser nicht selbst.
An Stromkosten (für die Speicheranlagen)
fallen jährlich etwa 900 Euro netto, an
Treibstoffkosten (Bereitschaftsfahrzeug,
Fahrzeug des Wassermeisters) etwa 3.500
Euro netto an. Die Stromkosten für die Förderung des Wassers fallen direkt bei den
Verbänden an, die das Wasser liefern.“
mensbegriff des EDL-G fallen sollen.
Zunächst wurde im öffentlichen Sektor
an den körperschaftsteuerlichen BgABegriff angeknüpft. Hiernach waren hoheitliche Unternehmen (bspw. die Abwasserbeseitigung oder die Abfallwirtschaft) per se ausgenommen da diese
nicht ertragssteuerpflichtig sind.
Gleichzeitig sollten Regiebetriebe ebenfalls von der Auditierungspflicht ausgenommen bleiben. Dies hat insoweit für
Unverständnis gesorgt, als dass hiermit
eine als Regiebetrieb geführte Wasserversorgung nicht auditpflichtig war, die
gleiche Wasserversorgung in der Rechtsform des Eigenbetriebs jedoch der Verpflichtung unterlegen hätte. Dies hat zu
erheblichem Unmut in der Praxis und
einer nochmaligen Änderung des Merkblatts geführt. Hiernach wird nun darauf
abgestellt, inwieweit es landesrechtlich
möglich ist, die Wasserversorgung materiell zu privatisieren (vgl. § 44 WG BW).
Diese auf den ersten Blick für badenwürttembergische Wasserversorger
günstige Regelung wird durch das BAFA
jedoch gänzlich kommunalunfreundlich ausgelegt, sodass aktuell weitere
Gespräche notwendig sind. Es ist vor­
gesehen auf der Bundesebene einen
Fragenkatalog zu formulieren, der
­
durch das BAFA verbindlich beantwortet ­werden soll. Über den weiteren Fortgang wird zu gegebener Zeit via Gt-info
berichtet.
Vor dem Hintergrund, dass Energieversorger Energieaudits zum Preis ab zirka
5.000 Euro anbieten, wird deutlich, dass
Kosten und Nutzen eines Audits sowohl
finanziell wie auch umweltpolitisch in
keinem ausgewogenen Verhältnis zu­
einander stehen können.
Das mit der Ausführung des EDL-G beauftragte Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle hat in einem Merkblatt zwischenzeitlich dargelegt, welche
Unternehmen unter den Unterneh-
958
Gemeindetag Baden-Württemberg
WIR SORGEN FÜR EINE
LEBENSWERTE ZUKUNFT
PARTNERSCHAFT MIT VIEL ENERGIE
Der regionale Energie- und Umweltdienstleister badenova ist
zu 100 Prozent in kommunaler Eigentümerschaft und durch
zahlreiche Bürgerbeteiligungsprojekte sowie Klima- und Umweltschutzmaßnahmen stark mit der Region verbunden:
Planungs-, Erschließungs- und Finanzierungsvorleistungen
ab. Die Kommunen behalten die politische Gestaltungshoheit.
Kontakt: Johann-Martin Rogg, johann-martin.rogg@badenova.
de, 0761 279-2703
badenova – Hüterin des Trinkwassers
Neben einer eigenen Wasserversorgung in Freiburg und Lahr
übernimmt badenova für zahlreiche Kommunen die Betriebsführung, Betreuung oder Belieferung. So versorgt das Unternehmen täglich 568.000 Menschen mit Trinkwasser bester
Qualität und arbeitet mit 36 Kommunen im Bereich Wasser
zusammen. Kontakt: Johann-Martin Rogg, johann-martin.
[email protected], 0761 279-2703
Ein einzigartiger Fonds mit einzigartigen Möglichkeiten
Mit Hilfe des Innovationsfonds Klima- und Wasserschutz
von badenova haben Kommunen die Möglichkeit, innovative
Energie- und Klimaschutzprojekte, die sonst wegen fehlender
Wirtschaftlichkeit eventuell nicht realisiert werden könnten, zu
verwirklichen. Jedes Jahr werden ca. 1,5 Mio. Euro aus dem Unternehmensgewinn bereitgestellt. So wurden bereits zahlreiche
kommunale, innovative Schul- und Kindergartenprojekte dank
Unterstützung aus dem Fonds erfolgreich umgesetzt. Kontakt:
Anke Held, [email protected], Tel. 0761 279-2474
Energiezukunft mit Erdgas
Wo auch immer es möglich und wirtschaftlich ist schließt
badenova Kommunen auf Wunsch an das Erdgasnetz an. Heute
versorgt das Unternehmen mehr als 175 Kommunen über das
eigene Erdgasnetz. Weitere Informationen: bnnetze.de oder
0800 2 21 26 21
Baulanderschließung
badenovaKonzept, eine gemeinsame Tochtergesellschaft von
badenova und regionalen Sparkassen, nimmt Kommunen
bei der Erschließung von Neubau- und Gewerbegebieten alle
STADTWERK DER REGION
Klimaschutzberatung für Kommunen
Zum besonderen Angebot für Kommunen gehören auch die
kommunalen Energie- und Klimaschutzkonzepte, die badenova im Auftrag von Städten und Gemeinden erstellt. Ziel eines
solchen Konzeptes ist es, basierend auf einer Ist-Analyse der
Energienutzungsstruktur, Strategien und konkrete kommunale
Maßnahmen für eine klimafreundliche und energieeffiziente
Energieversorgung der Gemeinde zu erarbeiten. Kontakt:
Manuel Baur, [email protected], Tel. 0761 279-2517
Geschäftsbericht
Breitbandförderung
im Rahmen der Breitband­initiative Baden-Württemberg II
– VwV Breitbandförderung)
Die Studie zum „Stand des Breitbauausbaus in Baden-Württemberg Ende
2013“ bestätigte eine gute Grundversorgung, wies aber dennoch auf Gebiete hin, die von der Grundversorgung
(noch) nicht erfasst sind. Allerdings
muss insofern darauf hingewiesen werden, dass sich die Grundversorgung
seit der Breitband­initiative II verbessert
hat. Waren es Ende 2011 noch mehr als
700 Gemeinden, in denen einzelne Gemeindeteile nicht oder unzureichend
versorgt waren, so sind es laut aktueller
Studie nur noch zirka 200.
Weiterhin haben mehr als zwei Drittel
aller Haushalte im Land (Stand Dezember 2013) die technische Möglichkeit,
einen Internetanschluss mit Datenübertragungsraten von 50 Mbit/s zu erhalten. Voraussetzung ist jedoch, dass diese
Haushalte bereit sind, die dafür anfallenden laufenden Tarifkosten zu tragen.
Allerdings liegt der Anteil der Haushalte, die von diesem schnellen Internet
tatsächlich Gebrauch machen, noch
deutlich unter der oben genannten
Zwei-Drittel-Grenze.
Obwohl die Versorgungslage mithin als
gut bezeichnet werden kann, ist eine
Unterstützung mit öffentlichen Mitteln noch notwendig; dies insbesondere vor dem Hintergrund eines Marktversagens beim Aufbau einer zukunftsfähigen Breitbandinfrastruktur sowie
der sehr langen Kupferkabellängen
vom Kabelverzweiger bis zu den Haushalten als Alleinstellungsmerkmal in
Baden-Württemberg.
Die Breitbandförderung in BadenWürttemberg hat es sich zum Ziel gemacht, bei Vorliegen eines Marktversagens die kommunalen Vorhaben zu
unterstützen, um so eine bedarfsgerechte, flächendeckende (mindestens
99 Prozent) und erschwingliche Breitbandversorgung zu gewährleisten.
Dies bezieht sich sowohl auf den privaten wie auch auf den gewerblichen
Bereich. Dabei soll eine Übertragungs-
960
BWGZ 19 | 2015
rate von möglichst 50 Mbit/s beim Herunterladen (asymmetrische Übertragungsrate) gewährleistet werden. Hinsichtlich des gewerblichen Bedarfs
sind Übertragungsraten von mindestens 50 Mbit/s beim Herunter- und
Hochladen (symmetrische Übertragungsrate) erforderlich.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
hat mit Schreiben vom 09.12.2015 eine
Stellungnahme zur VwV Breitband II
abgegeben und ergänzungsbedürftige
Punkte angemerkt. Insbesondere wurde
in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die eigenständige Notifizierung der VwV Breitband ausdrücklich unterstützt wird. Weiterhin wurde
auf die Erforderlichkeit einer adäquaten
Versorgung mittels eines FTTB-Netzes
verwiesen bzw. der FTTB-Ausbau stark
befürwortet. Zudem wurde auch die
Notwendigkeit der Erhöhung der Förderquoten betont.
Mit Gt-INFO Nr. 392/2015 in der Druckausgabe vom 05.05.2015 hat der Gemeindetag Baden-Württemberg sein
Positionspapier zum Breitbandausbau
vorgestellt, das mittels der Gt-info per
Link eingesehen werden kann.
Das Positionspapier hat zum Ziel, die
Wichtigkeit des Breitbandausbaus hervorzuheben. Bezüglich dieser Zielsetzung sind sich alle politischen Ebenen, von der EU über den Bund, die
Länder bis hin zu den Kommunen,
einig. Problematisch ist aber nach wie
vor, dass die Städte und Gemeinden
bei der Umsetzung dieses Ziels oft alleine gelassen werden.
Der Gemeindetag hat bereits mehrfach, auch medienwirksam, auf die
Notwendigkeit hingewiesen, dass die
rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickelt und die finanziellen Mittel für den zukunftsfähigen Ausbau der
Breitbandinfrastruktur aufgestockt
werden müssen.
Das Ministerium für Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz (MLR) teilte mit
Schreiben vom 31.07.2015 mit, dass die
Europäische Kommission die Breitbandfördervorschrift des Landes Baden-
Württemberg genehmigt hat. Die Richtlinie, die ab dem 01.08.2015 gültig ist,
wurde mit Gt-INFO Nr. 723/2015 in der
Druckausgabe vom 07.09.2015 über den
entsprechenden Link zum Download
bereitgestellt. Weiterhin wird auf die
Pressemitteilung des MLR hingewiesen,
über die mit Gt-INFO Nr. 712/2015 in
der Druckausgabe vom 07.09.2015 berichtet wurde.
Zugleich teilte das MLR mit, dass nach
der Kommissionsentscheidung die Leitfäden, Musterschreiben und Antragsformulare überarbeitet werden müssen.
Diese Unterlagen können unter folgendem Link auf der Homepage des MLR
abgerufen werden:
http://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unserethemen/laendlicher-raum/breitbandausbau/.
Die neue Richtlinie berücksichtigt insbesondere die mit Nachdruck vertretene
Forderung des Gemeindetages nach höheren Förderquoten für Planung und
Umsetzung der Ausbaumaßnahmen. Damit ist eine deutlich verbesserte Grundlage für einen kommunalen Breitbandausbau gegeben. Gleichwohl sind
die beihilferechtlichen Maßgaben weiterhin zu berücksichtigen. Die Landes­
regierung hat im Doppelhaushalt
2015/2016 die Mittel für den Breitbandausbau von 11,7 auf 31,7 Millionen
Euro pro Jahr verdreifacht. Weiteres Geld
steht ebenfalls für die Breitbandversorgung zur Verfügung und zwar zum einen
zirka 40 Mio. Euro aus dem Topf für
­finanzschwache Kommunen. Diese Gelder sind zweckgebunden, indem sie nur
solchen Kommunen zur Verfügung gestellt werden, die sich im ländlichen
Raum befinden und zugleich als finanzschwach eingestuft werden können. Zudem entfallen auf Baden-Württemberg
zirka 78 Mio. Euro an Mitteln aus der
Frequenzversteigerung durch den Bund.
Fördervoraussetzungen
Die neue Förderrichtlinie sieht im Einzelnen folgende Fördervoraussetzungen/
-maßgaben vor:
Die Zuwendung wird als Projektförderung im Wege der Festbetrags- bzw. Anteilsfinanzierung als nicht rückzahlbarer
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Zuschuss auf Basis der zuwendungsfähigen Ausgaben gewährt. Im Weiteren werden die Grundtatbestände 8.1 bis 8.5
aufgeführt, aus denen sich ergibt, dass
die Förderung pro laufenden Meter deutlich angehoben wird. Diese Vorgehensweise wird vom Gemeindetag BadenWürttemberg ausdrücklich begrüßt.
Darüber hinaus wird in Nummer 8.11
die Förderung von Planungskosten auf
einen Fördersatz von 70 Prozent angehoben. Kommunale Zusammenschlüsse
und Landkreise erhalten darüber hinaus
eine Förderung von 90 Prozent. Insbesondere die Erhöhung der Fördersätze
bezüglich der Kosten der Planung wird
als ein wichtiger Schlüssel gewertet.
Neue Schlüsselzahlen
für den Gemeindeanteil
an der Einkommensteuer
und den Gemeindeanteil
an der Umsatzsteuer
Für die Jahre 2015 bis 2017 wurden neue
Schlüsselzahlen für den Gemeindeanteil
an der Einkommensteuer und den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer festgelegt. Gegenüber den bisher geltenden
Schlüsselzahlen gibt es teils kräftige Veränderungen. Hierauf wurde in BWGZ 1/2015
Seite 8 ff., 12 ff. sowie im Gemeinde­
finanzbericht 2015, BWGZ 15-16/2015
ausführlich eingegangen.
BWGZ 15-16 | 2015
31. August 2015
138. Jahrgang
Nummer 8.12 knüpft an die Grundtatbestände der Nummern 8.1 bis 8.4 an
und gewährt für die daran anschließenden Baukosten eine zusätzliche 30-prozentige Förderung für kommunale Zusammenschlüsse.
Breitbandkongress
Zuletzt sei auf den Breitbandkongress des
Gemeindetages Baden-Württemberg
und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds hingewiesen, der am 24. November 2015 in Ehingen (Donau) stattfinden wird und unter dem Motto „Breitbandausbau aus Sicht der Kommunen“
steht. Die vorläufige Tagesordnung sowie weitere Hinweise können der GtINFO Nr. 671/2015 in der Druckausgabe
vom 05.08.2015 entnommen werden.
Zeitschrift für die Städte und Gemeinden
Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg
Gewerbesteuer
Kommunalpanel
Investitionsstau
Bilanz
Kreisumlagebelastung
Inklusion
2015
Herausforderungen
2014
Zukunft
Weichenstellung
Schuldenbremse
2016 Entlastung
Abstellgleis
Finanzlage
angespannt
VerschuldungLand
Asylbewerber
Bundesweit
Kommunen
Planungssicherheit
Fiskalpakt
Kassenkredite
Schuldenbremse
Haushaltsausgleich
Finanzierungssaldo
Investitionspaket
Sozialausgaben Umsatzsteueranteil
Finanzstatistik Unterbringung
Einkommensteueranteil
Gemeindefinanzbericht 2015
Postvertriebsstück DPAG, Entgelt bezahlt, E 7351 | Gemeindetag Baden-Württemberg | Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart
Positiv hervorzuheben ist darüber hinaus die in den Nummern 8.19 und 8.20
neu etablierte Förderung von Schulen
und Gewerbegebieten, für die unabhängig von interkommunalen Zusammenschlüssen eine 90-prozentige Förderung
von Schulen und Gewerbegebieten vorgesehen ist. Diese Anhebung zusammen
mit der Maßgabe, dass bei Schulen die
Förderung unabhängig der Raumkategorien des Landesentwicklungsplans
gewährt wird, wird von Seiten des Gemeindetages ausdrücklich begrüßt.
DIE GEMEINDE
Gemeinden
Kleinkindbetreuung
Hochrechnung
Haushaltsplan
Breitbandausbau
Prognose
Gewerbesteuer
Schwerpunkte in der Beratungstätigkeit
der Geschäftsstelle sind Fragen der gewerbesteuerlichen Zerlegung, zum Teil
auch Streitfragen zwischen Kommunen
über die Hebeberechtigung, aber auch
Anträge auf Erlass der Gewerbesteuer
auf Sanierungsgewinne, die Inanspruchnahme von Geschäftsführern mit Haftungsbescheiden wegen GewerbesteuerRückständen und Fragen zur Vollverzinsung bei der Gewerbesteuer.
Seit mehreren Jahren bemüht sich der
Gemeindetag darum, dass der Daten­
trägeraustausch zwischen der Finanz­
Gemeindetag Baden-Württemberg
verwaltung und den Gemeinden auch
für die Anwender so genannter auto­
nomer Finanzwesen-Verfahren eröffnet wird. Das Kommunalabgabengesetz
bietet inzwischen die Grundlage für eine Änderung der Ausführungsverordnung. Das Finanz- und das Innenministerium Baden-Württemberg und die
kommunale Seite haben sich bereits
Anfang 2015 auf den Inhalt der Verordnung und der Verwaltungsvorschriften
für den Datenträgeraustausch verständigt, die Finanzverwaltung und auch
die Landesleitstelle auf kommunaler
Seite stehen „Gewehr bei Fuß“ und
könnten den Betrieb aufnehmen. Allerdings hat der Landesbeauftragte für den
Datenschutz bisher noch nicht sein Plazet zu den beabsichtigten Änderungen
gegeben. Sobald dieses vorliegt, kann
der Datenträgeraustausch in erweiterter
Form starten.
Ein nach wie vor ungelöstes Thema bei
der Gewerbesteuerzerlegung stellen
die Kabelnetzbetreiber dar. Hier ist für
einen Kabelnetzbetreiber im Lande infolge der Fusion mit einem in Nordrhein-Westfalen ansässigen Unternehmen nun die Auseinandersetzung um
die Gewerbesteuerzerlegung (Anwendung des Maßstabs für mehrgemeind­
liche Betriebsstätten nach § 30 GewStG
anstelle des reinen Arbeitslohn-Schlüssels) mit dem Finanzamt in Köln zu führen; und beteiligt sind nun nicht nur
400 Kommunen aus Baden-Württemberg, sondern viele weitere aus Hessen
und Nordrhein-Westfalen. Der Gemeindetag hat sich inzwischen an die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen
gewandt, diese Zerlegung nun endlich
zu einem Abschluss zu bringen.
Themen der Zusammenarbeit zwi­
schen Finanzamt und Gemeinde werden auf Initiative des Gemeindetags im
September 2015 Gegenstand einer Erörterung zwischen der Finanzverwaltung
und dem Gemeindetag sein. Dabei geht
es hauptsächlich um die Wahrneh­
mung der den Gemeinden gegenüber
der Finanzverwaltung zustehenden
Auskunfts- und Informationsrechte
nach § 21 FVG, denn die Finanzämter
verweigern den Gemeinden gegenüber
Auskünfte über Gewerbesteuersachver-
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Geschäftsbericht
halte regelmäßig mit Hinweis auf das
Steuergeheimnis. Beispiel: Das Finanzamt verfügt die Aussetzung der Vollziehung eines Messbescheids, was zur Folgeaussetzung des Gewerbesteuerbescheids über 3 Mio. Euro und 500.000
Euro Zinsen führt; mit einer Entscheidung in der Hauptsache sei, so das Finanzamt, nicht vor 2018 zu rechnen.
Hier kann und muss die Gemeinde erwarten, vom Finanzamt eine Information darüber zu erhalten, wie es um die
„Werthaltigkeit“ ihrer Gewerbesteuerforderung bestellt ist. Ein besonders
krasser Fall, über den im Frühjahr in der
Presse berichtet wurde, war die Gewerbesteuer-Rückzahlung, die die Stadt Sindelfingen für die Jahre 2002 und 2003
in Höhe von 62 Mio. Euro (einschließlich Zinsen) leisten musste und vom
Finanzamt im Vorfeld keine Informationen darüber erhalten hatte. Betroffen
waren und sind weitere Daimler-Standorte; und nach einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage im
Landtag (LT-Drs. 15/6984) bzw. der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Bundestag (BT-Drs.
18/5560) könnte es bundesweit sogar
um 2,6 Mrd. Euro Gewerbesteuer (einschließlich Zinsen) gehen, die aufgrund
der BFH-Urteile, die auch im Falle Sindelfingen der Anlass für die Rückzahlung waren, von den Kommunen für die
Vergangenheit mit Zinsen noch zurückzubezahlen wären, sofern für die Steuerveranlagungen die Festsetzungsfrist
noch offen ist.
Die Zahl der bei den Kommunen gestellten Anträge auf Erlass der Gewerbe­
steuer auf so genannte Sanierungsge­
winne hat in den zurückliegenden Jahren zugenommen. In der BWGZ 1/2014
Seite 10 wurde darüber berichtet, dass
durch eine Gesetzesänderung nun auch
das Bundesfinanzministerium eine allgemeine Verwaltungsvorschrift über
Billigkeitsmaßnahmen bezogen auf Realsteuermessbeträge erlassen kann,
denn der bisherige Sanierungserlass
des Bundesfinanzministeriums vom
27.03.2003 gilt nicht für die Gewerbesteuer; hier entscheiden die Kommunen
eigenständig über Erlassanträge. Die Geschäftsstelle des Gemeindetags empfiehlt den Gemeinden hier, zunächst die
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BWGZ 19 | 2015
Möglichkeit einer Stundung der Steuer
auf den Sanierungsgewinn auszuloten,
bevor mittels eines Billigkeitserlasses
aus persönlicher Unbilligkeit auf die Gewerbesteuer verzichtet wird. Bei den Arbeitstagungen der Steuerämter der Mitgliedsstädte und -gemeinden war und
ist dies ein Schwerpunkt des Erfahrungsaustauschs.
Hilfestellung musste und konnte die
Geschäftsstelle des Gemeindetags den
Mitgliedsstädten und -gemeinden auch
zum Umgang mit so genannten rückwirkenden Ereignissen bei der Berechnung von Nachzahlungszinsen auf
Gewerbesteuerforderungen geben. Jedenfalls für Besteuerungszeiträume ab
2013 ist die Rückgängigmachung eines
Investitionsabzugsbetrags nach § 7g
EStG kein solches rückwirkendes Ereignis mehr, wie der Gesetzgeber inzwischen klargestellt hat. Dies macht auch
den Kommunen die Nachzahlungszinsberechnung leichter. Unabhängig davon nimmt die Zahl der Widersprüche
gegen die Höhe der Nachzahlungszinsen (0,5 Prozent pro Monat bzw. 6 Prozent p.a.) wieder zu. Nachdem die Bundesregierung sich aufgrund der jüngsten Gerichtsentscheidungen darin bestätigt sieht, dass die gesetzliche Höhe
des Zinssatzes nicht verändert werden
muss, besteht aus Sicht der Geschäftsstelle kein Anlass, dass Gemeinden einem Ruhen des Widerspruchsverfahrens gegen Nachzahlungszinsen zustimmen. Die Empfehlung lautet klar, den
Widerspruch der Widerspruchsbehörde
mit der Bitte um Erlass eines Widerspruchsbescheids vorzulegen, wenn der
Widerspruch aufrechterhalten wird.
Die Reform der Grundsteuer –
immer noch unerledigt
Über diesen „Dauerbrenner“ war bereits
in den Geschäftsberichten zu den vo­
rausgegangenen Mitgliederversammlungen berichtet worden; siehe ferner
BWGZ 1/2015 Seite 11 sowie zuletzt den
Gemeindefinanzbericht 2015, BWGZ
15-16/2015.
Nun endlich scheint sich die Finanz­
ministerkonferenz, wie in den Medien
berichtet wird, am 25.06.2015 auf ein
Modell für eine neue Grundsteuerbewertung festgelegt zu haben. 15 Länder stünden hinter diesem Vorschlag; lediglich
Bayern habe noch Vorbehalte. Dieses
Konsensmodell sieht vor, dass bei unbebauten Grundstücken die Verkehrswerte
(Bodenrichtwerte) als Besteuerungsgrundlage herangezogen werden und bei
bebauten Grundstücken ein aus Bodenwert und Gebäudewert zusammengesetzter Grundstückswert zugrundegelegt
wird. Der Bodenwert wird auch hier anhand der Verkehrswerte ermittelt, der
Gebäudewert soll ein verkehrswertunabhängiger Sachwert sein, dem für verschiedene Grundstücksarten und Gebäudeklassen typisierte Regelherstellungskosten zugrundegelegt werden. Ziel sei,
möglichst ohne neue Feststellungen und
Erklärungen der Grundstückseigentümer aus vorliegenden zumeist elektronischen Daten die Grundstücks- und Gebäudewerte ableiten zu können. Das
Konsensmodell entspricht damit im Wesentlichen dem zuvor von Thüringen
vorgeschlagenen Kombinationsmodell,
allerdings mit einer stärkeren Differenzierung bei der Gebäudebewertung. Die
anderen bisher in der Arbeitsgruppe der
Länderfinanzministerien untersuchten
Reformmodelle wie das reine Verkehrswertmodell oder das Modell einer wert­
unabhängigen Grundsteuer nach dem
Äquivalenzprinzip scheinen damit ebenso vom Tisch wie die Vorstellungen einer
Grundsteuer rein nach Bodenwerten.
Der Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 25.06.2015 erweckt den Eindruck, es gehe nun zügig mit der Grundsteuerreform voran. Er markiert aber nur
einen Zwischenstand. Denn die Arbeitsgruppe der Finanzministerien hat weitere Arbeitsaufträge erhalten. So soll insbesondere bis zum Ende des ersten
Quartals 2016 ein Bericht zur Bestimmung der Messzahlen erarbeitet werden. Auf Basis einer bundesgesetzlichen
Regelung mit Öffnungsklauseln für landesspezifische Messzahlen sollen Aussagen zum Verfahren und zu den Kriterien
für die künftige Bestimmung der Messzahlen, der jeweiligen Bandbreiten landesspezifischer Messzahlen und soweit
möglich zu deren Höhe dargestellt werden. Im Rahmen der bundesgesetz­
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
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lichen Regelungen zur Bestimmung der
Messzahlen ist die angestrebte Aufkommensneutralität zu beachten. Im Rahmen des Berichts soll auch geprüft werden, welche Folgen sich aus der Neuregelung der Grundsteuer für den Länderfinanzausgleich ergeben und wie mit
unterschiedlichen Aufkommenswirkungen umgegangen werden könnte.
Es bleibt somit abzuwarten, ob es tatsächlich gelingt, dass die Finanzministerkonferenz schon im kommenden
Jahr einen konkreten Gesetzentwurf
vorlegt. Das Bundesfinanzministerium
äußert sich gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestags sehr vorsichtig:
Zentrale Elemente der geplanten Neuregelung seien nach Einschätzung des
Bundesfinanzministeriums noch völlig
offen. Bisher sei weder ein einheitliches
Bewertungsziel noch ein konkreter Bewertungsmaßstab festgelegt worden.
Belastbare Aussagen, wann mit einer
entsprechenden Gesetzesinitiative zu
rechnen sei, ließen sich gegenwärtig
nicht treffen, heißt es. Rechnet man
den benötigten zeitlichen Vorlauf hinzu, der nach einem Gesetzesbeschluss
an vorbereitenden Arbeiten benötigt
wird, bis die elektronischen Abläufe einer Grundsteuerwertermittlung in Umsetzung neuen Rechts bundesweit
funktionieren – es geht immerhin um
zirka 35 Mio. wirtschaftliche Einheiten,
die einer neuen grundsteuerlichen Bewertung zu unterziehen sind –, könnte
realistisch betrachtet allerfrühestens
das „Schicksalsjahr“ 2020 (Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, Auslaufen des Solidarpakts, Schuldenbremse, Fiskalvertragsfolgen) auch für die
erstmalige Anwendung eines neuen
Grundsteuerrechts als Zeithorizont in
den Blick genommen werden.
Offen ist auch, wie schnell das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung
zur Verfassungsmäßigkeit der Einheitswerte treffen und dem (ggf. bis dahin
noch untätigen) Gesetzgeber den
Zeitrahmen für eine Reform vorgeben
und ggf. auch inhaltliche Determinanten setzen wird. Hier ist darauf hinzuweisen, dass nach der bereits beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerde nun der Bundes­
Gemeindetag Baden-Württemberg
finanzhof mit Beschlüssen vom
22.10.2014 bzw. 17.12.2014 dem
obersten deutschen Gericht die Frage
vorgelegt hat, ob die Vorschriften über
die Einheitsbewertung des Grundvermögens seit den Feststellungszeitpunkten 01.01.2009 bzw. 01.01.2008 wegen
Verstoßes gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz verfassungswidrig sind.
Der BFH bejaht diese Frage. Bekanntermaßen werden bereits seit April 2012
Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide der Finanzämter mit einem
Vorläufigkeitsvermerk ausgestattet.
Aufgrund neuer gleich lautender Erlasse der obersten Finanzbehörden der
Länder vom 18.05.2015 (BStBl. I Seite
439), die an die Stelle der bisherigen
Erlasse vom 19.04.2012 treten, gilt dies
nun sogar auch für Einheitswertfeststellungen für Betriebe der Land- und
Forstwirtschaft.
Grundsteuer im „Tagesgeschäft“
Die Bandbreite der Beratungstätigkeit
der Geschäftsstelle gegenüber den Mitgliedern im Tagesgeschäft der Grundsteuer ist weit. Sie reicht von verjährten
Grundsteuerbeträgen infolge Verzögerungen beim Finanzamt über die Wahl
des richtigen Schuldners bei Gesamtschuldnern, den Fiskus als Erbe und
Grundsteuerschuldner bis zur dinglichen Haftung für die Grundsteuer und
die Anmeldung in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Wie in jedem Jahr
machen in der zweiten Jahreshälfte –
der 31. März markiert das Ende der Antragsfrist für das zurückliegende Jahr –
Grundsteuererlassanträge den Schwerpunkt der Beratungstätigkeit aus.
Insolvenzanfechtung;
Entgegenkommen der Gemeinde
kann „bestraft“ werden
„Rechtshandlungen, die vor Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der
§§ 130 bis 146 InsO anfechten“, heißt es
in § 129 Abs. 1 InsO. Folge der Insolvenz­
anfechtung ist die Rückgewähr des zuvor Erlangten in die Insolvenzmasse.
Auch für die Gemeinden birgt die dem
Insolvenzverwalter
offenstehende
Möglichkeit der Insolvenzanfechtung
etwa bei Gewerbesteuerforderungen einige Risiken. Denn nahezu jeder Insolvenzeröffnung gehen Mahnungen,
Vollstreckungshandlungen, Anträge
auf Stundung oder Zahlungsaufschub,
bewilligte Ratenstundungen usw. voraus. Gemeinsam ist all diesen Handlungen: Der Schuldner zahlt nicht auf
eine fällige Forderung, die Gemeinde
reagiert darauf mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln.
In der letzten Zeit gab es auch in der
Beratungstätigkeit der Mitgliedsstädte
und -gemeinden zunehmend Fälle, in
denen diese mit einer Insolvenzanfechtung konfrontiert wurden, weil sie einem Gewerbesteuerschuldner zum Beispiel mit einer Ratenstundung der Gewerbesteuer im Billigkeitswege entgegengekommen waren. Dabei sind die
Fälle der so genannten kongruenten
(§ 130 InsO) oder inkongruenten Deckung (§ 131 InsO) oder nachteiliger
Rechtshandlungen nach 132 InsO mit
Blick auf die kurzen Fristen bis zu drei
Monaten vor dem Insolvenzeröffnungsantrag noch vergleichsweise
„einfach“ zu beurteilen.
In einem Fall sah sich eine Kommune
aber einer Insolvenzanfechtung wegen
vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung
ausgesetzt (§ 133 InsO), wo der Zeitraum bis zu 10 Jahre in die Vergangenheit zurück reichen kann. Anwaltliche
Beratung ist in solchen Einzelfällen, bei
denen es teils um hohe Steuerrückforderungen geht, i.d.R. angezeigt, denn es
gibt inzwischen auch einige Fälle in der
Rechtsprechung, in denen der Steuerfiskus zur Rückerstattung von Steuern an
die Insolvenzmasse nach einer Insolvenzanfechtung verurteilt wurde. Ggf.
sollte die Gemeinde bei Anträgen auf
Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewerbesteuer mit dem Finanzamt Kontakt
aufnehmen, das möglicherweise vor
der gleichen Situation steht und einer
späteren Insolvenzanfechtung vorbeugen muss.
963
Geschäftsbericht
Kassenwesen, Zahlungsverkehr
Zum 1. August 2014 sind die herkömmliche Inlandsüberweisung und die herkömmliche Inlandslastschrift mit Verwendung von Konto-Nr. und Bankleitzahl ausgelaufen. Seitdem können im
einheitlichen Europäischen Zahlungs­
verkehrsraum (SEPA – Single Euro­Pay­
ments Area) für nationale und grenzüberschreitende Zahlungen nur noch die
europaweit einheitliche SEPA-Überwei­
sung und die SEPA-Lastschrift mit
IBAN (und BIC) verwendet werden. Die
ursprünglich am 31.01.2014 endende
Umstellungsfrist war mit Blick auf die
zögerliche Umsetzung in einigen EULändern durch die EU-Verordnung
248/2014 vom 26.02.2014 (ABl. L 84/1
vom 20.03.2014) um weitere sechs Monate hinausgeschoben worden. In der
Zeit bis zum 31. Januar 2016 dürfen Verbraucher, sofern ihre Zahlungsdienstleister dies unterstützen, Zahlungsaufträge
weiterhin mit Konto-Nr. und BLZ beauftragen (Kreditinstitute wandeln in IBAN
und BIC um) und kann auch das elektronische Lastschriftverfahren (ELV) weiter
genutzt werden. Am 1. Februar 2016 enden auch diese Ausnahmeregelungen.
BWGZ 19 | 2015
Die Umstellung auf die neuen Zahlungsverkehrsinstrumente war auch für
die Städte und Gemeinden im Lande
und ihre EDV- und Zahlungsdienstleister eine große Herausforderung. Die
Kommunen im Lande haben sie aber
gut gemeistert und konnten die SEPAUmstellung weitgehend noch im Jahr
2013 abschließen. In einer Gemeinschaftsaktion des Gemeindetags BadenWürttemberg und weiterer Beteiligter
aus der „kommunalen Familie“ war den
Kommunen im Lande Anfang 2013 ein
„SEPA-Leitfaden-Baden-Württemberg“
zur Verfügung gestellt worden, der ihnen Orientierung und Hilfestellung bei
der Umstellung gab und sie mit Mustern
für einen Umstellungsplan, für eine
Bürgerinformation, für SEPA-Mandate,
Benachrichtigungsschreiben usw. bei
der SEPA-Migration unterstützte.
Nachdem dieses Projekt einer interkommunalen Zusammenarbeit so erfolgreich war, ging der Gemeindetag
zusammen mit dem Fachverband der
Kommunalkassenverwalter e.V. und
der Gemeindeprüfungsanstalt BadenWürttemberg und einigen kommunalen Praktikern ein weiteres Projekt an,
nämlich die Erarbeitung einer neuen
Dienstanweisung für das Kassenwe­
sen in der kommunalen Doppik. In
der BWGZ 7/2014 Seite 262 wurde das
neue Muster der Dienstanweisung veröffentlicht und dient nun allen Kommunen, die auf das neue Haushaltsrecht auf doppischer Grundlage
(NKHR-BW) umstellen, als Anleitung
zur Anpassung ihrer örtlichen Dienstanweisungen an die GemKVO-Doppik
vom 11.12.2009 (GBl. Seite 791). Das
neue Muster enthält auch Regelungen
für Onlinebanking und für Auszahlungen mittels Kreditkarten.
Nachdem die elektronischen Bezahl­
möglichkeiten (Online- bzw. WebBezahldienste) weiter an Bedeutung
gewinnen und durch das E-Government-Gesetz des Bundes und ein entsprechendes Folgegesetz des Landes
auch gesetzliche Pflichten für elektronische Bezahlmöglichkeiten geschaffen
werden (wenn im Rahmen eines elek­
tronisch durchgeführten Verwaltungsverfahrens Gebühren oder sonstige For-
964
derungen anfallen und beglichen werden müssen), wird es erneut ein interkommunales Projekt des Gemeindetags
zusammen mit dem Fachverband der
Kommunalkassenverwalter e.V. und der
Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg geben. Erarbeitet werden soll
in dieser Kooperation eine Handreichung zum Einsatz der diversen elektronischen Bezahlmöglichkeiten in den
Rathäusern, aber auch in den TouristikBüros sowie kulturellen und sozialen
Einrichtungen, denn auch die Kommunen und ihre Einrichtungen werden auf
ihren Internetseiten mit Web-Shop-Inhalten auch Online-Bezahlmöglichkeiten vorsehen. Ein Thema der nahen
Zukunft wird auch die Verwendung so
genannter GiroCodes als QR-Code auf
Rechnungen, Bescheiden usw. sein, die
von Banking-Apps gelesen und für eine
elektronische Zahlung verwendet werden können. Da auch die Automaten
und Terminals der Banken und Sparkassen in den nächsten Jahren umgerüstet
und QR-Codes wie den GiroCode lesen
und verarbeiten können, werden dadurch auch herkömmliche SEPA-Überweisungen weitaus einfacher zu bewerkstelligen sein.
Neues Kommunales Haushalts und Rechnungswesen (NKHR) –
Stand der Umstellung und
Sachstand der Evaluierung
Vorbemerkung
Mit dem am 22.04.2009 beschlossenen
Gesetz zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts (Gesetz vom 04.05.2009,
GBl. Seiten 185, 194) wurde die Grundlage für die Umstellung des kommunalen Haushaltswesens auf die „kommunale Doppik“ gelegt. Der zunächst vorgesehene Zeitkorridor für die Umstellung bis Ende 2015 wurde nach dem
Regierungswechsel im Jahr 2011 durch
den Landtag um weitere vier Jahre bis
Ende 2019 verlängert (Gesetz vom
16.04.2013, GBl. Seite 55). Die Neuregelungen sind somit spätestens für die
Haushaltswirtschaft ab dem Jahr 2020
anzuwenden. Solange gelten die bisherigen Regelungen des kameralen Gemeindehaushaltsrechts weiter.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Die dieser Übergangsregelung vorangehende Diskussion um die Wiederbelebung eines etwaigen Wahlrechts zwischen Kameralistik und kommunaler
Doppik hat gleichzeitig bewirkt, dass
die bereits im Haushaltsrechtsreformgesetz 2009 vorgesehene Evaluierung
vorgezogen wurde: Das am Ende der
Übergangsfrist für alle einheitlich geltende Haushaltsrecht solle so weiterentwickelt werden, dass es, so die Bekundungen der Politik, für die Kommunen „einfacher, transparenter und
damit auch kostengünstiger“ werde
und „insbesondere den Bedürfnissen
und Erwartungen der kleineren Kommunen im Lande Rechnung trage“.
Betrachtet man die nachstehend dargestellten Ergebnisse der Evaluierung
nüchtern, so halten sich – wie allerdings nicht anders zu erwarten war –
die Ergebnisse der Vereinfachung und
Flexibilisierung in sehr bescheidenem
Rahmen.
Evaluierungsprozess
Die im Jahr 2013 begonnene Evaluierung findet unter Federführung des
Innenministeriums bei maßgeblicher
Beteiligung der kommunalen Landesverbände und der Gemeindeprüfungsanstalt statt. Bezüglich der Gemeindeordnung und der Gemeindehaushaltsverordnung kann sie – mit Ausnahme
des zurückgestellten Themenkomplexes des Gesamtabschlusses – als abgeschlossen betrachtet w
­ erden.
Die gesetzlichen Änderungen sind rein
quantitativ sehr überschaubar. Es ist
vorgesehen, dass das Gesetzgebungsverfahren möglichst noch bis zum Jahresende abgeschlossen wird. Dann könnte
zeitnah auch die Gemeindehaushaltsverordnung angepasst und auch die
fortgeschriebene Gemeindeprüfungsordnung neu erlassen werden.
Die Evaluierung der Verwaltungsvorschrift Produkt- und Kontenrahmen ist
derzeit noch im Gange und wird maßgeblich eine Änderung der Anlage 4.2
(Liquiditätsplanung) sowie einige Kennzahlen zur Beurteilung der Leistungs­
fähigkeit zum Gegenstand haben.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Parallel zur bzw. im Anschluss an die
Evaluierung wurden und werden auch
die Leitfäden der Praktiker-Arbeitsgruppen (AG Bilanzierung, AG Buchungsbeispiele und Kontenrahmen, AG Produktplan, AG Steuerung) fortgeschrieben.
Diese Arbeitsgruppen waren 2006 auf
Initiative des Gemeindetags BadenWürttemberg eingerichtet worden. Eine
Lenkungsgruppe unter Federführung
des Innenministeriums koordiniert die
Arbeiten.
Mit diesen „aus der Praxis für die Praxis“
– auch Mitgliedsstädte und -gemeinden
des Gemeindetags gehören neben Vertretern der Geschäftsstelle diesen Arbeitsgruppen an – erarbeiteten Leitfäden erhalten die Städte und Gemeinden
die für die Umstellung konkret benötigten Arbeitshilfen, mit denen vor allem
die Vermögensbewertung und Bilanzierung erleichtert und eine bei den Kommunen möglichst einheitliche Bewertungs- und Bilanzierungspraxis erreicht
werden soll. Diese Arbeitshilfen sind
allgemein zugänglich auch auf der Internetseite des Innenministeriums Baden-Württemberg eingestellt. Änderungen der finanzstatistischen Positionen
im Produktplan und Kontenrahmen
betreffen zum Beispiel die Vervollständigung der Erfassung der Ausgaben für
die Kinderbetreuung und die Kindertagespflege für Zwecke der Förderung der
Kleinkindbetreuung nach § 29c FAG
und die Verbesserung der Basis für die
Schulkostenauswertung für den Schullastenausgleich u.a., wenn ein zentrales
Gebäudemanagement geführt wird (vgl.
dazu zuletzt Gt-INFO 677/2015).
Der Themenkomplex „Konsolidierter
Gesamtabschluss“ (§§ 95a ff. GemO)
wurde bei der jetzt durchgeführten Evaluierung mangels ausreichender Praxis­
erfahrungen (nur die Stadt Esslingen
hat bisher eine „Konzernbilanz“ erstellt)
ausgenommen, zumal der erste konso­
lidierte Gesamtabschluss verpflichtend
erst für das Haushaltsjahr 2022 zu erstellen sein wird. Hierfür ist eine zweite Stufe der Evaluierung in den nächsten Jahren vorgesehen. Aus Sicht des Gemeindetags bedarf es hier allerdings deutlich
vereinfachender Regelungen.
Die Ergebnisse der Evaluierung
der Rechtsvorschriften
in einem Kurzüberblick
Die Ergebnisse der Evaluierung der
Rechtsvorschriften lassen sich, vorbehaltlich des noch zu durchlaufenden
Gesetzgebungsverfahrens, in Kürze wie
folgt zusammenfassen:
Gemeindeordnung
§ 79 Abs. 1 Nr. 1 GemO: Die Abdeckung
von Fehlbeträgen aus Vorjahren wird
separat und nicht mehr als Bestandteil
des veranschlagten ordentlichen Ergebnisses ausgewiesen.
§ 80 Abs. 1 GemO: Statt „Schlüsselprodukten“ wird künftig auf so genannte
„Schlüsselpositionen“ abgestellt. Dies
entspricht einem Wunsch der Großstädte. Für die bisherige Praxis ergeben
sich dadurch jedoch tendenziell keine
Änderungen.
§ 84 GemO: Kein Zustimmungsvorbehalt für Gremium bei über- und außerplanmäßigen Aufwendungen aus rein
bewertungsbedingten Vorgängen.
§ 87 GemO: Kreditaufnahmen sollen
künftig auch für die Ablösung innerer
Darlehen aus der vorübergehenden Inanspruchnahme von Deponierückstellungen für investive Zwecke möglich
sein. Dies ist ein Thema insbesondere
der Landkreise. Für den Nachweis der
inneren Darlehen wird ein besonderes
Formblatt vorgeschrieben.
§ 89 GemO: Statt „Kassenkredite“ heißt
die Überschrift nun „Liquiditätssicherung“. Inhaltlich wird eine Liquiditätsplanung vorgeschrieben, die über die
Anlage 4.2 zur VwV Produkt- und Kontenrahmen differenzierter als bisher
dargestellt werden soll. Denn allgemein
setzt sich die Erkenntnis durch, dass die
Liquiditätssicht im kommunalen Haushaltsrecht den gleichen Stellenwert hat
wie die Ergebnissicht. Dies hatte der Gemeindetag im Reformprozess von Anfang an betont.
§ 95 GemO: Es soll künftig (auch in den
entsprechenden Bestimmungen der
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Geschäftsbericht
GemHVO) der Begriff „Bilanz“ statt
„Vermögensrechnung“ verwendet werden. Dies entspricht der gängigen umgangssprachlichen Praxis. Auch der Begriff „Kapitalposition“ wird in der GemHVO durch den Begriff „Eigenkapital“
ersetzt.
§ 95a GemO: Der ab 2022 erforderliche
Gesamtabschluss wird Gegenstand einer späteren zweiten Stufe der Evaluation, wiewohl es aus Sicht des Gemeindetags wünschenswert gewesen wäre, bereits jetzt auf die Pflicht zur Aufstellung
eines Gesamtabschlusses vollständig zu
verzichten.
§ 114 GemO: Es sollen zu Zwecken der
überörtlichen Prüfung künftig Planungs-, Buchführungs- und Rechungsergebnisdaten digital über eine noch zu
erstellende Schnittstelle bereitgestellt
werden, um aufwendige manuelle Erfassungsarbeiten der Gemeindeprüfungsanstalt vermeiden zu können.
§ 27 GKV: Klarstellung, dass zu den
Rückstellungen für Versorgungsempfänger beim Kommunalen Versorgungsverband Baden-Württemberg nicht nur
die Pensions-, sondern auch die Beihil­
feverpflichtungen zählen (so auch die
bisherige Praxis).
Gemeindehaushaltsverordnung
§ 2 GemHVO: Die Auflösung von Ertragszuschüssen wird im Ergebnishaushalt separat ausgewiesen, was den Abgleich zwischen Ergebnis- und Finanzhaushalt durch Herausstellen dieser
nicht zahlungswirksamen Ertragsgröße
erleichtert. Auch die Fehlbetragsdeckung aus Vorjahren wird separat ausgewiesen.
§ 3 GemHVO: Statt „Finanzierung der
Investitionen mit Eigenmitteln“ heißt
es in Nr. 23 künftig „voraussichtliche
Liquidität am Jahresanfang“. Damit
wird insbesondere auf Wunsch des Gemeindetags die Brücke zur Liquiditätsübersicht und zur erweiterten Liquiditätsplanung hergestellt.
§ 3 GemHVO: Die (bisher abweichende) Gliederung des Finanzhaushalts in
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BWGZ 19 | 2015
der laufenden Rechnung wird an die
Gliederung der Finanzrechnung angepasst.
§ 4 GemHVO: Eine Produktaufteilung
auf mehrere Teilhaushalte soll ermöglicht werden. Statt „Schlüsselprodukten“ heißt es künftig „Schlüsselpositionen“ (für die Praxis insbesondere in
kleineren Kommunen ist dies unerheblich).
§ 13 GemHVO: Verfügungsmittel sollen auch für Ortsvorsteher ermöglicht
werden.
§ 21 GemHVO: Ermächtigungsüber­
träge werden auch für Einzahlungen aus
Investitionszuweisungen und -beiträgen (nicht aber für Kreditaufnahmen)
eingeführt (= „Wiederbelebung“ der kameralen Haushaltseinnahmereste).
§ 22 GemHVO: Zwei Prozent der Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit sollen in der Regel als Kassenbetriebsmittel mindestens vorhanden
sein (Wiederbelebung der kameralen
Liquiditätsreserve).
gestellt, dass es keine Aktivierung und
Sofortabschreibung beweglichen Vermögens unter der Wertgrenze gibt, sondern eine Verbuchung als ordentlicher
Aufwand zu erfolgen hat.
§ 62 GemHVO: Die Vermögensbewertung in der Eröffnungsbilanz soll durch
Zulassung von Erfahrungswerten (die
den Preisverhältnissen zum Anschaffungs- bzw. Herstellungszeitpunkt entsprechen) weiter vereinfacht werden. Es
soll die Möglichkeit geschaffen werden,
fiktive Anschaffungs-und Herstellungszeitpunkte auf der Basis des aktuellen
Zustands des Wirtschaftsgutes anzusetzen. Für die Straßenbewertung sollen
Erfahrungswerte auf der Grundlage örtlicher Durchschnittswerte oder Pauschalwerte nach bekanntgemachten
Bewertungsvorgaben je Straßenart verwendet werden können.
§ 63 GemHVO: Die Frist für die Berichtigung der Eröffnungsbilanz wird verlängert (letztmals im dritten der überörtlichen Prüfung der Eröffnungsbilanz
folgenden Jahresabschluss).
Stand der Umstellung
§ 23 GemHVO: Es wird die Möglichkeit
(keine Pflicht!) der Umbuchung von Beträgen aus Ergebnisrücklagen in das Basiskapital im Rahmen der Feststellung
des Jahresabschlusses eröffnet. Der Gemeindetag wird seine Mitglieder darauf
hinweisen müssen, was dies für den
künftigen Haushaltsausgleich bedeutet,
auch bei Umlagefinanzierern.
§ 38 GemHVO: Die Wertgrenze von
1.000 Euro gilt auch für immaterielle
Wirtschaftsgüter.
§ 41 GemHVO: Streichung der Pflichtrückstellung für anhängige Gerichtsverfahren. Langfristige Rückstellungen (>5
Jahre) sind abzuzinsen.
§ 46 GemHVO: Die Aktivierung der
notwendigen Neuausstattung (bewegliches Vermögen unter der örtlichen maximal 1.000 Euro betragenden Wertgrenze für Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten) im Zusammenhang mit
einer investiven Baumaßnahme soll ermöglicht werden. Ansonsten wird klar-
Insgesamt haben 1.092 kreisangehörige
Städte und Gemeinden, 9 Stadtkreise, 35
Landkreise, zirka 270 Gemeindeverwaltungsverbände und Verwaltungsgemeinschaften, einige Hundert Zweckverbände und eine Anzahl weiterer Verbände
und Körperschaften bis zum Jahr 2020
auf das NKHR-BW umzustellen. Der bis
jetzt erreichte Umstellungsstand ist noch
nicht allzu hoch, denn viele Gemeinden
wollten zunächst die Evaluationsergebnisse abwarten, bevor die Umstellung
konkret in Gang gebracht wird. Bis einschließlich 2014 haben 28 von 35 Landkreisen (80 Prozent), 8 von 9 Stadtkreisen (89 Prozent) und 97 kreisangehörige
Städte und Gemeinden (9 Prozent) umgestellt (vgl. BWGZ 1/2015 Seite 21). Die
Stadt Wiesloch war 1999 die erste Kommune bundesweit. Doch dieser äußere
Eindruck täuscht: Denn bis das erste
Haushaltsjahr in der kommunalen Doppik absolviert werden kann, bedarf es
eines zwei- bis dreijährigen Vorlaufs an
vorbereitenden Arbeiten, v.a. der Erfassung und Bewertung des Vermögens und
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
der Verpflichtungen für die Eröffnungsbilanz und der Anpassung der Haushaltssteuerung an die Produktorientierung.
Bezieht man dies mit ein, so sind aktuell
mehr als die Hälfte der Kommunen mitten im Umstellungsprozess.
Ausblick: (Wann) kommen EPSAS?
Nach einem mehrjährigen Vorlauf manifestierten sich im Jahr 2013 mit einem
Bericht der EU-Kommission vom 6. März
2013 an den Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament und
einer Konferenz im Mai 2013 die Pläne
der Kommission, einheitliche (harmonisierte) Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den
EU-Mitgliedstaaten (European Public
Sector Accounting Standards) einzuführen. Auf diesem Wege sollen zuverlässige und vergleichbare Haushaltsdaten/
finanzstatistische Daten über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der
öffentlichen Haushalte in den EU-Mitgliedstaaten gewonnen werden, die für
die haushaltspolitische Überwachung
auf EU-Ebene (Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite gemäß Artikel 126 des Vertrags über
die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) benötigt werden und von
den Mitgliedstaaten nach einheitlichen
Kriterien zu liefern sind. Die bisherige
Verfahrensweise, aus den sehr heterogenen Haushalts- und Rechungssystemen
in den Mitglied­staaten über komplexe
Überleitungen in die Volkswirtschaft­
liche Gesamtrechnung (ESVG) hieraus
die aggregierten Ergebnisse des öffentlichen Sektors in den jeweiligen Mitgliedstaaten abzuleiten, sei hierfür auf Dauer
unzureichend.
Die Pläne der EU-Kommission sehen
vor, europäische EPSAS („Periodenrechnung statt Rechnungslegung nach dem
Kassenprinzip“ heißt das Schlagwort)
nach dem Vorbild der so genannten
IPSAS (International Public Sector
­Accounting Standards), die von verschiedenen internationalen Organisationen
angewandt werden, zu entwickeln.
In der Folgezeit hat die EU-Kommission
Konsultationen zu ihren Plänen durchgeführt und auch Untersuchungen über
Gemeindetag Baden-Württemberg
Kosten und Nutzen der Einführung von
EPSAS in Auftrag gegeben. Ein im Herbst
2014 veröffentlichtes Papier nennt Kosten von überschlägig zwischen 1,2 und
6,9 Billionen Euro für sämtliche Mitgliedstaaten (vorbehaltlich näherer Untersuchungen, da die Ausgangssituation
sehr unterschiedlich ist; für den deutschen Gesamtstaat sollen dies Kosten
zwischen 347 Mio. Euro und 2,4 Mrd.
Euro sein). Eine andere Schätzung rechnet für Deutschland zirka 2,7 Mrd. Euro
an Einführungskosten. Von der EUKommission eingerichtete Arbeitsgruppen (Task Forces) beschäftigen sich mit
dem konzeptionellen Rahmen und beabsichtigten Rahmenregelungen und
der Organisationsstruktur der Erarbeitung der EPSAS. Eine ursprünglich für
Mitte 2014 angekündigte Mitteilung der
EU-Kommission zur EPSAS-Einführung
ist indes bis heute nicht veröffentlicht
worden. Vielmehr hat die seit November 2014 amtierende neue Kommission
im März 2015 angekündigt, dass erst
geprüft werden müsse, inwieweit EPSAS
sich in die neuen Schwerpunkte der
Kommission einfüge. Damit ist derzeit
offen, ob und wann eine Kommissionsmitteilung zu EPSAS veröffentlicht werden wird. Der ursprünglich vorgesehene
Zeitplan, noch in 2015 eine Rahmenverordnung zu erlassen und die EPSAS
dann ab 2020 verbindlich zur Anwendung vorzuschreiben, ist damit ins Stocken geraten, die weitere Entwicklung
des gesamten Prozesses und die weitere
Projektabfolge deutlich unkalkulierbarer geworden. Hierauf weist die Landesregierung in einem Bericht an den
Landtag hin (LT-Drs. 15/6988 vom
12.06.2015).
Welchen Inhalt die EPSAS erhalten sollen, steht bisher nicht einmal in den
groben Umrissen fest. Lediglich, dass
sie aus den IPSAS heraus entwickelt
werden sollen, ist als Entwicklungslinie
vorgesehen.
Während die Einführung von EPSAS
von der Wissenschaft sowie von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern und
ihren Verbänden sehr stark favorisiert
wird, formiert sich v.a. in Deutschland
Widerstand gegen die Pläne der EUKommission, und dies sowohl vom
Bundestag, vom Bundesrat bzw. den
Ländern und ihren Rechnungshöfen,
aber auch von der kommunalen Ebene.
An der Konsultation der Kommission
hat sich vor allem die kommunale Ebene Baden-Württembergs sehr stark beteiligt. Einige Punkte:
• Auch wenn sich die EPSAS, so die
Kommission, primär nur auf das Rechnungswesen und die Datengewinnung
beziehen würden, ergäben sich infolge
der Untrennbarkeit von Haushaltswesen und Rechnungswesen unmittelbare
Auswirkungen auch auf das Haushaltswesen und die Haushaltssteuerung in
den Mitgliedstaaten (was aus europä­
ischer Sicht für eine Defizitkontrolle sogar anzustreben wäre!). Zu einem Eingriff in die Etathoheit der Mitgliedstaaten habe die EU aber (bisher) keine umfassende Befugnis. Dies ist allerdings
heftig umstritten.
• Überdies wird die Einführung von
EPSAS für alle Mitgliedstaaten und -ebenen
als zu aufwendig in Relation zum angestrebten Ziel, damit zu einer Verbesserung der Defizitkontrolle zu gelangen,
angesehen; teilweise werden die EPSAS
dafür auch als ungeeignet angesehen.
Allein die Erfahrungen in der Bundesrepublik beim Weg der wenigen Länder
und Kommunen in die Doppik zeigen,
dass trotz des Überbegriffs „Doppik“ keine einheitlichen Maßstäbe in der Bewertung und Bilanzierung bestehen. Wie
soll dies erst europaweit für alle staatlichen Ebenen in den Mitgliedstaaten geschaffen, implementiert und kontrolliert werden? Andere Wege auf „low level“ dazu müssten eingeschlagen werden (z.B. Verbesserung der Qualität der
finanzstatistischen Daten des öffentlichen Sektors, die in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung einfließen).
• Kritisch wird auch gesehen, wer die
EPSAS entwirft bzw. entwerfen könnte:
Weltweit agierende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften sehen hier für sich einen großen
Markt bzw. ein großes Betätigungsfeld,
aus IPSAS heraus die EPSAS zu entwickeln. Die Erfahrungen der öffentlichen
Hand selbst, beispielsweise der Kommunen im Lande oder in den anderen Bun-
967
Geschäftsbericht
desländern bei der Umstellung auf die
kommunale Doppik, könnten hier auf
der Strecke bleiben, wenn sich die öffentliche Hand das Haushaltsrecht von
Privaten neu schreiben lässt. Ob es ausreicht, dass die Interessenwahrnehmung der Kommunen in Deutschland
einzig durch einen Vertreter der Innenministerkonferenz (aus dem Innenministerium Rheinland-Pfalz) in einer
deutschen Bund-Länder-Arbeitsgruppe
erfolgt, darf bezweifelt werden.
• Für die Kommunen in Baden-Württemberg könnte nach der Umstellung
auf die kommunale Doppik bis 2020 die
Einführung von EPSAS eine zweite
Haushaltsrechtsreform bedeuten, und
zwar auch dann, wenn bereits aus der
Doppik heraus gestartet und sich der
Umstellaufwand in Grenzen halten
wird. „Knackpunkte“, wenn die IPSAS
BWGZ 19 | 2015
Orientierung für EPSAS sein sollten,
könnten beispielsweise sein:
− Trennung in Anlage- und Umlaufvermögen auf der Aktivseite (statt bisher
Sach- und Finanzvermögen)?
−Wertaufholung auf der Aktivseite
zum Beispiel beim realisierbaren Vermögen (Bauplätze usw.)?
− Historische Werte in der Eröffnungsbilanz oder aktuelle Verkehrswerte?
− Rückstellungskatalog und Abzinsung
langfristiger Rückstellungen: Bisher
enthalten die Kommunalbilanzen
keine Pensionsrückstellungen, und
auch die Abzinsung der Rückstellungen ist eingeschränkt.
− Dürfen hingegebene Investitionszuschüsse aktiviert werden?
−Einschränkung bisheriger Ansatzund Bewertungswahlrechte im Interesse besser (europaweit?) vergleichbarer Daten?
Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg teilt die kritische Einschätzung zum Nutzen der Einführung von
EPSAS und hat dies durch entsprechende Beschlüsse in seinen Gremien manifestiert und in dem EU-Konsultationsverfahren ausdrücklich eingebracht.
Der durch die NKHR-Vorschriften geschaffene Ansatz- und Bewertungsrahmen darf nicht durch EPSAS-Vorgaben
ausgehebelt werden. Aktuell scheint es
zum Glück so zu sein, dass die Griechenland-Krise, die das Versagen des
Europäischen Stabilitätsmechanismus
augenfällig macht, den Bemühungen
um eine schnelle EPSAS-Einführung einen kräftigen Dämpfer gegeben hat.
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Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Besteuerung
der öffentlichen Hand
Einzelne besonders relevante und aktuelle Themen der Besteuerung der öffentlichen Hand wurden in einer eigenen
Schwerpunktausgabe der BWGZ im Jahr
2015 aufgegriffen (BWGZ 9/2015). Insofern beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen, wie bereits in Bilanz
und Perspektiven 2015 (BWGZ 1/2015)
auf einige wesentliche Kernaussagen.
Europäische Rahmenbedingungen –
Überarbeitung der Mehrwertsteuer­
systemrichtlinie
In „Bilanz und Perspektiven 2014“
(BWGZ 1/2014 und 1/2015) wurde ausführlich dargelegt, dass die EU-Kommission die Überarbeitung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie plant. Die seinerzeit diskutierten Reformmodelle stehen
nach wie vor im Raum. Generell gilt,
dass Änderungen in der Mehrwertsteue­
rsystemrichtlinie unmittelbare Auswirkungen auf das nationale Umsatzsteuerrecht (vgl. hierzu den nachfolgenden
Unterpunkt) haben werden. Die damit
einhergehenden möglichen Problemstellungen dürfen keinesfalls unterschätzt werden.
Wie bereits ausgeführt, wurde eine öffentliche EU-weite Konsultation durchgeführt. Aufgrund der einschlägigen
Gremienberatungen hat sich die Geschäftsstelle in ihrem Konsultationsbeitrag auf folgende Kernaussagen konzentriert:
• Der in Europa vielfach verwendete
Begriff des potenziellen Markts ist mit
der realen Wettbewerbssituation regelfalls nicht in Einklang zu bringen. Demzufolge wird die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH abgelehnt (vgl.
nächster Abschnitt).
• Steuerbefreiungen für die öffentliche
Hand, sinngemäß lediglich als „Störung
der steuerlichen Neutralität“ zu begreifen, wird der besonderen Stellung der
öffentlichen Hand nicht gerecht. Zumal
Steuerbefreiungen für die öffentliche
Hand nicht zwingend das Funktionieren des EU-Binnenmarkts behindern.
Gemeindetag Baden-Württemberg
• Wettbewerbsverzerrungen liegen in
Bezug auf interkommunale Zusammenarbeit aus Sicht des Gemeindetags Baden-Württemberg nicht vor, da in der
Regel kein Wettbewerb besteht (Beispiel:
hoheitliche Beistandsleistungen wie die
Vermietung einer gemeindlichen Halle
für den Schulsport einer Nachbargemeinde).
• Von den vorgeschlagenen Reformmaßnahmen werden die Vollbesteuerung sowie ein „Erstattungssystem“
dem Grunde nach abgelehnt, da diese
weder praktikabel noch politisch durchsetzbar erscheinen.
• Es wird abgelehnt, die bisherigen
Steuerbefreiungen des Art. 13 Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu streichen, da
dann Tätigkeiten wie beispielsweise die
Abwasserbeseitigung über Freistellungstatbestände der Art. 132 bis 134 geregelt
werden müssten, die letztlich den „Einstieg in den Ausstieg“ aus der Mehrwertsteuerbefreiung darstellen würden.
• Es wurde dargelegt, dass eine Umsatzbesteuerung der Abwasserbeseitigung
höchst bedenklich erscheint, da zum
einen in der Abwasserbeseitigung bekanntlich kein Wettbewerb möglich ist,
da die Beseitigungspflicht allein der Gemeinde obliegt (§ 56 WHG i.V. mit § 46
Abs. 1 Satz 1 WG Baden-Württemberg).
Private Dritte kommen also allenfalls als
Erfüllungsgehilfen in Betracht. Nach
Auffassung der Geschäftsstelle des Gemeindetags Baden-Württemberg kann
also kein Wettbewerb zu privaten Dritten bestehen, folgerichtig gibt es in diesem Bereich auch keine Wettbewerbsverzerrung. Eine Umsatzbesteuerung
der Abwasserbeseitigung hätte Mehrbelastungen in Höhe von 10 bis 20 Prozent für die Gebührenschuldner zur Folge. Diese Mehrbelastung, der keinerlei
zusätzlicher Nutzen gegenüberstünde,
wird deutlich abgelehnt. Der Kommission wurden hierzu ergänzende Berechnungen und Modelle aus den 1990erJahren überlassen, aus denen die befürchteten Gebührensteigerungen hervorgehen. Gleichzeitig wurde darauf
hingewiesen, dass, wenn eine Steuerpflicht in der Abwasserbeseitigung angestrebt werden würde, langfristige
Übergangsregelungen erforderlich wären, damit Gebührenerhöhungen letztlich vermieden werden könnten. So
müsste insbesondere ein nachträglicher
Vorsteuerabzug für Altinvestitionen auf
20 bis 30 Jahre hinweg möglich sein.
Vertreter der kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg, so auch
des Gemeindetags, konnten im Januar in
Brüssel ein Gespräch mit Vertretern der
Kommission über den aktuellen Sachstand führen. Hierbei ist es gelungen,
nochmals auf die aus kommunaler Sicht
besonders unbefriedigenden Fragestellungen hinzuweisen. Es ist jedoch bis dato kein konkreter Zeitplan für die Über­
arbeitung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie absehbar. Über den weiteren
Fortgang wird zu gegebener Zeit berichtet.
Umsatzbesteuerung der inter­
kommunalen Zusammenarbeit –
Nationale Regelung durch § 2b UStG?
In Bezug auf die Überarbeitung der
Mehrwertsteuersystemrichtlinie, aber
auch bereits zuvor aufgrund diverser Urteile des Bundesfinanzhofes (u.a. „Turnhallen-Urteil“ des BFH, Urteil vom
10.11.2011 – V R 41/10) hat sich in den
letzten beiden Jahren in zunehmendem
Maße die Frage gestellt, inwieweit die
interkommunale Zusammenarbeit umsatzsteuerpflichtig ist bzw. künftig werden wird. Die Kommunalverbände hatten hiernach mehrfach gefordert, insbesondere die interkommunale Zusammenarbeit von der Umsatzbesteuerung
auszunehmen, da ansonsten wesentliche
IKZ-Bereiche unnötig verteuert und damit der Sinn und Zweck der IKZ konterkariert würde (vgl. u.a. Gt-INFO Nr. 433/
2013 vom 31.05.2013 – Versandtag, sowie
die Hinweise im Rahmen der Kämmerer- und Steueramtsleitertagungen 2013
und 2014).
Die Bundesregierung hat diese Problemstellung erkannt und in ihrem Koalitionsvertrag formuliert:
„Die interkommunale Zusammenarbeit
soll steuerrechtlich nicht behindert werden. Wir lehnen daher eine umsatzsteuerliche Belastung kommunaler Beistandsleistungen ab und werden uns – soweit
erforderlich – EU-rechtlich für eine umfas-
969
Geschäftsbericht
sende Freistellung solcher Leistungen von
der Umsatzsteuer einsetzen.“ (aus:
„Deutschlands Zukunft gestalten – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD, 18. Legislaturperiode“).
Mithin aus dieser Erkenntnis heraus hat
die Bundesregierung mit dem Entwurf eines § 2b UStG einen Regelungsvorschlag
unterbreitet, der eine weitreichende Umsatzsteuerbefreiung der interkommunalen Zusammenarbeit ermöglichen soll.
Hier soll mittels der gesetzestechnischen
Konstruktion von „Regel-Ausnahme-Ausnahme von der Ausnahme“ versucht werden, wesentliche Bereiche der IKZ von der
Umsatzbesteuerung auszunehmen.
In § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG-Entwurf wird
die Regel aufgestellt, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer i.S. des § 2 UStG-Entwurf gelten. § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG-Entwurf formuliert die Ausnahme von dieser Regel,
indem er Satz 1 im Falle größerer Wettbewerbsverzerrungen für nicht anwendbar
erklärt. Der § 2b Abs. 2 UStG-Entwurf wiederum formuliert hiervon die Ausnahme,
nach der keine größere Wettbewerbsverzerrung gegeben ist, sofern die Bagatellgrenze von 17.500 Euro pro Jahr im Leistungsaustausch nicht überschritten wird
(Nr. 1) oder vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen
ohne Recht auf Verzicht (§ 9 UStG) einer
Steuerbefreiung unterliegen (Nr. 2). Weiterhin sollen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht anzunehmen sein, wenn
gemäß § 2b Abs. 3 UStG-Entwurf die Austauschleistungen aufgrund gesetzlicher
Bestimmungen nur von einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts erbracht
werden dürfen (Nr. 1) oder die Katalog­
kriterien der Nr. 2 (kumulativ) erfüllt sind.
Dieser Vorschlag wurde zwischenzeitlich kurzfristig nicht weiter verfolgt, jedoch auch aufgrund der großen Bemühungen des Deutschen Städte- und Gemeindebunds zwischenzeitlich wieder
aufgegriffen. Es wird damit gerechnet,
dass § 2b UStG im Jahr 2016 in Kraft
treten kann. Damit wird ein wesent­
licher Unsicherheitsfaktor der Besteuerung der öffentlichen Hand geregelt (für
Näheres vgl. Zimmermann/Sonnenschein BWGZ 2015 Seite 629ff.).
970
BWGZ 19 | 2015
Modifikation des Vorsteuerabzugs –
Kommunalfreundliche und
praktikable Regelung erreicht
In „Bilanz und Perspektiven“ 2014 und
2015 wurde bereits ausführlich auf die
grundsätzliche Verpflichtung zur Anwendung des BMF-Schreibens vom
02.01.2012 in Sachen Vorsteuerabzug
hingewiesen.
Die Geschäftsstelle des Gemeindetags
Baden-Württemberg wurde hier gemeinsam mit landesweit tätigen Steuerberatungsbüros tätig, um im Gespräch
mit der Finanzverwaltung Lösungen für
die kommunale Praxis zu erarbeiten. Im
Ergebnis ist es mittels eines Schreibens
des MFW gelungen festzuhalten, dass es
„bei Versorgungsbetrieben (Lieferung von
Wasser, Strom, Gas und Wärme) der Kommunen aus Vereinfachungsgründen zugelassen [wird], dass bei einem Verwendungsanteil von höchstens 10% für nichtwirtschaftliche Zwecke im engeren Sinne der
Umfang der nicht abziehbaren Vorsteuer
erst nach Ablauf des Besteuerungszeitraums auf der Grundlage der tatsächlichen
Verbrauchsmengen ermittelt wird. Es wird
dabei nicht beanstandet, wenn die Höhe
der Vorsteuerkürzung anhand der Verkaufspreise, ggfs. abzüglich eines Kommunalrabatts, geschätzt wird und die Kommunen
hierüber innerbetriebliche Abrechnungen
(vgl. Abschn. 14.1 Abs. 4 UStAE) erteilen.“
(Vgl. Gt-INFO Nr. 71/2014 vom
13.01.2014 – Versandtag).
Dies bedeutet, dass das BMF-Schreiben
uneingeschränkt auf alle Fälle Anwendung findet und der Vorsteuerabzug im
Sinne des BMF-Schreibens grundsätzlich bereits beim Leistungsbezug (also
im laufenden Jahr) zu kürzen wäre. Es
wird jedoch zugelassen, die Kürzung
erst nach Ablauf des Besteuerungszeitraums vorzunehmen oder alternativ die
Vorsteuerkürzung – wie bisher – sinn­
gemäß durch eine Versteuerung der
Wasser- und Energielieferungen durch
innerbetriebliche Abrechnungen an die
nicht abzugsberechtigten Bereiche zu
erreichen.
Hiermit ergeben sich für die Erstellung
der Anmeldungen und der Jahressteuererklärung hinsichtlich der Wasser-
und Energieversorgungseinrichtungen
der Gemeinde – vorausgesetzt der Eigenverbrauch liegt unter 10 Prozent –
keine wesentlichen Änderungen zur
bisherigen Praxis. Änderungen des Vorsteuerschlüssels, Berechnung der
Selbstkosten oder Weiterberechnung
von nicht gezogener Vorsteuer sind somit nicht notwendig.
Diese Vorgehensweise wird von der Finanzverwaltung, nach derzeitigem
Kenntnisstand, akzeptiert – dies jedoch
nur dann, wenn seitens der Gemeinde
gegenüber dem örtlichen Finanzamt klar
und transparent dargestellt worden ist,
dass man sich auf die oben dargestellten
Grundsätze bezieht. Dies muss sichergestellt sein, um von vornherein dem Verdacht (möglicherweise) strafbarer Steuerverkürzungen entgegenzuwirken.
Umsatzbesteuerung der Forstverwaltungskostenbeiträge –
Zweijähriges Moratorium erreicht
Zum Ende des Jahres 2013 hatte der
Landesbetrieb ForstBW einseitig erklärt,
dass die Forstverwaltungskostenbeiträge ab dem 01.01.2014 zuzüglich Umsatzsteuer erhoben werden sollten. Hiergegen wurde der Gemeindetag BadenWürttemberg noch im Dezember 2013
initiativ. Es kam zu intensiven Gesprächen zwischen der kommunalen Seite
und der Forstverwaltung. Dabei hat der
Gemeindetag ein mindestens zweijäh­
riges Moratorium gefordert.
Im Ergebnis haben Finanzminister Dr.
Nils Schmid MdL und Minister Alexander Bonde in einem gemeinsamen
Schreiben erklärt, dass es nicht beanstandet werde „wenn der Forstverwaltungskostenbeitrag auch in den Jahren 2014
und 2015 noch ohne Umsatzsteuer erhoben wird.“(vgl. Gt-INFO Nr. 650/2014
vom 06.08.2014). Den Forderungen des
Gemeindetags nach einem zweijährigen
Moratorium ist damit vollumfänglich
Rechnung getragen worden.
Es wird abzuwarten bleiben, wie dieses
Moratorium bzw. dessen Weiterführung
im Lichte der weiteren Diskussionen
um das so genannte „Forstkartell“ bewertet wird.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Umsatzbesteuerung
von Sauna­leistungen –
19 Prozent seit dem 1. Juli 2015!
Überraschend war im Jahr 2014 zunächst
die Mitte September bekannt gewordene
Absichtserklärung der Finanzverwaltung, Saunaleistungen bereits ab dem
01.01.2015 mit dem Regelsteuersatz von
19 Prozent, statt wie bisher dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent, zu unterwerfen. Dies hat im kommunalen
Umfeld für erheblichen Unmut gesorgt.
Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg hat ein diesbezügliches Protestschreiben an den Finanzminister gerichtet. Das Antwortschreiben war jedoch
gänzlich unbefriedigend.
Auf Bundesebene haben die kommunalen Spitzenverbände mit gleicher Argumentation um Verbesserungen ersucht.
Die Reaktion der Finanzverwaltung auf
Bundesebene war ebenfalls ernüchternd. So wurde mittels BMF-Schreiben
geregelt, dass mit Wirkung zum
01.07.2015 Abschnitt 12.11 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses dahingehend geändert werden soll, dass Saunaleistungen ab diesem Zeitpunkt dem
Regelsteuersatz unterliegen sollen.
Eine Änderung dieser Entscheidung
konnte auch auf politischem Wege bedauerlicherweise nicht erreicht werden, sodass seit dem 01.07.2015 der
Regelsteuersatz auf Saunaleistungen
anzuwenden ist. Die Geschäftsstelle
des Gemeindetags hat sich in einem
Arbeitskreis aus kommunalen Praktikern, weiteren Fachverbänden und des
MFW Baden-Württemberg mit einem
Positionspapier um Vereinfachungen
bemüht. Zum Redaktionsschluss dieses
Geschäftsberichts lag eine Reaktion des
MFW bedauerlicherweise nicht vor. Insoweit werden die Mitgliedskommunen via Gt-info (Az. 962.21) über den
weiteren Fortgang informiert.
Besteuerung des Breitband-Ausbaus
Ein Megathema ist der Breitbandausbau in den Kommunen auch in steuerrechtlicher Hinsicht. So ist es auch
2014 vielerorts zu (interkommunalen)
Ausbaukonzepten gekommen. Diese
Gemeindetag Baden-Württemberg
Konzepte schlagen sich in aller Regel
umgehend in hohen Investitionsbeträgen nieder. Es stellt sich aufgrund der
hohen Investitionssummen auch zunehmend die Frage, wie die Investitionen aus steuerlicher Sicht zu behandeln sind. Im Interesse einer möglichst
landeseinheitlichen Klärung und
Handhabung ist der Gemeindetag Baden-Württemberg mit einem umfassenden Fragenkatalog auf die Landes­
finanzverwaltung zugegangen. Es wurde der Versuch unternommen, die in der
Praxis auftretenden Fallkonstellationen
zu systematisieren, um eine möglichst
sachgerechte und kommunalfreund­
liche Besteuerung zu erreichen.
Es wurde im Wesentlichen dargelegt,
dass es Gemeinden geben kann, die
noch ganz am Beginn des Breitbandausbaus stehen und die Aufgabe komplett
einem Zweckverband übertragen wollen, solche die bereits Leerrohre verlegt
haben und diese an einen Zweckverband verkaufen, steuerlich in den
Zweckverband einlegen oder an diesen
verpachten wollen, sowie solche, die bereits ein innergemeindliches Netz (Rohre und Glasfaser) haben und dieses wiederum verkaufen, einlegen oder verpachten möchten. Im Übrigen dürfte
allen Gemeinden gemeinsam sein, dass
sie zum Aufbau eines zwischengemeindlichen „Backbone-Netzes“ eine Inves­
titionskostenumlage leisten.
Steuerrechtlich resultieren daraus einige
Fragen. Die drei bedeutsamsten sind:
• Körperschaftsteuer: Wenn ein gemeindliches Netz in den Zweckverband
eingebracht wird, kann u.U. körperschaftsteuerlich die Aufdeckung stiller
Reserven drohen, da keine Buchwertübertragung vom gemeindlichen BgA
auf den Zweckverbands-BgA möglich
ist. Das Finanzministerium teilte hierzu
bislang mit, dass der Finanzminister gegenüber der Bundesregierung initiativ
geworden sei. Eine landesrechtliche Regelung (im GKZ) sei jedoch wohl nicht
ausreichend.
nanzverwaltung die Auffassung, dass
die Vorgänge nur dann nicht steuerbar
(und damit sog. „echte Zuschüsse“) seien, wenn keine konkrete Gegenleistung seitens des Zweckverbands vorliege. Es ist jedoch fraglich, wie dies satzungsrechtlich wirksam dargestellt
werden kann.
• Umsatzsteuer; Verpachtungs-BgA:
Sofern eine Gemeinde oder ein Zweckverband ein Breitbandnetz an einen
Dritten (Betreiber) verpachtet und dem
Betreiber einen Zuschuss bezahlt, der
höher ist als das Pachtentgelt, wird die
Eigenschaft eines (vorsteuerabzugsberechtigten) Verpachtungs-BgAs verneint. Diese Problematik geht zurück
auf eine Verfügung der Oberfinanz­
direktion Niedersachsen vom Januar
2011, die auch bereits im Bereich von
Schwimmbädern für Probleme gesorgt
hat. Hier wird gegenüber der Finanzverwaltung nochmals nachzufassen sein,
insbesondere vor dem Hintergrund einer für die Kommunen positiven Rechtsprechung in Sachsen.
Diese Aspekte sind bereits, jeweils für
sich betrachtet, sowie im Gesamtkontext, nicht ganz trivial. Ideal wäre es,
wenn die Finanzverwaltung akzeptieren könnte, dass es sich beim interkommunalen Breitbandausbau in
keinster Weise um einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch handelt, da
sich die Umlagezahlung einer Gemeinde an einen Zweckverband nicht wesentlich vom Charakter der Landeszuwendung an die Gemeinden unterscheidet. Diese Argumentation überzeugt die Finanzverwaltung jedoch
noch nicht vollends, sodass weitere
Überzeugungsarbeit notwendig sein
wird. Es darf jedenfalls nicht sein, dass
das Steuerrecht den dringend notwendigen (interkommunalen) Breitbandausbau konterkariert (vgl. auch
für Details/Lösungsansätze: Müller,
BWGZ 2015 Seite 437ff.).
• Umsatzsteuer; Weiterleitung von
Zuschüssen, Besteuerung von Ver­
bandsumlagen: Hier vertritt die Fi-
971
Geschäftsbericht
Novelle des Eigenbetriebsrechts
Auf Initiative des Gemeindetags BadenWürttemberg haben sich die kommunalen Landesverbände gegenüber dem
Innenministerium für eine zeitnahe Novelle des Eigenbetriebsrechts ausgesprochen. Im Wesentlichen wurde in Eckpunkten gefordert:
1.das derzeitige Wahlrecht zwischen
NKHR- und HGB-Rechnungslegung
beizubehalten,
2.den Wirtschaftsplan, insbesondere
den Vermögensplan, zu einem sachgerechten Steuerungsinstrument –
angelehnt an den NKHR-Finanzhaushalt im Kernhaushalt der Gemeinden
– weiterzuentwickeln,
3.im Jahresabschluss die Finanzrechnung zu implementieren, die Bildung von Versorgungs- und Pen­
sionsumlagerückstellungen beim
KVBW zu belassen (§ 27 Abs. 5 GKV)
und keine Abschlussprüfung durch
Wirtschaftsprüfer zuzulassen.
Das Innenministerium ist diesen Vorschlägen bis dato nicht nähergetreten.
Es ist nicht von einer Novelle noch im
Rahmen der laufenden Legislaturperiode auszugehen.
Novelle des Gemeinde­
wirtschafts­rechts und des GKZ
Die Diskussionen um die Novelle des
Gemeindewirtschaftsrechts dauerten
seit Herbst 2013 an. Ein vorläufiger Gesetzentwurf des Innenministeriums
wurde insbesondere von Industrie und
Handwerk öffentlich diskutiert. Forciert
wurden zunächst:
• eine Änderung der Subsidiaritätsklausel des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO,
• explizit keine Überarbeitung des
Örtlichkeitsprinzips
(§ 102 Abs. 7 GemO),
• die Einführung einer Neben­
leistungsklausel (§ 102 GemO),
• die Ermöglichung der „Selbständigen Kommunalanstalt“ (öffent­
lichen Rechts) in § 102 GemO
972
BWGZ 19 | 2015
• sowie mit letzterem einhergehend
die Modernisierung des Gesetzes
über kommunale Zusammenarbeit.
In der öffentlichen Diskussion scheiden sich die Geister an der bisher vorgesehenen Änderung der Subsidiaritätsklausel des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO.
Der Regierungsvorschlag zielte darauf
ab, den Rechtsstand vor 2005 wiederherzustellen, wonach eine Kommune
außerhalb der Daseinsvorsorge dann
tätig werden dürfe, wenn ein Dritter
dies nicht besser könne. Seit 2005 ist
demgegenüber geregelt, dass eine Kommune nur noch dann tätig werden
darf, wenn es keinen privaten Dritten
gibt, der dies nicht besser kann. Die
Vertreter von Industrie und Handwerk
befürchteten durch diese Änderung auf
den alten Rechtsstand ein nahezu
schrankenloses Wirtschaften der Kommunen. Diese Meinung wurde sowohl
über die Landespresse wie auch in Anschreiben an einzelne Kommunen umfassend kundgetan.
Kommunale Anstalt – KommA
Im Rahmen der ausführlichen Diskussion erfolgte schlussendlich eine Verständigung dahingehend, dass aktuell lediglich die Neueinführung der Rechtsform
der Kommunalen Anstalt öffentlichen
Rechts weiter verfolgt werden soll. Diese
kann in Eckpunkten wie folgt dargestellt werden:
Sie soll das bisherige Handlungsspektrum der Gemeinden für wirtschaftliche
und nichtwirtschaftliche Betätigungen
gegenüber dem Status Quo (i.d.R. Regiebetrieb, Eigenbetrieb, Kapitalgesellschaft) erweitern. Dies gilt auch für die
interkommunale
Zusammenarbeit
(i.d.R. Zweckverbände und Kapitalgesellschaften). Die KommA soll letztlich
die Vorteile der öffentlich-rechtlichen
Organisationsform (Eigenbetrieb) mit
jenen der privatrechtlichen Organisa­
tionsform (GmbH) vereinen.
Eine im Vergleich zur GmbH engere
Bindung der Kommunalanstalt an die
Gemeinde soll dadurch sichergestellt
werden, dass der Gemeinderat als
oberstes Organ der Gemeinde über alle
wesentlichen Grundlagen der KommA
bzw. deren Aufgabe entscheiden soll.
Der Gesetzentwurf lässt hier für die erforderliche Anstaltssatzung einen sehr
weiten Gestaltungsspielraum.
Insbesondere soll (jedoch wohl nicht
zwingend aus der Mitte des Gemeinderats) ein Verwaltungsrat bestellt werden, der Aufgaben wahrnehmen soll,
die dem Betriebsausschuss des Eigenbetriebs oder dem Aufsichtsrat einer
GmbH ähneln. Der Gemeinderat soll
gegenüber dem Verwaltungsrat immer
ein Weisungsrecht behalten, das ggf.
durch die Betriebssatzung näher ausgestaltet werden kann.
Der zu bestellende Vorstand einer
KommA soll weitestgehend eigenverantwortlich und flexibel agieren dürfen. Auch hier gilt, dass die nähere Ausgestaltung im Zweifel der Anstaltssatzung vorbehalten bleibt. Interessant
ist, dass der Vorstand einer KommA,
sofern er auf Zeit bestellt wird, maximal auf fünf Jahre bestellt werden
kann. Dies soll, ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs, zu einer engeren Bindung an das oberste Organ
der Gemeinde führen.
Die KommA kann selbst Angestellte beschäftigen und auch Beamte ernennen.
In diesem Fall ist der Vorstand bzw. im
Mehrpersonenvorstand der Vorstandsvorsitzende Dienstvorgesetzter und
oberste Dienstbehörde der Beamten in
der KommA. Sofern der Vorstandsvorsitzende selbst Beamter ist, so ist der
Bürgermeister dessen Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde.
Ungeklärt sind für die neue Rechts­
form bis dato insbesondere Rech­
nungslegungs- und Haftungsfragen,
die bei Nichtklärung vermutlich dazu
führen werden, dass die KommA keine
interessante Rechtsform für die kommunale Praxis wird. So ist es Stand heute nicht gestattet, die Buchführung
nach dem NKHR auszugestalten (s.u.
Bemerkungen zu § 102a Abs. 6) und es
gibt keine eindeutige Regelung im Insolvenzfall, da keine Gewährträgerhaftung vorgesehen ist (s.u. Bemerkungen
zu § 102a Abs. 8).
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Für welche Tätigkeiten die KommA
interessant wird, lässt sich nur schwer
prognostizieren. In anderen Bundesländern wurden vielfach die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung in
derartige Anstalten ausgelagert. Dies
geschah jedoch zu Zeiten, in denen in
Baden-Württemberg die Auslagerung in
Eigenbetriebe oder GmbHs en vogue
war. Da die KommA insbesondere keine
deutlich hervorstechenden Vorteile gegenüber Eigenbetrieben aufweist, dürfte
eine Überführung eines bestehenden
Eigenbetriebs in eine KommA tenden­
ziell eher nicht interessant sein.
In Frage käme die KommA wohl am
ehesten für neue Aufgaben wie beispielsweise den (interkommunalen)
Breitbandausbau. Bezüglich bestehender Aufgaben wird zuweilen auf Ebene
der Landkreise diskutiert, die hoheit­
lichen Teile der Abfallwirtschaft aus bestehenden GmbHs in Kommunalanstalten zu überführen.
CETA und plurilaterales Dienstleistungsabkommen PTiSA – Nur „Chlorhühnchen“ oder Gefahren für die kommunale
Daseinsvorsorge?“, in: BWGZ 8/2014
Seite 336 ff.) wurde in Baden-Württemberg erstmals auf die Problematik aus
kommunaler Sicht aufmerksam gemacht. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat darüber hinaus ein dezidiertes Positionspapier („Risiken für
Daseinsvorsorge ausschließen, Chancen
für mehr Wachstum nutzen“) veröffentlicht, in dem klargestellt wird, dass die
kommunale Seite Freihandelsabkommen nicht per se ablehnt. Gleichzeitig
wurde auf die Risiken in Bezug auf die
Daseinsvorsorge und das öffentliche Beschaffungswesen hingewiesen.
Seither haben auch Gemeinderäte intensiv über TTIP und andere Freihandelsabkommen diskutiert. In diesem
Zuge war die Frage aufgekommen, inwieweit den Gemeinderäten überhaupt
eine Beschlussfassungskompetenz zu-
kommt. Diese Frage wurde auch innerhalb des Gemeindetags diskutiert und in
einer umfassenden Gt-INFO verarbeitet.
Im Kern hat jede einzelne Gemeinde zu
prüfen, ob durch die Freihandelsabkommen spezifische örtliche Verhältnisse
tangiert werden. Wenn dies der Fall ist,
kann ggf. von der Beschlussfassungskompetenz ausgegangen werden. Für
Näheres wird auf Gt-INFO Nr. 570/15
vom 6. Juli 2015 / Gt-info 2015 Heft 12
Seite 26) verwiesen.
Grundsätzlich begrüßenswert erscheint
es aus Sicht der Geschäftsstelle des Gemeindetags, dass sich die Gemeinden,
wenn sie sich mit den Freihandelsabkommen befassen, grundsätzlich Rückgriff
auf das o.g. Positionspapier der kommunalen Spitzenverbände vom Oktober
2014 oder aber auf das aktuellere Papier
vom Juli 2015 nehmen, das auch mit Unterstützung des BMWi entstanden ist
(vgl. Gt-INFO 573/15 vom 6. Juli 2015 /
Gt-info 2015 Heft 12 Seite 27).
Freihandelsabkommen TTIP,
CETA und plurilaterales
Dienstleistungsabkommen TiSA
Erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland wurde im Jahr 2014 in
erheblichem Ausmaß über den Abschluss internationaler Freihandelsabkommen diskutiert. Wesentlicher Auslöser war das zwischen der EU und den
USA diskutierte Freihandelsabkommen
TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), das wegen verschiedenster Aspekte in die Kritik geraten ist.
Die in weiten Teilen unsachlich geführte öffentliche Diskussion darf jedoch
nicht darüber hinweg täuschen, dass
von derartigen Abkommen zentrale Aspekte der Daseinsvorsorge betroffen
sein könnten.
Um auf die möglichen Auswirkungen für
die kommunale Ebene hinzuweisen, hat
der Gemeindetag Baden-Württemberg
bereits Anfang 2014 ein gemeinsames
Schreiben der drei kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg an die
Landesregierung initiiert. Damit und mit
einem Artikel in der BWGZ (Schmid/
Müller: „Freihandelsabkommen TTIP,
Gemeindetag Baden-Württemberg
973
Geschäftsbericht
Kommunale Wirtschafts­ förderung – Neuer Arbeitskreis
im Gemeindetag
Mit der BWGZ 20/2014 wurde die kommunale Wirtschaftsförderung in den
Fokus genommen. Verschiedenste aktuelle Aspekte der Wirtschaftsförderung
wurden aufgegriffen und vertieft – so
beispielsweise die Maßgaben des EUBeihilferechts, die Anforderungen an
Wirtschaftsförderung im ländlichen
Raum aber auch die neue Herausforderung „Bewältigung von Unternehmensnachfolge“. An diese Themen wird auch
im Jahr 2015 weiter angeknüpft.
Die großen Themen der Wirtschafts­
förderung sind dabei leicht zu identi­
fizieren:
• Bestandspflege,
• Entwicklung von Industrieund Gewerbeflächen im Innenund Außenbereich,
• Unternehmensnachfolge,
• Fachkräftemangel.
Im Juli 2015 hat sich, auch mit den vorgenannten Schwerpunktthemen, erstmals der Arbeitskreis Kommunaler
Wirtschaftsförderer im Gemeindetag
Baden-Württemberg in Weil der Stadt
konstituiert. Zur neuen Vorsitzenden
wurde Erste Beigeordnete Susanne Widmaier, Weil der Stadt, gewählt. Auf die
weitergehende Berichterstattung in der
BWGZ wird verwiesen.
Diese Veranstaltung hat eines verdeutlicht: Auch wenn Aufgaben der Wirtschaftsförderung auf kreisweite oder
regionale Organisationseinheiten (z.B.
Wirtschaftsförderungsgesellschaften)
verlagert werden, bleibt doch immer
die Gemeinde selbst in der Pflicht, die
entscheidenden Rahmenbedingungen
für eine gedeihliche Entwicklung der
örtlichen Wirtschaft zu schaffen. Auch
deshalb wird der Gemeindetag BadenWürttemberg als unabhängiger und
kompetenter Ansprechpartner und
Multiplikator seinen Mitgliedsstädten
und -gemeinden verstärkt Angebote in
diesem Themengebiet unterbreiten.
974
BWGZ 19 | 2015
Kartellverfahren
Rundholzvermarktung
Im Dezember 2013 hat das Bundeskartellamt einen an das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz BadenWürttemberg (MLR) gerichteten Beschlussentwurf vorgelegt, wonach geplant
sei, den gebündelten Verkauf von Nadelstammholz aus dem Staatswald zusammen
mit Holz aus dem Nichtstaatswald mit
mehr als 100 Hektar Besitzgröße ab
01.01.2015 zu untersagen. Mit betroffen
von der Untersagungsverfügung soll auch
die Erbringung von den den Holzverkauf
vorbereitenden Dienstleistungen der Holz­
ernte, insbesondere das Auszeichnen des
Holzes im Wald, sein.
Das MLR hat daraufhin unter Mitwirkung der kommunalen Landesverbände
eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um eine
Strategie zu einer möglichen künftigen
kartellrechtskonformen Neuordnung der
Forstorganisation im Land zu erarbeiten.
Die von der Arbeitsgruppe erarbeiteten
Organisationsmodelle wurden mit dem
Bundeskartellamt eingehend erörtert,
wobei festgestellt wurde, dass das so genannte Staatswaldmodell (Herauslösung
der Staatswaldbewirtschaftung durch
Gründung eines Staatsforstbetriebes) in
besonderem Maße mit dem Kartellrecht
vereinbar sei. Dessen Umsetzung hätte
zur Folge, dass bei den unteren Forstbehörden nur noch rein hoheitliche Aufgaben verbleiben und für die Bewirtschaftung des Kommunal- und Privatwaldes
neue Strukturen geschaffen werden müssen. Damit könnte das so genannte Einheitsforstamt in der bisherigen Form
nicht mehr weitergeführt werden.
Im Zuge der weiteren Verhandlungen mit
dem Bundeskartellamt sah sich das Land
zur Abwehr der im Raum stehenden Untersagungsverfügung gezwungen, eine
Verpflichtungserklärung abzugeben mit
dem Inhalt, eine strukturelle Trennung des
Holzverkaufs durch die Ausgliederung eines Staatsforstbetriebes durchzuführen.
Wesentlicher Bestand der Verpflichtungserklärung war die Übertragung der Forsteinrichtung und der forsttechnischen Betriebsleitung als kommunale hoheitliche
Aufgaben auf die Stadt- und Landkreise,
die Einstufung der Wirtschaftsverwaltung
einschließlich des Holzverkaufs als wirtschaftliche Tätigkeit sowie die Verpflichtung, kostendeckende Gebühren zu erheben, soweit das Kreisforstamt im Bereich
der Wirtschaftsverwaltung tätig wird.
In einem weiteren Beschlussentwurf hat
daraufhin das Bundeskartellamt dargestellt, dass es in vielen zentralen Fragen
weiterhin eine andere Auffassung vertritt, die im Widerspruch zu der vom
Land abgegebenen Verpflichtungserklärung steht. Insbesondere wird nunmehr
vom Bundeskartellamt die Forsteinrichtung und die forsttechnische Betriebsleitung im Körperschaftswald ebenso
wie der Revierdienst als wirtschaftliche
– und nicht als hoheitliche – Tätigkeit
eingestuft.
Damit wurde nach übereinstimmender
Auffassung des MLR und der kommunalen Landesverbände den vom Land abgegebenen Verpflichtungserklärungen
die Grundlage entzogen, weshalb sich
das Land gezwungen sah, die Zusagen
wieder zurückzunehmen.
Daraufhin hat das Bundeskartellamt durch
eine am 15.07.2015 zugestellte Verfügung
dem Land die gemeinsame Vermarktung
von Holz aus dem Staatswald mit Holz aus
dem Kommunal- und Privatwald untersagt,
soweit die 100 Hektar-Grenze überschritten
wird. Neben dem eigentlichen Nadelstammholzverkauf sollen auch in weitem
Maße die Wahrnehmung von forstlichen
Betreuungsleistungen von der forsttechnischen Betriebsleitung bis zum Revierdienst
in Körperschafts- und Privatwäldern über
100 Hektar Waldbesitz untersagt werden.
Dies hätte eine vollständige Zerschlagung
der Forststruktur im Lande zur Folge.
Vor diesem Hintergrund sah sich das
Land gezwungen, gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes Rechtsmittel beim OLG Düsseldorf einzulegen.
Um Schadenersatzansprüche zu vermeiden, wird das Land die gemeinsame
Rundholzvermarktung unverzüglich
einstellen. Die Landkreise werden kommunale Holzverkaufsstellen einrichten,
die ab September 2015 für die Kommunen die Vermarktung des Nadelstammholzes übernehmen werden.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Unterhaltungspflicht der Städte
und Gemeinden für Kirchtürme
Die altrechtlichen Verpflichtungen der
Städte und Gemeinden für Unterhaltungslasten an kirchlichen Einrichtungen standen im Berichtszeitraum wegen
Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg und des Staatsgerichtshof Baden-Württemberg (Landesverfassungsbeschwerde) im besonderen Fokus. Die
gerichtliche Überprüfung der Verpflichtung einer bürgerlichen Gemeinde gegenüber der Kirchengemeinde ergab,
dass „… infolge des im Laufe des 20. Jahrhunderts eingetretenen Bedeutungsverlusts des Turms, der Turmuhr sowie der
Glocken- und Läuteanlagen hinsichtlich
der für die Begründung der Kirchenbaulast wesentlichen Funktionen eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist …“
Dies führte in diesem Einzelfall dazu,
dass die bürgerliche Gemeinde eine (vertragliche) Herabsetzung ihres Kosten­
tragungsanteils von der Kirchengemeinde beanspruchen konnte. Die Revision
gegen das Urteil wurde nicht zugelassen; die Nichtzulassungsbeschwerde der
Kirchengemeinde wurde abgelehnt.
Die Landesverfassungsbeschwerde der
Kirchengemeinde gegen das Urteil des
VGH Baden-Württemberg wurde als
un­begründet zurückgewiesen (vgl. dazu
auch BWGZ 2/2015 Seite 100).
Die Geschäftsstelle des Gemeindetags
prüft zusammen mit dem Städtetag das
weitere Vorgehen. Ein erstes gemeinsames Gespräch mit der Kirchenseite hatte den Austausch von Informationen
und Sachverhalte zum Inhalt. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die
Beteiligten eine gemeinsame Bewertung
der Urteile anstreben und die Absicht
besteht, für das weitere Vorgehen Lösungswege für die verschiedenen Verhältnisse vor Ort aufzuzeigen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an
Brennpunkten – der Runde Tisch
„Lebenswerter öffentlicher Raum“
kreißt und gebiert eine Maus
Über den Sachstand zum Thema „Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an Brennpunkten“ wurde zuletzt in BWGZ 1/2014 Seite 27 ausführlich berichtet. Am 6. Juni 2014 hat
dann noch unter Vorsitz des Ministerpräsidenten der Runde Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ getagt. Die
Schaffung einer Rechtsgrundlage im
Polizeigesetz, die die Gemeinden ermächtigen würde, in örtlichen Polizeiverordnungen Alkoholkonsum- und
Alkoholmitführungsverbote an Brennpunkten zu erlassen, fand letztlich in
der grün-roten Landesregierung sowie
in den diese tragenden Landtagsfraktionen keine Mehrheit und wurde auf
die nächste Legislaturperiode vertagt.
Und dies, obwohl die gleichnamige Arbeitsgruppe in ihrem Abschlussbericht
Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an Brennpunkten als einen von mehreren wirkungsvollen
Bausteinen zur Problembewältigung
vorgeschlagen hatte.
Übrig geblieben sind folgende Empfehlungen des Runden Tischs, die weiterverfolgt werden sollen:
• Schaffung interdisziplinärer
Arbeitsgruppen mit einer dauer­
haften Koordinierung und hoher
personeller Kontinuität vor Ort
Ziel ist dabei das abgestimmte Zusammenwirken von Polizei, Kommune,
Suchtberatung, Gastronomie und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in einem
partnerschaftlichen Kontext im Rahmen
einer dauerhaften Arbeitsgruppe.
• Verstärkte Präsenzmaßnahmen,
Kontrolle und Durchsetzung
bestehender Regelungen im öffent­
lichen Raum
Hierbei sollen insbesondere die Einhaltung des Jugendschutzes und gaststättenrechtlicher Vorgaben wie beispielsweise das Verbot des Ausschanks an erkennbar Betrunkene in den Fokus gerückt werden.
• Anwendung bestehender recht­
licher Handlungsmöglichkeiten
wie des Erlasses kommunaler
Satzungen für die Benutzung
öffentlicher Einrichtungen, bspw.
für Spielplätze und Grünflächen
Das Innenministerium will in Zusammenarbeit mit den kommunalen Landesverbänden eine Handreichung für
die Kommunen des Landes erstellen.
• Grundsätzliches Festhalten an
den Regelungen zum Alkohol­
verkaufsverbot. Darüber hinaus
sollten identifizierte Lücken
(Warenautomaten und reine
Alkoholbringdienste) geschlossen
werden.
• Flexiblere Regelungen zu den
Sperrzeiten in der Gaststätten­
verordnung mit dem Ziel,
den Kommunen vor Ort
mehr Kompetenzen und Rechts­
sicherheit zu gewähren.
• Erstellung einer Handreichung
mit einer Beschreibung von allen
durch die Arbeitsgruppe als ziel­
führend identifizierten Maßnahmen
(„Werkzeugkoffer“)
Eine systematische Übersicht der landesweit bestehenden 119 Maßnahmen soll im
Sinne eines „Best Practice“-Ansatzes den
Verantwortungsträgern vor Ort wertvolle
Impulse für das eigene Handeln geben.
Diese Empfehlungen sind bislang nicht
abschließend umgesetzt worden. Immerhin ist vor kurzem ein Gesetzentwurf zur
Ergänzung des Gesetzes über die Ladenöffnung in die Verbandsanhörung gegangen.
Damit sollen so genannte Alkoholbringdienste und Warenautomaten, die alkoholische Getränke anbieten, in das seit
1. März 2010 geltende nächtliche Alkoholverkaufsverbot einbezogen und damit
bestehende Regelungslücken geschlossen
werden. Vom Innenministerium ist darüber hinaus die o.g. Handreichung mit
­einer Beschreibung aller durch die Arbeitsgruppe als zielführend identifizierter Maßnahmen („Werkzeugkoffer“) erarbeitet
und mit den kommunalen Landesverbänden abgestimmt worden. Eine Freigabe
durch das Staatsministerium ist allerdings
noch erforderlich.
975
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Initiative des Gemeindetags
Baden-Württemberg
gegen Wohnungseinbrüche
Tag ist in BWGZ 6/2015 Seite 282 und in
Gt-INFO Nr. 269/2015 vom 7. April
2015 veröffentlicht worden.
Nicht jeder Bürger bzw. jede Bürgerin
wolle oder könne dafür die örtlich zuständige Polizeidienststelle aufsuchen.
Bereits mit Schreiben vom 1. Dezember
2014 hat der Gemeindetag Baden-Württemberg Innenminister Reinhold Gall
MdL eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Innenministerium, Polizei und
Gemeindetag gegen Wohnungseinbrüche vorgeschlagen. In seiner Antwort
vom 16. Januar 2015 hat der Innenminister diesen Vorschlag aufgegriffen
und im Übrigen einen Sicherheitsgipfel,
unter Einbindung der beiden anderen
kommunalen Landesverbände, vorgeschlagen.
Am 17. März 2015 hat dann die Landesregierung ein Offensivkonzept gegen
Wohnungseinbruch beschlossen. Dessen Inhalte fanden Eingang in das Antwortschreiben des Innenministers vom
24. März 2015 an den Gemeindetag.
Was die Personalsituation bei der Polizei
angeht, hat der Minister mitgeteilt, dass
226 Polizeivollzugsstellen nicht wie ursprünglich vorgesehen in den Jahren
2017 bis 2019 abgebaut, sondern erhalten bleiben und verstetigt werden sollen. Die daraus entstehenden Kosten für
den Landeshaushalt von jährlich rund
12 Millionen Euro seien zwar eine beträchtliche, aber jedoch lohnenswerte
Investition in die Sicherheit des Landes.
Zudem würde die Ausbildungskapazität
der Polizei im Zuge einer Einstellungs­
offensive für die Jahre 2017 und 2018
mit insgesamt 2.800 vorgesehenen Einstellungen erhöht werden.
Als Ausfluss aus diesen Aktivitäten hat
der Gemeindetag Baden-Württemberg
zum einen seinen Kreisverbandsvorsitzenden empfohlen, in ihren Sitzungen
für die in den gemeinsamen Empfehlungen enthaltenen Maßnahmen unter
Zusammenarbeit von Kommunen und
Polizei zu werben. Zum anderen hat der
Gemeindetag die Empfehlungen in der
Gt-info mit dem Anraten, diese vor Ort
umzusetzen, veröffentlicht. Im Vordergrund soll dabei stehen, dass Kom­
munen und Polizei zunächst dort eine
Sicherheitspartnerschaft eingehen, wo
es bislang noch keine gibt. Ansonsten
sollten bestehende Sicherheitspartnerschaften ggf. reaktiviert und im Hinblick auf den Schutz vor Wohnungseinbrüchen ausgebaut werden. Auf die
Darstellung in Gt-INFO Nr. 419/2015
vom 20. Mai 2015 und die dortigen
Links zum Herunterladen der o.g. Unterlagen wird hingewiesen.
Foto: Rike /PIXELIO
In der Folgezeit hat das Innenministerium den kommunalen Landesverbänden dann den Entwurf gemeinsamer
Empfehlungen für eine Sicherheitspartnerschaft zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen zukommen lassen.
Der Gemeindetag hat die dort aufgeführten Maßnahmen allerdings nicht
für ausreichend gehalten, um bei den
Wohnungseinbrüchen eine Trendwende zu erreichen. Mit Schreiben vom 16.
März 2015 wurde dem Innenminister
deshalb ein Positionspapier des Gemeindetags Baden-Württemberg mit
den aus seiner Sicht erforderlichen
Maßnahmen übersandt. Die Pressemitteilung des Gemeindetags vom selben
976
Auf der Basis dieses Schriftwechsels sind
dann die gemeinsamen Empfehlungen
für eine Sicherheitspartnerschaft zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen
ergänzt und beim Sicherheitsgipfel am
1. April 2015 im Innenministerium –
unter Anwesenheit von Presse- bzw. Medienvertretern – unterzeichnet worden.
Präsident Roger Kehle hat in seinem
Statement für den Gemeindetag BadenWürttemberg die Empfehlungen zwar
begrüßt, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche bereits seit acht Jahren steigt, weitere Schritte des Landes gefordert. Insbesondere müsste, trotz der vor kurzem
gescheiterten Bundesratsinitiative Bayerns, erneut ein Anlauf unternommen
werden, damit Wohnungseinbruchsdiebstähle strafrechtlich künftig nicht
mehr als minder schwere Fälle geahndet
werden könnten. Auch der Nichtabbau
der oben genannten 226 Polizeivollzugsstellen sei lobenswert, aber seines
Erachtens nicht ausreichend. Weiteres
Personal sei dringend erforderlich. Darüber hinaus halte er nach wie vor die
Einrichtung einer Rund-um-die-UhrTelefonhotlinie „Wohnungseinbruchsschutz“ beim LKA für erforderlich.
Die Sicherheitspartnerschaft zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen
war anschließend auch ein Thema der
AG 10.000-Sitzung des Gemeindetags
mit Ministerialdirektor Dr. Herbert
O. Zinell am 19. Mai 2015.
Am 24. Juli 2015 wurde dann im Beisein
von Präsident Roger Kehle von den Innenministern Bayerns und BadenWürttembergs im hiesigen Innenministerium eine Kooperationsvereinbarung
zur intensivierten Bekämpfung der
Wohnungseinbruchkriminalität zwischen Baden-Württemberg und Bayern
(Sieben-Punkte-Programm) unterzeichnet. Die Pressemitteilung des Gemeindetags dazu ist in Gt-INFO Nr. 703/2015
vom 5. August 2015 wiedergegeben.
Darüber hinaus hat das Projektbüro
Kommunale Kriminalprävention beim
Innenministerium Baden-Württemberg, in dem auch der Gemeindetag
Mitglied ist, einen Projektantrag „Prävention von Wohnungseinbrüchen
durch eine aufmerksame und vertrauensvolle Nachbarschaft“ bei der BadenWürttemberg Stiftung vorbereitet.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Bücherei
Mediothek
Dußlingen
BDA
Hugo-Häring-Preis
2011
AKBW
Auszeichnung für
beispielhaftes Bauen
2011
Iconic Award
2015
Riehle +Assoziierte
Architekten und Stadtplaner
Büro Reutlingen
Dominohaus
Am Echazufer 24
72764 Reutlingen
Tel 07121 927- 0
reutlingen@
riehle-architekten.de
Büro Stuttgart
Lloyd-Haus
Schloßstraße 70
70176 Stuttgart
Tel 0711 489 000-0
stuttgart@
riehle-architekten.de
Geschäftsbericht
Kommunales und Wahlen
Die Geschäftsjahre 2013 bis 2014 waren
auch durch Bundes- und die Kommunalwahlen geprägt. Beratungsbedarf im Berichtszeitraum ergab sich vor allem auch
im Hinblick auf die Vorbereitung und
Durchführung der Bundestagswahl 2013
sowie der Kommunalwahl und der Europawahl am 25. Mai 2014. Im Vorfeld der
Wahlen stand eine Vielzahl von Änderungen des Bundes- und Kommunalwahlrechts im Fokus, deren Auswirkungen für die kommunale Praxis geprüft
und teilweise knifflige rechtliche Fragen
gelöst werden mussten. Die Wahlrechtsneuerungen sind bereits in BWGZ
1/2015 Seite 3 ff. dargestellt worden.
Zu den Wahlrechtsneuerungen gehörte
auch ein neues Sitzverteilungsverfahren
für die Kommunalwahlen. Das seit vielen Jahrzehnten geltende Berechnungsverfahren nach d’Hondt wurde durch
das Höchstzahlverfahren nach SainteLaguë/Schepers ersetzt. In den einzelnen Kommunen wurde daher mit Spannung darauf geschaut, ob und wie sich
diese Rechtsänderung auf die Zusammensetzung der kommunalen Gremien
auswirkt. Aus Erfahrungen beim Bundes- und Landeswahlrecht stand das
neue Sitzverteilungsverfahren in dem
Ruf, dass es kleineren Gruppierungen
eher mehr Chancen auf Sitze einräumt.
Mit Landtagsdrucksache 15/6750 wurde
eine umfangreiche Untersuchung und
Analyse des Statistischen Landesamts
Baden-Württemberg veröffentlicht, die
teilweise diesen Effekt bestätigt.
Begleitung und Unterstützungen für ihre Wahlgeschäfte fanden die Städte und
Gemeinden durch ein vielfältiges Seminarangebot der Verwaltungsschule des
Gemeindetags, laufend aktuelle elektronische Infos der Geschäftsstelle, das Extranet und über ein besonderes Kommunalforum, das ebenfalls von der Geschäftsstelle betreut wurde und auch
weiterhin wird.
In Anschluss an die Kommunalwahl bestand intensiver Beratungsbedarf im
Hinblick auf die konstituierende Sitzung, die Besetzung der Ausschüsse und
die Ortsvorsteherwahlen. Dabei ging es
978
BWGZ 19 | 2015
hauptsächlich um die Einigungs- bzw.
Wahlverfahren und damit verbundenen
Fragen der Auslegung rechtlicher Vorschriften.
Nach der Kommunalwahl erschien am
30. Juni 2014 die Schwerpunktausgabe
der Verbandszeitschrift des Gemeindetags „Die Gemeinde“ (BWGZ) Heft 11-12/­
2014 für die neu gewählten Gemeinderäte und Ortschaftsräte, die in einer
Auflage von insgesamt mehr als 28.000
Exemplaren reißenden Absatz fand.
Kommunale Handlungsfähigkeit
der Städte und Gemeinden
nicht gefährden: Daher Hände
weg von der Gemeindeordnung
Der Landtag beschäftigt sich nach der
Sommerpause mit einem umfangreichen Gesetzentwurf zur Änderung der
Gemeindeordnung und der Landkreisordnung (LT-Drucksache 15/7265). Der
Gesetzentwurf wurde gegenüber dem
Anhörungsentwurf nur an ganz wenigen Stellen modifiziert. Aufgegeben
wurde die ursprünglich vorgesehene
Absenkung des Quorums von einem
Viertel auf ein Sechstel der Gemeinde­
räte für das Akteneinsichtsrecht und das
Einberufungsrecht von Sitzungen. Außerdem soll die Öffentlichkeit von Sitzungen beschließender Ausschüsse
nicht (mehr) als Regelfall hergestellt
werden. Auch eine Gleichstellung einzelner Gemeinderäte mit einer Fraktion,
in Gemeinden mit bis zu 18 Gemeinderäten, wurde nicht in den in der Landtagsdrucksache veröffentlichten Gesetzentwurf aufgenommen. Dieses ist auch
auf die im Anhörungsverfahren deutlich geäußerten rechtlichen Bedenken
des Gemeindetags zurückzuführen.
Zwar kann die Absenkung der Quoren
bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden akzeptiert werden, alle weiteren Änderungen der Gemeindeordnung
lehnt der Gemeindetag Baden-Württemberg jedoch weiterhin ab. Das Land
ist aufgefordert, auf das Gesetz zu verzichten (Erläuterungen dazu vgl. auch
BWGZ 1/2015 Seite 4).
Der Landesgesetzgeber hat der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden
nach Art. 28 GG grundsätzlich Rechnung zu tragen und daher die Rechtsetzung so auszugestalten, dass diese den
Städten und Gemeinden in BadenWürttemberg gewährleistet bleibt. Genau hier setzt die Kritik an. Das Gesetz
enthält gesetzliche Vorgaben, für die
der Gemeindetag weder eine rechtliche
Begründung noch eine Notwendigkeit
erkennen kann. Weshalb soll die Einrichtung von Fraktionen und ihrer
Rechte geregelt werden? Warum müssen eine Mindestfrist für die Einberufung des Gemeinderats und andere organisatorische Einzelheiten verbindlich
festgelegt werden? Wie kann der Gesetzgeber bestimmen dürfen, welche
Inhalte ein Amtsblatt der Gemeinde
haben muss? Fazit: Es werden mit den
vorgesehenen Neuregelungen unnötige
Vorgaben gemacht, anstatt auf die Entscheidungsfähigkeit der kommunalen
Hauptorgane, orientiert an den örtlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten,
zu vertrauen. Gemeinderäte können
ihre Geschäftsabläufe selbst vereinbaren. Was durch Geschäftsordnungen
jahrzehntelang zufriedenstellend geregelt war, muss nicht durch den Landtag
bestimmt werden. Mehr Bürokratie
hindert die erfolgreiche Arbeit der
Gemeinde­räte.
Künftig sollen auch Aufstellungsbeschlüsse von Bauleitplänen bürgerentscheidsfähig sein. Dafür gibt es aus
Sicht des Gemeindetags keine Notwendigkeit. Zudem können komplexe Einzelheiten von Bebauungsplänen nicht
durch Bürgerentscheid abgewogen
werden.
Das bestehende Recht trägt den grundsätzlichen Anforderungen an direktdemokratische Elemente Rechnung und
schränkt die Bürgerbeteiligung nicht
unangemessen ein. Zumal im Vorfeld
eines Bebauungsplans Bürgerentscheide
über städtebauliche Entwicklungen
durchaus möglich sind.
Der Gemeindetag ist der Auffassung,
dass die Erfüllung der kommunalen
Aufgaben schwerpunktmäßig bei den
kontinuierlich arbeitenden und von der
Bürgerschaft gewählten Repräsentativ­
organen verbleiben muss.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Papierloser Gemeinderat
Die Digitalisierung der Gemeinderatsarbeit hatte im Berichtszeitraum an Bedeutung gewonnen. Der praktische
Bedarf ist unbestreitbar. So haben in
den letzten Jahren eine Vielzahl von
Städten und Gemeinden so genannte
Ratsinformationssysteme beschafft,
mit denen der Sitzungsdienst, zu großen Teilen, papierlos gemanagt werden
kann. Trotzdem ist natürlich die Ausgangslage in den Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich. Dies ist häufig auch dem Umstand geschuldet, dass
nicht alle Gemeinderatsmitglieder über
eine elektronische Adresse verfügen,
möglicherweise auch nicht alle Entsprechendes einrichten oder generell
lieber schriftlich eingeladen werden
wollen. Auch fehlt es in manchen Bereichen des Landes an der erforderlichen Infrastruktur, um große Datenmengen (z.B. Pläne) in zumutbarer
Geschwindigkeit abzurufen.
In einigen Kommunen wird der Einsatz
von verschiedenen Empfangsgeräten,
wie iPad, Laptop, Smartphone oder Tablet erprobt. Die technischen Möglichkeiten werden in den nächsten Jahren
weitergehen und damit werden auch für
die Ratsarbeit neue Möglichkeiten eröffnet werden. Welcher Weg eingeschlagen wird, muss jede Gemeinde für sich
entscheiden. Wie schon ausgeführt,
spielen dabei die technischen und formalen Voraussetzungen, aber auch die
Kosten eine Rolle.
Mit der vorgesehenen Änderung der
GemO wird das Thema insgesamt sicher
einen weiteren Schub erleben. Die Sitzungsunterlagen von kommunalen
Gremien sollen danach unter bestimmten Voraussetzungen auch im Internet
veröffentlicht werden.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
begleitet diese Entwicklungen mit Informationen auf seinen Arbeitstagungen und nutzt solche Veranstaltungen
auch, um Erfahrungen auszutauschen.
Bei einer Überarbeitung des Musters
des Gemeindetags für eine Geschäftsordnung des Gemeinderats, das u.a.
Gemeindetag Baden-Württemberg
auch im Zusammenhang mit der vorgesehenen Novelle der Gemeindeordnung weiterentwickelt werden muss,
wird die Digitalisierung der Gremiumsarbeit sicher auch eine zentrale
Rolle spielen. Das Geschäftsordnungsmuster soll unter Beteiligung der kommunalen Praxis überarbeitet werden
und Empfehlungen vorschlagen, die
dann an die konkreten Gegebenheiten
vor Ort anzupassen sind. Da die Novelle der Gemeindeordnung voraussichtlich erst im letzten Quartal des Jahres
im Landtag verabschiedet wird, kann
die Überarbeitung des Geschäftsordnungsmusters nicht vor Ende des Jahres abgeschlossen sein.
Interfraktionelle Einigung
zur direkten Demokratie
in der Landesverfassung
Seit längerem angekündigt, nun soll es
umgesetzt werden: Im Juli 2015 haben
alle im Landtag vertretenen Fraktionen
einen Gesetzentwurf zur Änderung der
Landesverfassung eingebracht. Damit
sollen die direkten Beteiligungsmöglichkeiten der Landesbürgerinnen und
-bürger gestärkt werden.
Vergleichbar mit dem Bürgerantrag auf
kommunaler Ebene (§ 20b GemO) soll
auf Landesebene die Möglichkeit eines
Volksantrags eingeführt werden. Mit
den Unterschriften von 0,5 Prozent der
Wahlberechtigten (zirka 38.000 Wahlberechtigte) kann der Landtag verpflichtet werden, sich mit bestimmten
Gegenständen der politischen Willensbildung in seinem Zuständigkeitsbereich zu befassen. Dem Quorum kommt
eine wichtige Bedeutung zu. Schließlich müssen die Initiatoren eines Volksantrags eine ausreichende demokratische Legitimation nachweisen können,
wenn sie den Landtag für sich in Anspruch nehmen wollen. Zudem müssen die Anforderungen an einen Volksantrag so gestaltet sein, dass die Funktions- und Handlungsfähigkeit des
Landtags nicht eingeschränkt wird.
Gegenstand eines Volksantrags können
auch Gesetzentwürfe sein. In diesem
Fall muss dem Landtag ein ausgearbeiteter und mit Gründen versehener Ge-
setzentwurf vorgelegt werden. Ein Anspruch, den eingebrachten Gesetzentwurf auch zu beschließen, besteht natürlich nicht.
Mit dem Änderungsentwurf soll außerdem das Zustimmungsquorum für
Volksabstimmungen über einfache Gesetze von 33 Prozent auf 20 Prozent der
abgegebenen Stimmen abgesenkt werden. Für ein Volksbegehren sollen künftig nur noch 10 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unterschreiben müssen;
bisher sind es 16,7 Prozent. Vorgesehen
war, den Gesetzentwurf im September
in den Landtag einzubringen.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
wird im Rahmen der offiziellen Anhörung auch die möglichen Auswirkungen
auf die Aufgaben der Städte und Gemeinden thematisieren. Zielsetzung der
Verfassungsänderung ist auch eine stärkere Nutzung der plebiszitären Instrumente. Da Städte und Gemeinden aufgrund der Ausführungsbestimmungen
erhebliche Mitwirkungspflichten in den
verschiedenen Verfahren haben (Überprüfung der Wahlberechtigung von Unterzeichnern, Ausstellung von Wahlrechtsbescheinigungen, Bekanntmachungspflichten, Durchführung der
Abstimmungen u.v.m.), kann der kommunale Zuständigkeitsbereich durchaus
konkret betroffen sein.
Neu eingeführt:
die Landesverfassungsbeschwerde
Seit 1. April 2013 gibt es in Baden-Württemberg die Möglichkeit, beim Staatsgerichtshof des Landes eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. Berechtigte
sind nicht nur Bürgerinnen und Bürger,
auch Städte und Gemeinden können
die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit aller Maßnahmen der öffentlichen
Gewalt anstoßen. Die Landesverfassungsbeschwerde als außerordentlicher
Rechtsbehelf ist naturgemäß erst nach
Ausschöpfung des allgemeinen Rechtswegs zulässig.
979
Geschäftsbericht
Bundesmeldegesetz und
Ausführungsvorschriften dazu
lassen erhöhten Aufwand bei
den Meldebehörden befürchten
Mit Schreiben des Innenministeriums
Baden-Württemberg (IM) vom 1. August
2014 ist der Gemeindetag Baden-Württemberg zum Entwurf eines Gesetzes zur
Ausführung des Bundesmeldegesetzes
und zur Änderung weiterer Vorschriften
angehört worden. In seiner Stellungnahme vom 29. September 2014 hat
der Gemeindetag den Entwurf insgesamt begrüßt. Insbesondere hat er die
gute Vorbereitung durch eine beim IM
eingerichtete Arbeitsgruppe mit Vertretern des Datenverarbeitungsverbunds
Baden-Württemberg (DVV) und der
Kommunen hervorgehoben.
Darüber hinaus hat der Gemeindetag
Baden-Württemberg aber in zwei Schreiben auch einen finanziellen Ausgleich
durch das Land für die den Gemeinden
durch die Ausführung des Bundesmeldegesetzes (BMG) entstehenden Mehrkosten verlangt. Diese entstehen insbesondere durch eine Anpassung der ITFachverfahren beim DVV. Ein Schwerpunkt ist dabei die Sicherstellung eines
Datenabrufs über das Internet rund um
die Uhr für die Sicherheitsbehörden
(jetzt bundesweit). Nachdem das Land
über § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs
BWGZ 19 | 2015
(„Meldebehörde ist die Ortspolizei­
behörde“) die mit dem BMG und dem
Ausführungsgesetz einhergehenden
Aufgaben auf die Städte und Gemeinden übertragen hat, sieht der Gemeindetag das Land hier klar in der Ausgleichspflicht – zumal das Land bislang
nicht überzeugend dargelegt hat, ob
bzw. in welcher Höhe die Vorgaben des
BMG bzw. des Ausführungsgesetzes
möglicherweise Entlastungen für die
Kommunen bringen könnten. In der
allgemeinen Begründung zum Gesetzentwurf hatte das Land nur festgestellt,
dass sich für die Städte und Gemeinden
keine wesentlichen Mehrbelastungen
aus den landesrechtlichen Regelungen
ergeben. Auf eventuelle Mehrbelastungen durch Regelungen des BMG wurde
dort überhaupt nicht eingegangen. Das
Innenministerium hat in seinen Antwortschreiben einen Ausgleichsanspruch in Abrede gestellt.
Das Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften ist im Gesetzblatt vom
26. Mai 2015 (S. 320) veröffentlicht worden und tritt, wie das Bundesmeldegesetz, zum 1. November 2015 in Kraft. Für
die neue Meldeverordnung des Landes
ist die Anhörung inzwischen abgeschlossen. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hatte sich dazu grundsätzlich positiv geäußert. Für verschiedene Ausfüh-
rungsvorschriften des Bundes zur Neuordnung im Meldewesen, wie die
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur
Durchführung des Bundesmeldegesetzes, die Portalverordnung und die Melderegisterauskunftsverordnung, war bis
zum Redaktionsschluss zwar die Anhörung abgeschlossen, eine Verkündung
allerdings noch nicht erfolgt.
Zensus 2011 –
Stand der gerichtlichen
Verfahren gegen die ZensusErgebnisseverfahren
Die im Oktober 2013 bekannt gegebenen Ergebnisse des Zensus 2011 und die
Auswirkungen für die kommunalen Finanzen sind auch im Berichtszeitraum
wichtige Themen gewesen. Derzeit sind
bundesweit 351 gerichtliche Verfahren
anhängig; die Klageverfahren der sechs
Pilotgemeinden in Baden-Württemberg
sind nach wie vor bei den Verwaltungsgerichten anhängig. Insbesondere geht
es dabei um den Stopp der Daten­
löschungen bei den Statistischen Ämtern. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die potenziell verfahrensrelevanten Zensusdaten auf die Statistischen Ämter in Stuttgart, Düsseldorf,
Wiesbaden und München verteilt sind.
Die Verwaltungsgerichte sind sich in
diesen Fragen nicht einig. Nähere Ausführungen zum Thema vgl. BWGZ 15-16/
2015, Seiten 743ff. (Gemeindefinanz­
bericht 2015).
Eine abschließende Entscheidung über
die Rechtmäßigkeit des Zensusverfahrens 2011 und die Folgen wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. Letztendlich wird sie erst nach Ausschöpfung
des Rechtswegs und damit nach einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dem Abschluss aller Klageverfahren vorliegen.
Foto: S. Hofschlaeger /PIXELIO
Eine neue Perspektive kann durch die
Klage des Stadtstaates Berlin vor dem
Bundesverfassungsgericht eröffnet sein.
Die Stadt Berlin macht die Verfassungswidrigkeit des Zensusgesetzes des Bundes
geltend. Dieses Verfahren dürfte für alle
weiteren verwaltungsgerichtlichen Klagen von grundsätzlicher Bedeutung sein.
980
Gemeindetag Baden-Württemberg
NE
U!
Melderecht aktuell und praxisnah
Werner Süßmuth
Bundesmeldegesetz
Am 1. November 2015 tritt das Bundemeldegesetz in Kraft und löst damit das bisherige
Melderechtsrahmengesetz sowie die noch bis zum 31.10.2015 geltenden Meldegesetze der
Länder ab. Das Bundesmeldegesetz enthält erstmals Regelungen, die bundesweit einheitlich und unmittelbar gelten.
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Stand: September 2015
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Kommentar
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unseren Vertrieb möglich. Auf Wunsch
ist auch Einmalbezug möglich.
Das Standardwerk zum Melderecht hat sich seit über 30 Jahren in der Praxis des Meldewesens sowie bei den mit melderechtlichen Fragen befassten Behörden und Gerichten
bewährt. Auch nach Inkrafttreten der neuen Regelungen wird dem Anwender wieder ein
unverzichtbares Arbeitsmittel an die Hand gegeben. So enthält es neben einer umfangreichen Einführung in das Meldewesen die Kommentierung des Bundesmeldegesetzes, die
dazugehörige Verwaltungsvorschrift sowie die Rechtsverordnungen zum Bundesmeldegesetz, die sukzessive ebenfalls erläutert werden. Daneben sind auch die Ausführungsgesetze der Länder und der Datensatz für das Meldewesen (DSMeld) inbegriffen. Abgerundet
wird die Sammlung schließlich mit den für den Praktiker einschlägigen Rechtsvorschriften
aus dem Pass- und Personalausweis-, Datenschutz,- Personenstands- sowie Steuerrecht.
Der Autor:
Werner Süßmuth, Regierungsdirektor im Bundesministerium des Innern a.D.
Christof Hoffmann
Das neue Melderecht 2015
Synopse mit erläuternder Einführung
Am 1. November 2015 tritt das Bundesmeldegesetz (BMG) in Kraft. Es löst das Melderechtsrahmengesetz (MRRG), die Meldegesetze der Länder und die jeweiligen darauf basierenden
Meldedatenübermittlungsverordnungen ab. Als zentraler Bestandteil des Gesetzes zur
Fortent wicklung des Meldewesens wird mit dem BMG das Melderecht in Konsequenz aus
der Föderalismusreform I im Jahr 2006 grundsätzlich neu ausgerichtet und zukunftsfähig
gemacht.
2015. 100 Seiten, Kart.
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Das Werk – das insbesondere auch auf die zwischenzeitliche Gesetzesänderung im Jahr
2014 eingeht – gibt allen mit melderechtlichen Fragen Befassten einen schnellen Überblick
über Hintergründe und Zusammenhänge der neuen Rechtslage und ermöglicht durch eine
synoptische Gegenüberstellung von BMG und MRRG eine schnelle Orientierung.
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Dr. Christof Hoffmann ist Leitender Regierungsdirektor im Landesverwaltungsamt Saarland und hat zuvor bis Oktober 2014 das Melderechtsreferat im saarländischen Ministerium
für Inneres und Sport geleitet.
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Geschäftsbericht
EDV in der Verwaltung
Regeln für E-Government
Das Land beabsichtigt, ein dem E-Government-Gesetz des Bundes entsprechendes
Landesgesetz auf den Weg zu bringen, das
zumindest teilweise auch für die Kommunalverwaltung gelten soll. Das Gesetz
setzt die Regelungen des E-GovernmentGesetzes des Bundes in Landesrecht um,
soweit dies sinnvoll erscheint. Es gilt insbesondere für die Behörden des Landes,
der Gemeinden und der Gemeinde­
verbände.
In Vorschriften für das elektronische
Verwaltungshandeln sollen die materiell rechtlichen Normen zur Förderung
und Unterstützung des E-Governments
zusammengefasst werden. Das Gesetz
soll Regeln für den elektronischen Zugang zur Verwaltung enthalten, zur Information über Verwaltungsverfahren,
zum elektronischen Bezahlen und zur
Vorlage von Nachweisen auf elektronischem Weg, ferner zur elektronischen
Akte, zur Verfahrensoptimierung und
zu elektronischen Formularen und
schließlich zur Georeferenzierung von
Registerdaten, zur elektronischen Veröffentlichung in Amts- und Mitteilungsblättern, zur Barrierefreiheit, zur Informationssicherheit sowie zur Bereitstellung, Pflege und Weiterentwicklung des
Dienstleistungsportals des Landes und
der mit ihm verbundenen zentralen
Dienste. Es soll zur Umsetzung der Standardisierungsbeschlüsse des IT-Planungsrates (Bund/Länder) verpflichten.
Weiter sollen die Organisation und die
Strukturen der Zusammenarbeit in der
Informationstechnologie innerhalb der
Landesverwaltung und zwischen Land
und Kommunen neu geregelt werden.
Foto: Rainer Sturm/PIXELIO
Für Städte, Gemeinden und Landkreise
wird sich das Gesetz auf wenige verbindliche Vorschriften beschränken,
vor allem auf
982
BWGZ 19 | 2015
− die Verpflichtung zur elektronischen
Erreichbarkeit,
− die Verpflichtung, allgemeine
Informationen über die Behörde
ins Internet zu stellen,
− die Verpflichtung, im Rahmen elek­
tronischer Verwaltungsverfahren
auch eine elektronische Bezahl­
möglichkeit anzubieten,
− die Verpflichtung im Rahmen
elektronischer Verwaltungs­
verfahren auch elektronische
­Nachweise zu akzeptieren,
− die Ermächtigung, Akten elektronisch zu führen,
− Grundstandards für die Bereit­
stellung elektronischer Daten,
− die Ermächtigung zur
­elektronischen Publikation.
Im Gesetzgebungsverfahren wird darauf
zu achten sein, dass dem Grundgedanken der Achtung der kommunalen Organisationshoheit und der staatlichkommunalen Kooperation Rechnung
getragen wird. Es ist damit zu rechnen,
dass rechtliche Grundanforderungen
Standards betreffen, die von den Mitgliedsstädten und -gemeinden ohnehin
erfüllt werden oder mit geringem Verwaltungs- und Kostenaufwand realisierbar sind.
Der Rechts-, Personal- und Europaausschuss hat eine Prüfung des Gesetzentwurfs beschlossen. Der Ausbau elektronischer Verwaltungsfunktionen (E-Government) wird grundsätzlich unterstützt.
Den Mitgliedsstädten und -gemeinden
wird empfohlen, die Herausforderungen
aktiv anzunehmen. Die konstruktive
Zusammenarbeit mit den Stellen des
Landes auf der Basis der Freiwilligkeit
soll fortgesetzt werden.
Neue Struktur für
kommunale Datenverarbeitung
Neue Herausforderungen – nicht nur
auf dem Feld des E-Government – ver-
anlassen auch die Kommunalen Rechenzentren und die Datenzentrale, eine neue Struktur des kommunalen Datenverarbeitungsverbunds anzustreben.
Ein neues, alle bisherigen Dienstleister
umfassendes Unternehmen soll sich
dem Wettbewerb am IT-Markt stellen
und sich als wirtschaftlich erfolgreicher
Partner der Städte und Gemeinden im
Land präsentieren.
Land und Kommunen
brauchen Geodaten
Stadtplanung, Dorfentwicklung, eigentlich jede nachhaltige Planung in unseren Städten und Gemeinden braucht als
Basis Daten über die Ausgangslage. Besser noch: Daten, aus denen künftige
Entwicklungen abschätzbar werden.
Solche Daten werden heute in der Regel
digital recherchiert, verarbeitet und grafisch aufbereitet. Das gilt nicht zuletzt
und zunehmend auch für geographische Daten, also solche mit Bezug zu
einem Standort.
Viele Beteiligte, nicht nur die Kommunalverwaltung, brauchen solche Geodaten. Die Idee einer gemeinsamen
staatlich-kommunalen Geodateninfrastruktur war und ist also richtig. Sie
bietet Chancen für Landesbehörden,
die Kommunalverwaltung und nicht
zuletzt für die politische Steuerung auf
allen Ebenen.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
unterstützt daher die Entwicklung einer staatlich-kommunalen GeodatenBasis. Städte und Gemeinden sollten
sich des Themas intensiv annehmen.
Es gilt Pflichten zu erfüllen: Einige digital vorhandene Geodaten müssen
aufbereitet und zur gemeinsamen Nutzung in einem Datenportal zur Verfügung gestellt werden; z.B. Bebauungspläne. Entscheidend aber kommt es
darauf an, von der technologischen
Entwicklung nicht abgehängt zu werden und in der Kooperation mit anderen öffentlichen Stellen nicht zum
Bremser zu werden. Jede Stadt, jede Gemeinde ist an kurzen Verfahren auf sicherer Informationsbasis interessiert,
vor allem wenn sie selbst betroffen
oder Herrin des Verfahrens ist.
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Geschäftsbericht
Personal
Streikrecht und Daseinsvorsorge
Nach 2009 wurden 2015 wieder viele
kommunale Kindertagesstätten bestreikt. Auch nicht dem Kommunalen
Arbeitgeberverband angehörende Städte
und Gemeinden waren teilweise Zielscheibe der Arbeitskämpfe. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat sich 2012
dafür ausgesprochen, den Gesetzentwurf
einiger Universitätsprofessoren zur Regelung des Streikrechts in Unternehmen
der Daseinsvorsorge von kommunaler
Seite zu unterstützen. Um eine gesetz­
liche Regelung des Streikrechts war es
dann aber still geworden. 2015 bereitete
die Bundesregierung, wie in der Koalition vereinbart, einen Gesetzentwurf zur
Regelung der Kollision von Tarifverträgen konkurrierender Gewerkschaften
vor (Tarifeinheitsgesetz). Gelegenheit,
das kommunale Anliegen zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge einzubringen.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund
hat den Vorschlag des Gemeindetags Baden-Württemberg aufgegriffen und eine
Regelung des Verfahrens bei Streiks in Betrieben der Daseinsvorsorge gegenüber
dem Bundesarbeitsministerium vertreten.
Es geht insbesondere um eine angemessene Ankündigungsfrist und die Gewährleistung einer über eine Minimalversorgung hinaus gehende Betriebsfähigkeit.
Die Initiative war sofort umstritten. Die
Bundesregierung verweigert auch in diesen Fragen eine gesetzliche Regelung des
Streikrechts. Da immer häufiger – und in
Deutschland völlig ungewohnt – die Verlässlichkeit öffentlicher Dienstleistungen durch Streiks erheblich beeinträchtigt ist, wird die Initiative des Gemeindetags und des DStGB auch von anderen
aufgegriffen. So liegt dem Bundestag die
Petition einer Elterngruppe vor, die eine
gesetzliche Regelung verlangt.
Bildungsurlaub
Gegen das Votum der kommunalen
Landesverbände und der Wirtschaft hat
der Landtag im März 2015 ein Bildungszeitgesetz beschlossen, das Beschäftigten bezahlte Freistellung für berufliche
984
BWGZ 19 | 2015
und politische Weiterbildung oder Qualifizierung für ein Ehrenamt gewährt.
Der Anspruch auf Bildungsmaßnahmen
nach Wahl der Beschäftigten besteht im
Umfang von fünf Arbeitstagen pro Jahr.
Die Erfahrung aus dreizehn Bundesländern zeigt, dass eine gesetzliche Regelung der Weiterbildung sich nicht bewährt hat und in Einzelfällen zu unsinnigen Konflikten führt. Dem zunehmenden Fachkräftemangel kann man
mit Bildungsurlaub nicht begegnen. Die
Weiterbildung ihrer Beschäftigten ist
den Städten und Gemeinden wichtig, so
der Gemeindetag. Er hält das „Bildungszeitgesetz“ daher für völlig unnötig.
Mindestlohn
Vom Mindestlohngesetz sind Städte und
Gemeinden nicht betroffen – meistens
nicht. Es gibt aber durchaus Einzelfälle,
in denen zu prüfen ist, wie den Anforderungen des Mindestlohngesetzes Rechnung getragen wird. Es geht dabei vor
allem um die Beschäftigung von Praktikanten, den Stücklohn für Amtsblattausträger und die Dokumentation der Arbeitszeit für Minijobber. Daher wird zu
prüfen sein, welche Vorschläge das Bundesarbeitsministerium zur Entbürokratisierung des gerade erst in Kraft getretenen Gesetzes machen wird.
Arbeitnehmerüberlassung
Die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vom 01.12.2011
(BGBl. I Seite 642) führte dazu, dass Personalgestellungen/Personalleihe durch
öffentliche Arbeitgeber nach den Bestimmungen des AÜG erlaubnispflichtig wurden. Die Rechtslage ist unverändert ein wesentliches Hindernis für eine
unbürokratische interkommunale Zusammenarbeit.
Auf Initiativen des Gemeindetags Baden-Württemberg und anderer kommunaler Landesverbände wurde im
Bundesrat ein Antrag auf Herausnahme öffentlicher Körperschaften aus
dem Geltungsbereich des AÜG beantragt (BR-Drs. 745/13). Federführend
war Rheinland-Pfalz. Der Bundesrat
hat dazu am 29.11.2013 (BR-Drs.
745/13 – Beschluss) beschlossen:
„Der Bundesrat fordert die Bundesregierung
auf,
1.zu überprüfen, ob und in welchem Umfang die Vorschriften des AÜG auf die
Personalgestellung und Abordnung nach
den Regelungen des TVöD und des TV-L
Anwendung finden und welche Konsequenzen dies für bestimmte Fallkonstellationen der Personalgestellung und Abordnung hat;
2.unverzüglich zu regeln, dass öffentlichrechtliche Gebietskörperschaften im
Hinblick auf Personalgestellungen und
Abordnungen nicht in den Anwendungsbereich des AÜG fallen,
hilfsweise für die vorgenannten Rechts­
träger ein vereinfachtes und kostenfreies
Verfahren für die Erteilung einer unmittelbar unbefristeten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis einzuführen.“
Die Bundesregierung hat die Aufforderung bisher ignoriert. Auf Anregung des
Gemeindetags Baden-Württemberg
greift der Deutsche Städte- und Gemeindebund das Anliegen erneut auf.
Personalvertretungsrecht
Einhellig abgelehnt wurde der Gesetzentwurf, den die Landesregierung am
6. November 2013 in den Landtag eingebracht hat. Zum Personalvertretungsrecht fand fast keines der Argumente
der kommunalen Landesverbände und
des Kommunalen Arbeitgeberverbands
Berücksichtigung. Dagegen werden
weitgehende Wünsche der Gewerkschaften erfüllt.
Die LPVG-Novelle führte zu einer Verdoppelung der Freistellungen für die
Personalräte sowie zu mehr und schwierigeren Beteiligungsverfahren. Die
Kommunalverwaltungen werden damit, das zeigt die Praxis immer deutlicher, ausgebremst und mit hohen Kosten belastet. Die Verbände hatten im
Vorfeld Vorschläge für ein schlankes,
zeitgemäßes und rechtssicheres Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst
gemacht. Angesichts der von der Landesregierung immer wieder vorgetragenen Einsparerfordernissen ist nicht
nachvollziehbar, warum das Land diese
Vorschläge nicht aufgegriffen hat. Anlass zu einer umfassenden Novelle hätte
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
allenfalls eine für alle Anwender des
Landespersonalvertretungsrechts wünschenswerte Rechtsvereinfachung gegeben. Stattdessen wurde das geltende
Recht weiter verkompliziert. Durch zusätzliche Beteiligungsverfahren, Erschwernisse, Gremien und Freistellungen wurde das vom Land postulierte
Ziel des Bürokratieabbaus konterkariert.
Besoldung der Wahlbeamten
Eine weitere Änderung des Kommunalbesoldungsgesetzes hat der Landtag auf
Initiative der Regierungsfraktionen am
15. Oktober 2014 beschlossen. Damit
wurde – bundesweit einmalig – ein Anreizbonus für Bürgermeister ab der dritten Amtszeit eingeführt.
Ferner wurden strukturelle Verbesserungen der Einstufung der Bürgermeister in
Städten ab 30.000 Einwohner sowie für
Landräte und Beigeordnete beschlossen. Nach den Anhebungen der Bürgermeisterbesoldung in den kleineren Größenklassen 2000 und 2010 sind damit
die Bürgermeisterstellen durchgehend
höher bewertet. Für die Beigeordnetenstellen konnte der frühere Abstand zu
den volksgewählten Bürgermeistern einerseits und zu den höchstzulässigen
Stellen für Laufbahnbeamte wieder hergestellt werden.
Altersgrenze für Bürgermeister
Den Überlegungen des Ministerpräsidenten zur Streichung der Altersgrenzen für Bürgermeister hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zugestimmt.
Nun kommt es aber darauf an, konkrete Vorschläge vorzulegen. Den sehr
weitgehenden Gesetzentwurf der FDPFraktion haben alle anderen Fraktionen des Landtags abgelehnt. Erwartet
wird ein Regierungsentwurf – oder ein
Entwurf der die Regierung tragenden
Fraktionen – nach der Sommerpause.
Wie die Fraktionen der Grünen und der
SPD mitteilen, soll die Altersgrenze für
die Wahl zum Bürgermeister auf 67 Jahre erhöht und den so Gewählten die
Möglichkeit gegeben werden, bis zur
Vollendung des 73. Lebensjahres im
Amt zu bleiben. Jede Änderung wird
aber wohl nur für neu gewählte Wahlbeamte gelten können; eine nachträgliche Verlängerung der Wahlperiode
begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Fachkräftemangel
verändert Personalpolitik
Zunehmender Fachkräftemangel in
vielen kommunalen Berufen verändert die Personalpolitik vieler Städte
und Gemeinden. Der demografische
Wandel bedingt eine intensivere Befassung mit Personalentwicklung und
Personalmarketing. Das vom Gemeindetag Baden-Württemberg nachhaltig
unterstützte Förderprogramm der Robert Bosch Stiftung „Die Kommunalverwaltung Baden-Württemberg im
Zeichen des demografischen Wandels“
ist 2014 in die zweite Runde gegangen.
Im Rahmen dieses Programms haben
sich inzwischen 20 Städte und Gemeinden aller Größenklassen auf den
Weg gemacht, sich den aktuellen He­
rausforderungen mit zeitgemäßen Antworten zu stellen. Diese Vorreiter haben verstanden, dass die traditionell
hohe Dienstleistungsqualität unserer
Städte und Gemeinden nur gehalten
werden kann, wenn es gelingt, qualifizierte und motivierte Nachfolgerinnen und Nachfolger für die in großer
Zahl anstehenden altersbedingten Abgänge zu gewinnen.
Kritik an Besoldungspolitik
Kritisch hat sich der Gemeindetag Baden-Württemberg bei vielen Gelegenheiten zur Besoldungspolitik der Landesregierung geäußert. Die negative Signalwirkung, die von einer Absenkung
der Eingangsbesoldung ausgeht, konterkariere alle kommunalen Anstrengungen, ihre Wettbewerbsfähigkeit am Ausbildungsmarkt zu erhöhen. Die Taktik
der Verzögerung und Kürzung von Besoldungserhöhungen zulasten der Leistungsträger schade der Motivation und
störe das Leistungsprinzip, so der Gemeindetag mehrfach. Der Verband
warnte davor, den Landeshaushalt
durch Eingriffe in die Besoldungsentwicklung sanieren zu wollen, statt durch
Aufgabenkritik strukturelle Verbesserungen anzustoßen.
Kopftuchverbot
Ähnlich wie für Lehrkräfte in Schulen
galt für Erziehungskräfte in kommunalen Kindertagesstätten bisher ein gesetzliches Verbot „äußerer Bekundungen“
in politischer, religiöser oder weltanschaulicher Hinsicht. Gemeint war damit vor allem das von einigen Musliminnen aus religiösen Motiven getragene Kopftuch.
Gemeindetag Baden-Württemberg
985
Geschäftsbericht
Städte und Gemeinden sind von dem
zweiten Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts vor allem als Kindergartenträger betroffen. Denn als Schulträger
haben sie keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Lehrerkollegiums und
gegenüber Lehrkräften keine Führungsfunktion. Zu berücksichtigen ist auch,
dass § 7 Abs. 8 KiTaG eine personalrechtliche Vorschrift ist, sie gilt nicht für die
Gestaltung des Betriebsablaufs.
Kommunalen Arbeitgebern fällt es natürlich schwer, fachlich qualifizierte und
charakterlich geeignet erscheinende Bewerberinnen abzuweisen, nur weil sie ein
Kopftuch tragen wollen. In solchen Fällen
ist ihnen daran gelegen, zunächst in einer
Probezeit beobachten zu können, wie
sich solche Erzieherinnen in der Kita-Praxis bewähren. Auch wenn bereits länger
beschäftigte muslimische Erzieherinnen
sich für ein Kopftuch entscheiden, wollen
Kommunen darauf im Einzelfall angemessen und nicht nur schematisch mit
Kündigung reagieren können.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg
hat in seiner Beratungspraxis – in wenigen Einzelfällen – bereits bisher die Auffassung vertreten, § 7 KiTaG lasse im
Gegensatz zu § 38 SchG den kommunalen Arbeitgebern einen gewissen Beurteilungsspielraum; er hat sich dabei auf
die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie gestützt. Die veränderte
Rechtslage kommt den kommunalen
Arbeitgebern insoweit entgegen.
986
Deutsch–griechische
kommunale Zusammenarbeit
Viele Bürgermeister aus Baden-Württemberg haben im Oktober 2013 zum Gelingen der Vierten Deutsch-Griechischen
Versammlung beigetragen. Beeindruckend viele griechische Kommunalpolitiker haben den Weg zur DGV nach Nürnberg genommen. Von deutscher Seite
wurde das als ermutigendes Signal für die
weitere Zusammenarbeit gewertet.
Foto: Konstantinos Dafalias/PIXELIO
Zulässig war dagegen das Tragen christlicher Symbole. Dem ist, in Abänderung
seiner früheren Rechtsprechung, das
Bundesverfassungsgericht mit seinem
Beschluss vom 27.01.2015 entgegengetreten. Eine nur abstrakte Gefährdung
der Trägerneutralität genügt demnach
nicht für ein „Kopftuchverbot“. Das Gericht verlangt eine Einzelfallprüfung; es
müsse zumindest eine hinreichend konkrete Gefahr für Schutzgüter vorliegen.
Der Beschluss hat zu einer vorläufigen
Regelung des Kultusministeriums und
zu einem Gesetzentwurf geführt, mit
dem das Schulgesetz und das Kinder­
tagesstättengesetz verfassungskonform
im Sinne des Gerichtsbeschlusses geändert werden sollen.
BWGZ 19 | 2015
In den zahlreichen Gesprächen zwischen deutschen und griechischen Bürgermeistern und Vertretern der Gemeinden wurde die gewachsene Verbundenheit deutlich. Intensive Gespräche zeigten, dass man zukünftig gemeinsam
vorankommen will. Am Rande der DGV
sind viele Anstöße für neue Projekte
und Partnerschaften gegeben worden.
Die Initiativen dazu gingen von beiden
Seiten aus, weil alle Beteiligten diesen
kommunalen Austausch als Bereicherung sehen. Im Laufe eines Jahres ist es
gelungen, in zahlreichen Bürgermeistergesprächen ein besseres Verständnis für
die Situation der griechischen Regionen
und Kommunen zu vermitteln.
Gebremst wurde der Ausbau der gemeinsamen kommunalen Projekte durch die
Kommunalwahlen in Griechenland, vor
allem aber durch den Regierungswechsel
in Athen. Während einige laufende Projekte erfolgreich weiterlaufen können,
herrscht Unsicherheit hinsichtlich neuer
Projekte. Vor allem wäre eine klare Positionierung des griechischen Städteverbands (KEDE) und der griechischen Regierung einer weiteren kommunalen Zusammenarbeit sehr förderlich. Sie steht
noch aus. Eine Gelegenheit, die gemeinsame Sache voran zu bringen, bietet sich
bei der für 5. und 6. November 2015 in
Berlin geplanten fünften Deutsch-Griechischen Versammlung.
Das Europabüro der
baden-württembergischen
Kommunen 2014/15
Das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen in gemeinsamer Trägerschaft der drei kommunalen
Landesverbände Baden-Württembergs
nimmt auch in den Jahren 2014 und
2015 eine Scharnierfunktion zwischen
der kommunalen und der europäischen Ebene ein. Von besonderem
Wert ist dabei die Zusammenarbeit innerhalb der Bürogemeinschaft der bayerischen, baden-württembergischen
und sächsischen Kommunen sowie der
kommunalen Familie in Brüssel. Der
Berichtszeitraum stand im Zeichen der
neuen Legislatur- und Amtsperiode der
EU-Organe und -Institutionen. Außerdem steht das Europabüro mit Dr. Martin Silzer unter einer neuen Leitung.
Außerdem konnte das 2,6 Stellen umfassende Team im April 2015 Sibylle
Walker als neue Büro- und Verwaltungs­
assistentin begrüßen.
Aufgabenbereich Information
Rechtzeitige und vollständige Information ermöglicht es den kommunalen
Landesverbänden Baden-Württembergs, Einfluss auf den EU-Rechtsetzungsprozess zu nehmen. Zentrales Informationsmedium ist der im Sommer
2014 grundlegend überarbeitete kommunale Newsletter „Brüssel Aktuell“. Er
hält Verwaltungsmitarbeiter und kommunale Mandatsträger über aktuelle
rechtspolitische und fördermittelrelevante Entwicklungen auf EU-Ebene auf
dem Laufenden.
Thematisch war aus kommunaler Sicht
die Fortentwicklung des Beihilferechts
von besonderer Bedeutung. Die Bestrebungen der Kommission, Beihilferecht
und Beihilfekontrolle zu modernisieren,
fanden im Verlauf des Jahres ihre weitgehende Vollendung. Unter der neuen „deMinimis-Verordnung“ und erleichterten
Gruppenfreistellungen müssen weit weniger Vorhaben vorab durch die Kommission genehmigt werden. Eine umfassende Definition des Beihilfebegriffs
steht allerdings noch aus, da die Kommission trotz einer Konsultation im ers-
Gemeindetag Baden-Württemberg
Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
Das zentrale politische Ereignis des Jahres 2014 stellte die Wahl zum Europä­
ischen Parlament im Mai 2014 dar, der
nicht nur angesichts der Eurokrise, sondern auch wegen der erstmaligen Aufstellung gesamteuropäischer „Spitzenkandidaten“ durch die europäischen
Parteifamilien. Schließlich setzte sich
mit Jean-Claude Juncker (LU) in der Tat
der Frontmann der stärksten Fraktion
im neuen Europaparlament, der Europäischen Volkspartei (EVP), durch.
Auch im neuen Parlament werden die
meisten Mehrheiten auf einer großen
Koalition der EVP mit der Progressiven
Allianz der Sozialisten und Demokraten
im Europäischen Parlament (S&D) in
der Mitte basieren. Dieser Trend verstärkt sich durch das Erstarken der Fraktionen an den Rändern des politischen
Spektrums.
Die Kommission Juncker, die im November 2014 ihre Arbeit aufnahm, reagierte auf die Herausforderungen und
die zunehmenden EU-kritischen Stimmen mit einer thematischen Konzentration auf zehn Schlüsselvorhaben. Entsprechend organisierte sich die Kommission erstmalig in thematischen
Clustern, bei denen die Vize-Präsidenten die Koordinierung der zentralen Arbeitsfelder übernehmen und ihnen die
thematisch zugehörigen „Fachkommissare“ mit ihren Generaldirektionen zuarbeiten. Die Schwerpunktsetzung der
Kommission auf die bessere Rechtsetzung, eine Transparenzoffensive, die
Vollendung des digitalen Binnenmarkts, die Schaffung einer Energieunion, die Umsetzung einer gemeinsamen
Migrationsagenda, die Revision der
Kreislaufwirtschaft, den Abschluss der
Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP und ein Anschubprogramm für Investitionen in
der Europäischen Union („EFSI“) kann
für die Kommunen spannende Entwicklungen mit sich bringen. Bis zum Sommer 2015 arbeitete die EU-Kommission
vor allem Strategien aus, denen in den
kommenden Monaten und Jahren konkrete Rechtsetzungsvorschläge folgen.
Gemeindetag Baden-Württemberg
Der Ausbau digitaler Netze, aber auch
die Unterstützung von „eGovernance“
z.B. sind Prioritäten bei der Vollendung
des digitalen Binnenmarkts.
In der Migrationspolitik, die die Kommunen vor große Herausforderungen
stellt, hat die EU-Kommission geliefert:
Im Mai 2015 gab sie die Mitteilung „Eine europäische Migrationsagenda“ heraus. Darin finden sich u.a. Umsiedlungs-, Neuansiedlungs- und Rückführungspläne sowie Ausführungen dazu,
wie die Umsetzung des Gemeinsamen
Europäischen Asylsystems optimiert
werden sollte. Die EU-Kommission
strengte daraufhin erste Schritte zur
Umsetzung der Mitteilung an.
Zu ihrem Maßnahmenpaket zählen u.a.
ein Vorschlag für einen Ratsbeschluss
über vorläufige Umsiedlungsmaßnahmen zugunsten von Italien und Griechenland. Deutschland würde so in den
kommenden zwei Jahren 8.763 Antragsteller übernehmen. Außerdem folgte eine Empfehlung für ein europäisches Neuansiedlungssystem. Deutschland würde
demnach in den kommenden zwei Jahren 3.086 Flüchtlinge vom UNHCR übernehmen und dafür AMIF-Mittel erhalten.
Außerdem startete sie mit Blick auf den
Fachkräftemangel eine öffentliche Konsultation „zur Blauen Karte EU und zur
Arbeitsmigrationspolitik der EU“.
BWGZ 18 | 2015
30. September 2015
138. Jahrgang
DIE GEMEINDE
Zeitschrift für die Städte und Gemeinden
Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg
Europa
Postvertriebsstück DPAG, Entgelt bezahlt, E 7351 | Gemeindetag Baden-Württemberg | Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart
ten Halbjahr 2014 angesichts von Unstimmigkeiten mit den Mitgliedstaaten
den Prozess vorerst auf Eis gelegt hat.
Aufgabenbereich Interessenvertretung
Ein wichtiger Einflusskanal ist die fachliche Beteiligung an Konsultationsverfahren in frühen Stadien des Gesetzgebungsprozesses. Das Europabüro koordiniert die
fachlichen Beiträge der Geschäftsstellen
und arbeitet Stellungnahmen zu den einschlägigen Politikfeldern aus.
Neben Konsultationsbeiträgen zu den
Themen
− Halbzeitbewertung des Verkehrsweißbuchs von 2011,
− Überarbeitung der Arbeitszeit­
richtlinie,
− Überprüfung bestehender MwStRechtsvorschriften zu öffentlichen
Einrichtungen und Steuer­
befreiungen für dem Gemeinwohl
dienende Tätigkeiten,
− Novellierung des EU-Abfallrechts,
− Trinkwasserqualität in der EU,
− Entwurf des Leitfadens zum
­Transparenz-Register,
− Leitlinien der Kommission für
­Konsultationen der Interessenträger,
− Leitlinien der Kommission für
die Folgenabschätzung,
− urbane Dimension der EU-Politik:
Schlüsselaspekte der EU-Städteagenda
stand die Thematik der internationalen
Handelsabkommen, die derzeit auf EUEbene diskutiert und verhandelt werden, im Fokus der Aktivitäten. Zahlreiche Anfragen aus den Kommunen in
Baden-Württemberg belegen nicht nur,
wie groß der Informationsbedarf zu den
Auswirkungen der „transatlantischen
Handels- und Investitionspartnerschaft“ der EU mit den USA (TTIP) ist,
sondern auch, dass hier zentrale Belange der kommunalen Selbstverwaltung
tangiert werden könnten.
Um in der Frage kommunaler Betroffenheit und möglicher Auswirkungen auf
die Daseinsvorsorge Klarheit zu erhalten,
verfolgte das Europabüro die laufenden
Verhandlungen zu TTIP auf Brüsseler
Ebene intensiv. Erfreulicherweise sprach
sich zuletzt auch der Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) des Europä­
ischen Parlaments dafür aus, die Wasserversorgung explizit vom Freihandelsabkommen auszunehmen. Das Europa­
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Geschäftsbericht
BWGZ 19 | 2015
büro hat in Zusammenarbeit mit den
Geschäftsstellen der KLV einen ausführlichen Fragenkatalog ausgearbeitet, der
inzwischen durch die EU-Kommission
und Fraktionen des Europäischen Parlaments beantwortet wurde.
Im Zuge der Transparenz-Offensive der
neuen Kommission ist ein Eintrag in das
Europäische Transparenz-Register, ein
Online-Verzeichnis aller Lobby-Gruppen, inzwischen durch ein Anreizsystem, das eher als Sanktionssystem anzusehen ist, de facto obligatorisch. Der
nicht nur physische Zugang zu den In­
stitutionen ist für diese Akteure ohne
einen Eintrag im Register erheblich erschwert. Leider sehen sich auch das Europabüro und die vertretenen Kommunalverbände mit der Neuregelung zur
Registrierung angehalten.
Die Zusammenarbeit in Brüssel kann
nur in Kooperation gelingen. Hierbei
sind die kommunalen Spitzenverbände
besonders hervorzuheben. So organisierte das Europabüro des DStGB z.B. im
November 2014 gemeinsam mit der Büro­
gemeinschaft erneut eine historische
Veranstaltung zur „Kommunalverfassung der Bismarckzeit“.
Aufgabenbereich Stärkung der
Europafähigkeit der Kommunen
Wie in den vorherigen Jahren leistete
das Europabüro auch 2014/15 Unterstützung bei der Organisation von Informationsfahrten (Spitzenwert 2014:
35) aus dem ganzen Spektrum kommunaler Akteure nach Brüssel. Für 2015 ist
mit einer ähnlich hohen Zahl zu rechnen. Auch die kommunalen Landesverbände suchten auf Ebene der Präsidenten/Hauptgeschäftsführer wiederholt
den fachlichen und politischen Austausch in Brüssel – u.a. mit den Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus Baden-Württemberg und mit dem
nunmehr für digitale Wirtschaft und
Gesellschaft zuständigen Kommissar
Günther H. Oettinger. Nachdem der Gemeindetag Baden-Württemberg 2014
die Federführung des Europabüros innehatte, warb bei der Veranstaltung der
Bürogemeinschaft zu „5 Jahren Lissabon-Vertrag“ im November 2014 Präsi-
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dent Roger Kehle selbst gegenüber der
EU-Kommission für eine bessere Berücksichtigung der kommunalen Ebene.
Auch in den Fachausschüssen der kommunalen Landesverbände wie auch bei
einzelnen Kommunen trägt das Europabüro durch Vortragstätigkeit zu aktuellen kommunalrelevanten europapolitischen Entwicklungen zur Stärkung der
Europafähigkeit der Kommunen bei.
Schließlich führt das Europabüro die
Vorab-Beratungstätigkeit für interessierte Kommunen hinsichtlich möglicher
EU-Fördergelder fort. Die 2014 begonnene Förderperiode war Anlass für die
grundlegende Überarbeitung des Förderleitfadens für die baden-württembergischen Kommunen.
Überarbeitung des
kommunalen Aktenplans –
„Kommunaler Aktenplan ‘21“
Bereits in vergangenen Ausgaben der
BWGZ wurde umfassend über die Überarbeitung des landeseinheitlichen kommunalen Aktenplans durch die Herausgeber Gemeindetag Baden-Württemberg und Landkreistag Baden-Württemberg informiert.
Es ist vorgesehen, eine Neuauflage des
Aktenplans, der auch unter dem Namen „Boorberg-Aktenplan“ bekannt
ist, Anfang des Jahres 2016 zu veröffentlichen. Dabei ist keine generelle
Abkehr von der bisherigen Ordnungssystematik vorgesehen. Die hierarchische Systematik mit der bewährten
Hauptgruppenstruktur (0 – 9) soll erhalten bleiben. Es gilt jedoch, thematisch auf den neuesten Stand zu kommen und den Aktenplan darüber hi­
naus auch für die Ansprüche moderner
Dokumentenmanagementsysteme und
damit letztlich für das „papierlose Büro“
fit zu machen.
Für jede bestehende Hauptgruppe gibt
es fachlich federführende Ansprechpartner, die Anregungen aus der Praxis
jederzeit gerne aufnehmen. Die Mitgliedsstädte und -gemeinden des Gemeindetags werden über die Ansprechpartner im Einzelnen über die Gt-info
informiert. Der Aktenplan soll künftig
außerdem regelmäßig fortgeschrieben
und aktualisiert werden. Die Heraus­
geber Gemeindetag und Landkreistag
werden dazu einen dauerhaften Redaktionskreis einsetzen.
Az. 036.15
Gemeindetag Baden-Württemberg