SCHWERPUNKT Foto: Joachim Budde 14 Buntes Pixelbild: Hier wird das Spiel mit Licht und Schatten zum Erlebnis. Phänomen Licht Faszination in Rot, Grün und Blau Erhellend: In der »Phänomenta« in Lüdenscheid können Besucher selbst experimentieren und dabei Licht in seine Farben zerlegen 15 Westfalenspiegel 6-2015 Foto: Joachim Budde 16 Johannes Pöpping, Geschäftsführer der Phänomenta Lüdenscheid, neben dem »Lichtspiel« von Paul Friedlander W ie funktioniert denn das?« – diese Frage hört Dr. Johannes Pöpping häufig. Dass sie von Ingenieuren und Technikern kommt, bereitet dem Geschäftsführer der »Phänomenta« in Lüdenscheid diebisches Vergnügen. Was die Besucher an diesem Nachmittag so fasziniert, ist das »Lichtspiel« – halb Kunstinstallation, halb Wissenschaft. Eine Wellenlinie aus Licht, die sich vom Boden bis zur Decke windet, sich dreht und ständig die Farbe ändert. Mal sind es Blau-, dann eher Grüntöne, dann alle Farben des Regenbogens. Der »Phänomenta«-Chef beugt sich über das Geländer, das die Spirale umgibt, und greift hinein: »Ein weißes Gummiseil«, sagt er und zieht es zu sich heran: »Es wird von unten beleuchtet.« Gut 30 Führungskräfte von Phoenix Feinbau, einer Lüdenscheider Spezialfirma für Metallverarbeitung, machen ihren jährlichen Ausflug diesmal in das Science-Center. Lauter Männer und eine Frau mit bestem technischen Hintergrund lassen sich gefangen nehmen von den Experimentierstationen, die im Halbdunkel vor den schwarzen Betonwänden gut zur Geltung kommen. So ist es schon den Schulkindern ergangen, die an diesem Morgen begeistert alles ausprobiert haben. In der »Phänomenta« gibt es viel zu lernen über alle möglichen technischen und physikalischen Effekte, nicht nur rund ums Licht. Das Besondere: Die Besucher lernen hier so ganz anders, als sie es aus dem Schulunterricht kennen: »Sie können sich spielerisch damit auseinandersetzen, ohne dass wir irgendetwas vorgeben«, sagt Johannes Pöpping, »und man darf alles anfassen.« Im Schummerlicht fühlen sich zudem auch die unbeobachtet beim Experimentieren, die im Physikunterricht zu schüchtern sind. Die Besucher lassen sich von Johannes Pöpping erklären, wie das »Lichtspiel« funktioniert. Das weiße Gummiband ist im Prinzip eine ganz schmale Leinwand, die rasend schnell durch farbiges Licht kreiselt. Drei Lampen – in Lüdenscheid lernt man schnell, dass das korrekt ›Leuchten‹ heißen muss – strahlen die in Regenbogenfarben schillernde Spirale von unten an. Jede enthält drei Leuchtelemente in den Grundfarben des Lichts: Rot, Grün und Blau. Daraus lassen sich alle Farben mischen. Strahlen sie alle gleich hell, kommt ein weißer Ton heraus. Sind die drei Farben aus dem Gleich- Foto: Joachim Budde Foto: Guido Raith/Phänomenta Mitmachen erwünscht: Besucherinnen am »Farbmischer« Kaleidoskop in 30 Meter Höhe gewicht, wird ihr Licht und damit die Spirale bunt. Die Lampen flackern sehr schnell und ändern dabei ständig ihre Farben, aber das sieht der Betrachter nicht. »Das Auge ist zu träge«, sagt Johannes Pöpping. In welchen Farben das Licht spielt, können die Besucher mit einem Fingertipp auf einem Monitor bestimmen. Der in London lebende Künstler und Physiker Paul Friedlander hat die Installation für die »Phänomenta« entworfen. »Darauf sind wir ein bisschen stolz«, sagt Johannes Pöpping. Wer das mit den Grundfarben des Lichts ein bisschen langsamer und kontrollierter nachvollziehen möchte, kann das am »Farbmischer« tun: An dieser Station zeigen vier kleine Paneele Farben, die die Besucher auf dem großen Paneel aus Rot, Grün und Blau nachmischen sollen. Lichtstrahlen sind elektromagnetische Wellen. Man kann sie sich wie winzige Versionen der Welle des »Lichtspiels« vorstellen: In den Wellentälern und -bergen bewegt sie sich heftig, dazwischen liegen Punkte, die Wellenknoten, die stillstehen. Der Abstand zwischen zwei Knoten ist die Wellenlänge. Beim »Lichtspiel« misst er mehr 17 Lüdenscheid Stadt des Lichts Licht und Lichttechnik spielen in Lüdenscheid in Industrie und Forschung eine große Rolle. Weltweit agierende Unternehmen wie Erco sitzen hier. Seit dem Jahr 2000 profiliert sich Lüdenscheid daher als »Stadt des Lichts«. Das Lichtkunstfestival »LichtRouten« fand bereits sechsmal statt und soll 2018 – zum 750-jährigen Stadtjubiläum – wiederaufgelegt werden. Lichtinszenierungen illuminieren Gebäude, Wege und Plätze und mithilfe des »Masterplans Licht« wurde die Stadtbeleuchtung energetisch saniert, Leuchtentypen und Lichtfarben aufeinander abgestimmt. 2016 sollen die Christuskirche und eine Brücke zur »Phänomenta« mit Lichtdesign in Szene gesetzt werden. maz www.lichtrouten.de als einen halben Meter. Beim sichtbaren Licht ist er zehn Millionen Mal kürzer. Die Wellenlänge liegt zwischen 640 Nanometer für rotes und 380 für blaues Licht. Dass Lichtstrahlen verschiedener Farbe unterschiedlich schnell schwingen, macht man sich beim Experiment nebenan zunutze: Denn Licht kann dem Betrachter viel verraten, zum Beispiel über die Beschaffenheit seiner Quelle. An der Station »Spektroskop« kann man fünf verschiedene Lichtquellen durch ein Instrument betrachten, das auf den ersten Blick aussieht wie eine ganz normale Lupe. Doch statt eines Vergrößerungsglases schaut man hier durch eine Regenbogenfolie, die das Licht – wie ein Prisma – in seine Farben zerlegt. Dass dabei ein Farbverlauf entsteht, liegt daran, dass die Regenbogenfolie das langsamer schwingende rote Licht weniger 18 stark ablenkt als das schnelle blaue und alle anderen Farben dazwischen. Die Farbverläufe unterscheiden sich je nach Lichtquelle: Bei der guten alten Glühbirne mit ihrem glühenden Wolframdraht sind fast alle Farben im Verlauf zu sehen – wie ein Regenbogen. Bei der Energiesparlampe, noch mehr aber bei den Gasentladungslampen, die mit Helium und Neon arbeiten, sind nur farbige Striche zu sehen. Dem Licht dieser Birnen fehlen manche Farben, dem Neonlicht zum Beispiel das Grün. Diesen Effekt nutzen Astronomen schon seit langem. Denn wenn sie das Licht eines fernen Sterns in die Spek tralfarben zerlegen, können sie sagen, aus welchen Elementen er besteht, wie heiß er ist, wie schnell er sich dreht und wie sein Magnetfeld beschaffen ist. Wie kann dann eine Leuchtstoffröhre weiß leuchten? Das kann man in der Westfalenspiegel 6-2015 Foto: Erco Mehrfach ausgezeichnet: Das Hochregallager »P3« »Phänomenta« an einer Leuchtstoffröhre sehen, die halb weiß beschichtet und halb durchsichtig ist. Der Strom bringt das Gas im Innern der Glasröhre zum Leuchten. Das ist – wie man bei der durchsichtigen Hälfte der Röhre sehen kann – eigentlich blau. Die Energie, die bei dieser Gasentladung frei wird, bringt ihrerseits die weiße Beschichtung zum Leuchten. Nach dem gleichen Prinzip machen es auch moderne Leuchtdioden. Denn auch die bestehen aus Materialien, die selbst kein weißes Licht erzeugen können. Weil es hier um Licht geht, hat der komplette Neubau der »Phänomenta« nur zwei Fenster. Wer hinausschauen will, muss in den Altbau gehen, ein umgewandeltes »Fabriksken«, wie man früher hier in Südwestfalen sagte. Der zweistöckige Backsteinbau in Weiß und Rot verschwindet beinahe neben dem 70 Meter hohen Turm aus Leinwand und Stahlrohren, der die »Phänomenta« zum weithin sichtbaren Wahrzeichen Lüdenscheids gemacht hat, auch nachts, da wird er von innen angestrahlt. In dem Turm hängt ein Foucaultsches Pendel. Mit dessen Hilfe kann man die Erdrotation veranschaulichen. Aber das hat nichts mit Licht zu tun. Doch dieser Tage bekommt auch das Pendel einen Bezug zum Licht, denn bald ist ein weiteres Highlight der Ausstellung fertig: Wenn die eigens dafür angefertigten Glasscheiben eingebaut sind, kann man sich unterhalb des Turmes auf eine Liege legen und hinaufschauen, dorthin, wo das Pendel an einer bunten Scheibe aus Licht aufgehängt ist. Bei jedem Schwung ändert sie ihre Farben. »Wir bekommen Europas größtes Kaleidoskop«, sagt Pöpping, und in seiner Stimme schwingt ein bisschen Stolz mit. »Licht und Schatten« heißt der Teil der Phänomenta, den die Techniker und Ingenieure gerade gründlich erkunden. Dass es hier gerade rund ums Licht so viele Experimente gibt, hat auch etwas mit der Stadt Lüdenscheid und seiner Wirtschaft zu tun. Tüfteln hat hier eine lange Tradition. Schon vor der Industrialisierung war das Sauerland mit seinen Wäldern und Bächen eine Region der Schmiede und Drahtzieher. Bis heute ist die Wirtschaft hier geprägt von mittelständischen Firmen, Foto: Rochus Aust die sich auf Werkzeug- und Maschinenbau spezialisiert haben. Und auf Leuchten. Wenn es irgendwo schwierig wird, etwas zu beleuchten, kommen mit großer Wahrscheinlichkeit Knowhow und Technik aus Lüdenscheid zum Einsatz: zuletzt zum Beispiel bei den antiken Kaiserforen in Rom. Deshalb hat sich die Stadt, die wenig von Sonne verwöhnt ist und zu den Gegenden mit dem meisten Niederschlag in der Republik gehört, zur »Stadt des Lichts« ernannt. Draußen zieht die Dämmerung auf. Die Sonne sinkt an einem klaren Abend hinter den Horizont, doch Luft und Staub in der Atmosphäre brechen ihre Strahlen so, dass es noch ein wenig hell bleibt. Eine Farbe nach der anderen verschwindet aus dem Sonnenuntergang. Schließlich ist nur noch ein dunkles Blau übrig, durch das sich schon erste Sterne kämpfen können. Als sich die Besucher der »Phänomenta« nach all dem Tüfteln ans Abendessen machen, strahlt nur noch das blaue Licht des Pendelturms heller als die Nacht Joachim Budde hoch über der Stadt. Magische Leuchtzeichen unter Bergkamen Hellweg Region mit Leuchtkraft Was früher Hellweg hieß, ist heute die Bundesstraße 1. Zwischen Dortmund und Paderborn führt sie im Herzen von Westfalen durch eine der ältesten und kulturgeschichtlich interessantesten Regionen Deutschlands. Auf dem Hellweg zogen bereits die Römer zur Eroberung Germaniens Richtung Osten, später diente er Karl dem Großen während des Sachsenfeldzuges als Nachschublinie. Im 12. Jahrhundert entwickelte sich die alte Königsstraße (»Via regis«) zur bedeutendsten Handelsstraße der Hansestädte zwischen West und Ost. Wie Perlen auf einer Schnur reihen sich hier Stadt an Stadt, Dorf an Dorf. Noch heute ist die Region Hellweg Knotenpunkt, Durchgangsstation, Verkehrsachse. Seit 2001 setzt sie dabei auf Licht. Foto: Joachim Budde Von Unna bis Lippstadt sorgen illuminierte Industriedenkmäler, Licht-Landmarken wie in Hamm Horst Relleckes »Regenbogenbrücke«, Kazuo Katases »Helle Kammer« in Schwerte, Mischa Kuballs »Ostpol« in Bönen oder die Installation des Isländers Egill Saebjörnsson am Kunstmuseum Ahlen für Leuchttürme in der Nacht. Und jedes Jahr kommen neue Lichtkunstwerke dazu. »Hellweg – Ein Lichtweg« ist ein Kulturprojekt der Städte und Gemeinden der Hellweg-Region. Wer sich von ihrer Leuchtkraft selbst überzeugen und auf den Lichtweg machen möchte, findet auf der Homepage Informationen zu den aktuell über 40 Installationen, die ein dichtes Netz von strahlenden Lichtpunkten spannen: www.hellweg-ein-lichtweg.de. slu Die »Phänomenta« in Lüdenscheid ist ein interaktives Museum, das mit rund 170 Exponaten und Experimentierstationen in die Welt von Physik und Technik entführt. Seit dem Frühjahr ist der Neubau des Science-Center mit dem neuen Ausstellungsteil rund ums Licht und dem Phänomenta-Turm geöffnet. Mo. bis Fr. 9 bis 17 Uhr, Sa. und So. 11 bis 18 Uhr, Infos unter Tel. 0 23 51 / 2 15 32 und www.phaenomenta-luedenscheid.de 19
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