Faszination in Rot, Grün und Blau

SCHWERPUNKT
Foto: Joachim Budde
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Buntes Pixelbild: Hier wird das
Spiel mit Licht und Schatten zum
Erlebnis.
Phänomen Licht
Faszination in
Rot, Grün und Blau
Erhellend: In der »Phänomenta« in Lüdenscheid können Besucher
selbst experimentieren und dabei Licht in seine Farben zerlegen
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Westfalenspiegel 6-2015
Foto: Joachim Budde
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Johannes Pöpping,
Geschäftsführer der
Phänomenta Lüdenscheid,
neben dem »Lichtspiel«
von Paul Friedlander
W
ie funktioniert denn das?«
– diese Frage hört Dr. Johannes Pöpping häufig. Dass sie von
Ingenieuren und Technikern kommt,
bereitet dem Geschäftsführer der
»Phänomenta« in Lüdenscheid diebisches Vergnügen. Was die Besucher
an diesem Nachmittag so fasziniert, ist
das »Lichtspiel« – halb Kunstinstallation, halb Wissenschaft. Eine Wellenlinie
aus Licht, die sich vom Boden bis zur
Decke windet, sich dreht und ständig
die Farbe ändert. Mal sind es Blau-,
dann eher Grüntöne, dann alle Farben
des Regenbogens. Der »Phänomenta«-Chef beugt sich über das Geländer,
das die Spirale umgibt, und greift hinein: »Ein weißes Gummiseil«, sagt er
und zieht es zu sich heran: »Es wird von
unten beleuchtet.«
Gut 30 Führungskräfte von Phoenix
Feinbau, einer Lüdenscheider Spezialfirma für Metallverarbeitung, machen
ihren jährlichen Ausflug diesmal in das
Science-Center. Lauter Männer und
eine Frau mit bestem technischen Hintergrund lassen sich gefangen nehmen
von den Experimentierstationen, die im
Halbdunkel vor den schwarzen Betonwänden gut zur Geltung kommen. So ist
es schon den Schulkindern ergangen,
die an diesem Morgen begeistert alles
ausprobiert haben. In der »Phänomenta« gibt es viel zu lernen über alle möglichen technischen und physikalischen
Effekte, nicht nur rund ums Licht. Das
Besondere: Die Besucher lernen hier so
ganz anders, als sie es aus dem Schulunterricht kennen: »Sie können sich
spielerisch damit auseinandersetzen,
ohne dass wir irgendetwas vorgeben«,
sagt Johannes Pöpping, »und man darf
alles anfassen.« Im Schummerlicht fühlen sich zudem auch die unbeobachtet
beim Experimentieren, die im Physikunterricht zu schüchtern sind.
Die Besucher lassen sich von Johannes Pöpping erklären, wie das »Lichtspiel« funktioniert. Das weiße Gummiband ist im Prinzip eine ganz schmale
Leinwand, die rasend schnell durch
farbiges Licht kreiselt. Drei Lampen
– in Lüdenscheid lernt man schnell,
dass das korrekt ›Leuchten‹ heißen
muss – strahlen die in Regenbogenfarben schillernde Spirale von unten an.
Jede enthält drei Leuchtelemente in
den Grundfarben des Lichts: Rot, Grün
und Blau. Daraus lassen sich alle Farben mischen. Strahlen sie alle gleich
hell, kommt ein weißer Ton heraus.
Sind die drei Farben aus dem Gleich-
Foto: Joachim Budde
Foto: Guido Raith/Phänomenta
Mitmachen erwünscht: Besucherinnen am »Farbmischer«
Kaleidoskop in 30 Meter Höhe
gewicht, wird ihr Licht und damit die
Spirale bunt. Die Lampen flackern sehr
schnell und ändern dabei ständig ihre
Farben, aber das sieht der Betrachter
nicht. »Das Auge ist zu träge«, sagt Johannes Pöpping.
In welchen Farben das Licht spielt,
können die Besucher mit einem Fingertipp auf einem Monitor bestimmen.
Der in London lebende Künstler und
Physiker Paul Friedlander hat die Installation für die »Phänomenta« entworfen. »Darauf sind wir ein bisschen
stolz«, sagt Johannes Pöpping.
Wer das mit den Grundfarben des
Lichts ein bisschen langsamer und kontrollierter nachvollziehen möchte, kann
das am »Farbmischer« tun: An dieser
Station zeigen vier kleine Paneele Farben, die die Besucher auf dem großen
Paneel aus Rot, Grün und Blau nachmischen sollen.
Lichtstrahlen sind elektromagnetische Wellen. Man kann sie sich wie
winzige Versionen der Welle des »Lichtspiels« vorstellen: In den Wellentälern
und -bergen bewegt sie sich heftig, dazwischen liegen Punkte, die Wellenknoten, die stillstehen. Der Abstand
zwischen zwei Knoten ist die Wellenlänge. Beim »Lichtspiel« misst er mehr
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Lüdenscheid
Stadt des Lichts
Licht und Lichttechnik spielen in Lüdenscheid in Industrie und
Forschung eine große Rolle. Weltweit agierende Unternehmen wie
Erco sitzen hier. Seit dem Jahr 2000 profiliert sich Lüdenscheid
daher als »Stadt des Lichts«. Das Lichtkunstfestival »LichtRouten«
fand bereits sechsmal statt und soll 2018 – zum 750-jährigen Stadtjubiläum – wiederaufgelegt werden. Lichtinszenierungen illuminieren Gebäude, Wege und Plätze und mithilfe des »Masterplans
Licht« wurde die Stadtbeleuchtung energetisch saniert, Leuchtentypen und Lichtfarben aufeinander abgestimmt. 2016 sollen die
Christuskirche und eine Brücke zur »Phänomenta« mit Lichtdesign
in Szene gesetzt werden. maz
www.lichtrouten.de
als einen halben Meter. Beim sichtbaren Licht ist er zehn Millionen Mal
kürzer. Die Wellenlänge liegt zwischen
640 Nanometer für rotes und 380 für
blaues Licht.
Dass Lichtstrahlen verschiedener Farbe unterschiedlich schnell schwingen,
macht man sich beim Experiment nebenan zunutze: Denn Licht kann dem
Betrachter viel verraten, zum Beispiel
über die Beschaffenheit seiner Quelle.
An der Station »Spektroskop« kann man
fünf verschiedene Lichtquellen durch
ein Instrument betrachten, das auf den
ersten Blick aussieht wie eine ganz normale Lupe. Doch statt eines Vergrößerungsglases schaut man hier durch eine
Regenbogenfolie, die das Licht – wie ein
Prisma – in seine Farben zerlegt. Dass
dabei ein Farbverlauf entsteht, liegt daran, dass die Regenbogenfolie das langsamer schwingende rote Licht weniger
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stark ablenkt als das schnelle blaue und
alle anderen Farben dazwischen.
Die Farbverläufe unterscheiden sich
je nach Lichtquelle: Bei der guten alten Glühbirne mit ihrem glühenden
Wolframdraht sind fast alle Farben im
Verlauf zu sehen – wie ein Regenbogen.
Bei der Energiesparlampe, noch mehr
aber bei den Gasentladungslampen,
die mit Helium und Neon arbeiten, sind
nur farbige Striche zu sehen. Dem Licht
dieser Birnen fehlen manche Farben,
dem Neonlicht zum Beispiel das Grün.
Diesen Effekt nutzen Astronomen
schon seit langem. Denn wenn sie das
Licht eines fernen Sterns in die Spek­
tralfarben zerlegen, können sie sagen,
aus welchen Elementen er besteht, wie
heiß er ist, wie schnell er sich dreht und
wie sein Magnetfeld beschaffen ist.
Wie kann dann eine Leuchtstoffröhre weiß leuchten? Das kann man in der
Westfalenspiegel 6-2015
Foto: Erco
Mehrfach ausgezeichnet: Das Hochregallager »P3«
»Phänomenta« an einer Leuchtstoffröhre sehen, die halb weiß beschichtet und halb durchsichtig ist. Der Strom
bringt das Gas im Innern der Glasröhre zum Leuchten. Das ist – wie man bei
der durchsichtigen Hälfte der Röhre sehen kann – eigentlich blau. Die Energie,
die bei dieser Gasentladung frei wird,
bringt ihrerseits die weiße Beschichtung zum Leuchten. Nach dem gleichen Prinzip machen es auch moderne
Leuchtdioden. Denn auch die bestehen
aus Materialien, die selbst kein weißes
Licht erzeugen können.
Weil es hier um Licht geht, hat der
komplette Neubau der »Phänomenta«
nur zwei Fenster. Wer hinausschauen will, muss in den Altbau gehen, ein
umgewandeltes »Fabriksken«, wie man
früher hier in Südwestfalen sagte. Der
zweistöckige Backsteinbau in Weiß
und Rot verschwindet beinahe neben
dem 70 Meter hohen Turm aus Leinwand und Stahlrohren, der die »Phänomenta« zum weithin sichtbaren Wahrzeichen Lüdenscheids gemacht hat,
auch nachts, da wird er von innen angestrahlt. In dem Turm hängt ein Foucaultsches Pendel. Mit dessen Hilfe
kann man die Erdrotation veranschaulichen. Aber das hat nichts mit Licht zu
tun. Doch dieser Tage bekommt auch
das Pendel einen Bezug zum Licht,
denn bald ist ein weiteres Highlight
der Ausstellung fertig: Wenn die eigens
dafür angefertigten Glasscheiben eingebaut sind, kann man sich unterhalb
des Turmes auf eine Liege legen und
hi­naufschauen, dorthin, wo das Pendel
an einer bunten Scheibe aus Licht aufgehängt ist. Bei jedem Schwung ändert
sie ihre Farben. »Wir bekommen Europas größtes Kaleidoskop«, sagt Pöpping, und in seiner Stimme schwingt
ein bisschen Stolz mit.
»Licht und Schatten« heißt der Teil
der Phänomenta, den die Techniker
und Ingenieure gerade gründlich erkunden. Dass es hier gerade rund ums
Licht so viele Experimente gibt, hat
auch etwas mit der Stadt Lüdenscheid
und seiner Wirtschaft zu tun. Tüfteln
hat hier eine lange Tradition. Schon vor
der Industrialisierung war das Sauerland mit seinen Wäldern und Bächen
eine Region der Schmiede und Drahtzieher. Bis heute ist die Wirtschaft hier
geprägt von mittelständischen Firmen,
Foto: Rochus Aust
die sich auf Werkzeug- und Maschinenbau spezialisiert haben. Und auf
Leuchten. Wenn es irgendwo schwierig
wird, etwas zu beleuchten, kommen
mit großer Wahrscheinlichkeit Knowhow und Technik aus Lüdenscheid zum
Einsatz: zuletzt zum Beispiel bei den
antiken Kaiserforen in Rom. Deshalb
hat sich die Stadt, die wenig von Sonne verwöhnt ist und zu den Gegenden
mit dem meisten Niederschlag in der
Republik gehört, zur »Stadt des Lichts«
ernannt.
Draußen zieht die Dämmerung auf.
Die Sonne sinkt an einem klaren Abend
hinter den Horizont, doch Luft und
Staub in der Atmosphäre brechen ihre
Strahlen so, dass es noch ein wenig hell
bleibt. Eine Farbe nach der anderen
verschwindet aus dem Sonnenuntergang. Schließlich ist nur noch ein dunkles Blau übrig, durch das sich schon
erste Sterne kämpfen können. Als sich
die Besucher der »Phänomenta« nach
all dem Tüfteln ans Abendessen machen, strahlt nur noch das blaue Licht
des Pendelturms heller als die Nacht
Joachim Budde
hoch über der Stadt.
Magische Leuchtzeichen unter Bergkamen
Hellweg
Region mit Leuchtkraft
Was früher Hellweg hieß, ist heute die Bundesstraße 1.
Zwischen Dortmund und Paderborn führt sie im Herzen
von Westfalen durch eine der ältesten und kulturgeschichtlich interessantesten Regionen Deutschlands. Auf
dem Hellweg zogen bereits die Römer zur Eroberung Germaniens Richtung Osten, später diente er Karl dem Großen während des Sachsenfeldzuges als Nachschublinie. Im
12. Jahrhundert entwickelte sich die alte Königsstraße
(»Via regis«) zur bedeutendsten Handelsstraße der Hansestädte zwischen West und Ost. Wie Perlen auf einer
Schnur reihen sich hier Stadt an Stadt, Dorf an Dorf. Noch
heute ist die Region Hellweg Knotenpunkt, Durchgangsstation, Verkehrsachse. Seit 2001 setzt sie dabei auf Licht.
Foto: Joachim Budde
Von Unna bis Lippstadt sorgen illuminierte Industriedenkmäler, Licht-Landmarken wie in Hamm Horst Relleckes
»Regenbogenbrücke«, Kazuo Katases »Helle Kammer« in
Schwerte, Mischa Kuballs »Ostpol« in Bönen oder die Installation des Isländers Egill Saebjörnsson am Kunstmuseum Ahlen für Leuchttürme in der Nacht. Und jedes Jahr
kommen neue Lichtkunstwerke dazu. »Hellweg – Ein Lichtweg« ist ein Kulturprojekt der Städte und Gemeinden der
Hellweg-Region. Wer sich von ihrer Leuchtkraft selbst
überzeugen und auf den Lichtweg machen möchte, findet
auf der Homepage Informationen zu den aktuell über
40 Installationen, die ein dichtes Netz von strahlenden
Lichtpunkten spannen: www.hellweg-ein-lichtweg.de. slu
Die »Phänomenta« in Lüdenscheid ist ein
interaktives Museum, das mit rund
170 Exponaten und Experimentierstationen in die Welt von Physik und Technik
entführt. Seit dem Frühjahr ist der Neubau
des Science-Center mit dem neuen
Ausstellungsteil rund ums Licht und dem
Phänomenta-Turm geöffnet. Mo. bis Fr.
9 bis 17 Uhr, Sa. und So. 11 bis 18 Uhr,
Infos unter Tel. 0 23 51 / 2 15 32 und
www.phaenomenta-luedenscheid.de
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