Aargauer Zeitung: Bericht – GastroSocial als Arbeitgeber

28 AZ SOMMER
AARGAUER ZEITUNG
MITTWOCH, 29. JULI 2015
Ein wenig Glück und
Geborgenheit für Kinder in Not
Kirchdorf Paul und Macrina Nöthiger nehmen jeden Sommer ein Ferienkind bei sich auf
VON URSULA BURGHERR
Angelik ist 11 und stammt aus Oberhausen
im Ruhrgebiet. Ihre Mutter hat sechs Kinder von drei verschiedenen Vätern. Die Familie lebt an der Armutsgrenze und Ferien
lägen für das Mädchen gar nicht drin,
wenn es «Kovive» nicht gäbe. Das Kinderhilfswerk steht in engem Kontakt mit deutschen und französischen Sozialdiensten
und sorgt dafür, dass Kinder in Not Urlaub
in der Schweiz machen können.
Angelik hat es gut getroffen bei Paul und
Macrina Nöthiger, die drei Wochen lang ihre Gasteltern sind. Das schmucke Kirchdorfer Bauernhaus auf dem Tromsberg steht
im totalen Kontrast zum heimatlichen
Wohnblock, in dem sie sich ein Zimmer
mit zwei Geschwistern teilen muss. «Anfangs hatte ich etwas Heimweh», gesteht
die Kleine und drückt kurz ihren Teddy,
den Mama mitgegeben hat. Dann rasselt
sie mit der Sparbüchse und strahlt: «Immer wenn ich ein Ämtchen erledigt habe,
kriege ich einen Batzen. Davon kann ich
mir später zu Hause etwas kaufen.»
Paul Nöthiger hat als Landwirt gerade im
Sommer viel auf seinen Feldern zu tun.
Für das Stadtkind Angelik eröffnen sich
neue Welten, wenn sie auf dem Traktor
mitfahren darf. «Das ist für mich das Allerschönste — noch besser, als in die Badi zu
gehen», meint sie und lächelt schüchtern.
Wurzeln und Flügel bekommen
«Angelik ist enorm hilfsbereit und anständig», freut sich Macrina Nöthiger. Mit
ihrem Mann hat sie bereits drei Pflegekinder bis zu ihrer Selbstständigkeit grossgezogen und zehn deutsche Ferienkinder bei
sich aufgenommen, die ihnen «Kovive»
vermittelte. Die meisten von ihnen kamen
über viele Jahre immer wieder. Obwohl die
guten Erfahrungen überwiegen, seien sie
manchmal an ihre Grenzen gestossen, berichtet das Ehepaar. «Die kleine Petra kam
mit acht zu uns und weinte sich zwei Wochen lang die Augen aus dem Kopf vor lauter Heimweh», erinnern sie sich. Jemanden
Die 11-jährige Angelik ist bei Macrina und Paul Nöthiger in den Ferien. Sie geniesst es, mit dem Traktor mitzufahren.
zurück nach Hause schicken, weil es gar
nicht ging, mussten sie allerdings noch nie.
Viele der mittlerweile erwachsenen Ferienkinder stehen heute noch im Kontakt mit
ihren Gasteltern aus Kirchdorf. Der Besuch
der 26-jährigen Bianca steht kurz bevor. Sie
hat für die Nöthigers ein Fotoalbum gemacht und reingeschrieben: «Zwei Dinge
sollten Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel. Ihr habt mir beides gegeben.»
«Uns sind die
kleinen Gäste so
ans Herz gewachsen. Ich kann mir
einen Sommer ohne
Kind gar nicht mehr
vorstellen.»
Macrina Nöthiger Gastmutter
Eine schöne Aufgabe
Was motiviert Paul und Macrina Nöthiger, immer wieder, Ferienkinder zu beherbergen? «Wir hätten uns nach unserem
Sohn Thomas (heute 33) nochmals Nachwuchs gewünscht, doch es klappte nicht»,
sagt die gelernte Kleinkinderzieherin Ma-
crina und fügt dann nachdenklich hinzu:
«Doch wir sahen, wie viele Jugendliche aus
sozial ärmlichen Verhältnissen und zerrütteten Familien dringend Hilfe brauchen.
Für uns ist es eine schöne Aufgabe, ihnen
ein wenig Glück und Geborgenheit zu vermitteln.» Generell sei es schwieriger geworden, Ferienkinder zu platzieren. «Die meisten berufstätigen Leute empfinden es als
zu anstrengend, für mehrere Wochen die
Verantwortung für ein fremdes Geschöpf
zu übernehmen», erklären die beiden.
Obwohl sie kurz vor der Pensionierung
stehen, möchten sie nächstes Jahr wieder
einen Ferienplatz anbieten. «Uns sind die
kleinen Gäste so ans Herz gewachsen. Ich
kann mir einen Sommer ohne Kind gar
nicht mehr vorstellen», meint Macrina
Nöthiger.
Brugg
Ein riesiges Plakat macht auf
Schulsituation aufmerksam
Das Kinderheim
wird grösser
Brugg Die Verantwortlichen
des Berufs- und Weiterbildungszentrums (BWZ) weibeln für den Standort Brugg.
VON JANINE MÜLLER
Dem Berufs- und Weiterbildungszentrum (BWZ) droht die vollständige oder
teilweise Schliessung, weil der Regierungsrat die Berufsschullandschaft im
Aargau umpflügen will. Dem BWZ
Brugg, das mit der KV-Schule im FlexGebäude an der Industriestrasse und
mit den gewerblich-industriellen Berufen an der Annerstrasse beheimatet ist,
droht – je nach Variante – eine Totaloder Teilschliessung (die az berichtete).
Jetzt wollen die Verantwortlichen der
Schule mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit treten. Seit Dienstag hängt
beim neuen Busbahnhof auf Windischer
Seite ein BWZ-Plakat. Gut sichtbar auf
rotem Grund steht geschrieben: «Lebenswichtig für die Region: das BWZ
Brugg!» Damit will die Schulleitung die
Bevölkerung auf die Situation der Schule aufmerksam machen. «Und vielleicht
regt das Plakat auch zum Nachdenken
an», sagt Max Zeier, Präsident des Schulvorstands. Er hofft, dass die Leute, die
das Angebot der Schule schätzen, bei
der Anhörung mitmachen. Denn jeder
Bürger – nicht nur Institutionen oder
Parteien – können den Fragebogen zur
Schule ausfüllen. Bald will das BWZ
Brugg auf einer separaten Website das
Max Zeier, Präsident des Schulvorstands, präsentiert das neue Plakat.
entsprechende Formular aufschalten
und eine vorgefertigte Version publizieren. Die Anhörung dauert noch bis Ende September. Anschliessend wird eine
Botschaft verfasst, die dem Grossen Rat
im Frühling 2016 präsentiert wird. Max
Zeier will mit seinen Leuten die Anhörung so gut meistern, dass «wir in der
Botschaft gar nicht mehr vorkommen».
Erwachsenenbildung in Gefahr
Einmal mehr betont Max Zeier, wie
wichtig die Schule für die Region Brugg
sei. «Können wir das KV hier nicht
UBU
JAM
mehr anbieten, wird es auch keine Erwachsenenbildung mehr geben.» Auf
Unterstützung kann Max Zeier zählen.
20 Personen aus der Wirtschaft, der
Trägerschaft, der Politik und der Fachhochschule bilden eine Task-Force, die
verhindern will, dass der Standort
Brugg gestrichen wird. Eines der
Hauptargumente ist, dass man gut mit
der Fachhochschule zusammenarbeitet
und gut an den öffentlichen Verkehr
angeschlossen ist. Eine Petition ist angedacht, wann und ob diese lanciert
wird, ist zurzeit noch nicht spruchreif.
Am Montag eröffnete das Kinderheim
Brugg zwei neue Gruppen. Die Wohngruppe Merkur für ca. 4- bis 12-Jährige sowie die Aussenwohngruppe Orion für ca.
14- bis 18-Jährige. Die Vergrösserung ist
im Auftrag des Kantons Aargau entstanden. Bis vor kurzem betreute und/oder
beschulte das Kinderheim Brugg insgesamt 82 Kinder und Jugendliche, ab August 2015 steigt die Anzahl auf 98 Kinder
und Jugendliche. Die Aussenwohngruppe
Orion hat am Montag ihren Betrieb aufgenommen. Zwei Jugendliche besuchen
noch die Schule, der Rest absolviert eine
Berufslehre. Die Aussenwohngruppe Orion wohnt bis auf weiteres in zwei Wohnungen an der Habsburgerstrasse. Die
Wohngruppe Merkur wurde ebenfalls am
27. Juli eröffnet. Ins Merkurhaus an der
Habsburgerstrasse werden acht Kinder
einziehen. Die Wohngruppen im Kinderheim Brugg verfügen über familienähnliche Strukturen. Sie werden koedukativ
geführt und altersentsprechend erzogen.
Die Bewohner der Wohngruppe Merkur
sind zwischen drei- und elfjährig.
Der Kanton hat dem Kinderheim zu
Beginn des Jahres eine sechste Wohngruppe per Sommer 2016 bewilligt. Ob
sie tatsächlich zu diesem Zeitpunkt eröffnet wird, ist aufgrund der aktuellen Finanzlage des Kantons nicht klar. Bereits
auf Ende des Jahres 2016 wird das Kinderheim, auch ohne sechste Wohngruppe, Liegenschaftsbedarf haben. Die
Schulgruppe Luchse ist zurzeit in einem
gemieteten Haus untergebracht, das abgerissen wird. Langfristig sollen zudem
die beiden gemieteten Wohnungen der
Aussenwohngruppe durch eigene Räumlichkeiten ersetzt werden. (AZ)