Verhöhnung der heute noch lebenden KZ

Verhöhnung der heute noch lebenden KZ-Opfer.
Heftiger Protest der KZ-Überlebenden gegen die Einstellung des Verfahrens gegen die
„Aula“.
Das Comité International de Mauthausen (CIM) als Dachverband von derzeit 21 nationalen
Organisationen von Überlebenden des KZ Mauthausen und deren Angehörigen verwehrt sich auf das
Heftigste gegen die vollkommen aus der Luft gegriffene Pauschalierung der Staatsanwaltschaft Graz,
die in der Zeitschrift „Aula“ publizierte Bezeichnung von befreiten „KZ-Häftlinge als Landplage und
Massenmörder“ sei zulässig. Mit der Akzeptanz dieser menschenverachtenden Bezeichnungen durch
die Staatsanwaltschaft Graz werden Formulierungen als richtig befunden, die auch schon beim
Aufruf der Lager-SS zur Menschenjagd im Rahmen der sogenannten „Mühlviertler Hasenjagd“
gefallen sind.
Als das nationalsozialistische Konzentrationslager Mauthausen und seine Außenlager befreit wurden,
waren dort noch mehrere zehntausend Menschen interniert. Nach Abzug der SS-Wachmannschaften
Anfang Mai 1945 blieben die Häftlinge mehr oder weniger sich selbst überlassen. Bis zur Befreiung
durch die alliierten Truppen (großteils durch die US-Army) versuchten einige Häftlinge, für sich und
ihre Kameraden im Umkreis der KZ Lebensmittel zu organisieren und somit die zehntausenden
Menschen vor dem sicheren Hungertod zu bewahren. Mit der Übernahme der befreiten KZ durch die
US-Army wurde auch die Versorgung der befreiten Häftlinge durch die Amerikaner übernommen.
Unbestritten ist, dass diese Beschaffung von überlebensnotwendigen Lebensmitteln in wenigen
Fällen auch gegen den Willen der betroffenen Lokalbevölkerung geschehen ist. Daraus jedoch
abgeleitet die Formulierung „Landplage“ als zutreffend zu bezeichnen, entbehrt nicht nur jeder
historischen Grundlage, sondern ist auch eine Verhöhnung der heute noch lebenden KZ-Opfer.
Die Staatsanwaltschaft Graz führt auch aus, dass es unter den KZ Häftlingen „verurteilte Straftäter“
gegeben habe und somit auch die diskriminierenden Formulierungen im „Aula“-Artikel gerechtfertigt
seien.
Der Präsident des CIM, Guy Dockendorf, hält mit Nachdruck fest:
„Mein Vater Metty Dockendorf wurde im April 1944 als luxemburgischer Widerstandskämpfer gegen
die Nazi-Besatzung zuerst in das KZ Mauthausen und dann in die Außenlager Melk und Ebensee
deportiert. In den Tagen der Befreiung in Ebensee waren es ein paar wenige Häftlinge, die dazu noch
körperlich in der Lage waren, die für die vielen tausend im Lager verbliebenen Häftlingskameraden
mit Hilfe der Lokalbevölkerung und der US-Army Lebensmittel organisierten und somit vielen
Menschen das Leben retten konnten.
Mein Vater und die meisten seiner Kameraden sind heute nicht mehr am Leben – ich als sein Sohn
und als Präsident des CIM sehe in der Begründung der Staatsanwaltschaft Graz eine kaum
wiedergutzumachende Verhöhnung derer, die ihren Einsatz gegen den Nazi-Terror mit ihrer Freiheit
und oft genug mit ihrem Leben bezahlen mussten. Die Verunglimpfung dieser Menschen als
„Landplage“ und „Massenmörder“ im Jahre 2016 auch noch seitens der Justiz zu rechtfertigen, ist für
das CIM inakzeptabel.“
Wir laden die zuständigen Justizbehörden daher ein, mit unserer Vermittlung einen begleiteten
Rundgang durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen zu machen und sich mit den historischen
Tatsachen profunde auseinanderzusetzen.
Nebenbei bemerkt: Denkt die Staatsanwaltschaft Graz wirklich, dass zu den Befreiungsfeiern in der
KZ-Gedenkstätte Mauthausen bis zu 35.000 Teilnehmer (und darunter immer fast die gesamte
österreichische Bundesregierung sowie zahlreiche internationale Staatsgäste) kommen würden,
wenn hier „Massenmördern“ und einer „Landplage“ gedacht würde?“
Rückfragehinweis und Kontakt:
Comité International de Mauthausen
Mag. Andreas Baumgartner, Generalsekretär
[email protected]
+43 676 701 55 77