Komplexe Mikropositionierung individuell gelöst

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MIKROPOSITIONIERUNG
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SYSTEMDESIGN
Komplexe Mikropositionierung
individuell gelöst
Um den steigenden Anforderungen an die Mikromontage gerecht zu werden,
sind innovative Ansätze nötig. Die richtige Auswahl der Komponenten sowie
ein durchdachtes SYSTEMDESIGN unter Berücksichtigung
applikationsrelevanter Faktoren sind dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Bild 1. Das Design
eines Positioniersystems ergibt sich
aus dem Zusammenspiel von
Genauigkeit,
Geschwindigkeit,
Bauraum, Last,
Einsatzbedingungen und Preis. Alle
Faktoren müssen
individuell unter
Berücksichtigung
der applikationsbedingten Anforderungen aufeinander
abgestimmt werden
JENS KLATTENHOFF
A
ls Hersteller von hochpräzisen Positioniersystemen ist es entscheidend, sich immer
wieder neuen Applikationen und Herausforderungen zu stellen. Produktionsabläufe werden
beschleunigt und die Taktzeiten in Maschinen erhöht. Immer kleinere Bauteile, zum Beispiel MEMS
oder Mikrooptiken, erfordern eine wesentlich höhere Präzision als noch vor wenigen Jahren, hinzu
kommt der höhere Durchsatz. Damit die Maschinen
rund um die Uhr produzieren, müssen die Komponenten hohen industriellen Belastungen standhalten. Das
ist eine enorme Anforderung an die Mechanik und das
Design von Positioniersystemen, die ihre Genauigkeit
über die Zeit natürlich nicht verlieren dürfen.
welche auf den ersten Blick ähnlich wirken, sich aber in
der Praxis unterschiedlich verhalten. Ein genaues Verständnis der Applikation ist von großer Bedeutung,
denn je genauer eine Anwendung verstanden wird,
desto sicherer kann man die richtigen Komponenten
aus Antrieb, Messsystem und Führung auswählen.
Neben der Performance spielt auch das verfügbare
Budget eine entscheidende Rolle. Ein Umdenken von
alten Weisheiten zu neuen Ansätzen kann hier zu
Überraschungen führen. So können intelligente Kombinationen von üblicherweise teuren Komponenten
mit neu entwickelten Messsystemen zu preislich interessanten Lösungen führen.
Das Design eines Positioniersystems ergibt sich
aus dem Zusammenspiel von Genauigkeit, Geschwindigkeit, Bauraum, Last, Einsatzbedingungen und Preis.
Alle Faktoren müssen individuell aufeinander abge-
Kombination der Komponenten
Grundlage für die Konstruktion eines produktionstauglichen Positioniersystems ist das richtige Verständnis
für die Applikation. Standardsysteme aus dem Katalog
können scheinbar die Kosten minimieren, jedoch erfüllen sie bei späterer Betrachtung oft nur eingeschränkt
die geforderten Spezifikationen. Da sich ein Positioniersystem aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt, ergeben sich zahlreiche Kombinationen,
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Steinmeyer Mechatronik GmbH
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© MIKROvent, Mainburg
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Bilder: Steinmeyer Mechatronik
© MIKROvent GmbH, Mainburg – www.mikroproduktion.com – nicht zur Verwendung in Intranet- und Internetangeboten sowie elektronischen Verteilern
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© MIKROvent GmbH, Mainburg – www.mikroproduktion.com – nicht zur Verwendung in Intranet- und Internetangeboten sowie elektronischen Verteilern
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MIKROPOSITIONIERUNG
Bild 2. Mögliche Masseunterschiede der Proben haben
genauso einen Einfluss auf das
Design wie die Lage der Probe
an sich. Nach dem Abbeschen
Komparatorprinzip sollten die
zu messende Strecke und der
Maßstab in einer Flucht liegen
stimmt werden, indem die erwartete Aufgabe so
präzise wie möglich benannt wird (Bild 1).
Zwar ist der Gedanke an ein Standardsystem aus
preislicher Sicht verlockend, jedoch stellt ein gut konzipiertes individuelles System langfristig oft die bessere
und günstigere Lösung dar. So kann zum Beispiel ein
speziell konzipiertes wartungsfreies System die Total
Cost of Ownership (TCO) drastisch reduzieren, da
Serviceintervalle wegfallen oder minimiert werden.
Design als Grundstein
für die Performance
Sind die optimalen Komponenten gewählt, kann mit
dem mechanischen Design begonnen werden. Auch
hier lohnt sich ein Blick auf die Details. Unterschiedliche Konstruktionsprinzipien beeinflussen das spätere
Verhalten des Positioniersystems. Themen wie das
richtige Führungsverhältnis, die Dimensionierung der
Antriebe, die Lage der Krafteinleitung oder die Konzeption von Überläufen und Anschlägen tragen nicht nur
zur Sicherheit bei, sondern bestimmen auch die charakteristischen Eigenschaften des Systems.
Mögliche Masseunterschiede der Proben haben
genauso einen Einfluss auf das Design wie die Lage
der Probe an sich. So sollte man bedenken, dass nach
dem Abbeschen Komparatorprinzip die zu messende
Strecke und der Maßstab in einer Flucht liegen sollten
(Bild 2). Mit anderen Worten: Das Messsystem sollte
am Point of Interest (POI) messen und nicht beispielsweise am Auflagepunkt der Probe. Gut geplante Positioniersysteme berücksichtigen diese Prinzipien und
führen daher zu besseren Ergebnissen, und das unabhängig von der Größe des Systems.
Gefalteter Antriebsstrang für
kompakte Mehrachssysteme
Natürlich muss nicht jede Positionieraufgabe individuell
neu entwickelt werden. In der Regel lassen sich bewährte Konzepte und Komponenten auch für Lösungen
mit mehreren Raumrichtungen kombinieren. Ein Beispiel ist der Mikromanipulator ›MT63‹ für Anwendungen
MIKROPRODUKTION 06/15
mit Verfahrwegen bis zu 25 mm (Bild 3). Um das kompakte Design mit den Außenmaßen von 63 mm zu realisieren, wurde auf einen kleinen Trick zurückgegriffen:
Da Bauraum gerade bei Mikropositionieranwendungen
oft ein limitierender Faktor ist, wurde der Antriebsstrang gefaltet. Die Spindel und der Motor liegen parallel zueinander. Die beiden Komponenten werden mit
einem Zahnriemen verbunden. Dieses robuste Set-up
hat seine Langlebigkeit in industriellen Anwendungen
vielfach unter Beweis gestellt. Der integrierte DCMotor in Kombination mit einem Rotationsencoder
erreicht dabei Wiederholgenauigkeiten von ±0,8 µm.
Alternativ gibt es den MT63 auch mit einem Schrittmotor. Beide Motortypen sind einfach anzusteuern.
Zwar ist es aufgrund des geringen Bauraums nicht
möglich, die erforderliche Controllertechnik zu integrieren, doch lässt sich dies durch einen kompakten
externen Controller kompensieren.
Die Controller der ›FMC200‹-Serie sind speziell
konzipierte Stand-alone-Systeme für Anwendungen
mit bis zu drei Achsen. Eine einfache Ansteuerung
über USB erlaubt einen schnellen Zugang. Mit der
Software ›FMC Quick Access‹ lassen sich die angeschlossenen Achsen zügig in Betrieb nehmen und so
erste Versuche starten. Für spätere Anwendungen
oder eine Integration in die eigene Entwicklungsumgebung stehen Softwarebibliotheken für LabView
und C++ zur Verfügung.
Aufgrund des kompakten Designs und der guten
Ebenheitswerte lassen sich mehrere MT63 kombinieren, um so Mehrachssysteme zu realisieren. Als
XY-System werden zwei MT63 miteinander montiert.
Als XYZ-Variante bietet das Dresdner Unternehmen
Steinmeyer Mechatronik das MP63-System an.
Dieses besteht aus drei Mikrotischen MT63. Da an
der Z-Achse erhöhe Haltekräfte auftreten können,
wurde im Z-Manipulator ein zusätzliches Getriebe verbaut. Eine Antriebslösung für dieses System bieten
die Controller der FMC200-Serie. In der höchsten
Ausbaustufe können von einem Controller bis zu drei
Achsen angesteuert werden.
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SYSTEMDESIGN
Bild 3. Mit Außenmaßen von 63 mm
ist der Mikromanipulator ›MT63‹ für
Verfahrwege bis zu 25 mm geeignet.
Um das kompakte Design zu realisieren,
wurde der Antriebsstrang gefaltet.
Der Motor und die Spindel liegen
parallel zueinander und sind mit einem
Zahnriemen verbunden
Wenn drei Raumrichtungen
nicht ausreichen
Aufgaben in der Mikropositionierung umfassen oft
mehr als die Positionierung in die drei Raumrichtungen
X, Y und Z. Die Optiken oder Proben müssen zur optischen Achse ausgerichtet werden, das heißt, sie werden zweifach in die optische Achse gekippt. Folglich
benötigt man zwei weitere Freiheitsgrade, die die Kippbewegungen ermöglichen. Stapelt man die Einzelachsen übereinander, ergibt sich oft eine Baugruppe mit
unzureichender Steifigkeit und zu großer Bauform. Der
Pivotpunkt ist konstruktiv festgelegt und unter Umständen auch noch für beide Kippachsen ungleich.
Nun haben Hexapoden in der Praxis bewiesen,
dass sie diese Aufgabe meistern können. Dennoch
sind sie für viele Anwendungen in der Mikroproduktion
überdimensioniert. Und das drückt sich nicht nur in
den Stellwegen und Bauformen, sondern auch in den
Anschaffungskosten aus. Viele Applikationen benötigen nur kleinste Korrekturen in den jeweiligen Raumrichtungen. Dafür müssen diese Korrekturen in industriellen Prozessen möglichst schnell durchgeführt werden. Natürlich gelten auch bei diesen Anwendungen
die Anforderungen an industrielle Langlebigkeit.
5-Achs-Manipulator mit
integriertem Controller
Um für solche Applikationen eine optimierte Lösung
zu entwickeln, hat Steinmeyer bewährte Technik mit
neuen Ansätzen kombiniert. Der ›MP200-5‹ ist das
Ergebnis dieser Überlegungen (Bild 4). Das präzise
Positioniersystem basiert auf den Erfahrungen des
MT63. Eine robuste, schnelle Motor-Spindel-Kombination sorgt für die benötigte Genauigkeit, bietet
aber gleichzeitig eine Langzeitstabilität, welche in
industriellen Umgebungen gefordert ist. Zu diesem
Zweck wurde ein Festkörpergelenk-Aktuator auf Basis
des MT63 entwickelt, der sich fünffach in ein rundes
Gehäuse mit einem Durchmesser von 200 mm integrieren lässt. Zwei der Aktuatoren sind waagerecht
angeordnet und übernehmen die Bewegung in den
Raumrichtungen X und Y. Die anderen drei Aktuatoren
sind jeweils in einem Winkel von 120 Grad angeordnet
und stehen senkrecht zum Gesamtsystem. Diese
Aktuatoren übernehmen die Verkippung und die
Bewegung in Z-Richtung. Mit einem Verfahrweg
von jeweils ±2 mm oder einer Verkippung von bis zu
1 Grad lassen sich Korrekturbewegungen der Optik
oder des Bauteils innerhalb von Bruchteilen einer
Sekunde ausführen. Der Pivotpunkt ist dabei durch
die Parallelkinematik frei wählbar.
Das extrem kompakte Design des MP200-5 hat
bereits die benötigte Controllertechnik integriert.
Außer fünf vollständigen Achssteuerungen findet die
gesamte Verkabelung von Motoren, Encodern und
Endschaltern innerhalb des Gehäuses Platz. Das
erhöht die Störsicherheit und Zuverlässigkeit des
Systems. Gleichzeitig sinkt der Verkabelungsaufwand,
was die Herstellung schneller und effektiver macht.
Große, aufwendige externe Controller zur Ansteuerung des Systems werden somit nicht benötigt. Die
Kommunikation mit dem MP200-5 findet einfach per
USB- oder CAN-Schnittstelle statt.
Drahtlose Versorgung für
ungestörte Drehbewegungen
Auch wenn das Positioniersystem MP200-5 mechanisch für den industriellen Einsatz geeignet ist, bleibt
eine potenzielle Schwachstelle. Üblicherweise werden
Strom und Datenkommunikation per Kabel übertragen.
Das führt bei kontinuierlichen Drehbewegungen, wie
sie bei der Ausrichtung oder Vermessung von Optiken
durchgeführt werden, zu besonderen Herausforderungen. Natürlich bieten Schleifkontakte eine altbewährte
Lösung, die jedoch auf längere Sicht problematisch
sein kann. Steinmeyer geht daher einen Schritt weiter
und realisiert eine komplett drahtlose Versorgung des
Positioniersystems. Die dafür notwendige Funktechnik
bietet nicht nur die Möglichkeit, die Kommunikationsdaten zu übermitteln, sondern versorgt das System
auch drahtlos mit Energie. Mit dieser Lösung treten
weder mechanische ›Dreckeffekte‹ noch elektrische
Störungen auf. Die Übertragung erfolgt vollkommen
berührungslos und damit verschleißfrei.
© MIKROvent, Mainburg
MIKROPRODUKTION 06/15
Bild: Steinmeyer Mechatronik
© MIKROvent GmbH, Mainburg – www.mikroproduktion.com – nicht zur Verwendung in Intranet- und Internetangeboten sowie elektronischen Verteilern
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Bild 4. Der 5-Achs-Zentrier- und
Nivelliertisch ›MP200-5‹ besitzt fünf
Festkörpergelenk-Aktuatoren auf
Basis des MT63. Zwei der Aktuatoren
steuern die Bewegung in X-Y-Richtung,
die anderen drei übernehmen die
Verkippung und die Bewegung in
Z-Richtung. Zudem besitzt das System
eine Funkschnittstelle zur drahtlosen
Versorgung
Bild: Steinmeyer Mechatronik
Applikationsbasierte Lösungen
Die richtige Definition und Auslegung von Positioniersystemen für Mikroproduktionsanlagen ist oft komplexer als angenommen. Auch wenn viele Standardsysteme einen schnellen Erfolg versprechen, lohnt
sich die Betrachtung aller Komponenten in Bezug auf
die erwartete Lösung.
Applikationsbasierte Lösungen helfen, schneller
den gewünschten Erfolg zu erzielen, und betrachten
bereits bei der Planung die Gesamtkosten des
Systems, auch bezüglich Wartung, Service und TCO.
Die wenigsten Komponenten müssen von Grund auf
neu entwickelt werden. Bewährte Systeme können
angepasst oder idealerweise unverändert eingesetzt
werden. ■
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AUTOR
Dipl.-Ing. JENS KLATTENHOFF ist Vertriebsleiter
bei Steinmeyer Mechatronik in Dresden;
[email protected]
Die-Bonding auf Waferebene
Halbautomatischer Sub-Micron-Bonder. Die Montage- und Entwicklungsplattform ›Fineplacer sigma‹
des Berliner Unternehmens Finetech vereint eine
Platziergenauigkeit unter einem Mikrometer mit einer
Arbeitsfläche für Substrate bis 450 ✕ 300 mm2. Da der
Bonder für Kräfte bis 1000 N ausgelegt ist, ist er eine
geeignete Wahl für alle Arten des Wafer-Level-Packagings, für den Aufbau von MEMS/MOEMS, IR-Sensoren und andere High-I/O-Count-Anwendungen.
Kernstück des Geräts ist das Vision-AlignmentSystem ›FPXvision‹. Zwei zueinander ortsfeste HDKameras liefern die für die Bildüberlagerung genutzten Videofeeds, eigens angepasste Spezialoptiken
sorgen dafür, dass das Auflösungspotenzial voll ausgenutzt wird. Die maximale Auflösung sowie die in
Echtzeit optimierten Kamerabilder erlauben es, auch
bei großen Komponenten und Substraten feinste
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Bild: Finetech
© MIKROvent GmbH, Mainburg – www.mikroproduktion.com – nicht zur Verwendung in Intranet- und Internetangeboten sowie elektronischen Verteilern
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HERSTELLER
Finetech GmbH & Co. KG
12681 Berlin
Tel. +49 30 936681-0
Fax +49 30 936681-144
www.finetech.de
MIKROPRODUKTION 06/15
Als Montage- und
Entwicklungsplattform bietet der
›Fineplacer sigma‹
Kunden in der Halbleiterindustrie, in
der Medizintechnik,
im Automobilbau
und im F&E-Sektor
neue Möglichkeiten
Strukturen über die gesamte Fläche gleichmäßig
scharf darzustellen. Zudem steht erstmals bei einem
manuellen Bonder eine Bilderkennung zur Verfügung.
Beim Ausrichten von Chip und Substrat gibt diese ein
präzises Positionsfeedback und ermöglicht die einfache, softwaregestützte Ausrichtkorrektur. Zahlreiche
Beleuchtungsoptionen sorgen für mehr Spielraum
bei der Arbeit mit unterschiedlichen Materialien und
Oberflächen. Die überarbeite Steuerungs-Software
›IPMCommand‹ bietet umfassende Erstellungs- und
Anpassungsmöglichkeiten. Aufgrund der Programmstruktur und der konsistenten, intuitiv zu bedienenden
Benutzeroberfläche soll sich der Anwender schnell
zurechtfinden. Das Prozessmanagement erfolgt softwareunterstützt und ist auf Wunsch vollständig per
Touchscreen zu bedienen. ■
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