ganzer Artikel

Datum: 04.10.2015
SonntagsZeitung
8021 Zürich
044/ 248 40 40
www.sonntagszeitung.ch
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 201'738
Erscheinungsweise: wöchentlich
Themen-Nr.: 038.085
Abo-Nr.: 1089317
Seite: 61
Fläche: 123'978 mm²
In den Bergen,
Bergen
Es ist schön in
auch im Film
Film:Jonas
Jonas
Ursh
Hartmann als Schellen Ursli
weisse Majestät,»
Majestät»
und «Die weisse
von 1933
Schweizer Hochkultur
Im Kino startet der starke «Schellen-Ursli», im
Alpinen Museum Bern eine abgründige Ausstellung
Matthias Lerf
Selina Chönz (Text) und Alois Ca- Jäger haben deshalb von ihrer
Der Käse kullert bergab. Ver- rigiet (Illustration), der 1945 erst- schöpferischen Freiheit üppig Geschwindet in der Schlucht, eine mals erschien und bis heute in je- brauch gemacht. Die Geschichte
ganze Ladung, das Erzeugnis eines Sommers auf der Alp. Davon
lebt diese Bergbauernfamilie, sie
wird darben müssen im Winter.
Zumal der reiche Ladenbesitzer
und Gemeindepräsident des Dor-
dem Deutschschweizer Kinderzim- wird angereichert mit raffgierigen
mer steht. Das war doch die einfa- Rothaarigen, einem von der Stadt
che Geschichte dieses Jungen, der träumenden Postboten und weite-
eine zu kleine Glocke erhält und
sich dann mit einem gefährlichen
Bubenstreich eine grössere - und
fes noch mehr Profit schlagen will
damit Respekt - verschaffte.
aus der Misere der Armen. Zum
Stimmt. Das war genug HandGlück gibt es den Schellen-Ursli lung im Kinderbuch, aber natürund seine Freundin Seraina.
lich zu wenig für einen ausgewach-
rem Personal. Und die Tiere stehen, wie in einem der schönsten
Bilder des Buches, nicht nur Wa-
che im Wald, wenn Ursli auf der
Alp schläft. Sondern spielen wa-
cker mit, Geisslein, Murmeli,
manchmal taucht gar ein Wolf auf.
Hä? Was hat dieser Ursli mit gesenen Kinofilm. Regisseur Xavier
Das funktioniert gut, die Geraubtem Käse zu tun? Davon steht
Koller und Drehbuchautor Stefan schichte hat Zug, die Kinder sind
nichts im Bilderbuch-Klassiker von
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stark. Aber wo Berge sich erheben, würde», schrieb der Bundesrat.
sind Kitsch- und Pathos-Verdacht Und sah im jungen Medium eine
nie fern. Damit kämpft der Schwei- neue Art, die Schönheit des Lanzer Film, seit er sein wichtigstes des auch im Ausland zu preisen.
Exportgut in Szene setzt. Und daAllerdings waren dann die Tou-
von zeugt jetzt eine hervorragen- ristiker - ewiges Dilemma - entde Ausstellung im Alpinen Muse- täuscht von der Leinwandgeschichum in Bern mit dem Titel «Die Er- te: Denn im Film lässt der Bergweiterung der Pupillen beim Ein- führer seinen sturen Gast (und Ritritt ins Hochgebirge».
valen) schliesslich allein gegen den
Eigentlich unternimmt man in Gipfel ziehen, worauf der prompt
dieser Schau eine Bergtour: Vom umkommt. Was nicht gerade die
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von der Zürcher C-Films dachte
nach drei Jahren schon fast ans
Aufgeben. Bis die Rettung durch
eine «ausserordentlich grosse Mit-
finanzierung aus dem Kanton
Graubünden» kam.
Der Schnee stiebt jetzt also im
Film, die Gipfel sind sonnig, die
Häuser schmuck. Aber der «Schellen-Ursli» ist kein Werbestreifen.
Regisseur Koller und Kameramann
Felix von Muralt zaubern mit den
beste Werbung für den Berufs- Bildern. Eigenen. Und solchen aus
Abschied im Tal bis zum Gipfel,
zweig und die Schweiz war.
dem Bilderbuch, die wie Erinne-
vom Ausruhen auf der Alpwiese
Natürlich folgten dann andere rungsblitze auftauchen. Eine gebis zur Katastrophe in Fels und Eis,
Filme, solche wie «Die weisse Ma- lungene Mischung.
alles ist da, in neun verschiedenen
jestät» (1933), in denen sich die
So unverkrampft hat schon lanStationen auf dem Weg durchs Museum. Zu sehen sind Ausschnitte
aus 104 Schweizer Bergfilmen, die
nach einem Konzept von Antoine
Jaccoud (er schrieb zum Beispiel
das Drehbuch zu Ursula Meiers
Film «Sister») zu einer stündigen
Collage verdichtet wurden.
Wo Berge sind, ist der
Tourismus nicht fern
Alpen als Heilstätte für geplagte
Städter erwiesen. Dabei ging es
nicht nur um die Schönheit der
Landschaft, auch die damals im
nördlichen Nachbarland triumphierenden Werte wie Stählung
und Zucht schwangen mit. Aber
Ende der 1930er-Jahre stellte sich
dann der Bergfilm in den Dienst
ge kein Einheimischer mehr Berge in Szene gesetzt. Denn, auch
davon zeugt die Collage im Alpinen Museum, der neue Schweizer
Film rieb sich schwer an den Gipfeln und dem Erbe der Väter. Das
brachte ab den 1960er-Jahren einiges vom Besten hervor, was der
CH-Film zu bieten hat, von Ursula Meiers «Sister» bis Xavier Kol-
der Geistigen Landesverteidigung,
am erfolgreichsten mit dem «FüsiDer älteste Film in dieser Ausstellier Wipf» (1938), der von jedem lers «Reise der Hoffnung», von Frelung - es ist vermutlich der ältesdritten Schweizer gesehen wurde. di Murers «Höhenfeuer» bis zu
te Schweizer Bergfilm überhaupt
Sogar dieser Mobilisierungsfilm Yves Yersins «Les petites fugues».
- heisst «Der Bergführer». Gedreht
Darin träumte Bauernknecht Pipe
wurde er 1917, stumm, aber voller macht auf seinem Plakat Werbung vom Matterhorn. Am Ende darf er
Dramen. Es gibt eine schöne Pro- mit der Schönheit der Drehorte: mit dem Helikopter den Berg umtagonistin, zwei Herren, die um «Die höchsten Gipfel des Wallis, kreisen. Um nüchtern festzustelsie kämpfen, einen heissen Kuss das sonnige Tessin ...»
len: «Da gibt es ja nur Steine.»
(das reichte damals schon für einen
Die Steine aber, das zeigt die
Der Berg duldet keinen
kleinen Skandal) und eine GletAusstellung im Alpinen Museum,
Ausbruch aus der Seilschaft
scherleiche. Gedreht wurde unter
lassen sich formen und gestalten.
anderem auf dem Jungfraujoch. Trotz aller ideologischer Belastun- Manchmal laufen auf den diverUnd mitbezahlt hat den Film das gen: Es ist eben schön in den Ber- sen Monitoren in der begehbaren
im Entstehungsjahr gegründete gen, auch im Film. Und 80 Jahre Ausstellung mehrere Filme paralSchweizer Fremdenverkehrsbüro. später wäre der «Schellen-Ursli» lel. Manchmal nur einer. Der älWo Berge sind, ist der Touris- auch nicht entstanden ohne tou- teste Film verbindet sich mit dem
mus eben nicht fern. Und 1917, ge- ristische Hilfe. Denn so bekannt neusten, der kritischste mit dem
gen das Ende des Ersten Weltkrie- diese Geschichte in der Deutschges, stand es schlecht um diesen schweiz ist, schon im benachbarZweig. «Es lässt sich nicht leugnen, ten Ausland und in der Romandie
dass ein längeres Ausbleiben des kennt den Schellen-Ursli niemand.
Fremdenverkehrs in der Schweiz Schwer deshalb, Geld für das
kitschigsten. Die Macht der Bergbilder? Der Montage? Oder der Erinnerung, weil man plötzlich wieder längst vergessene Szenen sieht?
Manchmal möchte man stehen
eine Finanzkatastrophe auslösen 5,6-Millionen-Projekt aufzutrei- bleiben, aber der Berg duldet keiben, Produzent Peter Reichenbach
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nen Ausbruch aus der Seilschaft, Drinnen wird es aber bald ernst.
mit der man die Ausstellung an- Abschied, Aufstieg. Wolken und
schaut, und treibt einen weiter. Das Nebel warnen vor Gefahren, Hewird einem in der ersten Station, likopter zeugen von Katastrophen.
einem Vorspiel sozusagen, drei- Alles lässt sich am Berg zeigen, Liesprachig vom Westschweizer Ko- be, Dramen, Tod. Und dazwischen
miker Vincent Kucholl («120 se- kommentieren Polo Hofer und
condes») mit Strenge und Schalk Max Rüdlinger, die mal filmisch
eingeimpft. Dazwischen gibt es - die Gemmi bezwangen, lakonisch:
köstlich! - alte Berg-Werbespots: «Hinter jedem Berg kommt wiebesser wedeln mit Toko-Wachs, der ein Berg.»
Ja, es kommt wieder ein Berg.
schöner singen mit der Rivella-Skinationalmannschaft.
Nach dem gelungenen «SchellenAlles lässt sich am Berg zeigen,
Liebe, Dramen, Tod
Ursli» kündigt sich ein anderer
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di». Sie soll sich, sagt Produzent
Lukas Hobi («Achtung, fertig,
Charlie!»), nahe an der literarischen Vorlage von Johanna Spyri
bewegen. Und präsentiert schon
im Vorspann die Bandbreite des
Bergfilms. «Hoch oben, in den Ber-
gen, ist die Welt friedlich und ruhig» heisst es da unschuldig. Dann
kommt ein kleiner Zusatz: «Nun
ja, meistens.» Worauf Klein-Hei-
di mit dem Alpöhi Bruno Ganz
durch die Schneelandschaft stiebt.
Wir freuen uns auf den Berg-
Klassiker an. Bereits im Dezember film. Nun ja, meistens.
folgt eine neue Version von «Hei-
Film: Ursli und der Wolf
Museum: Gipfel-Erlebnis
Der Schellen-Ursli in der Filmversion verschafft sich nicht nur eine
grössere Glocke. Er schaut auch
Vom «ersten begehbaren Bergfilm»
einem Wolf in die Augen. Regisseur
geworden: eine Tour durch 100
Jahre Filmgeschichte, aber keine
forcierte. Präsentiert werden die
Xavier Koller präsentiert eine ge-
lungene Adaption des Kinder-
spricht Museumsdirektor Beat
Hächler. Und das ist es tatsächlich
verleugnet, aber eigene Akzente
setzt. Überzeugend sind die Kin-
Ausschnitte an verschiedenen Stationen, man kann sitzen, liegen, knien, ist aber immer wieder in Bewe-
der in den Hauptrollen. Und die Er-
gung, körperlich und gedanklich.
buchs, weil sie ihren Ursprung nicht
wachsenen - Leonardo Nigro als
rothaariger Bösewicht! - spielen
mit Freude und Schalk. Mit diesem
Uorsin, wie er hier heisst, ist man
gern im Engadin unterwegs.
«Schellen-Ursli» startet am15.10.
Hat man nach einer Stunde das Tal
wieder erreicht, ist die Lust gross,
gleich nochmals aufzubrechen.
«Die Erweiterung der Pupillen
beim Eintritt ins Hochgebirge»,
Alpines Museum Bern, bis 7.8. 16
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Der Schweizer Film im Bann der Berge
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1922 Eines der ersten Gipfelkreuze im CH-Film aus «La croix du Cervin»
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1938 «Füsilier Wipf»
1979 «Messidor» von Alain Tanner
Ab 15. Oktober «Schellen-Ursli»
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1979 «Les petites fugues»
Ab 10. Dezember «Heidi>:
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