Zum Exponat... - Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus

Exponat des Monats
November 2015
Adenauer-Lithographie von Oskar Kokoschka
Cadenabbia, das pittoreske Örtchen am Comer See in Norditalien, ist Konrad Adenauers
liebster Urlaubsort gewesen, sein bevorzugtes Domizil die Villa la Collina. Wie der Name
bereits andeutet, ist das Gebäude auf einem Hügel über dem Westufer des Sees gelegen. Von
dort eröffnet sich ein fantastischer Ausblick auf Bellagio und nach Norden hin bis ins Massiv
der Engadiner Alpen.
Im Laufe seiner 18 Cadenabbia-Aufenthalte hat Adenauer hier zahlreiche hochkarätige
Besucher aus Politik, Kultur und Wirtschaft empfangen. Darunter zwei der berühmtesten Maler
des 20. Jahrhunderts: Graham Sutherland (1903-1980) und Oskar Kokoschka (1886-1980).
Beide waren namhafte Vertreter des Expressionismus, einer Kunstrichtung, mit der Adenauer
im Allgemeinen wenig anzufangen wusste. Für Sutherland hat Adenauer im September 1963,
einen Monat vor seinem Rücktritt, in Cadenabbia Portrait gestanden. Sutherland habe ihn als
denkenden Menschen dargestellt. Mit diesen Worten wollte Adenauer sein Wohlgefallen am
fertigen Gemälde zu erkennen geben.
Kokoschkas Adenauer-Portrait entstand im April 1966, ebenfalls in der Villa la Collina. Über
drei Wochen zogen sich die Arbeiten hin. Dabei fanden der achtzigjährige Maler und das
neunzigjährige Modell auf menschlicher Ebene rasch zueinander. Sicher wird Adenauer vom
eigenwilligen Charakter Kokoschkas auch beeindruckt gewesen sein. Der Umgang zwischen
beiden war von freundschaftlicher Rück- bzw. Nachsicht geprägt. So mochte Kokoschka in der
Gegenwart des strikten Nichtrauchers Adenauer ganz auf das Rauchen verzichten. Adenauer
hingegen empfahl dem Maler in regelmäßigen Abständen, einmal zur Zigarette zu greifen.
Wenig begeistert war Adenauer allerdings vom künstlerischen Ergebnis der Sitzungen. Er
meinte sogar, Kokoschka eine zunehmende Sehschwäche attestieren zu müssen.
In der Wahrnehmung der deutschen Bevölkerung ist das Kokoschka-Portrait dennoch weit
bedeutender als das von Sutherland, hängt es doch heute über dem Arbeitsschreibtisch von
Angela Merkel. „Adenauer selbst“ so Merkel, „konnte sich offenbar für dieses Portrait von
Oskar Kokoschka nicht so richtig erwärmen. Aber vielleicht hätte es dem ersten Bundeskanzler
unseres Landes gefallen, dass dieses Portrait im Bundeskanzleramt in Berlin hängt, der
Hauptstadt eines vereinten Deutschlands in einem geeinten Europa.“ *
Nebenbei hat Kokoschka in Cadenabbia auch eine kleine Adenauer-Lithographie (61,5 x 46,7
cm) angefertigt und später einen ersten Probedruck für Adenauer mit einer Widmung versehen:
„Dem verehrten lieben Herrn Bundeskanzler
Dr. Konrad Adenauer
Der erste Abzug der Lithographie in Freundschaft
Oskar Kokoschka 6.V.1966“
Dieser Abzug ist nach Adenauers Tod von seinen Nachkommen an die Stiftung BundeskanzlerAdenauer-Haus in Rhöndorf übereignet worden. Der ideelle Wert dürfte noch über dem
Kunstwert liegen, spricht Kokoschka hier doch explizit die Freundschaft an, die zwischen ihm
und Adenauer entstanden ist.
Dieses freundschaftliche Verhältnis bestand bis zuletzt. Kokoschka hat Adenauer auch einen
Besuch in dessen privatem Wohnhaus in Rhöndorf abgestattet. Ganz in Erinnerung an die
Cadenabbia-Tage hat man viele gemeinsame Partien auf der Bocciabahn im Garten des Hauses
gespielt.
Am 19. April 1967 ist Adenauer in Rhöndorf verstorben, exakt ein Jahr nach der Vollendung
von Kokoschkas berühmten Adenauer-Portrait in Öl.
Text: Carsten Sick
Foto: StBKAH
*Merkel, Angela: Ein Denkmal für die Zukunft. Was das Adenauer-Denkmal in Bonn heute aussagt. In:
Die Politische Meinung. Sonderausgabe Nr.3. Juni 2015. S.19.