Portrait Christian Johner

BERUF & KARRIERE
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DER RASTLOSE
PORTRÄT
CHRISTIAN
JOHNER
Christian Johner ist Experte für Gesundheits-IT und
Hochschullehrer. Aber nicht irgendeiner. Er gehört zu
jenen in Deutschland seltenen Professoren, die sich
wirklich um ihre Studenten kümmern und dafür von
denen nur allerbeste Noten erhalten. Damit seine Kurse wirklichkeitsnah bleiben, aber auch zum eigenen
Vergnügen, arbeitet Johner neben der Hochschule an
der Entwicklung und Qualitätssicherung von Software.
hristian Johner ist immer pünktlich und nach allem, was man
über ihn hört, unglaublich diszipliniert. Anders ist auch kaum zu
erklären, dass er Lehraufträge an nicht
weniger als vier verschiedenen Hochschulen in Deutschland, Österreich
und der Schweiz, Forschungsarbeit
und Onlinelehrtätigkeit an seinem Institut für IT im Gesundheitswesen und
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nebenbei auch noch umfangreiche Beratungstätigkeit unter einen Hut bringt.
Jedenfalls führt seine Disziplin dazu,
dass er E-Mails regelmäßig auch noch
nachts gegen ein Uhr verschickt.
Zu Hause ist Johner in Freiburg im
Breisgau. Dort, in direkter Nachbarschaft zum Elsass, schätzt man Kultur,
Essen und Trinken. Aber für sein Stu-
dium sucht er sich etwas ganz Hartes
aus. Johner studiert Physik, lernt strukturiertes Denken. „Das Studium ist eine
Hirnschule. Ansonsten brauche ich von
dem gelernten Stoff heute eigentlich
nichts mehr.“ Strukturieren und Probleme lösen, „rechteckig denken“, wie
er es nennt, das ist ihm wichtig.
Schon der Student entwickelt einen
ungewöhnlichen Arbeitseifer, arbeitet
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„Ich bin kein Hasardeur, aber Langeweile
wäre mir ein zu hoher
Preis für Sicherheit.“
nebenher als Medizinphysiker, plant
Bestrahlungen und darf sogar CT und
Diagnostik machen. „Das hat mir Spaß
gemacht“, sagt er. Die Physik alleine
hätte ihm nicht gereicht. Ebenfalls nebenher besucht er eine der „schönsten
Lehrveranstaltungen meines Lebens“
zum Thema Rechner, Rechnerarchitektur und Programmierung. „Das
fand ich sensationell.“ So stellt Johner früh für sich fest, dass Medizin,
Gesundheitswesen und IT seine Welt
sind. Er schreibt seine Promotion und
zieht nebenher eine Firma hoch, die
für niedergelassene Ärzte das Qualitätsmanagement für Röntgengeräte
übernimmt. „Ich habe schon immer
gerne und viel gearbeitet“, sagt er lapidar. „Das Studium und die Promotion,
das ist so durchgerutscht.“ Das Studium beendet er mit der Abschlussnote
1,0, für die Promotion erhält er die
Bewertung summa cum laude.
Für Johner gibt es keine Trennung
zwischen beruflich und privat. Er sagt,
er mache immer das, wozu er Lust hat,
und man glaubt es ihm. Er wirkt stets
so, als sei er ganz mit sich im Reinen.
„Wenn ich nicht mehr in meinem
Wohlfühlbereich bin, dann gehe ich“,
sagt er. In so einer Situation hat er sein
damaliges Angestelltenverhältnis bei
Fresenius Medical Care gekündigt.
Das fand er nach mehr als zehn Jahren „nicht mehr ganz so lustig“. Dabei
hatte er sich viel davon versprochen. Direkt nach dem Studium beginnt Johner
bei Fresenius als wissenschaftlicher
Mitarbeiter und will Karriere machen:
„Ich hab‘ mich mit Aktenköfferchen,
Anzug und Krawatte durch die Gegend
reisen gesehen, das fand ich eine supertolle Vorstellung“, grinst er heute, weil er
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ZUR PERSON
Christian Johner wurde 1967 in
Freiburg geboren. Er ist Dozent an
der Donau-Universität Krems und an
der Universität von St. Gallen und hat
zwei Professuren inne, in Neu-Ulm
und Konstanz. Johner ist studierter
Physiker, ist Gründer und Leiter des
Instituts für IT im Gesundheitswesen
und betreibt ein Beratungsunternehmen für die Entwicklung und
Qualitätssicherung
medizinischer
Software.
inzwischen weiß, dass ihm genau das so
gar nicht entspricht.
Bei Fresenius erwischt ihn die Jahrtausendwende. Die Riesenhysterie
geht auch an Johner nicht vorbei; er
gründet wieder eine Firma, die Calcucare AG. „Das war etwas größenwahnsinnig, gleich eine Aktiengesellschaft
zu gründen, aber damals spielte Geld
einfach keine Rolle.“ Die Kapitalgeber
gaben Millionen für kleinste Anteile.
Johner ist in den USA unterwegs und
baut nun schon mit IBM an Lösungen.
„Wir haben uns auf Ketten von kleineren Krankenhäusern spezialisiert, auch
wegen meines Fresenius-Hintergrundes, wo ich immer noch angestellt war.
Fresenius hatte zu diesem Zeitpunkt
bereits rund 2.000 Dialysekliniken und
-praxen, die unsere Kunden waren.“
Johner bietet eine Software an, die der
heutigen elektronischen Patientenakte
ähnlich ist und die obendrein sämtliche
Arbeitsabläufe steuerte.
Die Firma wird schnell größer und
erfolgreich. Aber wie bei vielen Startup-Unternehmen dieser Zeit ist die
Luft auch schnell wieder heraus, die
Aufbruchstimmung weg, die externen Kapitalgeber kollabieren und
sind nicht mehr da. Johner wird von
Fresenius abhängig, wodurch er seinen Gestaltungsraum eingeschränkt
sieht. Er ist jetzt nur noch Teil eines
Konzerns, und das gefällt ihm nicht:
„Ich fand es fad.“
Er will seine Freiheit zurück, weil ihn
dieses „Pärchen Freiheit und Verantwortung reizt“. Und er hat kein Problem damit, auch einmal gnadenlos
zu scheitern. Wichtig ist es, sagt er, es
probiert zu haben: „Ich bin kein Hasardeur, aber Langeweile wäre mir ein zu
hoher Preis für Sicherheit.“
Nach dieser Maxime scheint Johner
in allen Lebensbereichen zu handeln:
Seine Frau lebt in Würzburg, er hat
je eine Wohnung in Konstanz und in
Freiburg. Während der Woche sehen
sie sich selten, am Wochenende fast
immer. „Wir müssen nicht sieben Tage
zusammen sein, der Wechsel macht
unser Leben spannend!“ Absolute
Freiheit gehört dazu, sagt er, absolutes Vertrauen und inzwischen auch
Teamarbeit: Johner und seine Frau,
die vom Theater kommt, organisieren
gemeinsam Events. Schon der erste
Versuch wird ein großer Erfolg. Für
sein Freiburger Institut haben sie einen „Institutstag“ ausgerichtet, eine
Mischung aus Tagung, Examensfeier
und Kultur. „Uns war wichtig, nicht
den 500. E-Health-Kongress mit immer wieder denselben Sprechern zu
machen und ein weiteres Mal darüber
zu diskutieren, ob die Gesundheitskarte
nun gut oder schlecht ist.“ Das Ehepaar
Johner organisiert eine Art Fest mit vielen Künstlern, großem Bühnenaufbau
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Rastlos: Urlaub sei für ihn kein Thema,
sagt Johner. „Zu einem Kind sagt man
ja auch nicht, komm Du hast genug
gespielt, jetzt mach mal Urlaub.“
Immerhin geht er regelmäßig abends
Joggen und hin und wieder setzt er
sich ein wenig ans Klavier.
und zum Abschluss einer Operngala.
„Die Leute waren begeistert und haben verstanden, was ich wollte: Zeigen,
dass E-Health auch ein schöner Teil des
Lebens ist.“ Die nächste Veranstaltung
gestalten sie am 29.und 30. Oktober in
Bad Homburg für Fresenius.
Zum seinem zweiten Institutstag am 3.
und 4. Juli muss er schon nicht mehr
einladen; die Mund-zu-Mund-Propaganda unter den Studenten reicht aus.
Überhaupt seine Studenten. Johner
will Wissen vermitteln, natürlich,
deshalb seine vielen Lehraufträge.
Aber es geht ihm um mehr: „Ich will
Menschen fördern, im Leben und
im Beruf.“ Als er beispielswiese an
seinem Institut beobachtet, dass
seine Studenten nicht besonders
gut Vorträge halten können, führt er
kurzerhand ein Rhetorikseminar ein.
„Außerdem begleitet mittlerweile ein
Coach die Studenten, der normalerweise für Führungskräfte bei Banken
arbeitet.“ Die Studierenden sollen mit
ihm rechtzeitig herausfinden, wo es
eigentlich im Leben mit ihnen hingehen soll. Das kommt gut an. Johner ist
sehr stolz darauf, wie seine Studenten
ihn beurteilen. In einem ProfessorenRanking im Internet liegt er mit der
Spitzennote sehr gut auf Platz eins
unter den Informatikern.
Seine Studenten möchte Johner auch
davon überzeugen, wie wichtig es ist,
Netzwerke zu spinnen und Brücken
zu bauen. Zwischen Menschen, vor
allem aber auch zwischen Professionen: „Zurzeit gibt es einen deutlichen
Bruch zwischen den IT-Anwendern
und denjenigen, die Programme und
Geräte produzieren. Die ITler sieht
man eigentlich nur im Keller sitzen,
Pizza essen und Pickel haben. Das ist
ein großes Problem. IT muss viel näher
beim Anwender und zu seinem Nutzen
entwickelt und produziert werden.“ Für
den neuen Branchentreff Conhit, der als
Nachfolger der Iteg vom 8. bis 10. April
in Berlin stattfinden wird, hat Johner das
Akademie-Programm entwickelt. Auch
hierbei standen die Nähe zum Anwender und der intensive Erfahrungsaustausch im Mittelpunkt.
Seit dem Jahr 2006 betreibt Johner
auch noch ein Beratungsunternehmen. Spezialität: die Entwicklung,
Validierung und Zulassung medizinischer Geräte und Software als Medizinprodukte. Viele Unternehmen
wissen nicht, wie das funktioniert.
„Man kann mit Software nicht, wie es
früher bei vielen Geräten üblich war,
zum Tüv gehen und um Vermessung
bitten. Für Software gelten andere Regeln, da gibt es keine Fehler mehr, die
man erkennen könnte – also muss man
sich den Entwicklungsprozess ansehen.
Es interessiert nicht mehr primär das
Produkt, sondern wie man zu dem
Produkt gekommen ist. Das ist ein
komplexer Prozess, den wir beratend
begleiten.“
Nicht nur im beruflichen Leben, auch
privat überlässt Christian Johner
nichts dem Zufall. „Ich strebe Glück
ganz bewust an“, sagt er, und untersucht deshalb kontinuierlich, was er
für sich noch besser machen könnte.
Auch in seiner Ehe läuft das so: Die
Johners sind sicherlich nicht in Gefahr,
sich der Gewohnheit oder dem Alltag
hinzugeben. Dafür besuchen sie auch
schon mal gemeinsam ein Seminar,
das „Erfüllte Partnerschaft“ heißt. <<
Sara Stern
Fotos: Volkmar Otto
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