„Alles schaukelte wie auf einem Schiff bei rauem Seegang“ Zwei österreichische Volontärinnen, die 19-jährige Michaela Meindl aus Graz und die 24-jährige Katharina Hofmarcher aus Wolfpassing/Scheibbs (NÖ) befinden sich momentan über „VOLONTARIAT bewegt“ – einer Initiative von Jugend Eine Welt und der Salesianer Don Boscos - auf Auslandseinsatz in Ecuador. Als am Samstag die Erde bebte, waren sie mitten im Katastrophengebiet – beide blieben glücklicherweise unverletzt. Michaela und Katharina sind in einem Don Bosco Hilfsprojekt für benachteiligte Kinder in Ambato im Einsatz – in einer Region, die vom Erdbeben nicht betroffen war. Doch für das vergangene Wochenende waren sie in das kleine Dorf Canoa an der Küste gefahren und erlebten das Beben hautnah mit. Hier schildern sie ihre Eindrücke. von Michaela Meindl G egen Abend saßen wir auf einem Baumstamm am Strand, als die Erde zu beben begann. Kinder spielten um uns herum, deswegen haben wir im ersten Moment gar nicht begriffen was passiert, sondern gedacht, dass die Kinder an unserem Baumstamm wackeln. Dann merkten wir aber, dass sich alles bewegt, und zwar nicht nur ein bisschen! Wir versuchten aufzustehen, sind aber gleich wieder hingefallen und am Boden geblieben. Der Boden hat sich bewegt als wären wir auf einem extrem schwankenden Schiff. Sobald sich das Beben beruhigt hat, sind wir vom Strand weg und zur Straße gegangen. Diese war überall aufgerissen und da entdeckten wir auch, dass die Bar unseres Hostels eingestürzt war. Wir folgten dem Strom der Menschen, die aus dem Dorf flüchteten, denn alle hatten Angst, dass das Erdbeben einen Tsunami auslösen könnte. Unser Ziel waren die Hügel rund um Canoa, weil man dort am sichersten ist. Mittlerweile war es dunkel geworden, alle Stromkabel lagen am Boden und wir sahen viele eingestürzte Häuser. Schließ- lich erreichten wir einen Hügel, auf dem schon viele andere Leute waren. Von dort aus hatte man einen guten Blick auf Canoa, wo zwei Stunden lang ein riesiges Feuer brannte – bis es von selbst verlöschte, weil das brennende Haus zu Schutt und Asche geworden war. Immer wieder waren Gasexplosionen zu hören. Auf diesem Platz harrten wir die ganze Nacht über aus. Die Leute hatten ein Lagerfeuer gemacht und waren alle sehr nett. Wir besaßen ja nichts außer den Sachen, die wir an den Strand mitgenommen hatten - in meinem Fall einen Bikini, ein Tuch und ein bisschen Geld. Die Leute teilten ihre Decken mit uns und versorgten uns mit Jacke, Pulli und Leiberl. Während der Nacht regnete es häufig und es gab noch unzählige Nachbeben, bei denen wiederholt große Unruhe entstand. Ein Mann übernahm schließlich eine Art Führungsrolle und rief zur Ruhe auf. Außerdem wurde aus Wellblechplatten ein Unterschlupf für die Kinder gebaut, damit wenigstens sie Schutz vor dem Regen hatten. Nach einer unglaublich langen Nacht brachen im Morgengrauen einige Leute ins Dorf auf und kamen mit Wasser, Essen und Zelten zurück, weil sie vorhatten noch längere Zeit auf dem Hügel zu bleiben. Auch wir gingen hinunter, um unsere Sachen aus dem Hostel zu holen, was Gott sei Dank gelang – sie waren nicht beschädigt. Dann brachten wir Wasser hinauf zu den Leuten, die an unserer Schlafstelle geblieben waren und beschlossen, schnellstmöglich die Heimreise zu unserem Projektstandort anzutreten. Nach einer überraschend kurzen Wartezeit kam ein Bus nach Tosagua, einem ca. zwei Kilometer entferntem Ort im Landesinneren. Dort wurde uns gesagt, dass es keine Busse in die „Sierra“ gäbe, weil alle Straßen verschüttet seien. Also mussten wir eine Nacht in Tosagua verbringen, ohne Strom und Wasser – obwohl wir uns nach der am Boden verbrachten Nacht schon sehr nach einer Dusche sehnten. Am nächsten Tag gelang die Weiterreise nach Santo Domingo, wenn auch mit langen Wartezeiten. Wir kamen gegen 21:00 am Montag zu Hause im Don Bosco Projekt in Ambato an – unversehrt und heilfroh, dass uns nichts passiert war. Unser von Katharina Hofmarcher Z uallererst: Uns geht es gut. Wir sind Montag Abend wieder wohlbehalten in unserem Don Bosco Projekt in Ambato angekommen. Gemeinsam mit Michaela aus Graz und Kateh, einer Volontärin aus den Niederlanden, war ich am Freitag in das Küstendorf Canoa gefahren, um dort ein entspanntes Wochenende am Meer zu verbringen. Am Samstagabend saßen wir gerade gemütlich am Strand und genossen den Sonnenuntergang, als das Erdbeben begann. Am Anfang kannten wir uns überhaupt nicht aus. Alles schaukelte wie auf einem Schiff bei rauem Seegang. Erst als das erste – stärkste - Beben vorbei war, bemerkten wir, dass Häuser eingestürzt und Strommäste umgefallen waren und dass sich teilweise riesige Risse in der Straße aufgetan hatten. Alle Menschen flüchteten aus dem Dorf, um sich auf den umliegenden Hügeln vor einem möglichen Tsunami in Sicherheit zu bringen. So auch wir – und natürlich genauso wie wir waren: ohne Schuhe und im Strandoutfit, ich in Bikini und Sommerkleid. Wir waren die meiste Zeit mit einer Gruppe deutscher Volon- tiefes Mitgefühl gilt all den Menschen, die durch das Erdbeben ihr Leben, liebe Angehörige bzw. ihre gesamte Existenz verloren haben.“ tärInnen unterwegs, die uns sogar Schuhe borgten. Die Nacht verbrachten wir auf einer Anhöhe, von der aus man das Dorf sehen konnte. Ein Haus hatte Feuer gefangen und es gab immer wieder kleinere schwache Nachbeben. Die Gemeinschaft auf dem Hügel war trotz der angespannten Stimmung wirklich schön: Es wurden Lagerfeuer gemacht, ein Unterschlupf für die Kinder gebaut als es zu regnen begann, die Leute teilten mit uns ihre Jacken, Decken und ihr Wasser und ein Mann ging mit einer Packung Süßigkeiten durch und bot sie jedem an. Die Nacht dauerte ewig, denn so wirklich schlafen konnten wir nicht. Der Tsunami blieb aber zum Glück aus und so konnten wir am nächsten Morgen unsere Sachen aus dem Hostel holen, das glücklicherweise nicht beschädigt worden war. Bei Tageslicht sahen wir erst, wie viele Häuser in Canoa eingestürzt waren. So viele Familien hatten ihr gesamtes Hab und Gut verloren und teilweise auch ihre Familienmitglieder. Am Sonntagvormittag gelang es uns, mit dem Bus ins zwei Kilometer entfernte Tosagua zu gelangen, wo es aufgrund des Erdbebens keinen Strom und kein fließendes Wasser gab und wo wir eine Nacht im Hotel verbringen mussten, denn alle Straßen in die Sierra (Hochebene) waren gesperrt. Am nächsten Tag ging es mit einigen Verzögerungen weiter und am Montag Abend kamen wir in Ambato an. Dort hatte man das Erdbeben zwar gespürt, aber die Stadt war glücklicherweise unversehrt geblieben.“
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