30 | W&V 10-2016 Fotos: Unternehmen, Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Mit Weitsicht hat Stefan Semmelroth gehandelt, als er von den Mediaagenturen Transparenzverträge einforderte. Im W&V-Interview erzählt er, warum und wie AGENTURBEZIEHUNG W&V e t Debat ar e n z Transp im äf t g e sch Media „Billig ist schnell zu teuer“ Volle Transparenz von der Mediaagentur? Der Marketingchef von Jack Wolfskin weiß: Das geht. Stefan Semmelroth über kleine Budgets und große Bequemlichkeiten. Ein Vertrag mit Vorbildcharakter I NTERVI EW: Jud i th P fa nne nmü l l e r W&V 10-2016 | 31 die Agentur uns rät, muss sich ausschließlich an den Zielen des Unternehmens ausrichten. Das erfordert Transparenz in den Beziehun gen zur Agentur. Die Offenlegung muss so weitreichend sein, dass wir beurteilen können, ob die vorgeschlagene Strategie unseren Un ternehmenszielen dient, oder ob die Agentur noch weitere, eigene Ziele damit abdeckt. Als Unternehmen muss man dafür die entspre chenden Rahmenbedingungen schaffen. Das klingt so einfach. Gerade Mittelständler wissen aber oft nicht, wie sie von ihren Mediaagenturen Transparenz vertraglich einfordern können. Wie sind Sie vorgegangen? Wir haben uns externe Berater an die Seite geholt, uns zunächst mit der Zielsetzung be schäftigt und dann überlegt, welche Faktoren wichtig sind, um unsere Marketingziele zu erreichen. Schon in der Sondierungsphase haben wir den Agenturen angekündigt, dass uns Transparenz, Offenlegung der Bücher und FairSharePrinzip sehr wichtig sind. Mit den Agenturen, die wir beim nächsten Schritt mit nehmen wollten, haben wir eine Transparenz vereinbarung getroffen – und zwar bevor wir ihnen ein Briefing gegeben haben. So konnten wir sehen, ob Agenturen bereit sind, das Transparenzversprechen, das sie abgeben, auch vertraglich umzusetzen. Diese Grund voraussetzung musste erfüllt sein, bevor wir überhaupt angefangen haben, über Inhalte zu sprechen. Derzeit wird wieder heftig um Transparenz im Mediageschäft debattiert. Zu Recht? Auf jeden Fall, das The ma bewegt gerade uns als Mittelständler. Media ist ein sehr relevanter und wichtiger Bereich. Schließlich fließt ein großer Teil unser Mar ketinginvestitionen dort hinein. 2015 haben Sie Ihren Mediaetat neu ausgeschrieben. Auf was kam es Ihnen dabei an? Sämtliche Vorteile, die die Agentur generiert, auch über Drittfirmen, müssen dem Kunden transparent gemacht, an ihn weitergeleitet und von ihm oder einem ex ternen Partner über prüft werden dürfen. Das ist noch lange nicht überall üblich. Oft wird das, was die Holding an Einkaufskonditionen generiert, dem Kunden nicht transparent ge macht. Das war für uns aber eine zentrale Vor aussetzung dafür, damit eine Agentur überhaupt in die Endauswahl kam. Das heißt, es gab Agenturen, die, was die Einkaufsvorteile ihrer Holding anbelangt, keine Transparenz gewähren wollten, obwohl sie von Ihnen nachgefragt wurde? Wir waren auf der Suche nach einer neuen Strate gie, um die Marke Jack Wolfskin weiterzuentwi ckeln. Uns kam es vor allem darauf an, sicher zustellen, dass wir eine unabhängige Strategie bekommen. Unabhän gigkeit heißt: Alles, was Manchmal ist es so, dass eine Agentur gerne transparent sein will, Effektiv, nicht billig heißt das Kampagnenziel (Kreation: Intention, Media: Pilot) 32 | W&V 10-2016 Was sind denn die Eckpunkte einer solchen Transparenzvereinbarung? Fotos: Unternehmen D er Wind blies Jack Wolfskin zuletzt ganz gehörig um die Ohren. Die wirtschaftliche Lage verlangte nach einer Justierung der Marke, und so hat der Mittelständler im vergangenen Jahr alles hin terfragt – auch die Mediastrategie. Um die 10 Mio. Euro gab die Outdoormarke im ver gangenen Jahr laut Ebiquity für Media aus. Bei einem derart schmalen Budget muss Brand marketingChef Stefan Semmelroth sicher stellen, dass das Geld gut angelegt ist. Dem 39Jährigen war früh klar, dass er seine Media agentur vertraglich zur Transparenz verpflich ten muss, damit sie eine unabhängige Strategie für seine Marke liefert und nicht zusätzlich eigene Einkommensinteressen verfolgt. Im Pitch ging es zuallererst um eine verbindliche Transparenzvereinba rung, erst danach um Inhalte und faire Ho norierung. Das Beispiel Jack Wolfskin zeigt, wie Mittelständler ihre Mediaagentur steuern können, statt ihr hilflos gegenüberzustehen. aber nicht garantieren kann, dass innerhalb der Holding und ihrer Einkaufs- und anderer Tochtergesellschaften alle Prozesse so transparent sind, dass sie selbst darüber Bescheid weiß und eine Garantie abgeben könnte. Ich kann mir vorstellen, dass da mancher Agentur innerhalb eines Networks die Hände gebunden sind. Ein wichtiger Punkt ist die Honorierung der Agentur. Die Agenturen klagen, sie seien gezwungen, zusätzliche Einkommensquellen bei den Medien zu erschließen, da die Kunden ihre Leistung nicht angemessen vergüten. Wie gehen Sie vor? Wir sind grundsätzlich gewillt, eine Leistung fair zu honorieren. Wir wollen aber nicht im Hinterkopf haben, dass eine Agentur anderswo noch dazuverdient und wir deswegen augenscheinlich die bestmöglichen Konditionen bekommen. Denn das bedeutet ja nicht, dass man dafür auch die beste Leistung bekommt. Billig kann sehr schnell zu teuer werden, nämlich dann, wenn die Marketinginvestitionen am Ende zwar vermeintlich wirtschaftlich, aber nicht mehr effektiv sind. Wir wollen Wirkung erzielen. Für uns ist eine Kampagne dann zu teuer, wenn wir damit unsere Ziele nicht erreichen. Das ist eine andere Beurteilungsgrundlage für die Agenturleistung und den Preis, den wir zu zahlen bereit sind. Das heißt, Sie bezahlen mehr als üblich? Einige Agenturen waren erstaunt, dass es nicht um einen reinen Konditionenpitch ging. Wir wurden gefragt, ob das unser Ernst sei, denn so würde normalerweise im Markt nicht agiert. Können Sie etwas konkreter werden? Manche Kunden zahlen nur 1 Prozent vom Budget, andere sagen, 15 Prozent des Budgets wären eine faire Honorierung. Zu den Vertragsdetails kann ich nichts sagen. Aber ein faires Miteinander bedeutet auch, dass die Agentur ihrer Leistung entsprechend honoriert wird. Wir haben nicht von vornherein Grenzen gesetzt. Wir haben die Agentur gebeten, fair zu bewerten, was ihre Leistung wert ist, und uns ein Angebot zu machen. Darüber haben wir uns dann unterhalten. Ob am Ende ein Modell herauskommt, das sich am Stundenaufwand orientiert, oder Teile der Honorierung an das Erreichen bestimmter Leistungsmerkmale geknüpft werden – es gibt verschiedene Spielvarianten, sodass die Agentur am Ende nicht zu kurz kommt. Abenteuerlust muss bei der Mediaplanung nicht sein In vielen Unternehmen bestimmt das Procurement den Mediaeinkauf. Der Erfolg wird daran gemessen, ob Media günstiger eingekauft werden kann. Wie viel Überzeugungsarbeit mussten Sie leisten, um Einkaufskriterien durchzusetzen, die auf dem Papier zunächst teurer erscheinen? Es war entscheidend, herauszuarbeiten, warum es die Transparenzkriterien und gewisse Rahmenbedingungen braucht, wenn wir sicherstellen wollen, eine unabhängige Beratung zu bekommen, die unsere Marke weiterbringt. Man muss erklären, was der Mehrwert einer solchen Strategie ist, und umgekehrt, was die negativen Folgen sein können, wenn ich nur auf den Preis achte. Das ist die Kernaufgabe. Dazu braucht es natürlich auch die Offenheit der Konzernspitze. Warum lassen Sie sich extern beraten? Es war uns von Beginn an wichtig, den Blick möglichst weit aufzumachen. Dazu haben wir „Wir wollen nicht ständig im Hinterkopf haben, dass die Agentur anderswo noch dazuverdient“ uns externe Berater mit ins Boot geholt. Die Experten von Ants Communications bringen Media-Know-how in den Prozess hinein, das unsere Sichtweise ergänzt. Sie haben nicht nur den Auswahlprozess begleitet, sondern auch wichtige strategische Impulse geliefert. Sie stehen immer als Sparringspartner zur Verfügung, wenn Fragen auftauchen oder es Vorschläge zu bewerten gilt, die uns von der Agentur vorgelegt werden. Wenn man verstanden hat, wie wichtig das Thema Transparenz ist und wo der Mehrwert liegt, fällt es leichter, solche Entscheidungen in die Organisation hineinzutragen. Gerade mittelständische Kunden glauben, sie könnten sich das nicht leisten, und überlassen ihren Mediaagenturen deswegen die gesamte Verantwortung. Jeder kann sich Fachwissen dazuholen, um bessere Entscheidungen zu treffen. Das hängt nicht von der Größe des Unternehmens oder des Budgets ab, sondern einzig und allein von der Bereitschaft des Marketingentscheiders und der Rückendeckung der Geschäftsführung. Man muss sich aber schon darüber im Klaren sein, dass dieser Prozess für alle Beteiligten mit Aufwand und zunächst auch Kosten verbunden ist. Meiner Meinung nach ist es aber ein größeres Risiko, aus Bequemlichkeit blindlings seiner Agentur zu vertrauen. Überprüfen Sie, ob sich Ihre Agentur tatsächlich an die Transparenzvereinbarungen hält, und wie oft müssen Sie kontrollierend eingreifen? Unsere Durchgriffsrechte sind so weitreichend, dass unser Agenturverhältnis auf guten, partnerschaftlichen Beinen steht. Es ist deswegen nicht zwingend erforderlich, dass W&V 10-2016 | 33 Wie externe Mediaexperten helfen können wir unserer Agentur permanent auf die Finger schauen. Aber wir werden sie in regelmäßigen Abständen überprüfen. Intransparenz wird vor allem rund um das Thema Trading diskutiert, wo die Agentur selbst als Händler von Werbeflächen auftritt. Klammern Sie das aus? Wir schauen uns immer wieder Tradingvolu mina an, entscheiden aber in jedem einzelnen Fall, ob und in welchem Umfang wir sie ein setzen wollen. Dazu müssen wir wissen und verstehen, welche Kontakte wir damit einkau fen, wie die Konditionen zustande kommen und ob die Leistung, die wir bekommen, tat sächlich unseren Zielen dient. Es bringt uns nichts, wenn wir ein Tradingvolumen für vermeintlich sehr gute Konditionen kaufen, aber am Ende eine Fehlstreuung haben. In der Regel steigen wir mit einem Test ein, den wir „Kampagnen sind für uns dann zu teuer, wenn sie unsere Ziele nicht erreichen“ jederzeit wieder beenden können. Wir prüfen auch, ob die Menge des eingesetzten Trading volumens überhaupt eine unabhängige Bera tung zulässt und zielführend ist. Wie gehen Sie dabei mit dem Thema Datenmanagement um? Mediaagenturen erheben ja gerne Anspruch auf die Daten, die mit einer Kampagne auflaufen. Die Datenhoheit muss ganz klar auf Kunden seite liegen. Das beinhaltet auch das laufende Kampagnenreporting. Das sind unsere Infor mationen, die wollen wir für unsere Kam pagnen nutzen. Das Thema spielt insofern eine immer wichtigere Rolle, als wir immer datengetriebener einkaufen, und weil wir in Zukunft mit immer mehr Daten unsere Marketingkommunikation zielgerichteter gestalten. 34 | W&V 10-2016 Wer keine eigene Mediaabteilung hat, muss Know-how einkaufen. Jack Wolfskin holte sich Ants Communications als Sparringspartner Die Gründer der Mainzer Mediaberatungsfirma Ants Communications sind bereits lange im Mediageschäft tätig. Sie kennen die Praktiken der Mediaagenturen aus eigener Anschauung. Matthias Süßlin, 56, war 15 Jahre lang bei der damaligen Mediaagentur HMS Carat dabei. Sein Partner Ulrich Schulze-Eckel, 60, wirkte unter anderem als Geschäftsführer des Hamburger Ablegers von Universal McCann. Seit 2009 beraten die Partner mit ihrer eigenen Agentur Kunden, die auf der Suche nach externer Mediakompetenz sind. Sie überprüfen bestehende Vertragsgestaltungen, beraten strategisch, kontrollieren Pläne und Medialeistung von bestehenden Kampagnen, führen Financial Audits durch oder unterstützen Kunden mit ihrem Fachwissen beim Aufbau hauseigener Mediaabteilungen. Den Mittelständler Jack Wolfskin begleitete Ants Communica- Der automatisierte Einkauf wird zunehmen. Wie gelingt es Ihnen als mittelständisches Unternehmen, mit den digitalen Entwicklungen Schritt zu halten? Das ist die größte Herausforderung. Es ist ent scheidend, als Kunde Wissen aufzubauen, um die Chancen und Risiken beurteilen zu kön nen, die diese neuen Instrumente ins Spiel bringen. Dazu muss man den Kontakt zu ex ternen Experten halten und suchen, da spielt auch die Agentur eine wichtige Rolle. Man kann es nur wiederholen – die Kernaufgabe für jedes Unternehmen heißt, sich mit allen Facetten von Media zu beschäftigen, damit man beurteilen kann, was eine Leistung am Ende wert ist – oder eben nicht. Manch ein Marketingentscheider scheut Veränderungen, weil er befürchtet, eingestehen zu müssen, in der Vergangenheit Fehler gemacht zu haben. Die Konzernspitze muss dazu ermutigen, neue Wege zu gehen. Gesunde Unternehmenskul turen halten Fehler aus, um Entwicklungen zu machen. Es braucht eine Kultur, die Fehler als Teil des Fortschritts definiert. Vor allem die tions in einem mehrere Monate andauernden Agenturauswahlverfahren. Im Frühjahr 2015 wurden erste Gespräche mit zehn Mediaagenturen geführt, darunter der damaligen Jack-WolfskinAgentur Mindshare. Nur Agenturen, die gewillt waren, in einem ersten Schritt umfassende Transparenzver- Mediamann Matthias Süßlin kennt die Tricks der Mediaagenturen – er war 15 Jahre lang bei HMS Carat einbarungen zu unterschreiben, kamen in die nächste Runde: Das waren vier Mediaagenturen. Sie bekamen das Briefing und pitchten auf Basis der Transparenzvereinbarung um die beste Mediastrategie. Am Ende ging Pilot Hamburg als Sieger aus einem Kopfan-Kopf-Rennen hervor. Konzernspitze muss das vorleben und die Toleranz, eine gewisse Risikobereitschaft und auch Mut mitbringen, um Veränderungen mitzutragen. Jack Wolfskin ist ausgerechnet in einer sehr schwierigen Phase einen neuen Weg gegangen. Ein Vorteil? Ein Unternehmen muss sich kontinuierlich an die Entwicklungen im Markt anpassen, weil sich daraus immer neue Chancen erge ben, sich zu verbessern. Vielleicht fängt man gerade dann, wenn der Wind etwas rauher weht, an, auch mal in eine andere Richtung zu schauen. j u p @ wu v.d e
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