Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss eV

Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss e.V.
Interview Dr. Danielle Borowski zur Einführung einer Auslandsversicherung für die
Ernährungsindustrie, November 2015
Frage: Die entscheidungsrelevanten Gremien der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und
Gastgewerbe (BGN) haben in ihren Sitzungen Mitte November 2015 die Einführung einer
Auslandsversicherung für die von der BGN vertretenen Branchen beschlossen. Warum war
dieser Schritt notwendig?
Borowski: Die Unternehmen der Ernährungsindustrie sind auf der ganzen Welt tätig und der
Trend hin zur Internationalisierung steigt weiter kontinuierlich an. Dies gilt für kleinere und
mittelständige Unternehmen ebenso, wie für Großkonzerne. Dies bedingt auch, dass
deutsche Unternehmen ihre Mitarbeiter verstärkt zu Einsätzen ins Ausland senden. Der
Versicherungsschutz der Berufsgenossenschaften erstreckt sich grundsätzlich nur auf das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Daher sind bei einem Auslandseinsatz einige
Besonderheiten gegenüber den Bestimmungen zu beachten, die gelten, wenn sich ein
Arbeitsunfall innerhalb Deutschlands ereignet. Hier liegt bisher das Hauptproblem. Nicht
jeder entsandte Mitarbeiter wird im Ausland noch von der deutschen gesetzlichen
Unfallversicherung geschützt. Es gibt Konstellationen, durch die der Unfallschutz verloren
geht. Diese Versicherungslücke galt es zu schließen.
Frage: Wenn aktuell nicht jeder entsandte Mitarbeiter unfallversichert ist, wie gestaltet sich
die bisherige Lage bei Auslandsentsendungen?
Borowski: Unproblematisch sind die Fälle, in denen ein Mitarbeiter eines deutschen
Unternehmens nur vorübergehend im Ausland eingesetzt wird, sei es im Rahmen einer
Geschäftsreise oder eines Auslandseinsatzes, z.B. um eine Maschine zu reparieren. Hier
bleibt es in der Regel bei der bestehenden Versicherung im Rahmen der Entsendung. Und
auch bei einem längeren Auslandsaufenthalt kann der Unfallversicherungsschutz auf die
Tätigkeit außerhalb Deutschlands ausgedehnt werden. Möglich macht dies die sog.
Ausstrahlung gemäß § 4 Sozialgesetzbuch (SGB) IV. Wichtig ist nur in jedem Fall, dass der
Mitarbeiter im Rahmen eines bestehenden deutschen Beschäftigungsverhältnisses ins
Ausland entsandt wird und sein Auslandsaufenthalt im Voraus zeitlich begrenzt ist.
In den Fällen, in denen kein Unfallversicherungsschutz über die Ausstrahlung in Frage
kommt, kann aber noch ein Schutz über EU-Recht oder über ein Abkommen mit einem
anderen Staat im Bereich der sozialen Sicherheit, das sich auch auf die Unfallversicherung
beziehen kann, hergeleitet werden.
Frage: Für welche Mitarbeiter ist die Neuerung dann relevant?
Borowski: Die Neuerungen sichern nun die Arbeits- und Wegeunfälle sowie
Berufskrankheiten ab, die im Rahmen eines Auslandseinsatzes gerade nicht mehr nach
deutschem Recht der Unfallversicherung unterliegen. Um es ganz kurz zusammenzufassen,
dies sind in der Regel Mitarbeiter, für die weder über die Ausstrahlungsregelungen des SGB
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IV, noch über EU-Recht, noch über ein bilaterales Abkommen eine Herleitung des
Unfallversicherungsschutzes möglich ist. Ein Grund dafür kann z.B. sein, dass das
inländische Beschäftigungsverhältnis während des Auslandseinsatzes ruht oder die zeitliche
Befristung des Auslandseinsatzes nicht im Voraus abzusehen ist. Genau für diese Fälle
haben bereits verschiedene Unfallversicherungsträger anderer Branchen von der
gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine besondere Auslandsversicherung
einzurichten.
Frage: Die Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG) hat den Anstoß für diese
Neuerung bei der BGN gegeben. Wie kam es dazu?
Borowski: Aufgrund der oben beschriebenen Versicherungslücke haben sich mehrere bei
der ANG engagierte Unternehmen an uns gewandt, die einen dringenden Bedarf an solch
einer Versicherung haben. Man muss bedenken, dass eine Leistung, wie sie jetzt über die
BGN angeboten wird, weder in diesem Umfang, noch zu diesen Prämien auf dem privaten
Versicherungsmarkt erworben werden können. ANG und BGN haben hier ein einem Strang
gezogen. So haben wir in einem ersten Schritt zwei Branchengipfel organisiert, in denen
Unternehmen und unsere Mitgliedsverbände in den Dialog mit der BGN treten konnten.
Diese Initiative der ANG hat im Nachgang dazu geführt, dass die BGN im Frühjahr 2015 eine
Bedarfsanalyse bei den Unternehmen aller ihrer Branchen mit anschließender Machbarkeitsund Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführt hat.
Frage: Und diese hat den positiven Ausschlag gegeben?
Borowski: Noch nicht ganz. Die Schaffung einer solchen Versicherung ist an sehr strenge
gesetzliche Vorgaben geknüpft. Die Wirtschaftlichkeits- und Machbarkeitsbetrachtung hatte
ergeben, dass die Voraussetzungen für die Schaffung einer eigenen BGN-Versicherung
nicht erfüllt sind. Die BGN hat aber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich an einer bei
einer anderen Berufsgenossenschaft bereits bestehenden Auslandsversicherung zu
beteiligen. Dies wird die Auslandsversicherung der Berufsgenossenschaft Energie Textil
Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) sein.
Frage: Ab wann tritt die Neuregelung in Kraft?
Borowski: Nach den positiven Beschlüssen der BGN-Gremien müssen rein formal auch alle
weiteren Berufsgenossenschaften dem Beitritt zustimmen. Hier laufen die notwendigen
Abstimmungen bereits auf Hochtouren. Wir gehen davon aus, dass auch dieser Schritt
erfolgreich vollzogen werden kann. Nach unseren Informationen werden alle
Berufsgenossenschaften die entsprechenden Beschlussvorlagen noch 2015 Jahr in ihre
Gremien einbringen. Sollten alle Zustimmungen bis zum Jahresende vorliegen, kann die
Einführung einer Auslandsversicherung für alle Unternehmen aus dem BGN-Bereich bereits
zum 1. Januar 2016 in Kraft treten.
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Diese zeitnahe Umsetzung ist auch auf das große Engagement der BGN in dieser Sache
zurückzuführen, bei der ich mich besonders bedanken möchte.
Frage: Wie hoch werden die Kosten für den Arbeitgeber sein?
Borowski: An dieser Auslandsversicherung sind aktuell neben der BG ETEM noch eine
Vielzahl anderer Berufsgenossenschaften beteiligt, wie z.B. die Verwaltungs-BBG, die BG
Handel und Warendistribution oder demnächst auch die Unfallversicherung Bund und Bahn.
Dies macht den Beitritt so attraktiv. Der Beitrag für die Auslandsversicherung bei der BG
ETEM liegt momentan bei 10,00 € inkl. Versicherungssteuer pro Auslandsmonat. Auf
Arbeitgeberseite entstehen damit eher geringe Kosten.
Frage: Was müssen die Unternehmen bei Bedarf nun tun?
Borowski: Vor einer geplanten Entsendung ins Ausland empfiehlt sich zunächst mit der
BGN zu klären, ob der konkrete Mitarbeiter bereits für den Auslandseinsatz ausreichend
versichert oder ob eine zusätzliche Auslandsversicherung notwendig ist. Sollte eine
zusätzliche
Auslandsversicherung
notwendig
sein,
ist
diese
bei
der
Berufsgenossenschaft rechtzeitig anzumelden.
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