Hick hack um eine Kündigung Ein Unternehmen der Stadt spricht

Hick hack um eine Kündigung
Ein Unternehmen der Stadt spricht zunächst Kündigungen aus. Die Arbeitnehmer
klagen dagegen. Der Vorgang erscheint in der Presse. Das Unternehmen erklärt
einen Tag später in einer Pressemitteilung, dass im Zusammenhang mit der
Ausschreibung von Dienstleistungen keine Kündigungen mehr ausgesprochen
werden und die bereits im Zusammenhang mit der Ausschreibung
ausgesprochenen Kündigung unverzüglich für unwirksam erklärt werden.
Was ist der Hintergrund?
Der Ausspruch einer Kündigung bedarf, soweit das Kündigungsschutzgesetz
(KSchG) anwendbar ist, eines Grundes, der entweder im Verhalten oder in der
Person des Arbeitnehmers liegen, oder die Kündigung muss durch dringende
betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sein, die einer Weiterbeschäftigung
entgegen stehen.
Das Unternehmen hatte im vorliegenden Fall die Kündigungen ausgesprochen,
weil die Befürchtung bestand, bei einer Ausschreibung eines Auftrages nicht
mehr berücksichtigt zu werden, so dass es betriebsbedingte Gründe für die
Kündigungen heranziehen wollte.
Betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung liegen nicht schon allein dann vor,
wenn der Arbeitgeber der Meinung ist, den oder die Arbeitnehmer nicht mehr zu
benötigen. Bei der betriebsbedingten Kündigung geht es darum, dass der
Arbeitgeber einen Arbeitsplatz nicht mehr zur Verfügung stellen kann. Dabei ist
es oftmals schwierig die Voraussetzung zu beweisen.
Ob im konkreten Fall ein betriebliches Erfordernis für die Kündigung vorliegt,
kann im Gesetz nicht nachgelesen werden. Es schweigt sich darüber aus. Die
entsprechenden Grundsätze wurden in langjähriger Rechtssprechung der
Gerichte herausgearbeitet und sind für den einzelnen Arbeitnehmer oder
Arbeitgeber eigentlich nicht mehr zu überblicken. So hat sich das
Bundesarbeitsgericht zum vorliegenden Fall bereits in der Vergangenheit mit dem
Thema der sogenannten „Vorratskündigung“ beschäftigt. Läuft in zeitlich
befristeter Auftrag aus (z. B. ein Reinigungs- oder Bewachungsauftrag) und
bewirbt sich der Unternehmer um den zu vergebenden Anschlussauftrag, stellt
eine vor der Vergabeentscheidung erklärte Kündigung nach Auffassung des
Bundesarbeitsgerichts eine sogenannte „Vorratskündigung“ dar. Die
Vorratskündigung ist unwirksam. Das hat das Bundesarbeitsgericht spätestens
im Jahr 2002 klargestellt. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei auch
berücksichtigt, dass gegenüber langjährig beschäftigten Arbeitnehmern längere
Kündigungsfristen gelten. Der Sinn längerer Kündigungsfristen soll vor allem die
berufliche Existenz der vom Arbeitsverlust betroffenen älteren Arbeitnehmer
absichern. Dies könnte daher nicht dazu führen, die Kündigung besonders zu
begründen.
Das Unternehmen der Stadt hat nach dem öffentlichen Aufbegehren die
entsprechende Erklärung abgegeben, keine Kündigungen mehr aussprechen zu
wollen. Hier wäre dann später die Frage zu stellen, ob die Erklärung des
Unternehmens zum Verzicht von Kündigungen im Zusammenhang mit der
Ausschreibung von Dienstleistungen auch dann den Ausspruch von Kündigung
hindert, wenn eigentlich die Kündigungsvoraussetzungen vorliegen, nämlich das
Unternehmen bei der Vergabe der Aufgaben nicht berücksichtigt wurde oder
zumindest konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein anderes
Unternehmen den Zuschlag erhält.
Das Unternehmen hat nunmehr die ausgesprochenen Kündigungen für
unwirksam erklärt. Die Presse spricht von einer „Rücknahme der Kündigungen“.
Eine einseitige Rücknahme der Kündigungserklärung ist rein juristisch nicht
möglich. Der Arbeitnehmer muss der Rücknahme nicht zustimmen, sondern kann
auch die objektive unwirksame Kündigung gegen sich wirken lassen. Dies gilt
auch nach Erhebung einer sogenannten „Kündigungsschutzklage“. Der
Arbeitnehmer kann dann noch einen Antrag auf Auflösung des
Arbeitsverhältnisses stellen, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
unzumutbar ist. Dazu müssen allerdings gewichtige Gründe vorliegen (z. B.
beleidigende oder diskriminierende Äußerungen, schikanöses Verhalten, usw.).
Das Gericht hat dann auf Antrag des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber zur
Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Dies ist im Übrigen einer
der wenigen Ausnahmetatbestände, in denen ein Anspruch auf Abfindung
besteht. Die Zahlung einer Abfindung wird in den meisten Fällen nur erreicht, in
dem sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich über eine Abfindung
einigen, nachdem der Arbeitnehmer gegen die Kündigung geklagt hat. Die
Ungewissheit über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung verleitet
dann oftmals zum Abschluss einer solchen Vereinbarung mit Abfindungszahlung.
Nicht jeder Arbeitnehmer, der gegen eine Kündigung klagt, möchte allerdings
eine Abfindung. So hatte ein Mitarbeiter der Deutschen Mormonenkirche eine
fristlose Kündigung erhalten, nachdem er sich der zuständigen Seelsorge
anvertraut hat, dass es mit seiner Ehe berg ab gehe und er ein außereheliches
Verhältnis bei einer anderen Frau gehabt habe. Die Klage vor den deutschen
Arbeitsgerichten hatte keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat die
Zulässigkeit der Kündigung bestätigt.
Nachdem auch das Vorgehen gegen das Bundesverfassungsgericht scheiterte,
rief der ehemalige Mitarbeiter den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) an. Der EGMR konnte keinen Verstoß feststellen und bestätigte, dass die
deutschen Arbeitsgerichte rechtmäßig entschieden haben und Ehebruch ein
Kündigungsgrund sein kann.
Ronny Neumann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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