Prof. Dr. Hartmut Giest - Bildungsserver Berlin

Prof. Dr. Hartmut Giest
Medienkompetenz in der Lehrerbildung
Lehrerbildung beziehe ich auf alle drei Phasen: Studium, zweite Phase/ Referendariat/ Lehrerfortbildung
Drei Fragestellungen:
1.
2.
3.
Stellenwert der Medienkompetenzförderung und Begründung
Zielgruppe der Medienkompetenzförderung
Handlungsbedarf zur Medienkompetenzförderung im Land Brandenburg
Zu 1. Stellenwert der Medienkompetenzförderung und wie begründet er sich
These: Die Herausforderungen der Wissensgesellschaft sind durch die Potenziale der neuen Leittechnologie
(Computer, Internet - digitale Medien) entstanden und können nur mit ihr bewältigt werden.
Was sind die Herausforderungen mit Blick auf Wissen und Lernen (Schule und Unterricht)?
1.
2.
3.
Erforderlich sind tiefe Verstehensprozesse, basierend auf tief strukturiertem Wissen - eine neue
Qualität des Wissens und der Anwendungsmöglichkeiten des Wissens = Kompetenzorientierung.
Überwunden werden muss die Orientierung auf Oberflächenstrukturen des Wissens (Fakten
memorieren und reproduzieren - vgl. Schulleistungstests TIMS, PISA u.a.)
Diese Qualität lässt sich nur durch konstruktivistisches Lernen (die eigenregulierte individuelle bzw.
kollektive Konstruktion von Wissen) realisieren. Damit verbunden ist die Notwendigkeit zum
lebensbegleitenden Neu- und Umlernen.
Da menschliches Wissen sozial konstruiert wird, bedarf es des kollaborativen Lernens, der KoKonstruktion. Diese entsprechen dem Wesen menschlichen Lernens und erlauben eine Steigerung der
Effizienz des Lernens durch arbeitsteiliges Lernen.
Betrachtet man die Medienseite, so ist erkennbar, dass
•
digitale Medien (vor allem Web 2.0) die Wissenskonstruktion unterstützen kann, durch Simulation,
kognitive Tools, interaktive Software (sie erlauben Konstruktion, eigene Aktivität)
•
digitale Medien gestatten ein Lernen, unabhängig von Institutionen, Raum und Zeit mit hoher
Individualisierung (auch sehr motivierend)
•
social Software gestattet kollaborative Lernprozesse, ermöglicht reales ko-konstruktives Arbeiten, die
gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten, die dichte Kommunikation und den sozialen Kontakt
(führt zu neuen Formen des sozialen Kontakts, schafft ihn aber nicht ab)
Zusammengefasst: Digitale Medien (medienkompetent angewandt) ermöglichen in hohem Maße die
Lernanforderungen der Wissensgesellschaft zu erfüllen, wie kein anderes Medium.
Zu 2. Zielgruppen
Ich markiere hier keine gesonderten Zielgruppen, sondern die wesentlichen Akteure in der Schule:
Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte/ Lehramtsstudierende.
Lehrerbildung ist letztlich auf Schule als Handlungsfeld gerichtet, daher muss ausgesagt werden, was hier
erforderlich ist.
Für Schule sehe ich bei den Schülerinnen und Schülern folgende Aufgabenstellungen von Lehrkräften:
1.
Digitale Technik ist Technik. Anders als andere Technikvarianten ist sie hoch motivierend für
Schülerinnen und Schüler (zwar mit Unterschieden, aber immerhin). Sie sollte genutzt werden, um
neue Zugänge zur Technik zu suchen (MINT-Problematik).
1
Prof. Dr. Hartmut Giest
2.
3.
Digitale Medien (das Problem ist alt und gilt auch für andere Medien - Film, Fernsehen…) müssen
lernwirksam genutzt werden. Es geht nicht nur um die Nutzung an sich, sondern um die Nutzung zum
Zweck eines qualitativ hochwertigen Lernens. Dazu müssen digitale Medien als Lerngegenstand und
Lernmittel Eingang in den Unterricht finden. Dabei geht es nicht nur um elementare
Bedienfertigkeiten, sondern um die lernwirksame Nutzung.
Hierbei spielt dann auch der verantwortungsvolle Umgang mit Medien eine Rolle. Das Lernen ist auf
die Nutzung der Medien zur Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft zu richten und damit auf
Persönlichkeitsbildung und nicht auf singuläre Fertigkeiten zur Techniknutzung.
Dazu bedarf es auf Seiten der Lehrkräfte/ der Studierenden verstärkter Bemühungen um
•
das Verständnis für das Wesen der digitalen Technik (als Substrat digitaler Medien, inklusive basale
Funktionsweise der Software) und der darauf basierenden digitalen Medien. Dazu gehört auch das
Wissen um die technischen Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren der Datenverarbeitung, des
unkontrollierten Datentransfers.
•
ein hohes Maß an Medienkompetenz (IKT als methodenkritisch genutztes Werkzeug, mit begrenzter
Lernmöglichkeit, Bewusstsein über Chancen und Gefahren der Medien für die Gesellschaft,
Wahrnehmungs-, Verarbeitungs-, Beurteilungs-, Selektions-, kritische Nutzungs-, kreative Handlungsund multimediale Kompetenz (übrigens auch Kenntnis des Urheberrechts) - Defizite m.a.u.s., ONLIFE.
•
die Aneignung medienpädagogischer Kompetenz, wozu gehören: Medienkompetenz, Erfassung des
Stellenwertes von Medien und Informationstechnologie für Nutzerkreise und deren Bedürfnisse
berücksichtigen, Medien und Informationstechnologie im Unterricht bzw. in Lehr- und Lernprozessen
analysieren und nutzen, Medienerziehung planen und realisieren, personelle, ausstattungsbezogene,
organisatorische und weitere institutionelle Bedingungen medienpädagogischer Arbeit erfassen und
entsprechende Konzepte entwickeln.
Zu 3. Handlungsbedarf
Hinsichtlich des Unterrichts sind Defizite zu beheben
•
bei der Ausprägung einer neuen Lernkultur, die sich auf die Nutzung digitaler Medien für das Lernen
stützt (digitale Medien erleichtern Individualisierung, innere Differenzierung - Inklusion, selbst.
Lernen…)
•
der Entwicklung und Nutzung neuer Lern-Lehr-Settings, die den digitalen Medien entsprechen
(kollaboratives Lernen – Lernteams, projektorientiertes Arbeiten - produktiv, produktorientiert,
kommunikativ-kooperativ) – dies gilt sowohl für Schule und Hochschule (Studierende müssen hier
eigene Lehr-Lernerfahrungen sammeln können, um eigenen Unterricht entsprechend gestalten zu
können)
Besonders Lehrkräfte bedürfen der Fähigkeit oder Stärkung der Medienkompetenz hinsichtlich:
•
des Erschließens des Potenzials digitaler Medien für das Lernen und die Gestaltung pädagogischer
Prozesse
•
des Eindringens in das Wesen digitaler Medien vs. Nutzungstraining, wobei unterschiedliche
Ansprüche und Erfahrungen berücksichtigt werden müssen (wir fanden immer wieder Novizen,
Fortgeschrittene, Experten)
•
der Nutzung der Möglichkeiten digitaler Medien für kollaboratives Arbeiten (lokale-globale Netzwerke
über Moderatoren): Es gibt Experteninseln, von denen aus muss in die Fläche gearbeitet werden
(bottom up); d.h. flächendeckende Weiterbildungsprogramme top down sind kontraproduktiv, wenn
die Impulse nicht vor Ort aufgenommen werden (m.a.u.s.)
2
Prof. Dr. Hartmut Giest
Abschluss:
Projektkriterien müssen stärker den Aspekt der Nachhaltigkeit beachten (das gehört in die Evaluation und das
Monitoring) – m.a.u.s.; ONLIFE u.a.
Es muss die Grundhaltung gegenüber Neuem verändert werden:
•
lebenslanges Lernen gilt auch mit Blick auf Medien
•
digitale Medien ermöglichen bessere, effizientere Arbeit, sie reduzieren aber nicht Arbeit. D.h. die
Erwartung hinsichtlich des pädagogischen Mehrwertes (weniger Arbeit, höherer Effekt) ist falsch:
digitale Medien erleichtern die Arbeit auf einem höheren Level, sie gestatten eine höhere Qualität,
aber es wird nicht weniger Arbeit! Sie wird anders und zunächst sogar mehr, auf keinen Fall jedoch
weniger.
3