Mediendokumentation

Mediendokumentation
Zur Preisverleihung von Sonntag, 8. November 2015, im Theater Basel
Preisträgerin 2015:
Monique Schwitter für den Roman
„Eins im Andern“ (Literaturverlag Droschl)
Inhalt:

Medienmitteilung zur Preisträgerin 2015

Laudationes auf die fünf nominierten Werke

Statistisches zu acht Jahren Schweizer Buchpreis
BuchBasel | Literaturhaus Basel | Schweizer Buchpreis
LiteraturBasel | Theaterstrasse 22 | CH-4051 Basel
Telefon +41 61 261 29 50 | [email protected] | www.schweizerbuchpreis.ch
Schweizer Buchpreis zum achten Mal in Basel vergeben
Monique Schwitter gewinnt den Schweizer Buchpreis 2015
Der diesjährige Schweizer Buchpreis geht an Monique Schwitter für den Roman „Eins im Andern“
(Literaturverlag Droschl). Die Jury würdigte das Buch als „facettenreiche Darstellung einer Liebesbiografie –
kräftig, humorvoll und nachdenklich“. Monique Schwitter erhält dafür 30‘000 Franken, die weiteren
Nominierten je 2‘500 Franken. Die Preisverleihung fand im Theater Basel vor rund 400 Gästen statt und
wurde von Radio SRF2 Kultur live übertragen.
„Eins im Andern“ ist einer von fünf Titeln, welche die Jury im September aus 90 eingereichten Romanen und
Essays von Schweizer Autorinnen und Autoren nominiert hat. Die weiteren Nominierten waren: Martin R. Dean
mit „Verbeugung vor Spiegeln“ (Jung und Jung Verlag), Dana Grigorcea mit „Das primäre Gefühl der
Schuldlosigkeit“ (Dörlemann Verlag), Meral Kureyshi mit „Elefanten im Garten“ (Limmat Verlag) sowie Ruth
Schweikert mit „Wie wir älter werden“ (S. Fischer Verlag).
Teilnahmeberechtigt für den Schweizer Buchpreis 2015 waren deutschsprachige literarische und essayistische
Werke von in der Schweiz lebenden oder Schweizer Autorinnen und Autoren, welche zwischen Oktober 2014
und September 2015 erschienen sind.
Die Expertenjury für den Schweizer Buchpreis wird regelmässig personell erneuert. Mitglieder der Jury für den
Schweizer Buchpreis 2015 waren: Urs Bugmann (Literaturkritiker, neu), Corina Caduff (Kultur- und
Literaturwissenschaftlerin, Professorin an der Zürcher Hochschule der Künste und Jury-Sprecherin), Susanne
Jäggi (Buchhändlerin und Eigentümerin Buchhandlung Librium, Baden, neu), Susanna Petrin (Kulturredaktorin
bei der „BZ Basel“) und Heinrich Vogler (Literaturredaktor Schweizer Radio und Fernsehen SRF).
Finanziell unterstützt wird der Schweizer Buchpreis 2015 vom Schweizer Bücherbon sowie der Forlen-Stiftung.
Der Schweizer Buchpreis beabsichtigt mit der aktiven Werbung im Buchhandel sowie mit einer Lesetour durch
die Schweiz und Nachbarländer eine öffentliche Diskussion über Bücher von deutschsprachigen Schweizer
Autorinnen und Autoren zu animieren und dazu beizutragen, dass diese stärker wahrgenommen, gelesen und
gekauft werden. Dieses Ziel verfolgen die Initianten des Schweizer Buchpreises, der Verein LiteraturBasel und
der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV), seit 2008 mit privaten Mitteln. Inzwischen hat sich
der Schweizer Buchpreis als eine der bedeutendsten literarischen Auszeichnungen der Deutschschweiz etabliert
und geniesst über die Landesgrenzen hinaus Beachtung.
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gerne:

Corina Caduff (Jurysprecherin): +41 79 611 55 12

Katrin Eckert (GL LiteraturBasel, Co-Geschäftsleiterin Schweizer Buchpreis): +41 78 892 36 47

Dani Landolf (GF SBVV, Co-Geschäftsführer Schweizer Buchpreis): +41 79 406 21 68
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Laudatio zu Martin R. Dean: „Verbeugung vor Spiegeln. Über das Eigene und
das Fremde“ (Jung und Jung Verlag)
Das Fremde ist nicht lebensfähig ohne das Eigene als Widerpart. Die beiden Begriffe bedingen sich. Der indische
Kulturtheoretiker Homi Bhabha hat sie elegant verschränkt. Er spricht vom „Fremden in uns und vom Eigenen
im Fremden.“ In der Antike pflegte man das Fremde vor allem an der unterschiedlichen Sprache festzumachen.
Der Barbaros ist der Fremde, der die griechische Sprache nicht beherrscht. Das Christentum operierte dann mit
der Dimension des Religiösen: Alle, die nicht Christen sind, sind Heiden, also zu bekämpfende Fremde. Heute
sind wir wohl etwas weiter. Sind wir? Dies ist zumindest fraglich, wenn wir ohnmächtig zuschauen, auf welche
Weise Fremde zu uns finden oder wie sie ihre Reise gar mit dem Tod bezahlen.
Martin R. Dean schreibt in seinen Essays „Verbeugung vor Spiegeln. Über das Eigene und das Fremde“ nicht
über die gegenwärtige Massenmigration aus Syrien, Afghanistan, Afrika . Nein. Er betreibt nochmals
Grundlagenforschung. Dean schiebt die Keimzelle des ominösen Paars „eigen – fremd“ unter sein Mikroskop.
Wobei er seine Befunde immer wieder mit der eigenen Erfahrung als Sohn eines indischen Einwanderers in
Trinidad kurzschliesst. Dean beobachtet, dass uns „das Wagnis der Differenz, auf das wir in der Nachkriegszeit
gebaut haben“, abhanden kommt.
„Das Fremde ist am Verschwinden“ ist der Auftaktsatz dieses hellsichtigen Essaybandes. Das Fremde wird, wo
man hinschaut, sagt Dean, eingemeindet bis „ihm die Fremdheit durch ‚Integration‘ abhanden komme. Er
konkretisiert seinen Befund, indem er uns ergänzend literarisch von seiner eigenen, realen Fremdheit in sich
erzählt. Derjenigen, die ihn von seiner ersten Heimat, Trinidad, entfremdet hat. Er lobt andererseits die positive
Freiheit, die er als junger Reisender in den multikulturellen europäischen Metropolen vorgefunden hat. Da
hätte man sich nämlich bis um 1970 an der gegenseitigen Fremdheit noch erfreuen können.
Der Autor erinnert auch daran, wie Erfahrung des Fremdseins in viele seiner Romane eingeflossen ist,
insbesondere in „Meine Väter“. Da sind im Essayband sehr berührende Momente des Fremdseins des leiblichen
Vaters wie des Stiefvaters kristallisiert - beide sind aus Trinidad nach Europa emigriert. Und beide sind sich auf
ihre je eigene Weise selbst fremd geblieben.
Elias Canetti ist Deans Hauptzeuge. Der Schriftsteller wollte in Nordafrika dem Fremden unvorbereitet, ohne
Vorwissen begegnen. Mit dem Ziel zu einer Art Selbst-Entfremdung zu finden. Canetti habe „das Fremde
aushalten, sich dabei selber ein Fremder werden wollen.“ So hält es Martin R. Dean fest.
Wir müssten denn auch wieder lernen, dass uns „das Fremde fremd bleibt.“ Dies ist die paradoxe Quintessenz
von Deans luzidem Denkprozess. Er kann dazu beitragen, die gegenwärtige, hysterische Debatte über das
Fremde in humanistischere Bahnen zu lenken. Der Autor ist der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule
verpflichtet. Auf diesen hundert Seiten hat niemand Recht und es will niemand Recht haben. Das „Eigene und
das Fremde“ haben aber ein neues Innenleben erhalten. Dafür können wir Martin R. Dean dankbar sein. Und
zwar sehr!
Heinrich Vogler
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Laudatio zu Dana Grigorcea: „Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“
(Dörlemann Verlag)
„Ich bin eine leidenschaftliche Spaziergängerin“, sagt Dana Grigorcea (geb. 1979) von sich, und tatsächlich ist ihr
zweiter Roman ganz aus der Perspektive einer Flaneurin geschrieben, die ihren Blick durch Bukarest schweifen
lässt. Dieser Blick ist voller Erinnerung, denn wie die Autorin Grigorcea, die seit 2007 in Zürich lebt, ist auch die
Erzählerin in der rumänischen Hauptstadt aufgewachsen, in die sie nun nach einem beruflichen Aufenthalt in
Zürich zurückkehrt. Dabei prallen Erinnerungen an ihre Kindheit und Teenagerzeit in den 1980er- und 90erJahren mit der Gegenwart der Stadt zusammen. Im Fokus: Die Generation der Wende.
Vor den Augen der verwunderten Leserinnen und Leser ziehen Bukarester Szenen aus verschiedenen
Jahrzehnten wuchtig und in sprunghafter Leichtigkeit vorbei: Wir sehen in die Hinterhöfe der Hauptstadt, wir
sind zu Gast beim Hochzeitsgelage eines neureichen Paares, wir begegnen dem Opportunismus der
Nachwende-Generation, wir bekommen es zu tun mit der frankophilen Oberschicht der Nachkriegszeit, die auf
den Kommunismus herabsieht, mit Figuren, die die „Unpässlichkeit der Geschichte“ vornehm beschweigen, und
wir lauschen den Politiker-Witzen, die die Kinder im System Ceaușescus auf dem Pausenplatz verbotenerweise
zum Besten geben.
Es ist die grosse Stärke von Grigorcea, dass sie die Begehung von Geschichte und Gegenwart nicht als
Identitätssuche inszeniert, dass sie nicht auf ein stringentes biografisches Erzählen abzielt, welches das Leben
vor und nach der Zäsur von 1989 kohärent einzufassen suchte. Vielmehr weiss sie sich von konventioneller
Erzähllogik souverän fernzuhalten. So springt der Roman zwischen Zeiten, Schauplätzen und Figuren
unberechenbar hin und her; als Leserin kann man sich dabei nur schwer identifizieren, man kann nicht
verschmelzen mit diesem Text, es bleibt ein Abstand, ein Spalt, ein Gefühl der Distanz.
Das Wagnis des Fragmentarischen, die vielen geistreichen und burlesken Szenen und Dialoge, ein sarkastischer
Witz, der der Schweizer Literaturlandschaft gut tut, und nicht zuletzt das ausbleibende Identifikationsangebot
zeichnen diesen politischen Stadtroman aus.
Corina Caduff
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Laudatio zu Meral Kureyshi: „Elefanten im Garten“ (Limmat Verlag)
„Wir hatten Elefanten im Garten. Der kleinste steckte seinen Kopf durch das Fenster in mein Zimmer und wollte
mit Nüssen gefüttert werden.“
Schon als Schulkind entdeckte Meral Kureyshi die Möglichkeit, mit Geschichten aus ihrer fernen Heimat
Interesse zu wecken.
1992, während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien, kam Meral Kureyshi als neunjähriges Mädchen in die
Schweiz. Ihre Familie stammt aus Prizren, im südlichen Kosovo und gehörte der türkischsprachigen Minderheit
an. In Fragmenten erzählt sie in ihrem ersten Roman von der Ankunft im Kanton Bern, der Sehnsucht nach ihren
Verwandten und Freundinnen in ihrer Heimat, dem Leben der Eltern ohne Geld, ohne Arbeit und ohne
Möglichkeit, in die Heimat zu reisen. Ein Zustand, der über zehn Jahre lang das Leben der Familie beherrschte.
Beinahe eine Kindheit lang dauerte es, bis ihre Familie eine Aufenthaltsbewilligung erhielt, allerdings erst nach
zwei abschlägigen Bescheiden.
Kaum in der Schweiz angekommen, begann Kureyshi zu schreiben. Unzählige Tagebücher hat sie so gefüllt,
anfangs in ungelenkem Deutsch, das sich in den folgenden Jahren zu ihrer eigenen Sprache entwickelte.
„Deutsch ist meine Muttersprache. Meine Mutter spricht kein Deutsch“, schreibt sie dazu.
Der frühe Tod des Vaters löste den Wunsch aus, basierend auf ihren Erinnerungen und Tagebüchern einen
Roman zu schreiben. Es ist ihr gelungen, ihre autobiographischen Notizen in einen literarischen Text zu formen.
Dank diesem Buch erhalten wir in der Schweiz Lebenden einen Einblick in das Leben von asylsuchenden
Familien. Eine Lektüre, die uns sehr wohl die Schamröte ins Gesicht treiben kann! Die belastenden Erfahrungen
der Familie in der Gesellschaft und mit den Behörden sind beinahe unerträglich zu lesen. Erträglich sind sie, weil
die Autorin ohne Pathos und ohne anzuklagen, ja oft auch mit Humor schreibt, zum Beispiel, wie sie sich fühlte,
als sie vor den Sommerferien in der Klasse für immer verabschiedet wurde, am ersten Schultag im neuen
Schuljahr wieder dasteht, weil die Familie doch noch einmal Aufschub erhielt. Dabei hatte sich das Mädchen,
das sie damals war, sehnlichst gewünscht, die Familie würde die Aufenthaltsbewilligung nicht erhalten, damit
sie zurück könnte, zur geliebten Grossmutter und den Freundinnen, an einen Ort, wo sie wäre wie alle anderen.
Ob ich das sagen darf? Zum Glück für uns Leserinnen und Leser, blieb Meral Kureyshi hier und lässt uns
teilhaben an ihrer Erzählkunst, ihrer starken poetischen Sprache und ihrer Fabulierlust. Vielen Dank für dieses
Geschenk, Meral Kureyshi!
Susanne Jäggi
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Laudatio zu Ruth Schweikert: „Wie wir älter werden“ (S. Fischer Verlag)
Bei der Abdankungsfeier für Andrea, Kathrins Freundin seit Kantonsschulzeiten, bemerkt Kathrin, wie sie die
Blicke der ihr vertrauten Menschen sucht, wie andere einander mit den Augen suchen, „so dass sich während
der ganzen Zeremonie ein dichter werdendes Netz von Blicken über die Anwesenden spannte, kürzere und
längere Linien, die sich zu Dreiecken, Vierecken und Vielecken formierten, als versuchten sie alle miteinander in
Beziehung zu treten; als nähmen sie nicht nur Abschied von Andrea, sondern gleichzeitig auch aneinander
Maß.“
Was sich Kathrin hier als ein Bild im Kopf formt, ist die Strukturskizze des neuen Romans von Ruth Schweikert
„Wie wir älter werden“. Eine Gruppe von Menschen, einander familiär und verwandtschaftlich verbunden,
befreundet, aus Herkunft oder Zufall aufeinander getroffen, nimmt aneinander Mass, setzt sich in Bezug und
Distanz zueinander. Ihre Lebenslinien treffen sich in der Erzählzeit des Romans, vom Zweiten Weltkrieg bis in die
Gegenwart, laufen parallel und auseinander. Abhängigkeiten zeigen sich offen und bleiben verdeckt, verwirren
sich und bleiben verknüpft.
Ruth Schweikert schreibt über das ganz gewöhnliche Leben, doch was als das Unspektakuläre erscheint, erweist
sich als ein vielfach verspiegelter, durch unterirdische Rhizome kommunizierender Mikrokosmos. Gerade im
Alltäglichen, das sich hier wie dort ereignet, in verheimlichten Vaterschaften und verschwiegenem
Gefängnisaufenthalt, im Drogentod einer magersüchtigen Tochter, den Geschichten von gescheiterten und
geschiedenen Ehen und missratenen Lebensentwürfen, woraus die darin Verstrickten sich zu befreien suchen,
ohne sich lösen zu können, zeigt sich eine Gesellschaft, die vom erkannten und unenthüllten Verhängnis, von
bewussten und unbewussten Entscheidungen geprägt ist.
Dieser Roman gibt ein präzises Gegenwartsbild. Ein Arzt, der als Student aus Tschetschenien geflüchtet und in
der Schweiz gelandet ist, genaue Datumsangaben, im Erzählen benannte Ereignisse aus den NachrichtenSchlagzeilen wie 9/11, Details wie der Blick des Attentäters Anders Behring Breivik situieren das
Romangeschehen in der außerliterarischen Realität. Doch sie machen das Buch nicht zur Dokumentarfiktion,
sondern verorten „Wie wir älter werden“ in einem Kontinuum von Ort und Zeit, in welchem das Besondere mit
dem Allgemeinen verbunden bleibt. Die Lebenswirklichkeit, die hier zu Literatur wird, enthüllt durch genaues
Hinsehen und aufmerksames Beobachten und Beschreiben ihr Verborgenes: Jenes Geflecht von Verknüpfungen
und Verbindungen, die aus einzelnen private und berufliche Gemeinschaften bilden und aus diesen eine
Gesellschaft formen. Ruth Schweikert hat nichts anderes als die condition humaine im Blick. Nicht nur „wie wir
älter werden“: Wie wir zusammenleben, davon erzählen die Geschichte und die Geschichten in diesem Buch.
Urs Bugmann
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Laudatio zu Monique Schwitter: „Eins im Andern“ (Literaturverlag Droschl)
Es klopft. Lang lang kurz kurz / kurz / kurz kurz /lang. Es klopft – vom Dachboden oder von unter der
Schädeldecke her – und die Ich-Erzählerin weiss weder, woher das Morse-Geräusch kommt, noch, was oder wer
sich da Gehör verschaffen möchte. Es klopft auch, als die 40-Jährige den Namen ihrer ersten Liebe googelt.
Petrus. So erfährt sie von seinem Tod. Er ist vor einigen Jahren aus dem Fenster eines Hochhauses gesprungen.
Als er starb, war die Erzählerin schwanger.
Der Schrecken setzt Erinnerungen frei. An Petrus, und alsbald an all die Lieben, die auf ihn folgten. Langjährige
Beziehungen, heftige Affären, platonische Flirts. Andreas, Jakob, Johannes; Thomas, Nathanael, Philipp. Am
Ende sind es 12 Namen, 12 Apostel, 12 Geschichten, 12 Kapitel. Jedes könnte eine reichhaltige Kurzgeschichte
für sich sein. Die Autorin verwebt sie zu einem noch dichteren Romangeflecht, in dem die Zeiten, die Geliebten
und die Motive in alle Richtungen verweisen. Eins im Andern.
Trotz der strikten Struktur, die sich die Autorin auferlegt, wirken die Geschichten nie künstlich erzwungen. Ganz
natürlich wandert sie bei dieser Liebesrecherche von Einem zu dem Andern. Und wir folgen ihr gern. Sie flicht
dabei mit leichter Hand Metaphern und Textverweise ein: Becketts „Kommen und Gehen“, Undine, den
Sandmann oder den Heiligen Christophorus, Beschützer gegen den Tod. Auch mit der Leserin, dem Leser, spielt
die Autorin, die über eine Autorin schreibt, die ein Buch schreibt. Die echte Monique Schwitter gibt vieles von
sich Preis; zugleich versteckt sie sich hinter den Figuren, hinter der Fiktion.
Das ist das Schöne an Literatur: Dass sich reale und realistische Geschichten mit Symbolen, Märchenhaftem und
Surrealem aufladen lassen. Monique Schwitter tut das unaufdringlich und mit viel Witz. Sie verwandelt das
Vulgäre in Poesie: Eine Sexszene im öffentlichen Pissoir gerät zu einer Choreographie mit den an- und
abgehenden Wandspülungen, wie in den Filmen Busby Berkeleys. Sie nähert sich einem traurigen Thema mit
Komik: Die Erzählerin und ihr bester Freund Nathanael stapfen durch den Buxtehude-Friedwald und können das
Grab seiner Mutter nicht finden. Denn diese Stadtkinder wissen nicht, wie eine Esche aussieht.
Es klopft. Es sind Morsezeichen. Sie bedeuten „Zeit“, auch „Rauch“ oder „Kind“. Rauch. Zeit. Kind. Ein Dreiklang
aus der Vergangenheit. Unerfülltes, Verpasstes, fast Vergessenes.
Mit einem Todesfall beginnt Schwitters Liebesreigen, der Tod bleibt in jeder Geschichte präsent. Ihm hält die
Autorin die Intensität von Begegnungen, Freundschaften, Liebschaften, Schmerz, Begehren und Sex entgegen.
Denn das ist, was jede Liebeserfahrung ausmacht: Ihre Lebendigkeit. Und das ist es, was beim Lesen dieses
Romans so glücklich macht: Er ist so lustig und traurig, so nachdenklich und verrückt zugleich. Im Morsecode
unterscheidet Lieben sich von Leben nur um zwei Punkte.
Susanna Petrin
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Statistisches zum SBP
Die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger

2008: Rolf Lappert („Nach Hause schwimmen“, Hanser Verlag)

2009: Ilma Rakusa („Mehr Meer“, Literaturverlag Droschl)

2010: Melinda Nadj Abonji („Tauben fliegen auf“, Jung und Jung Verlag)

2011: Catalin Dorian Florescu („Jacob beschliesst zu lieben“, C.H. Beck Verlag)

2012: Peter von Matt („Das Kalb vor der Gotthardpost“, Hanser Verlag)

2013: Jens Steiner („Carambole“, Dörlemann Verlag)

2014: Lukas Bärfuss („Koala“, Wallstein Verlag)
Eingereichte Titel, Verlage, Erscheinungstermine
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Anzahl Titel
84
65
81
69
76
82
80
90
Teilnehmende
Verlage
50
47
41
40
45
53
53
51
Schweiz
23
23
18
17
26
30
31
32
Deutschland
25
23
2
20
18
20
15
13
Österreich
2
1
3
3
1
3
7
6
Herbst Vorjahr
6 (7%)
6 (10%)
10 (14%)
3 (5%)
7 (9%)
6 (7%)
5 (6%)
6 (7%)
Frühjahr
37 (51%)
36 (59%)
34 (49%)
35 (58%)
40 (53%)
40 (49%)
51 (64%)
48 (53%)
Herbst
29 (42%)
19 (31%)
25 (37%)
22 (37%)
29 (38%)
36 (44%)
24 (30%)
36 (40%)
Erscheinungstermine
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