Bericht zur Regionalkonferenz Alpen

Bericht zur Regionalkonferenz Alpen - Klimaforschung in Bayern:
Eine großartige Vielfalt der Bayerischen Klimaforschung hat sich am 1. und 2. Oktober 2015 auf der
„Regionalkonferenz Alpen - Klimaforschung in Bayern“ gezeigt, zu welcher das Staatministerium für
Umwelt und Verbraucherschutz unter Leitung von Frau Prof. Dr. Tanja Gschlößl eingeladen hat und
zu der über 150 Teilnehmer ins Literaturhaus München erschienen sind.
Nach einer Begrüßung von Umweltministerin Ulrike Scharf stelle uns Prof. Dr.-Ing Martin Faulstich
den Klimawandel als Chance vor und sieht der Energiewende durchaus optimistisch entgegen. Dafür
muss aber der fossile Brennstoff im Boden bleiben und als Hauptenergiequelle zu Strom aus
erneuerbarer Energie auch für Kraftstoff- und Wärmegenerierung gewechselt werden (also Solarund Windenergie). Dass dazu ein nachhaltiger Industriewandel, eine Ressourcenwende und vor allem
eine Veränderung der persönlichen Lebensstile nötig sind, verschweigt er nicht. Den Fokus sollte man
daher auf den Ausbau und der Entwicklung innovativer Technologien und dem aktiven
Strukturwandel widmen, rät Faulstich.
Guten Rat holt sich das Ministerium schon seit 2007, seither gibt es den aus 3 Mitgliedern
bestehenden Klimarat. Dieses Jahr fand ein Wechsel statt, und die neue Besetzung sieht
folgendermaßen aus: Prof. Dr. Karin Pittel, Spezialistin im Bereich Nachhaltigkeitsforschung (LMU),
Prof. Dr. Harald Lesch, Vertreter der Naturwissenschaften und Verbindung zur Medienwelt (LMU,
IHS), sowie Prof. Dr. Jörg Völkl, Experte in Frage zu Geo- und Kulturlandschaften (TUM). Ganz wichtig
sei die stärkere Miteinbeziehung der Medien, um vor allem für die Jugend– die Erdenbewohner der
Zukunft – auf verständliche Art und Weise auf den Klimawandel, seine Folgen und die Möglichkeiten
der Anpassung hinzuweisen. Dabei sollten auch mal schlechte Nachrichten angesprochen und auch
andere Blickwinkel aufgezeigt und zur Diskussion gebracht werden.
Mit dem brandneuen Imagefilm stellte Prof. Dr. Siegfried Specht das Schneefernerhaus vor, welches
als Umweltforschungsstation von vielen Kooperationspartnern zur Alpen- und Klimaforschung
genutzt wird. Mit dem von Prof. Dr. Michael Bittner vorgestellten Virtuellen Alpenobservatorium
(VAO) ist in Zukunft auch die internationale Verknüpfung und der Ausbau der alpinen
Forschungsinfrastuktur möglich.
Im Block „Kooperation Klimaforschung“ des ersten Konferenztages ging es um die Auswirkungen von
Trockenstress auf Fichte und Buche (KROOF) und Frau PD Dr. Karin Pritsch erläuterte, wie oder ob
sich die beiden Baumarten zur Bewältigung dessen unterstützen können. Ein Projekt zum ersten
vollautomatischen Polleninformationsnetzwerk in Bayern wurde von Prof. Dr. Jeroen Buters
vorgestellt, welches in Zukunft dazu dienen soll, den Flug der Pollen vorherzusagen und somit
Informationen für Allergiker bereit zu stellen (eine Weiterentwicklung der Pollen-App). Abschließend
stellte uns Herr Prof. Dr. Stephan Pauleit die Rolle der Stadtnatur vor (ZKS), und welche Maßnahmen,
z.B. eine gezielte Begrünung von Gebäuden, die voraussichtlich veränderten Bedarfe an Heizen und
Kühlen abmildern kann.
Der zweite Tag war vollgepackt mit Informationen. Der Block „Alpen“ begann mit der Präsentation
von Prof. Dr. Jörg Völkl, der sich mit der Kohlenstoff- und Stickstoffmobilität der bayerischen Böden,
deren Funktion als C- und N-Senke sowie der Bodengenese aber auch –erosion beschäftigt und damit
einen langfristigen Trend der Klimarelevanz kolluvialer und alluvialer Prozesse formulieren möchte.
Ebenfalls um den Stickstoffeintrag ging es beim Projekt zur Pflanzendiversität im Nationalpark
Berchtesgaden, das der stellvertretende Leiter Helmut Franz vorstellte. Er stellte heraus, dass
intensive Naturbeobachtungen (Monitoring/Artenzählung/pflanzensoziologische Kartierung) nötig
sind, um die Veränderung der Vegetation über die Zeit besser nachvollziehen zu können. Er spricht
für den beobachteten Lebensraum von einer Stetigkeitszunahme an Arten, die vom Klimawandel (in
diesem Fall die Temperaturerhöhung) begünstigt wird. Eine schlechte Nachricht brachte Prof. Dr.
Jörg Prietzel, der einen Humusschwund von 14 % in den bayerischen Alpen feststellen konnte, der
sich vor allem auf tiefe, warme Lagen und Standorte mit ursprünglich hohen Ausgangswerten
auswirkt. Er rät zu nachhaltiger Forstwirtschaft mit Fokus auf Humuspflege, wozu neben der
Vermeidung von Freilagen auch die Verringerung von hoher Verbissbelastung, die Trennung von
Wald und Weide sowie die Belassung von Ernterückständen (Totholz) gehören. Frau Prof. Dr. Annette
Menzel setzt sich ebenfalls für Dauerbeobachtungsflächen zum Monitoring der Vegetationsdynamik
ein, welches die Veränderungen durch den Klimawandel aufzeichnen kann (KLIMAGRAD). Dabei soll
ein Phänologie-Netzwerk dienen, wobei auch Webcams und GPS-Monitoring von Schafen zum
Einsatz kommen. Das Themengebiet abschließend stellte Prof. Dr. Harald Kunstmann eine bis 2017
angedachte Klimasimulation mit 5km Auflösung vor, die zur Verbesserten Datenerhebung gerade an
den vielen alpinen Steilhängen im Bereich Wasserhaushalt/Schnee dienen soll (WaterNPB).
Im Block „Klimaforschung Land- und Forstwirtschaft“ ging es sehr biologisch her: Frau Dr. Monika
Konnert sprach von der genetischen Vielfalt von Tanne und Lärche, die sich im internationalen
(Alpen-) Vergleich unterschiedlich äußert (die Tanne hat in Deutschland die höchste genetische
Diversität, dafür die Lärche die niedrigste), und dass auch Unterschiede in den einzelnen
Populationen beachtet werden müssen. Dr. Stephan Hartmann untersuchte über 600 Sorten von
Saatgut des Deutschen Weidelgrases, um es auf Dürrestress zu testen. Der Versuch zeigte, dass wider
Erwarten einige tetraploide Populationen gegenüber den diploiden trockenstressresistenter waren.
Über Synökologische Auswirkungen zwischen Klimawandel, Blattwespen und Fichten referierte
Fortwissenschaftler und Entomologe Dr. Ralf Petercord, da sich die Gebirgsblattwespe in Gebieten
der Kleinen Blattwespe vermehrt verbreitet. Auch er stellte sehr bildlich heraus, wie wichtig die
Kenntnis der artspezifischen Interaktionen und Lebenszyklen ist und ebenfalls eine langfristige
Beobachtung nötig sein wird. Zurück zur Genetik brachte uns Dr. Markus Herz, der für mögliche HighTech-Züchtungen (Wintergerste) den hohen Aufwand zur Identifizierung des genetischen
Hintergrundes herausstellte, aber zuversichtlich einer Weiterentwicklung und schließlich der
Selektion von besonders Klimastress-resistenten Arten entgegensieht. Zuletzt stellte PD Dr. Thomas
Rötzer die Entwicklung eines Modells zur Vorhersage des Wachstumsverhaltens und somit zukünftige
Umweltleistungen von Stadtbäumen vor (CityTrees), welches an Robinie und Winterlinde in
München und Würzburg getestet wurde, aber noch weiter validiert werden muss.
Im letzten, knapp gehaltenen Block „Wasser und Moore“ konnte Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein die
spezielle Pflanzengemeinschaften von Waldquellen (AD FONTES) und deren sensible Reaktionen auf
Umweltveränderungen aufzeigen, welche ein hohes Indikator-Potential für eine langfristige
Beobachtung im Zuge des Klimawandels besitzen. Frau Dr. Uta Räder stelle die 4 Forschungsfelder
der Limnologie vor: welche Auswirkungen die (potentiell) Klimawandel-bedingte Gewässertrübung
auf die Makrophytenzusammensetzung und damit auf den bisher etablierten Makrophyten-Index
hat, warum Hochwasserereignisse die Schilf-Populationen und damit den Lebensraum Röhricht
gefährden, wie die Kalkalge Phacotus eine CO2-Senke darstellt und welchen Einfluss des
Klimawandels auf Bergseen und deren Primärproduzenten hat. Gefolgt von Prof. Dr. Kollmann, der
von den Herausforderungen des Klimawandels an die Renaturierungsökologie, der natürlichen
Sukzession und ebenfalls zu der Bedeutung von langen Beobachtungszeiträumen sprach. Zuletzt
wurde das von Prof. Dr. Wolfgang Weisser geleitete Projekt Animal Aided Design vorgestellt, welches
als Handreichung an Architekten und Landschaftsplaner gedacht ist, damit sie bei Ihrer Planung auch
Lebensraum für Tiere miteinbeziehen können. Artenporträts von Zauneidechse, Haussperling oder
Zwergfledermaus sollen dabei den Bezug zu den Tieren, deren Bedeutung für den Menschen und
selbstverständlich deren tages- oder Jahreszeitlichen Lebenszyklus verdeutlichen, damit auch
nachhaltig eine Etablierung gesichert ist.
Für alle, die nach dieser Informationsflut noch aufnahmefähig waren, ging es nach Oberpfaffenhofen
ans Earth Observation Center des DLR, welches von Prof. Dr. Dech geleitet und vorgestellt wurde.
Hier wurde die praktische Seite der von den Satelliten TerraX und TandemX gewonnenen Daten
eindrucksvoll gezeigt: ein Kriseninformationszentrum (ZKI) arbeitet rund um die Uhr, damit bei
Bedarf möglichst schnell und Anwender-orientierte Karten und Datensätze erstellt werden, die z.B.
Aussagen zu der Befahrbarkeit von Straßen (z.B. nach dem Erdbeben in Nepal) oder auch der aktuelle
Überflutungsstand bei Hochwasser (wie etwa im Sommer 2013) sein können. Auch technische
Unfälle oder zivile Hilfe werden neben den Naturkatastrophen bearbeitet und ständig
weiterentwickelt. Auch ein Tsunami-Frühwarnsystem wurde hier entwickelt, das mittlerweile an
Indonesien übergeben wurde. Mit 50 peta-byte Speichervolumen sind derzeit die beiden Server am
DLR in Oberpfaffenhofen ausgestattet, wovon auch schon 12 pb belegt sind – die zu speichernden
Informationen wachsen jedes Jahr nahezu exponentiell. Zum krönenden Abschluss gab es dann noch
ein Blick in das Raumfahrt-Kommando-Zentrum, wo es unter anderem auch life-Aufnahmen der ISS
bzw. deren Besatzung zu sehen gab.
Eine Auswahl an den beschriebenen Projekten sowie viele weitere Informationen und Weblinks
finden Sie auch auf den Seiten des Umweltministeriums zum Thema Klimaforschung.
Elke Weinhardt