Aus den Stichpunkten des Admirals von Tirpitz zu einem Vortrag

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M22 Aus den Stichpunkten des Admirals
von Tirpitz zu einem Vortrag beim Kaiser vom
28. September 1899
7. Ziel in 2 Etappen zu erreichen.
Erste Etappe. III. Geschwader, Auslandsschiffe und
Tross. Modernisierung des alten Materials, exl.
Ersatzbauten Badenklasse pp.
8. Zweite Etappe. Ersatz Siegfriedklasse durch
Linienschiffe.
9. Sobald Ziel erreicht ist, haben Euer Majestät eine
effektive Macht von 45 Linienschiffen nebst komplettem Zubehör. So gewaltige Macht, dass nur
noch England überlegen. Aber auch England
gegenüber durch geografische Lage, Wehrsystem,
Mobilmachung, Torpedoboote, taktische Ausbildung, planmäßigen organisatorischen Aufbau,
einheitliche Führung durch den Monarchen haben
wir zweifellos gute Chance.
Abgesehen von den für uns durchaus nicht aussichtslosen Kampfverhältnissen, wird England aus
allgemein politischen Gründen und von rein nüchternem Standpunkt des Geschäftsmannes aus jede
Neigung, uns anzugreifen, verloren haben und
infolgedessen Euer Majestät ein solches Maß von
Seegeltung zugestehen und Euer Majestät ermöglichen, eine große überseeische Politik zu führen.
10. […] 4 Weltmächte. Russland, England, Amerika und Deutschland. Weil 2 dieser Weltmächte nur
über See erreichbar, so Staatsmacht zur See in den
Vordergrund.
Ausspruch Salisbury: Die großen Staaten werden
größer und stärker, die kleinen kleiner und
schwächer, auch meine Ansicht. Entsprechend
moderner Entwicklung, Trustsystem. Da Deutschland in Bezug auf Seemacht besonders zurückgeblieben, so Lebensfrage für Deutschland als Weltmacht und großer Kulturstaat, das Versäumte
nachzuholen. Sowohl, um die Seemacht im engeren Sinne (Flotte) schaffen und erhalten zu können,
als auch, weil es Macht an sich bedeutet, muss
Deutschland seine Bevölkerung deutsch erhalten
und sich weiter zum Weltindustrie- und Handelsstaat ausbilden. In Letzterem liegt augenblicklich
St. Petersburg
London
Berlin
Paris
Wien
Madrid
Bukarest
Rom
Zweibund 1879
Dreibund 1882
Beistandsvertrag 1883/88
Entente cordiale
1904
Englisch - russ.
Konvention 1907
Russisch - franz.
Bündnis 1894
Schema 6 Europäisches Bündnissystem vor
dem Ersten Weltkrieg
das stärkste Mittel, den Überschuss seiner Bevölkerung deutsch zu erhalten. […]
Seine Majestät erklärten Sich mit dem entwickelten
Standpunkt einverstanden und ermächtigten
mich, in diesem Sinne vorzugehen.
(M. Behnen [Hg.], Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890–1911,
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
1977, S. 222 ff.)
1 Benennen Sie Umfang und Ziel der Flottenpolitik.
2 Erklären Sie, weshalb Tirpitz die deutsche Seemacht als „Lebensfrage“ Deutschlands ansieht
(M 22).
3 Diskutieren Sie die Motive von Reichstags- und
Bevölkerungsmehrheit, das Flottenprogramm zu
unterstützen.
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