30.8.2015,)13.)Sonntag)n.)Trinitatis)(Taufgottesdienst)) Predigt)zu)Lk)10,25>37)(Vikar)Johannes)Brakensiek)) Vielleicht werden Sie in absehbarer Zukunft Benjamin, Arnold und Sammy die Abenteuergeschichten von Latte Igel ja mal vorlesen: In einer dieser Geschichte sind die Tiere des Waldes in heller Aufregung, denn: Ihre Freundin und Ärztin, die Elfe Kiriwi wurde entführt. Nach kurzen Ermittlungen stellt sich heraus: Der grausame Adler Groff muss die kleine Fee entführt haben. Die Tiere des Waldes beraten, was zu tun ist und der redselige Rabe Korp hat die zündende Idee: Es muss ein Verein zur Rettung der Fee gegründet werden. Ruckzuck ist der Verein „Rettet Klein-Kiriwi“ gegründet und die Tiere sind sehr erleichtert. Doch schon bald fällt den Tieren auf: Wenn die Elfe gerettet werden soll, muss noch etwas geschehen. Ein Verein alleine bringt noch nichts. Irgendwer muss sich trauen, die Rettung der Elfe aus den Fängen des Adlers Groff zu unternehmen. Doch es findet sich erst einmal niemand. So etwa beginnt eine Geschichte über den tierischen Helden Latte Igel, die der schwedische Autor Sebastian Lybeck geschrieben hat.1 Der Predigttext für diesen Gottesdienst hat ein ganz 1 Sebastian Lybeck: Latte Igel reist zu den Lofoten (Latte Igel, Bd. 2). 6. Aufl. Stuttgart 2012. 1 ähnliches Thema wie diese Geschichte. Es geht darum, dass offensichtlich ist, was eigentlich zu tun wäre. Und darum, dass die Menschen erst einmal etwas anderes tun. Lk 10,25-37 (Basisbibel): https://www.basisbibel.de/basisbibel/bibeltext/basisb ibel/bibeltext/lesen/stelle/52/100025/100037/ch/d03 759d4b859ec4ee9db7676c02b5c42/ Jesus erzählt hier ein Gleichnis. Es ist eine Beispielerzählung darüber, was zu tun ist. Sie wird oft für eine der wichtigsten Geschichten des Christentums gehalten. Überall, wo es um christliche Erziehung geht, ist sie wichtig. Ich habe in den letzten Monaten am Mariengymnasium unterrichtet und ich glaube, jeder Schüler, jede Schülerin bekommt es in seiner Schullaufbahn mindestens einmal mit dieser Geschichte zu tun. Es geht darum, wie man sich zu seinen Mitmenschen verhalten soll. Es geht darum, was Mitmenschlichkeit ist, was aus christlicher Sicht Lieben und Helfen ist. Doch das ist erst einmal eigenartig. Denn in dieser Geschichte helfen zwei von drei Personen überhaupt nicht! Da ist ein Mensch von Räubern überfallen worden. Er liegt am Wegesrand. Niedergeschlagen, ausgeraubt, halb tot. Und dann kommen hohe Würdenträger vorbei. Echte religiöse Vorbilder. Zuerst ein Priester und dann ein Levit, so eine Art 2 Hilfspriester, der auch am Tempel gearbeitet hat. Das war für die Menschen damals als würden da der Notarzt und dann der Rettungswagen direkt hinterher kommen. „Wenn die nicht helfen, wer dann?“ Doch sie helfen nicht. Und sie werden ihre Gründe dafür gehabt haben. Gründe, von denen wir nichts erfahren, die wir uns aber vorstellen können. Die Bibelausleger überlegen, dass sich der Priester und der Hilfspriester religiöse Vorschriften hielten. Sie durften nicht mehr am Tempel dienen, wenn sie einen blutenden Menschen angefasst hatten. Vielleicht ging es ihnen aber auch einfach wie den Tieren im Wald aus der Geschichte zu Anfang. Vielleicht hatten sie einfach Angst. Angst davor, etwas falsch zu machen. Angst davor, dass die Räuber noch irgendwo waren. Angst vor einer fremden Situation, einem fremden Menschen. Wenn ich in die Nachrichten schaue, denke ich, dass es vielen Menschen nicht anders geht. Da kommen viele Menschen, fremde Menschen in unser Land. Menschen mit fremden Gebräuchen, Sitten, einer fremden Sprache. Aber in jedem Fall Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Und manche unserer Mitbürger brüllen Hassparolen. Zünden die Unterkünfte dieser Flüchtlinge an anstatt das Nächstgelegene zu tun. Sie haben Angst vor den Fremden anstatt ihnen zu helfen. Der Priester und der Levit, der Hilfspriester. Vielleicht hatten sie 3 Angst. Vielleicht war es auch viel banaler. Vielleicht hatten sie einfach keine Zeit. Vielleicht waren sie so im Trott ihres Alltags, dass sie diesen Menschen, der dort am Wegesrand lag, nicht gesehen hatten. Unvorstellbar? Wenn ich überlege, wie oft ich die Menschen übersehe, die so am Wegesrand sitzen, kann ich mir das schon vorstellen. Da steckt ja gar kein böser Wille hinter. Mir ist das sogar in einer Situation passiert, wo ich eigentlich sehr präsent war. Ich weiß noch, dass ich in einer der ersten Stunden in der Schule vorne in einer Klasse stand und ich hatte den Unterricht schon begonnen. Ich war schon voll mit dem Einstieg und den ersten Erklärungen beschäftigt und habe dann erst wahrgenommen, dass vorne eine von den Mädchen weinte. Irgendetwas war da vor der Stunde vorgefallen und ich war so gestresst und mit meinem Unterrichtsplan beschäftigt, dass ich es nicht bemerkt hatte. Ich war von mir ziemlich schockiert und ich glaube, die Juden, die damals diese Geschichte gehört haben, waren ähnlich schockiert. Da sind ihre Leute, der Priester und der Levit. Das sind die Leute, auf die sie sich verlassen und dann passiert nix. Dieses Gefühl der Enttäuschung kennen Sie vielleicht als Fußballfan. Wenn der teuer aufgekaufte Spieler es in der Saison einfach nicht bringt. Oder im Büro. Wenn man einen der besten Kollegen ins Meeting schickt 4 und er es einfach versaut. Wenn man einem „von seinen Leuten“ vertraut und dieses Vertrauen enttäuscht wird. Stattdessen kommt in dem Gleichnis, das Jesus erzählt, dieser Samariter. Die Samariter, das waren nicht die Helfer vom Arbeiter-Samariter-Bund, die sie vielleicht kennen. Die Samariter stammten aus dem Nachbarstaat Samaria und für die Juden waren sie eigentlich Abtrünnige und Ungläubige. So ein Samariter war für die damaligen Leute also der Letzte, von dem man was Ordentliches erwartete. Der war wie ein 7-jähriger in der FußballNationalmannschaft, wie ein Fisch in der Wüste, ein Auto mit vier platten Reifen. Von dem erwartete niemand etwas. Und nun kümmert sich ausgerechnet dieser Samariter um den verletzten Mann, der da zusammengeschlagen am Wegesrand liegt. Er hat Mitleid mit diesem Menschen. Er versorgt ihn. Hebt ihn auf. Nimmt ihn mit und bringt ihn in eine Unterkunft, wo er gepflegt werden kann. Er macht das, was eigentlich jeder erwartet und was doch die zwei vorher nicht gemacht haben: Einfach helfen. So, und was soll das nun? Wieso erzählt Jesus so eine ungewöhnliche Geschichte? Bevor Jesus diese Geschichte erzählt, kommt dieser Mensch zu ihm. Er ist klug und gebildet. Und der fragt Jesus: Was muss ich machen, um das ewige Leben zu erlangen? Er meint damit: Was muss ich tun, damit Gott mich gut findet? Wann bin ich ok für 5 ihn? Und es stellt sich heraus, eigentlich weiß er es: Er kann seinen und den Glauben von Jesus gut zusammen fassen: Ich soll Gott lieben. Und ich soll meine Mitmenschen so lieben wie mich selbst. Ja, er ist sogar noch schlauer. Er weiß, diese Aussagen sind so allgemein, eigentlich sagen die nur wenig aus. Sie sind total unkonkret. Gott lieben. Meinen Nächsten lieben. Mich lieben. Was soll das schon sein? Diese Sätze bringen doch nur etwas, wenn sie auch etwas bedeuten, wenn sie Konsequenzen haben. Und vielleicht hat er gehofft, dass Gott es gut findet, einfach wie der Priester und der Levit zu sein: Dass es reicht, dazu zu gehören. Dass es reicht, regelmäßig zum Tempel zu gehen und da seinen Job zu erledigen. Und die Antwort von Jesus ist da relativ klar. Nein, das reicht nicht. Klar, es ist schön, dass du dabei bist. Es ist schon, dass du getauft bist. Denn das sagt die Taufe ja auch aus. Du gehörst jetzt zur Gemeinde. Es ist schön, dass die Kinder, die wir heute getauft haben zu unserer Gemeinde gehören. Wir freuen uns darauf, sie begleiten zu dürfen und sie auch als Gemeinde wieder hier zu treffen und begrüßen zu dürfen. Die Taufe ist ein Anfang. Als Eltern haben Sie vielleicht erlebt, dass so ein Anfang auch mit Angst besetzt sein kann. Angst vor der Geburt. Angst davor, unserem Kind nicht gerecht zu werden. Angst davor, überfordert zu sein und zwischen Beruf und Familie zerrissen zu werden. Angst, wenn das Kind krank wird. Diese Ängste machen uns zu schaffen. Doch das Schöne ist: 6 Unsere Kinder bekommen das meist wenig mit oder werden sich daran vermutlich nie erinnern. Für sie zählt, dass Sie als Eltern seit der ersten Minute für sie da waren. Für sie zählt die Liebe, die Sie als Eltern ununterbrochen investiert haben. Und das gibt ihnen die Kraft und Fähigkeit später selbst Menschen zu sein, die lieben können. Die für andere da sein können. Wer einen Samariter in seinem eigenen Leben erlebt hat, der kann auch für andere zu einem Samariter werden. So ist auch die Taufe gedacht. Sie macht erfahrbar, dass Gottes Liebe und Zuwendung zu uns ganz am Anfang unseres Lebens steht. Und Jesus sagt, dass das noch gar nicht alles ist. Das ist ein Anfang, der in unserem Leben später Auswirkungen zeigen soll. Die Frage ist: Wann werden wir ein Samariter? Wird in unserem Leben irgendwann erkennbar, dass auch wir Gott lieben? Dass wir unsere Mitmenschen wirklich lieben? Dass wir sie gut behandeln, auch wenn sie uns vollkommen fremd sind? So fremd wie die Flüchtlinge, wie die neue Arbeitskollegin, die eigenartigen Nachbarn? Vielleicht hilft den Kindern und uns dann die Geschichte vom Anfang. Vielleicht erinnern sie sich daran. Der Igel Latte kam da noch gar nicht vor. Die Tiere hatten diesen Verein gegründet und waren ganz mutlos, was weitere Taten anging. Doch dann erinnert sich eines Tiere, dass der Igel, Latte Igel, 7 schon einmal ein Abenteuer mutig auf sich genommen hatte. Dass er mutig genug war. Und es stellt sich dann heraus, Latte Igel will eigentlich grad in den Winterschlaf und hat überhaupt keine Lust auf Abenteuer. Aber er hat den Mut, die kleine Fee zu retten. Und kaum erklärt er sich bereit, sich auf den Weg zu machen, da finden sich weitere Tiere, die Bisamratte und das Eichhörnchen, die mit ihm gehen wollen. Der Mut von Latte Igel war ansteckend. So ansteckend, dass die drei den Winterschlaf und alles hinter sich lassen und sich in Lebensgefahr begeben, um die geliebte kleine Elfe Kiriwi zu retten. Ganz ähnlich erzählt der Evangelist Lukas die Geschichte von Jeus. Er erzählt davon, dass Jesus sich aufgemacht hat, um für die Menschen da zu sein und ihnen zu helfen. Und dass jetzt nicht wie so ein kleiner Igel auf Abenteuerfahrt, sondern mit einer Kraft wie sie nur Gott hat. Und die Pointe bei der Geschichte von Lukas ist, dass diese Geschichte von Jesus bis heute weitergeht. Er erzählt, dass Jesus heute da ist und uns mit dem Mut zum Helfen und Lieben anstecken will. Auch wenn uns der Mut dafür manchmal fehlt. Er ist nicht nur am Anfang unseres Lebens da, in dem Moment, in dem wir getauft werden. Sondern seine Kraft will für uns da sein, solange wir leben. Dass wir das erfahren, das wünsche ich uns und ganz besonders den dreien, die wir heute getauft haben. Amen. 8
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