MESSEN / TESTEN / PRÜFEN Automobilhersteller setzen aus Kostengründen weniger reale Vorserienfahrzeuge zur Systemabsicherung ein. Die Konsequenz aus dieser Limitierung: Neue EEKomponenten und -Systeme werden vermehrt in bestehenden Fahrzeugen getestet oder gar komplett virtuell integriert. Genutzt werden dazu Restbussimulationen und Gateways zur Bussystemadaption. 60 HANSER automotive 10 / 2015 varianten weiter zunimmt. In immer kürzerer Zeit sind immer komplexere Systeme mit immer weniger Testobjekten zu einer dauerhaft funktionierenden reproduzierbaren Einheit zusammenzufügen. Mehr Bandbreite im Fahrzeug Blendet man die einfachsten Steuergeräte aus, z. B. intelligente Schaltereinheiten und Sensoren mit eigenen Kommunikationscontrollern, werden im Oberklasse- und Luxussegment die Grundfunktionen mit bis zu 70 elektronischen Steuergeräten realisiert. Diese Zahl wächst nicht mehr bedeutend an, aber immer mehr Funktionen werden in eine Einheit eingebettet, d. h. die Anforderungen an Performance und Schnittstellen steigen weiter. Zudem erhöht sich der Kommunikationsbedarf, den die etablierten Vernetzungstechnolo© Carl Hanser Verlag, München Bilder: Star Electronics W eltweit bemühen sich Automobilhersteller im Sinne der Umweltverträglichkeit und Sicherheit im automobilen Straßenverkehr, ihre Entwicklung effizient und vor allem kostenbewusst auszurichten und dennoch den Komfort stetig zu erhöhen. In der Automobilelektronik ist das entwicklungsbegleitende Testen durch alle Phasen hindurch mit Werkzeugen wie Hardware-in-the-Loop (HiL), Softwarein-the-Loop (SiL) oder virtuelle Integration üblich geworden. Das Testen neuer Funktionen und Systeme in realen Fahrzeugen tritt immer mehr in den Hintergrund, zumal nicht mehr Hunderte von Vorserienfahrzeugen aufgebaut werden. Die Baubarkeit, Fahreigenschaften, neu entwickelte Funktionen sowie die Interaktion mit anderen Systemen sind virtuell auf Herz und Nieren zu überprüfen und zu testen. Der Druck erhöht sich, weil die Entwicklungszyklen neuer Fahrzeugmodelle immer kürzer werden, während die Zahl der Fahrzeug- © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern Virtuelles Testen in der Fahrzeugvernetzung MESSEN / TESTEN / PRÜFEN Frontloading Bei solch steigender Komplexität und zu verarbeitendem Datenvolumen sind die Entwicklungs- und Versuchsabteilungen gezwungen, neue Wege zu beschreiten. Sie setzen auf Frontloading, das möglichst frühzeitige Erkennen und Lösen von Problemen. Hierzu werden die Entwicklungs- und Testaktivitäten einzelner Systeme bereits lange vor der Integration in das Zielfahrzeug in Simulationsumgebungen getestet und in Umgebungen genutzt, die eine Bewertung der Funktionen ohne das Testen im realen Fahrzeug ermöglichen. Dennoch gibt es viele Eigenschaften, die sich nur im Kontext des gefahrenen Fahrzeugs wirklich erproben lassen. So gehört das © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern gien CAN und LIN wegen mangelnder Bandbreite begrenzt leisten können. Drei CAN-Busse im Fahrzeug und mehr sind bereits üblich. Die Informationen zwischen den Bussen werden über ein zentrales Gateway geleitet. Das Bussystem FlexRay mit seiner 20-Mbit/s-Übertragungsrate ist als schnellere Lösung in manchen Funktionsclustern eingeführt. Dennoch ist bereits abzusehen, dass noch mehr Bandbreite nötig wird. Deshalb setzen deutsche Premiumhersteller inzwischen auf Ethernet mit dem eigens für den Fahrzeugeinsatz entwickelten Physical-Layer BroadR-Reach, der bereits eine bidirektionale Übertragungsrate von 100 Mbit/s über ein verdrilltes Leitungspaar bietet. Kilometersammeln auch weiterhin zu den wichtigsten Testumgebungen. Jedoch werden neu entwickelte mechatronische und elektronische Systeme nicht erst im Zielfahrzeug getestet, sondern in bereits bestehende Fahrzeuge integriert und geprüft. Dazu sind in der Vernetzungstechnik Restbussimulation oder Gateways gefragt. Restbussimulation HiL-Testumgebungen verwenden bei Komponententests – Umgebungen, in denen nur ein Steuergerät oder einzelne Funktionen zu testen sind – Restbussimulationen. Damit lassen sich die Informationen von Steuergeräten generieren, die in dieser Umgebung nicht real verbaut sind. Hierbei sind physikalische Informationen teilweise in komplexen Modellen zu berechnen. Dies benötigt sehr leistungsfähige Rechner einheiten, die gleichzeitig eine große Bauform besitzen. Die HiL-Simulationstechniken können auch auf den Einsatz im Testfahrzeug ausgeweitet werden, aber dort sind die Bauräume sehr begrenzt und kleine Bauformen gefragt. Kompakte Hochleistung Kompakte, robuste Hardwareplattformen, die in den typischen Temperaturbereichen sowie rauer Umgebung ein setzbar sind, sind demnach gefragt. Die FlexDevice- » Mehr Sicherheit im Straßenverkehr durch Automotive-Produkte von Toshiba. Mehr erfahren unter www.toshiba.semicon-storage.com/eu/automotive MESSEN / TESTEN / PRÜFEN Komfortable Werkzeugkette Kombiniert mit PC-Tools zur Konfiguration der Busschnittstellen verwendet der Testingenieur eine komfortable Werkzeugkette, die auch Busbeschreibungsdateien aller relevanten Formate, wie dbc (nur CAN), Fibex (CAN, FlexRay) und AUTOSAR XML verarbeitet. Damit wird die schnelle Einrichtung von Restbussimulationen für alle angeschlossenen Busse ermöglicht, die im einfachsten Fall nur Default-Daten versenden. Ein angeschlossener Prüfling kann so in den Arbeitsmodus für die Durchführung von Testreihen versetzt werden. Mit entsprechenden Signalmanipulationen laufen bereits kleine Simulationsmodelle. Umfangreichere Restbussimulationen mit Anwenderfunktionen werden via einer API für die von ANSI C Code-Einbindung umgesetzt. Anhand von A bstraktionsschichten lassen sich übertragene Botschaften unabhängig vom verwendeten Bussystem beschreiben. Dies bildet bereits AUTOSAR durch sognannte PDUs (Protocol Data Units oder Payload Data Units, auch bekannt aus dem OSI-Schichtenmodell) ab. End-to-End-Absicherung Bei der Einrichtung von Restbussimulationen hat der Test ingenieur einige Hürden zu überwinden. Zum einen haben alle Fahrzeughersteller unterschiedliche Konfigurationen angelegt. Zum anderen sind in den PDUs zusätzliche Übertragungspfadabsicherungen eingebaut. In einigen sicherheitskritischen Anwendungen ist zu gewährleisten, dass eine End-to-End-Absicherung erfolgt, die auch den Übertragungsweg aus dem Bus-Communication-Controller in den Hauptprozessor des jeweiligen Steuergerätes abdeckt. A ndere Anwendungen erfordern, dass keine Nachrichten in der Applikation verloren gehen dürfen. Daher findet man zusätzliche Parity-Bits, CRC-Bytes und Botschaftszähler in allen Kommunikationsmatrizen. Zwar standardisiert AUTOSAR in diesem Zusammenhang bereits einige Polynome, jedoch variieren diese von Hersteller zu Hersteller. Man ist also gut beraten, solche Mechanismen für eine möglichst Elektrische Automatisierung Systeme und Komponenten Internationale Fachmesse Nürnberg, 24. – 26.11.2015 Answers for automation Besuchen Sie die SPS IPC Drives und erleben Sie die einzigartige Arbeitsatmosphäre auf Europas führender Fachmesse für elektrische Automatisierung: • umfassender Marktüberblick • mehr als 1.600 Aussteller mit allen Keyplayern • Produkte und Lösungen • Innovationen und Trends [email protected] www.sps-messe.com © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern Produktfamilie (zuvor: FlexXCon) ist mit ihrer modularen, PGA-basierten Hardware speziell darauf ausgelegt, variabel F konfigurierbar viele und verschiedene Busschnittstellen zu bedienen. Trotz ihrer handlichen Größe können die Geräte mit ihren integrierten Prozessoren hochkomplexe Funktionen ausführen. Die von den Spezialisten auf Performance getrimmte Firmware deckt die Basisfunktionalitäten, z. B. das Empfangen und Senden von Botschaften, besonders ressourcenschonend ab. Das schafft Freiraum zur Einbettung frei konfigurierter sowie anwenderspezifischer Softwaremodule. tskarte lose Eintrit en Ihre kosten intrittskart /e messe.com sp .s w w w MESSEN / TESTEN / PRÜFEN D1x für Kombiinstrumente Eigenheiten der Bussysteme Dies bildet sich analog in CAN-FD-Bussystemen ab. Natürlich beinhaltet CAN-FD einige signifikante Änderungen am Protokoll, jedoch ist für den Anwendungsbereich lediglich die Payload-Länge als entscheidender Unterschied festzustellen. Damit lassen sich PDUs mit 64 Byte darstellen, was mehr Bandbreite hergibt, jedoch auf die Vorgehensweise bei der Restbussimulation kaum Einfluss hat. Weitaus komplexer stellt sich die Restbussimulation bei Ethernet/BroadR-Reach dar. Hier werden nicht nur signal orientierte Daten in Botschaften zusammengepackt und versendet, sondern auch serviceorientierte Protokolle verwendet. AUTOSAR verabschiedete in der Version 4.1 erstmals die Unterstützung des SOME/IP-Protokolls. Dieses liegt als Middleware zwischen den TCP/IP-Schichten und der darüber liegenden Anwendung. Es unterstützt die (De-)Serialisierung von C-Datentypen, ohne dabei Umrechnungsvorschriften zu verwenden, wie sie z. B. CAN erforderte. Das entlastet den Prozessor. Die Signalrepräsentationen auf dem Bus sind im gleichen Datenformat wie im den Service bereitstellenden Steuergerät. SOME/IP ist vornehmlich für dienstorientierte Kommunikation ausgelegt und unterstützt vor allem auch Remote Procedure Calls (RPC). Damit Steuergeräte nur die Kommunikation verarbeiten müssen, an der sie auch beteiligt sind, setzt SOME/IP auf Unicast-Kommunikation. Dazu muss der entsprechende Empfänger Nachrichten eines bestimmten Typs/Services verarbeiten können. Anhand der sogenannten Service Discovery wird ausgehandelt, dass ein Busteilnehmer einen bestimmten Service für die Nachrichtenverarbeitung anbietet. Restbussimulationen brauchen deshalb entsprechende Services und zugehörige Service-DiscoveryMechanismen. Weltweit größtes MCU-Line-up für Kombiinstrumente Gateways verbinden Welten Die reine Restbussimulation ist im Versuchsfahrzeug allerdings nicht zielführend. Um das Steuergerät ABC einer zukünftigen Baureihe Y in ein Fahrzeug einer aktuellen Baureihe X zu integrieren und unter realen Bedingungen zu testen, wird ein Gateway benötigt, das gleich zwei Aufgaben bewältigt: das Durchleiten benötigter Signale sowie die Fahrzeug simulation. Gefordert ist also eine Kombination aus Gateway und Restbussimulation für die Inbetriebnahme des zu testenden Steuergeräts. Zum einen benötigt dieses Steuergerät Signale von den anderen Steuergeräten der neuen Baureihe Y, um eine korrekte Funktion zu gewährleisten. Es simuliert also den Restbus der neuen Baureihe Y. Im Gegenzug ist für das bestehende Fahrzeug X das bisherige ABC-Steuergerät zu simulieren, da hier ebenfalls Abhängigkeiten zu den Steuergeräten der Baureihe X bestehen. Nun wird sowohl für das zu testende Steuergerät als auch für das bestehende Fahrzeug X die jeweils andere Umgebung simuliert. Darauf aufbauend wird ein Gateway erstellt, welches die simuliert benötigten Signale beider Umge- » www.hanser-automotive.de © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern flexible Nutzung frei zugänglich und frei programmierbar zu machen. Bestens informiert 5. Generation mit gleicher Grafiksoftware - 11 Produkte mit CAN-FD-Option senken den NRE-Aufwand - Reduzierte Systemkosten durch hochintegrierten Funktionsumfang Leistungsfähige Grafikbearbeitung - Größte 2.5D- Grafikbandbreite seiner Klasse ermöglicht fließende Bewegungsabläufe www.renesas.eu /d1x MESSEN / TESTEN / PRÜFEN © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern Restbus- und ECU-Simulationen zur virtuellen Integration im Gateway. bungen mit realen Werten füllt. Ein so konzipiertes Gateway funktioniert über Busgrenzen hinweg. Es sind alle Kombina tionen denkbar, die die neuen Bussysteme einschließen, FR/FR, CAN/FR, CAN/CAN genauso wie auch zu CAN-FD und BroadR-Reach. Gateway-Architektur Durch die hohe Komplexität, die ein solches Gateway abbilden muss, ist für den Anwender eine einfache, komfortable Bedieneroberfläche sowie ein hoher Automatisierungsgrad entscheidend, um mit wenigen Klicks das Gateway aufzubauen. Die Verarbeitung von vorhandenen Daten und Informationen erfolgt über oben beschriebene Busadaptionen. Verschiedene Bussysteme werden über Gateway-Lösungen verbunden, die Daten von einem Datenbus auf einen anderen senden. Dabei ist nicht entscheidend, ob die jeweiligen Datenbusse in unterschiedlicher oder gleicher Technologie realisiert sind. Auf der abstrakten PDU-Ebene werden gesamte Datenblöcke von einem Empfangskanal auf einen anderen Kanal gesendet. Innerhalb des Gateways ist daher eine Architektur einzurichten, die PDUs von allen Bussen bereitstellen kann. Wenn empfangene und zu sendende PDUs gleichartig sind, werden die Daten ohne Verarbeitung weitergereicht. Historisch entstandene Bussysteme Da die technischen Eigenschaften der historisch entstandenen Bussysteme aber Unterschiede aufweisen, weichen die PDUs beispielsweise in der Länge und damit auch im Inhalt ab. Zudem sind wegen der erhöhten Datenraten die Umrechnungsregeln entweder entfallen oder weichen in den beiden Bus systemen voneinander ab. Daher ist es in fast allen Busadaptionen nötig, die empfangenen PDUs bis zur Signalebene zu disassemblieren und die neu zu erstellenden PDUs aus physikalischen Rohdaten bzw. Variablen zusammenzustellen. Zukünftige Busbeschreibungsformate Versuchsabteilungen müssen solch komplexe Verbindungen oft in aufwendiger Kleinarbeit generieren, bevor sie das Test- 64 HANSER automotive 10 / 2015 objekt, das Versuchsfahrzeug, in Betrieb nehmen können. Die richtigen Werkzeuge erleichtern die Gateway-Konfiguration anhand einfacher Datenbeschreibungen und einer durchgängig hierarchischen Abbildung der physikalischen Bus systeme im logischen Aufbau innerhalb des Gateways. Hier werden zukünftig vor allem die Busbeschreibungsformate, die das AUTOSAR-Konsortium definiert, eine maßgebliche Rolle spielen. Dort sind die hierarchische Abbildung und die logischen Einheiten bereits hinterlegt. Ausblick Mit dem Wunsch nach mehr Sicherheit und Komfort im Fahrzeug steigt die Komplexität in der Fahrzeugvernetzung überproportional. Neue Bussysteme werden Anwendung finden, jedoch werden bestehende Technologien nicht einfach aus den Fahrzeugen verschwinden. Durch die Begrenzung von Vorserienfahrzeugen sind neue Komponenten, Systeme und Funktionen immer häufiger in bestehenden Fahrzeugen zu testen oder gar komplett virtuell zu integrieren. Dazu sind sowohl die Restbussimulation als auch die Gateways zur Bussystemadaption schon jetzt unverzichtbar geworden. Diese EE-Werkzeuge und -Lösungen müssen neben alt hergebrachten Technologien gleichermaßen neue und zukünftige Systeme unterstützen. Dabei werden in den nächsten Jahren CAN, CAN-FD, FlexRay und Ethernet mit BroadR-Reach die Hauptrollen einnehmen. W (oe) »» www.star-cooperation.com Zoran Cutura ist Geschäftsführer der Star Electronics GmbH. Steffen Gugenhan ist Sachgebietsleiter EE-Produkte bei der Star Electronics GmbH. © Carl Hanser Verlag, München
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