Infoabend: Elternunterhalt – das Sozialamt bittet Kinder zur Kasse

Infoabend: Elternunterhalt – das Sozialamt bittet Kinder zur Kasse
Herbern – Ganz offen gab Ingeborg Heinze, Juristin und Diplom-Ökonomin, am Mittwochabend zu,
ihren gut 30 Zuhörern im Pfarrheim in den nächsten Minuten die Laune verhageln zu wollen. Kein
Wunder bei dem Thema, zu dem das Familienzentrum Herbern geladen hatte: „Elternunterhalt – das
Sozialamt bittet Kinder zur Kasse“. Dass der Düsseldorfer Juristin das dennoch nicht gelang, lag an
ihrem lockeren und oft lustigen Referats-Stil, der die schwierige Materie für alle verständlich
aufdröselte.
Ihr wichtigster Tipp: „Wenn abzusehen ist, dass Sie Pflege benötigen oder ins Heim müssen: Bitten
Sie Ihre Kinder, alle Unterlagen zusammenzusuchen, die zur Steuererklärung benötigt werden. Und
dann suchen Sie mit ihren Kindern umgehend einen Fachanwalt für Familienrecht auf.“
Denn Unterhaltsrecht – und darum geht es – ist Familienrecht, „und nur ein Familienrechtler ist
immer auf dem neuesten gesetzlichen Stand“, ist Heinzes Erfahrung. Zu oft hat sie beispielsweise
schon erlebt, dass Notare „immer noch Familien raten, das Haus mit Nießbrauch zu überschreiben
bzw. zu schenken“. Wenn dann der Pflegefall eintritt, komme oft das böse Erwachen: „Eine
Schenkung mit Nießbrauch ist keine Schenkung, weil sich im Grunde nichts ändert“, so die
Rechtssprechung, „selbst wenn schon die berühmten zehn Jahre verstrichen sind, ist dann das Haus
für die Pflegekosten weg. Der 10-Jahres-Stichtag beginnt erst mit dem Tod desjenigen, der das
Wohnrecht hatte. Und nicht mit dem Tag der Schenkung.“
Auch alle anderen Schenkungen, die innerhalb von zehn Jahren vor der Pflegebedürftigkeit erfolgt
sind, müssen komplett zurückgezahlt werden. Und dabei ist es egal, ob der Beschenkte zur Zeit
„flüssig“ ist oder nicht. Und ebenso unwichtig ist, ob der Beschenkte überhaupt unterhaltspflichtig
ist. Das bedeutet, dass beispielsweise auch Schenkungen an die Enkel, den Tierschutz oder das
Deutsche Rote Kreuz zurückgefordert werden.
Es gibt, wie so häufig, Ausnahmen. Wenn der Sohn, der von seinen Eltern vor neun Jahren 20.000 €
bekam, das Geld schon komplett unter die Leute gebracht hat – und von da an immer am
Existenzminimum lebte, gilt er als „entreichert“ und muss nicht zahlen. Sein Bruder, der seine
20.000 € in den Hausbau investierte, wird dagegen zur Kasse gebeten – obwohl er ebenfalls nicht
„flüssig“ ist und noch Kredite abbezahlt.
Mit den allgemeinen Vorstellungen von „Gerechtigkeit“ sind die Regelungen oft nicht in Einklang
zu bringen, sagt auch Ingeborg Heinze, die für den Beratungsdienst der Sparkassen arbeitet: „Tritt
der Pflegefall ein, und ein Geschwister muss nicht zahlen, lernt sich eine Familie oft neu kennen.“
Schonvermögen, Schenkungen, Nießbrauch, Familienrecht, Pflegewohngeld, Pflegeheimsuche: Auf
alle Punkte rund ums Thema „Elternunterhalt“ ging die Expertin ein, gab Literatur- und
Verhaltenstipps. So riet sie dazu, eine private Pflegeversicherung und eine sogenannte
„Bestattungsvorsorge“ (keine Sterbeversicherung) abzuschließen.
Allerdings, und das macht die Materie zusätzlich schwierig: „Es gibt laufend Änderungen.
Außerdem ist es von Gemeinde zu Gemeinde, von Landkreis zu Landkreis unterschiedlich, welche
finanziellen Grenzen z.B. für die Schonvermögen gelten. Erkundigen Sie sich immer vor Ort und
suchen sich auch am Ort einen Anwalt für Familienrecht.“