Interview mit einer Absolventin

Faszination internationaler Großkonzern
Louise Atzbach, Studentin der Hochschule
Fresenius, absolvierte ein Praktikum bei Boehringer
Ingelheim. (Bild: © Louise Atzbach)
Gestatten Sie vorab die Frage: Wie kommt
man als junger Mensch darauf,
Wirtschaftschemie zu studieren?
Einerseits war es das Ergebnis vieler
Gedanken, die ich mir gemacht habe,
andererseits aber auch Zufall. Die Chemie
hat mich schon immer fasziniert. Alles in
unserem Leben ist Chemie, alles hat einen
chemischen Ursprung. Ich habe auch an
der Chemieolympiade teilgenommen und
einmal immerhin die zweite Runde
erreicht. Aber: Die Arbeit im Labor, dieses
typische Bild vom Chemiker mit Kittel und
Schutzbrille, das fand ich gar nicht so toll
wie andere, die beispielsweise in die
Forschung gehen wollten. Der Zufall lag
darin, dass ich mitten in diesem
Denkprozess an meiner Schule ein Plakat
der Hochschule Fresenius gesehen habe
und mit meinem Vater dorthin gefahren
bin. Mir hat die Atmosphäre hier gefallen
und ich habe gute Gespräche geführt.
Louise Atzbach ist 22 Jahre alt und hat
gerade ihren Bachelor-Abschluss in
Wirtschaftschemie
gemacht.
Ihr
Pflichtpraktikum absolvierte sie als eine
der ersten Fresenianerinnen beim
Pharmakonzern Boehringer Ingelheim.
Insgesamt sechs Monate gehörte sie
dort der Abteilung „Regulatory Affairs
Biosimilars“ an, hier schrieb sie auch
ihre Bachelorarbeit. Im Interview spürt
der Zuhörer, wie sehr sie die
Faszination
internationaler
Großkonzern gepackt hat. Es ist jetzt
ihr großer Lebenstraum, einmal in
einem solchen Unternehmen tätig zu
sein.
Da ist mir auch die Wirtschaftschemie
erstmals begegnet – und ich dachte, das
ist doch genau das, was ich suche.
Boehringer Ingelheim ist ein großer Name.
Wie sind Sie denn an das Praktikum
gekommen?
Es gab zunächst an der Hochschule eine
interne Veranstaltung, bei der über
Praktikumsmöglichkeiten
gesprochen
wurde. Da habe ich auch erfahren, dass
sich möglicherweise bei Boehringer
Ingelheim etwas ergeben kann. Es gab
zwar kleinere Komplikationen, weil meine
erste Ansprechpartnerin dort aufgehört hat
und ich drei Monate gar nichts mehr
gehört habe. Dann ging plötzlich alles
ganz schnell – und ich stellte fest, dass
man sogar eine Stelle für mich gesucht
hatte. In einem kurzen Gespräch erfuhr
ich, dass ich im Bereich „Regulatory
Affairs Biosimilars“ arbeiten würde. Eine
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Woche vor dem Start durfte ich schon
einmal „reinschnuppern“: Ich habe meine
Chefin
und
meine
Betreuerin
kennengelernt, die Büros gesehen und
bekam meine Aufgaben skizziert.
Das ist eine gute Überleitung. Was haben
Sie denn dort gemacht?
Meine Hauptaufgabe bestand in der
Entwicklung einer Datenbank für Scientific
Advices.
Scientific
Advices
sind
Schriftstücke, die bei der Interaktion mit
Zulassungsbehörden
im
Zulassungsprozess von Medikamenten
anfallen. Die Datenbank sollte eine Art
Nachschlagewerk für Mitarbeiter sein,
damit diese permanent den Status Quo
ihrer Projekte einsehen können. Um
diesen Status Quo an den jeweiligen
Projektverlauf anpassen zu können, wurde
das
Nachschlagewerk
um
einen
Projektmanagementteil
ergänzt.
Die
Schwierigkeit, die sich für die Mitarbeiter
bisher gestellt hatte, war, dass in einem
Zulassungsprozess
immer
mehrere
Scientific Advices anfallen, in denen über
die Schilderung dessen, was Boehringer
Ingelheim bisher gemacht hat und die
Beurteilung der Behörde bis hin zu den
Handlungsempfehlungen
und
Nachbesserungen, die für die Zulassung
unentbehrlich sind, alles drin steht. Für
den jeweiligen Projektleiter ist es dadurch
eine gewaltige Herausforderung, hier
immer den Überblick zu behalten. Selbst
ich, die alles gelesen hat, konnte in
eigenen Worten nur grob wiedergeben,
was darin stand.
Das bedeutet, Ihre Arbeit hatte einen
konkreten Bezug zur realen Arbeitswelt –
und auch einen Nutzen für die Mitarbeiter?
Richtig. Die Arbeitsprozesse im Bereich
der Zulassungen haben sich mit der
Datenbank
verbessern
lassen,
die
Transparenz ist deutlich erhöht worden
und wir haben eine große Zeitersparnis
festgestellt. Wenn Mitarbeiter jetzt eine
Information benötigen – etwa zu der
Frage,
welche
Maßnahmen
schon
umgesetzt worden sind oder wann das
passiert ist, genügt nunmehr ein Blick in
die Datenbank, früher musste mitunter
schon einmal aufwendig gesucht oder
nachgefragt werden. Ziel war es auch,
dass die Arbeit mit der Datenbank für alle
Mitarbeiter der Abteilung nachvollziehbar
und selbsterklärend ist.
Und? Welches Feedback haben Sie
bekommen?
Ich habe von Anfang an in sehr engem
Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen
gestanden und sie mit auf die Reise
genommen. In einer Umfrage habe ich
erst einmal die Bedürfnisse festgestellt.
Was wird von der neuen Datenbank
erwartet? Als die Datenbank zu 90
Prozent stand, habe ich noch einmal eine
solche Umfrage gestartet, den Mitarbeitern
Aufgaben gestellt, um festzustellen, wo
noch nachgebessert werden muss. Ich
glaube, schon dieses Miteinander hat
dafür gesorgt, dass ich eine sehr positive
Resonanz
bekommen
habe.
Die
Datenbank ist heute fester Bestandteil der
Arbeitsprozesse, auch Kolleginnen und
Kollegen, die anfangs noch skeptisch
waren, zeigen sich jetzt begeistert.
Sie beschreiben hier schon ein bisschen
die Atmosphäre während Ihrer
Praktikumszeit. Wie fällt Ihr Urteil dazu
aus?
Ich hätte es schlicht nicht besser treffen
können. Die Betreuung war hervorragend,
mit meiner Chefin und meinen Kolleginnen
und Kollegen habe ich mich prächtig
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verstanden. Die Atmosphäre war toll,
freundschaftlich, familiär. Mir gefällt die
Firmenphilosophie
bei
Boehringer
Ingelheim, der Mensch steht hier im
Mittelpunkt.
Klingt ein bisschen so, als ob die
Marketingabteilung gut gearbeitet hätte.
Eben das ist es nicht – ich habe selbst
erleben dürfen, dass wirklich einiges für
die Mitarbeiter gemacht und ihnen das
Gefühl gegeben wird, dass sie wichtig
sind. Es sind unter anderem die vielen
Kleinigkeiten, die den Arbeitsalltag schön
machen. Meine Chefin hat beispielsweise
auch sehr darauf geachtet, dass es uns in
der Abteilung immer gut geht und hatte
immer ein offenes Ohr, wenn irgendwo der
Schuh drückte. Was mir auch sehr
gefallen hat: Das Projekt Datenbank habe
ich weitgehend in Was mir auch sehr
gefallen hat: Das Projekt Datenbank habe
ich weitgehend in eigener Verantwortung
durchführen dürfen. Ich hatte nie das
Gefühl, die „kleine“ Praktikantin zu sein.
Waren Sie da nicht auch ein bisschen
nervös?
Doch, natürlich, gerade am Anfang. Ich
habe viel zu lesen bekommen, vieles war
eben auch neu. Ich habe mir den meisten
Druck aber selbst gemacht: Bis wann
muss ich alles wissen und mich
zurechtfinden? Das war eigentlich unnötig.
Ich
habe
bis
zuletzt
immer
Ansprechpartner gehabt, die ich fragen
konnte. Klar, die Anforderungen bei
Boehringer Ingelheim sind hoch, aber sie
sind fair und erfüllbar. Ich bin auf jeden
Fall an dieser Aufgabe gewachsen, habe
gelernt, mich in einem großen Konzern
zurechtzufinden,
für
mich
selbst
Verantwortung zu übernehmen und mich
eben auch selbst um viele Dinge zu
kümmern.
Was nehmen Sie noch Positives mit aus
Ihrer Praktikumszeit?
Zum einen das Kennenlernen anderer
Mentalitäten.
(Der
BoehringerStandort in Ingelheim.
Abbildung: Boehringer
Ingelheim)
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Ich hatte Kollegen aus den USA, deren
Art, an Herausforderungen heranzutreten,
mich beeindruckt hat. Da heißt es stets,
„das bekommen wir schon hin“. Wir
Deutschen
neigen
eher
dazu,
Sachverhalte zu problematisieren. Zum
anderen die Erkenntnis, dass ich mich zu
hundert Prozent für den richtigen
Studiengang
entschieden
habe.
In
meinem Praktikum konnte ich viel von
dem, was ich an der Hochschule gelernt
habe, einsetzen und weiter ausbauen –
insbesondere
im
Bereich
des
Projektmanagements.
frühzeitig den richtigen Umgang mit den
Abläufen in einem großen Unternehmen
kennenzulernen.
Wo sehen Sie Ihre berufliche Zukunft?
Ich würde sehr gerne in einem
Unternehmen wie Boehringer Ingelheim
arbeiten, dieser Wunsch hat sich während
der Praktikumszeit verfestigt. Am besten
auch mit internationalem Bezug. Die
Themenvielfalt ist ebenso spannend wie
faszinierend. Schon das Werksgelände
von Boehringer Ingelheim hat mich in
seinen Bann gezogen.
© Louise Atzbach
(Das Gespräch führte Alexander Pradka, Teamleiter
Marketing & PR an der Hochschule Fresenius gem.
GmbH, Idstein, Juli 2015)
Und wie geht es jetzt unmittelbar weiter?
Seit September mache ich meinen Master
in Wirtschaftschemie, auch hier an der
Hochschule Fresenius.
Haben Sie noch eine Empfehlung für
jüngere Studentinnen und Studenten, die
vor der Auswahl eines Praktikums stehen?
Habt keine Hemmungen, in einem großen
Konzern zu arbeiten! Es ist eine tolle
Chance
und
eine
unvergleichliche
Erfahrung. Ich glaube auch, dass es eine
wichtige Voraussetzung dafür ist, im
späteren Berufsleben dort zu landen.
Wenn man in einem kleinen Betrieb
anfängt, ist es meines Erachtens
schwieriger. Es ist wichtig, möglichst
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