Katholisch als Fremdsprache 2 Was ist die Kirche, und wenn ja: wie viele? Dr. Johannes Hartl ______________________________________________________________________________________ Katholiken und Protestanten sind von grundlegend verschiedenen Bildern darüber geprägt, was das Wort ,Kirche‘ bedeutet. In diesem Vortrag wird ein extrem „freies“ Kirchenbild (wie von den Täufern im 16. Jahrhundert entworfen) mit dem katholischen unterschieden. Viele Konfessionen reihen sich irgendwo dazwischen ein. ,Kirche‘, protestantisch Die um das Wort Gottes, Taufe und Abendmahl versammelten Einzelpersonen sind Kirche. Wo das Wort Gottes (darin besonders: das Evangelium der Rechtfertigung aus Gnade; vgl. Gal 1,7-8; Röm 1,17) verkündigt und geglaubt wird, entsteht Kirche. Der Gesamtleib aller (wahrer) Christen zusammen ist die „unsichtbare Kirche“. Diese zu definieren kommt allein dem Herrn zu. Das NT legt keine verbindliche Kirchenstruktur fest, die Autorität der 12 Apostel beschränkte sich auf die Verfassung des Neuen Testaments. Seit dem Tod des letzten Apostels gilt: „sola scriptura“. Wo immer eine Großkirche vom rechten Glauben abfällt, erweckt Gott sich einen erneuerten Rest. Katholische Kritik daran: - Subjektivismus: Lehre kann sich jederzeit ändern - Spaltungen: zehntausende von neuen Denominationen - „sola scriptura“ nicht plausibel (siehe unten) ,Kirche‘, katholisch: Jesus hat kein Buch geschrieben, aber eine Kirche auf tatsächliche Personen und deren Autorität gegründet (katholische Lesart von Mt 16,18f.; Jes 22,21f.). Diese Personen (Apostel) hatten Nachfolger (apostolische Sukzession; vgl. Apg 1,25f.): die Bischöfe (und ihr Vorsitzender: der Bischof von Rom als Nachfolger Petri). Während die Schrift unverrückbar feststeht, befindet Christus sich weiterhin im Gespräch mit seiner Braut (KKK 79), es gibt also eine Tradition, die die Schrift auslegt und immer tiefer verstehen kann. Deshalb kann die geoffenbarte Tradition auch über die Schrift hinausgehen, gleichwohl ihr nicht widersprechen. Protestantische Kritik daran: „Nette Theorie, die von der Praxis widerlegt wird“. Die Kirche hat in unzähligen Fällen objektiv geirrt (Paradebeispiel: die Verbrennung Jan Hus‘), nur das Wort Gottes hat die erneuernde Kraft, die die Kirche immer wieder zurückformt. Das katholische Argument gegen „sola scriptura“ - Luther entfernt die „Apokryphen“ aus seiner Bibelausgabe und stellt die Geltung des Jakobusbriefs in Frage. - Zuvor war der biblische Kanon nie autoritativ fixiert worden. Die Apostel und Kirchenlehrer verwendeten die Septuaginta (griechisches AT). Deren Kanon ist bis heute der Kanon der KK. - Luther entscheidet sich (mit Hieronymus) für den hebräischen AT-Kanon. - Problem: wer entscheidet, welches Buch gilt? Und ob noch eines dazukommt (vgl. Mormonen)? - Protestantische Theorie der „Selbst-Evidenz“ der Schrift lässt gefährlich viel Spielraum für Subjektivismus. - Katholisches Argument: es gab die Kirche vor der Bibel und sie legte in Einklang mit ihrer Tradition (vgl. 2 Thess 3,6) fest, was Teil des Kanons ist. Dies gerade in Abgrenzung gegen gnostische Irrlehrer, die neue Evangelien einführen wollten. - Auch die Fragen der Dreifaltigkeit, der Göttlichkeit Jesu, der Monogamie, der Abtreibung können innerhalb der evangelikalen Welt nicht rein biblisch begründet werden, sondern sind ein Rückgriff auf die Bewertung der christlichen Tradition. - Die Schrift und die Tradition sind nicht trennbar, sie entspringen beide dem gleichen Quell (KKK 80). Katholisch als Fremdsprache 2 Katholisches Amtsverständnis - Gott gründet seine Familie auf Vaterfiguren - ...an Christi statt - eschatologisches Zeichen des Zölibats - Gottes Bundestreue trotz Fehlbarkeit seiner Diener - keine „moralische Unfehlbarkeit“ - vieles kann sich ändern, manches nicht >> Bekehrung ist nicht nur individuell, sondern Eingliederung in ein Volk (vgl. Apg 2,36-42), das die „Geheimnisse Gottes verwaltet“ (1 Kor 4,1). Das große Aber: Notwendige Reform(ation)? - Jesus ist Traditionskritiker (Mk 7,7-9; Mt 15,3.6) - Schrift warnt vor „toter Religion“ (2 Tim 3,5) - niemand ist immun gegen die Verführungen weltlicher Macht - „Häresie der falschen Betonung“ (Hierarchie der Wahrheiten) - „Unter dem Wort“! Wort ist echtes Gegenüber, nicht Monolog - Die Freikirchen: ein Ruf zur Umkehr! Es gibt authentisches Geistwirken, Charismen, Segen Gottes, Heilige und Märtyrer in der Nichtkatholischen Welt. Das muss der KK zu denken geben. >> Tradition kann sich verlaufen und bedarf der erneuernden Kraft des Wortes Gottes. Traditionalismus ist keine Option für Christen, die an einen lebendigen Gott glauben. Was ist die Kirche: katholische Version - es gibt nur eine (man gehört durch Taufe dazu) - Die Einheit mit dieser Kirche kann unterschiedlich eng sein. Die Bande der Glaubenslehre, der Sittenlehre, der Liturgie und des Amtes können unterschiedliche Grade der Verbundenheit bestimmen. - KK glaubt, dass ihr „virtualiter“ die Fülle anvertraut ist. Das bedeutet aber nicht, dass sie diese auch „realiter“ lebt. - Elemente dieser Fülle werden aber evtl. außerhalb effektiver gelebt. Deshalb müssen wir alle voneinander lernen. - Die Spaltung der Christen ist ein Skandal, das es zu überwinden gilt. Die Vereinigung unter die jetzt existierende römisch-katholische Kirche ist dabei keineswegs die einzig denkbare Möglichkeit. >> Sowohl Katholiken als auch Protestanten müssen von ihrem Unwissen und ihrer Arroganz gegen die Anderen befreit werden. Eine Katholische Kirche, die das Evangelium ganz neu ernst nimmt, sich radikal hinterfragen und aus volkskirchlichen Strukturen „herausbekehren“ lässt und Protestanten, die über den Wert des Amtes und der Tradition neu nachdenken, hätten sich Bedeutsames zu sagen.
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