Anhaltende schwäche

ROHSTOFFE
7. Oktober 2015
ANHALTENDE SCHWÄCHE
von Wolfgang Pflüger
Rohstoffe
Rohstoffe: Preise und Jahresveränderung
Der Rohstoffsektor verharrt in seinem breit gefächerten
Abwärtstrend (Abbildung). Im Durchschnitt sind die Preise
seit Jahresbeginn um etwa als 14 % gefallen. In einem vergleichbaren Rahmen bewegten sich die Rohöl-Notierungen.
Überdurchschnittliche Abgaben verzeichneten eine Reihe
von Industriemetallen sowie Platin und Palladium. Relativ
gut hielten sich Gold und Silber (Tabelle Rohstoffe: Preise
und Jahresveränderung).
Die Preistreiber der vergangenen Wochen sind in der
schwachen Konjunkturentwicklung Chinas bei einer gleichzeitig anhaltenden Überschussproduktion wichtiger Rohstoffe, den nachgebenden Schwellenlandwährungen und als
Spezialfaktor, dem VW-Diesel-Gate, zu sehen.
Bloomberg Commodity
und Zuchttiere
Index
ex
Agrarerzeugnisse
Preis per 06.10.2015
in US-Dollar
Jahresveränderung
in %
Bloomberg Commodity-Index
105,44
–14,3
Kupfer
5 175
-18,6
Aluminium
1 547
-15,6
Blei
1 619
-12,6
Nickel
9 910
-33,6
Zink
1 637
-24,5
Zinn
15 945
-18,0
Gold
1 147
-3,2
Silber
15,89
1,2
Palladium
706,80
-11,4
Platin
936
-22,5
Öl (Brent)
51,92
-9,4
Quelle: Bloomberg.
250
Rohöl
230
Seit Anfang September haben die Ölpreise erneut den
Rückwärtsgang eingelegt und dabei etwa 10 % verloren.
Der Iran-Faktor schien eigentlich eingepreist zu sein. Ausschlag gebend war nun die China-Angst. Kurzfristig wird
der anhaltende Angebotsüberschuss von geschätzt bis zu
2,5 Mio. Fass/Tag die Notierungen unter Druck halten. Ein
Test der Jahrestiefs ist dabei nicht ausgeschlossen. Mittelfristig beginnen sich die Verhältnisse allerdings in Richtung
Marktgleichgewicht zu verschieben.
• Russland diskutiert die einheimische Ölförderung stärker zu besteuern und plant so ab 2016 fiskalische Mehreinnahmen von bis zu 9 Mrd.US-Dollar Die betroffene
Industrie erwartet für diesen Fall einen Förderrückgang
von 100 Mio. Tonnen (circa 600 Mio. Barrel) zwischen
2016 und 2018.
• Die OPEC-Strategie, die Fördermengen der HochpreisAnbieter unprofitabel zu machen und in der Folge zu
begrenzen, trägt langsam Früchte. Die US-Produktion
ist seit Juli von 9,6 Mio. Fass/Tag (Höchststand seit
1972) auf mittlerweile 9,1 Mio. Fass/Tag gesunken.
Dabei nimmt der Fracking-Ausstoß erst jetzt ab. Die
marktführenden Energie-Konzerne haben eine aberma-
210
190
170
150
130
110
90
Okt 10
Okt 11
In US-Dollar. Quelle: Bloomberg.
Okt 12
Okt 13
Okt 14
Okt 15
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1/5
lige, zweistellige Kürzung ihrer Investitionsbudgets für
das nächste Jahr angekündigt. Für 2016 erwartet die
Energy Information Administration (EIA, Amt für
Energiestatistik innerhalb des US-amerikanischen Energieministeriums) daher einen weiteren deutlichen Förder-Rückgang auf 8,6 Mio. Fass/Tag In nur 12 Monaten
würden so 1 Mio. Fass/Tag aus dem Markt genommen.
Gleichzeitig nimmt die Rohöl-Nachfrage weiter zu.
• In diesem Jahr steigt der globale Verbrauch um geschätzte 1,5 Mio. Fass/Tag auf etwa 90 Mio. Fass/Tag.
Besonders ausgeprägt ist der Kraftsoff-Mehrabsatz in
den USA (+4,3 % = stärkster Anstieg seit 1985, so die
EIA). Der tägliche US-Benzinverbrauch entspricht 10 %
der weltweiten Tagesförderung. Für 2016 erwartet die
OPEC einen weiteren Nachfrageanstieg von 1,3 Mio.
Fass/Tag.
Also: Fördereinschränkungen in den USA und globaler
Mehrverbrauch könnten rein rechnerisch für einen Markt
ausgleich im Jahr 2016 sorgen. Die unberechenbare Komponente bleibt der Iran. Wie viel mehr Öl wird er absetzen
können? Da Saudi Arabien nicht freiwillig auf eigene
Marktanteile verzichten wird, dürfte sich der Iran zu Preiszugeständnissen gezwungen sehen. Daher: mehr persisches
Öl und Preisdruck. Aber: Zuletzt haben sich die Marktinterna verbessert. Während des September-Preisverfalls der
Spot-Notierungen haben die Terminkurse dem Abwärtsdruck widerstanden. Es hat sich eine ausgeprägte Contango-Situation etabliert. Der 1-Monat-12-Monate-Spread ist
auf 8 US-Dollar je Fass nahezu explodiert. Der 10Jahresdurchschnitt liegt bei 1,07 US-Dollar.
Wichtige Marktbeobachter halten das Abwärtsrisiko mittlerweile für begrenzt und unterstellen für 2016 Jahresdurchschnittspreise von über 60 US-Dollar je Fass. Die OPEC
selbst scheint das Aufwärtspotential ihres wichtigsten Ausfuhrgutes für relativ begrenzt zu halten. Erst 2020 sieht sie
wieder Preise bei 80 US-Dollar je Fass.
Ölpreis (Brent)
160
140
120
100
80
60
40
20
Okt 05
Okt 07
Okt 09
Okt 11
Okt 13
Okt 15
In US-Dollar je Barrel. Quelle: Bloomberg.
Edelmetalle
Gold: Zu Jahresbeginn war die physische Goldnachfrage
auf den niedrigsten Stand seit dem 1. Quartal 2008 gefallen.
Nun beginnt sie sich zu erholen. Als Reaktion auf die gefallenen Preise greifen indische und chinesische Anleger wieder kräftig zu. Ab Oktober beginnt in Indien die Hochzeitssaison. Bereits im Juli wurde das Vorjahresniveau um
62 % übertroffen, im August dann um 140 %. Für das Gesamtjahr wird ein Absatz von 1 000 Tonnen erwartet.
Auf diese Menge steuert auch China zu. Dort wird die
Zentralbank aktuell zu einem wichtigen Marktfaktor. Seit
Juni veröffentlicht sie monatliche Bestandsdaten als Bestandteil ihrer Devisenreserveaufstellung. Daraus geht hervor, dass die Notenbank im August 16 Tonnen erworben
hat. Russlands Zentralbank hat zuletzt 34 Tonnen aufgenommen. Die Minenbetreiber haben im 2. Quartal ihre
Hedge-Bücher um 9 % qoq ausgedünnt. Das entsprach
immerhin 5,7 Mio. Unzen. Die ETF-Bestände waren zuletzt mit 41,8 Mio. Unzen in etwa konstant, haben seit Jahresbeginn allerdings Abflüsse von 2,6 Mio. Unzen verkraften müssen.
Ausblick: Bei stabilem Unterton werden kurzfristig orientierte Marktteilnehmer den Trend bestimmen. Dabei stehen
Zinserwartungen und Dollarbewegungen im Vordergrund.
Sollte es noch einmal turbulent an den Aktienbörsen werden, könnte Gold bis auf 1 200 US-Dollar steigen. Ansonsten schwankt Gold zwischen 1 050 und 1 180 US-Dollar.
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Goldpreis gegenüber Gold-ETF-Beständen
Platin
2100
85000
1750
75000
1400
65000
1600
1050
55000
1400
700
45000
1200
35000
1000
350
Goldpreis je Unze
0
Jan 08 Jan 09 Jan 10 Jan 11 Jan 12 Jan 13 Jan 14 Jan 15
25000
Goldpreis je Unze in US-Dollar, Gold-ETF-Bestände je Unze, in Tausend Quelle: Bloomberg.
Platin: Die Platinnotierungen haben stark unter dem VWDiesel-Gate gelitten. Sie fielen auf ein 6 ½-Jahrestief. Mit
knapp über 900 US-Dollar/Unze haben sie das normale
technische Abwärtspotential ausgelotet. Dabei muss es aber
nicht bleiben. Denn die Platin-Nachfrage könnte sich zukünftig sehr unnormal entwickeln. Entscheidend wird das
Verhalten der europäischen Kunden sein. Hier liegt der
Diesel-Marktanteil mit 9 Mio. Fahrzeugen/Jahr bei 45 %.
Zum Vergleich: in den USA sind/waren 5,6 % aller Neuzulassungen Dieselfahrzeuge. 40 % des globalen Platinbedarfs
von etwa 7 Mio. Unzen/Jahr entfällt auf den Abgasreinigungsbereich. Ein Einbruch des europäischen Dieselmarktes wäre daher katastrophal. Für diesen Fall gilt es als hoch
wahrscheinlich, dass die Platinnotierungen unter die des
Schwestermetalls Palladium fallen könnten. Das war zuletzt
2001 der Fall. Das Abwärtsrisiko läge dann bei 700 bis 800
US-Dollar je Unze.
Zu beachten ist: Die ETF-Bestände liegen mit 2,4 Mio.
Unzen seit Jahresbeginn sogar noch leicht im Plus: Von
dieser Seite könnte erheblicher Abwärtsdruck ausgeübt
werden. Andererseits: Bei Preisen von weniger als 1 000
US-Dollar arbeiten schätzungsweise zwei Drittel aller Minen mit Verlust.
2000
1800
800
Okt 10
Okt 11
Okt 12
Okt 13
Okt 14
Okt 15
In US-Dollar pro Unze. Quelle: Bloomberg.
Industriemetalle
Kupfer: Die Kupferpreise sind im September beschleunigt
gefallen und haben mit Notierungen von weniger als 5 000
US-Dollar je Tonne ein 6 ½-Jahrestief verzeichnet. Auch
hier spielte der China-Faktor die entscheidende Rolle.
Denn: fragte das Reich der Mitte in 2013 noch 11,3 %
mehr Kupfer nach, waren es 2014 nur noch +5,8 % und
für dieses Jahr erwartet Goldman Sachs lediglich einen
Mini-Zuwachs von 1 %. Auf der anderen Seite dürfte die
globale Minenproduktion nochmals zunehmen – um 3 %
auf 19,6 Mio. Tonnen. Daraus ergibt sich für 2015 ein geschätzter Angebotsüberhang von 500 000 Tonnen. Allmählich beginnt jedoch die Minenproduktion auf den Preisverfall zu reagieren.
1. Newmont bekommt in Indonesien möglicherweise keine neue Exportlizenz, da das Unternehmen bislang
nicht die geforderten Weiterverarbeitungskapazitäten zu
höherwertigen Kupferprodukten errichtet hat. Das
könnte die Förderung um 500 000 Tonnen reduzieren.
2. Glencore will seine Kupferproduktion in den kommenden Monaten um 400 000 Tonnen kürzen. Aber nicht
überall ist der Kostendruck gleich hoch. Beispielsweise
hat sich der chilenische Peso gegenüber dem US-Dollar
seit 2013 um 40 % abgewertet. Auch der Austral-Dollar
verlor etwa 30 % an Wert. Da Chile mit 5,88 Mio. Jahrestonnen der größte Kupferexporteur der Welt ist,
macht sich für die dortigen Unternehmen der Preisverfall nur sehr abgemildert bemerkbar. Die weltweit größte Mine, Escondida, arbeitet mit geschätzten Vollkosten
von 3 500 bis 4 600 US-Dollar je Tonne. Die Schmerzgrenze ist also noch nicht erreicht.
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2005 und 2009 lagen die zyklischen Tiefpunkte jeweils bei
2 600/2 700 US-Dollar je Tonne. Das kann man auch jetzt
nicht ausschließen, scheint aber nicht sehr wahrscheinlich
zu sein. Denn mit Sicht auf 2016/2017 könnte sich der
fundamentale Hintergrund für den Kupfermarkt dramatisch verbessern.
Kupfer
12000
10000
8000
6000
4000
Kupferpreis
2000
Jan 05
200-Tage-Durchschnitt
Jan 07
Jan 09
Jan 11
Jan 13
Jan 15
In US-Dollar pro Tonne. Quelle: Bloomberg.
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