Safe Harbor gekippt – im unsicheren Hafen

Safe Harbor gekippt – im unsicheren Hafen
Gründe und Konsequenzen der EuGH-Entscheidung zur Unwirksamkeit von Safe Harbor
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 6. Oktober 2015 die Entscheidung der
Europäischen Kommission, wonach die Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen
des Safe Harbor-Abkommens ein angemessenes Schutzniveau für aus der EU übermittelte personenbezogene Daten gewährleisten, für ungültig erklärt. Ein Datentransfer ist damit auf Basis dieses Abkommens nicht mehr rechtskonform möglich. Um
empfindlichen Bußgeldern zu entgehen, sind Unternehmen in Zugzwang. Doch auch
die Alternativen sind limitiert.
Hintergrund
Im europäischen Datenschutzrecht gilt der Grundsatz: Die
Übermittlung von personenbezogenen Daten in Drittländer (wie auch die USA) ist nur dann erlaubt, wenn die übermittelten Daten dort mindestens genauso gut geschützt
sind wie innerhalb des Geltungsbereichs europäischer
Datenschutzregulierung. Ein solches „angemessenes
Datenschutzniveau“ kann von der europäischen Kommission auch individuell festgestellt werden, wie es in ihrer
Safe Harbor-Entscheidung vom 26. Juli 2000 der Fall war.
Gemäß diesem Abkommen können sich US-Unternehmen
gegenüber der Federal Trade Commission (FTC) zur Einhaltung der sogenannten „Safe Harbor Privacy Principles“
verpflichten und so zum „sicheren Hafen“ für europäische
Daten werden.
Entsprechend konnten Unternehmen bisher personenbezogene Daten aus EU-Ländern an Safe Harbor zertifizierte
Unternehmen in den USA übermitteln. Durch die Entscheidung des EuGH besteht diese Möglichkeit nicht mehr.
Entscheidung des EuGH
Der Europäische Gerichtshof führt in seiner Entscheidung
aus, dass die Kommission bei der Feststellung eines angemessenen Datenschutzniveaus der Vereinigten Staaten
nach dem Safe Harbor-Abkommen wesentliche Punkte
nicht geprüft hat. Sie betreffen unter anderem die Frage,
ob und unter welchen Umständen staatliche Stellen nach
US-Recht Zugriff auf diese Daten verlangen können und
ob hiergegen Rechtsschutzmöglichkeiten für die Betroffenen bestehen. Ob letztlich in den USA ein angemessenes
Datenschutzniveau bestehen kann, wurde durch den EuGH
nicht abschließend beurteilt. Allein die Tatsache aber, dass
die vorgenannten Punkte nicht geprüft wurden, führt nach
Auffassung des Gerichts dazu, dass die Safe Harbor-Entscheidung insgesamt als ungültig anzusehen ist.
Position der Aufsichtsbehörden
Vor diesem Hintergrund haben nun die deutschen Aufsichtsbehörden für den Datenschutz ein einheitliches Positionspapier zum Safe Harbor-Urteil veröffentlicht. Ihm
zufolge verbleiben derzeit für Unternehmen nur noch limitierte Möglichkeiten für Transfers personenbezogener
Daten in die USA.
• Der Safe Harbor-Mechanismus ist nach dem Urteil des
EuGH nicht mehr möglich. Aufsichtsbehörden kündigen
sofortige Untersagungsverfügungen für den Fall an, dass
sie Kenntnis von Transfers personenbezogener Daten auf
dieser Basis erlangen.
• Binding Corporate Rules, also verbindliche Unternehmensregeln, werden von den Aufsichtsbehörden für
Datentransfers in die USA zukünftig nicht mehr genehmigt. Gleiches gilt für sogenannte genehmigungspflichtige Datenexportverträge. Die Aufsichtsbehörden äußern
bisher nicht die Absicht, bestehende Regelungen für
ungültig zu erklären. Unklar bleibt die Frage, wie deutsche Aufsichtsbehörden mit Binding Corporate Rules
umgehen werden, die zukünftig von anderen Mitgliedsstaaten genehmigt werden.
• Standardvertragsklauseln werden ebenfalls kritisch bewertet, aber mit Blick auf die Äußerung der Artikel 29Gruppe, bestehend aus Vertretern der nationalen Datenschutzbehörden der Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union, ist davon auszugehen, dass bis zum 31. Januar
2016 keine umfassenden Zwangsmaßnahmen umgesetzt werden. Bis dahin können Standardvertragsklauseln eine mögliche, vorübergehende Rechtsgrundlage
für Transfers von personenbezogenen Daten in die USA
darstellen.
• Einwilligungen zur Übermittlung personenbezogener
Daten werden nur in engen Ausnahmefällen als zulässige Rechtsgrundlage gewertet. Sie sollen aber keinen
dauerhaften/regelmäßigen Datentransfer rechtfertigen
können.
Die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz fordern betroffene Unternehmen auf, „unverzüglich ihre Verfahren zum
Datentransfer datenschutzgerecht zu gestalten“.
Handlungsmaßnahmen für Unternehmen
Wir empfehlen Unternehmen aktuell, folgende Fragen zu
klären:
• Werden personenbezogene Daten in die USA
übermittelt?
• Auf welcher Rechtsgrundlage werden sie transferiert?
• Was sind gegebenenfalls bestehende Handlungsalternativen?
Zunächst sollten alle Unternehmen prüfen, ob und welche
personenbezogenen Daten sie auf Basis des Safe HarborAbkommens in die Vereinigten Staaten übermitteln. Dabei
sollte auch die Übermittlung durch dritte Parteien, wie
Cloud-Anbieter oder sonstige externe Datenverarbeiter
bedacht werden. Werden Daten in die USA übertragen,
sollten die Unternehmen gemeinsam mit ihren amerikanischen Partnern Alternativen erarbeiten.
Unternehmen, die nicht über bestehende Binding Corporate Rules oder einen genehmigten Datenexportvertrag
verfügen, dürften kurzfristig und vorübergehend bis Ende
Januar 2016 auf die Standardvertragsklauseln zurückgreifen
können, in absoluten Einzelfällen auch auf Einwilligungen.
Klar wird aber auch, dass mit der Entschließung der deutschen Aufsichtsbehörden eine wirklich belastbare Rechtsgrundlage für Unternehmen aktuell nicht mehr besteht.
Vor dem Hintergrund der klaren Positionierung der deutschen Aufsichtsbehörden sind Unternehmen dazu angehalten, auch kurzfristig den Transfer von personenbezogenen
Daten in die USA auf ein Mindestmaß zu beschränken und
möglicherweise bestehende Datentransfers umzugestalten. Rechtssicherheit kann nur die von vielen Seiten angemahnte politische Lösung mit den USA bringen. Bis dahin
werden deutsche Unternehmen aber nicht auf eine Schonfrist der Aufsichtsbehörden vertrauen können, sondern
müssen proaktiv ihre Datenschutz-Compliance auch für
Datentransfers in die USA sicherstellen.
Wie Maßnahmen für Ihr Unternehmen aussehen können
und wie diese kurzfristig effizient umgesetzt werden können, erarbeiten wir gerne gemeinsam mit Ihnen.
Fortlaufend aktualisierte Informationen zum Thema finden
Sie unter: www.kpmg.de/safeharbor
Kontakt
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Barbara Scheben
Partner, Audit Forensic
T +49 69 9587-3737
[email protected]
Dr. Tobias Fuchs
Partner, Leiter Practice Group
Technology, Media & Telecommunication
T +49 89 599 7606 1380
[email protected]
www.kpmg.de
www.kpmg-law.de
Die enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur und nicht auf die spezielle Situation einer Einzelperson oder einer juristischen Person ausgerichtet. Obwohl wir uns bemühen, zuverlässige
und aktuelle Informationen zu liefern, können wir nicht garantieren, dass diese Informationen so zutreffend sind wie zum Zeitpunkt ihres Eingangs oder dass sie auch in Zukunft so zutreffend
sein werden. Niemand sollte aufgrund dieser Informationen handeln ohne geeigneten fachlichen Rat und ohne gründliche Analyse der betreffenden Situation. Unsere Leistungen erbringen wir
vorbehaltlich der berufsrechtlichen Prüfung der Zulässigkeit in jedem Einzelfall.
© 2015 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ein Mitglied des KPMG - Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative („KPMG International“), einer
juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Der Name KPMG und das Logo sind eingetragene Markenzeichen von KPMG International.