Hill - Migration Bildet

Vortragstitel:
Migration ist Bildung. Erfahrungen von Jugendlichen aus Migrationsfamilien in marginalisierten Stadtvierteln
Referent:
Ass.-Prof. Dr. Marc Hill (Universität Innsbruck)
Zentrale Fragestellung:
 Wodurch zeichnet sich eine postmigrantische Perspektive aus?
 Wann, wie und wo wird Migration als Bildung sichtbar?
 Wie machen Jugendliche aus Migrationsfamilien in marginalisierten Stadtvierteln aus
der „Not“ eine „Tugend“?
 Wie kann die Schule hegemonialen Marginalisierungsdiskursen entgegenwirken und
Migrationserfahrungen in der Bildungsarbeit aufgreifen?
Kurzbeschreibung
Migration ist Bewegung und Bewegung ist Bildung, so lauten die Grundannahmen des Vortrages. Insbesondere geht es mir darum, diesen angesprochenen reflexiven Prozess, welcher
mit der Mobilität und Flexibilität von Menschen einhergeht, sichtbar zu machen, da er in
Marginalisierungsdiskursen ausgeklammert wird. Dazu nehme ich eine postmigrantische
Perspektive ein und stelle „mehrheimische“ Erfahrungen sowie gesellschaftliche Machtverhältnisse in den Mittelpunkt meiner Forschungsarbeit (Yildiz/Hill 2015).
Ein konkretes Problem aktueller Bildungsdiskurse ist ein defizitärer Blick auf Schülerinnen
und Schüler aus Migrationsfamilien. Die „zweite Generation“ taucht meist negativ in nationalen Bildungsberichten auf und muss sich gegenüber stereotypen Bildern behaupten (vgl.
Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014: 6; Bruneforth et al. 2012: 154). In diesem
Zusammenhang kritisieren Studien bereits seit Jahren, dass in Migrationsfamilien erworbene
Kompetenzen wie die Mehrsprachigkeit abgewertet werden und Formen der institutionalisierten Diskriminierung damit einhergehen (vgl. Gombos et al. 2015, Gomolla/Radtke 2009,
Gogolin 2008). Verschärfend kommt hinzu, dass Marginalisierungsdispositive wie „Problemschüler“, „Brennpunktschulen“ und die Rede von einer „Parallelgesellschaft“ in den Medien stark präsent sind. Solche Marginalisierungspraktiken haben zur Folge, dass Jugendliche
aus Migrationsfamilien zu einer homogenen Risikogruppe für die Gesellschaft und deren
Funktionssysteme konstruiert und entsprechend stigmatisiert werden (vgl. Hill 2016).
Um dieses Problem der Marginalisierung zu lösen, ist es notwendig die hegemoniale Perspektive umzukehren und die Alltagswirklichkeit sowie die Lebensentwürfe von Jugendlichen
ins öffentliche Bewusstsein zu holen. Migrationserfahrungen, Neuorientierungen und migrationsbedingte Kompetenzen sowie transnationales Kapital von Jugendlichen aus Migrationsfamilien werden öffentlich kaum zur Kenntnis genommen. Dabei wäre es zwingend erforderlich zu schauen, welche Erfahrungen sie machen und wie sie ihre Lage selbst einschätzen.
Ihre Lebensentwürfe müssten mehr in die Diskussion eingebracht und in der institutionellen
Bildungsarbeit aufgegriffen werden. Wie dies konkret möglich ist, möchte ich in meinem
Beitrag an Beispielen aus Forschungsprojekten zu diesem Thema (u.a. Filmprojekt: „Vielfalt, I
like. Jugendliche bewegen und bilden die Schule“, https://www.youtube.com/watch?v=IgTjzr0weI) diskutieren.
Literatur
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.) (2014): Bildung in Deutschland 2014. Ein
indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur Bildung von Menschen mit Behinderungen. Bielefeld.
Bruneforth, Michael/Herzog-Punzenberger, Barbara/Lassnigg, Lorenz (Hrsg.) (2012): Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012, Bd. 1: Das Schulsystem im Spiegel von Daten und
Indikatoren. Graz
Gogolin, Ingrid (2008): Der monolinguale Habitus der multilingualen Schulen. Münster.
Gombos, Georg/Hill, Marc/Wakounig, Vladimir/Yildiz, Erol (Hrsg.) (2015): Vorsicht Vielfalt.
Perspektiven, Bildungschancen und Diskriminierungen. Klagenfurt/Celovec.
Gomolla, Mechthild/Radtke, Frank-Olaf (2009): Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. Wiesbaden.
Hill, Marc (2016): Nach der Parallelgesellschaft. Neue Perspektiven auf Stadt und Migration.
Bielefeld.
Yildiz, Erol/Hill, Marc (2015): Nach der Migration. Postmigrantische Perspektiven jenseits der
Parallelgesellschaft. Bielefeld
Kurzbiografie:
Marc Hill (Dr. phil.) ist als Assistenzprofessor im Lehr- und Forschungsbereich Migration und
Bildung an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck tätig. Marginalisierungskritische Positionen und die Entwicklung von postmigrantischen sowie diversitätsbewussten Perspektiven
stehen im Mittelpunkt seiner Arbeiten. E-Mail: [email protected]
Mein Vortrag kann folgenden Konferenzthemen zugeordnet werden:
Migration bildet Menschen, Migration bildet Pädagogik