Schattenklänge und effektvolle Sounds

Pressestimme
Mittelbayerische Zeitung vom Montag, 25.01.2016
von Gerhard Dietel, MZ
Schattenklänge und effektvolle Sounds
„Erstmal Neues“: Der Neue Kammerchor der Kirchenmusikhochschule in
Regensburg präsentierte zeitgenössische Musik.
„Erstmal Neues“ an der Kirchenmusikhochschule in Regensburg: Die Komponisten Marco
Döttlinger, Matthias Leboucher, Enjott Schneider, Steven Heelein und Josef Ramsauer (v.l.) beim
Schlussapplaus Foto: Scheiner
Regensburg.Die Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik hat sich in den
letzten Jahren zu einem der wenigen Orte in Regensburg entwickelt, wo zeitgenössische Musik
Aufmerksamkeit genießt. „Erstmal Neues“ heißt die Devise für die nun schon im siebten Jahr im
Konzertsaal des Instituts stattfindende Veranstaltungsreihe des Neuen Kammerchors, die lebenden
Komponisten ein Forum bietet.
Was denn „Neue Musik“ sei, darüber wurde zuvor in einem Podiumsgespräch diskutiert, ohne ihren
Ort zwischen Vergangenheitsbezug und freiem Experiment, zwischen Mainstream und
Nischenexistenz fixieren zu können. Mehr oder weniger dicht in Richtung dieser gegensätzlichen
Pole bewegen sich die während des darauffolgenden Konzerts erklingenden Musikstücke, die von
Studierenden des Hauses sowie vom gastierenden Ensemble Names aus Salzburg einer neugierigen
Zuhörerschaft präsentiert werden.
Die Musik als Raumerlebnis
Als pfiffig weiterentwickelte Tradition erweist sich das „Gloria“ aus Franz Josef Stoibers „Missa
inglese“, dessen treibenden 7/8-Metren und farbigen Harmonien der Neue Kammerchor
wirkungsvoll Gestalt gibt. Ebenso eindrücklich präsentiert der Chor unter Kunibert Schäfers
Leitung später das „Audi filia“ Giovanni Bonatos mit seinen rätselhaften Textcollagen als
Raumerlebnis, bei dem die Singenden ihr Publikum umringen und den sanften Vokallinien noch die
magischen Klänge angestrichener Gläser hinzufügen.
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Fon (0941) 83009-0, Fax (0941) 83009-46
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Ausgesprochen Experimentelles bieten dazwischen drei junge, in Salzburg studierende
Komponisten mit ihren Uraufführungen: Marco Döttlinger mit „wie honig im meer“, Josef
Ramsauer mit „7 Splitter“ und Matthias Leboucher mit „Stumpf“. Allesamt setzen sie in ihren
kammermusikalischen Partituren auf sparsame Einzelereignisse, die sich verdichten und wieder
dissoziieren. Bläser und Streicher des New Art and Music Ensemble Salzburg realisieren ihre
Partituren, denen Live-Elektronik Echos und Schattenklänge hinzufügt, die den akustischen Raum
vervielfältigen: meist dezent im Hintergrund bleibend, doch sich gelegentlich auch bedrohlich
hochreckend. Improvisationen am Flügel sind dazwischen eingeschoben. Der Regensburger Pianist
Lorenz Kellhuber scheint nach Döttlingers Stück zunächst an dessen Stimmung und Motivik
anzuknüpfen, lenkt sein höchst beeindruckendes Spiel aber zunehmend auf eigene Pfade, in denen
die Stegreifkunst des Jazz mit geradezu Lisztscher Virtuosität und Erinnerungen an
impressionistische Klavierkunst eine neue spannende Einheit ergibt.
Den Abschluss bilden zwei Vertonungen der „Sieben letzten Worte“ Jesu, wie sie gegensätzlicher
nicht sein könnten. Steven Heeleins Fassung für Streichsextett übt Zurückhaltung: mit dunklem
Doloroso der tiefen Streicher, zwischen denen auch hellere Paradies-Visionen aufscheinen, und
großer Ruhe, die nur im Schlusssatz einmal erregten „Terremoto“-Tremoli weicht. Enjott
Schneiders Vokalwerk für gemischten Chor, Englischhorn, Posaunen, Percussion und Orgel macht
das Geschehen am Kreuz dagegen geradezu zum effektvoll inszenierten Filmgeschehen: Golgotha
goes Hollywood.
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