Jetzt herunterladen - Stadtmuseum Berlin

Die Brüder Max, Willi und Leo Sklarek übernahmen 1925 von der Stadt
die Kleider-Vertriebs-Gesellschaft (KVG) und bekamen damit eine Vorzugsstellung als Lieferanten von Bekleidungstextilien für kommunale
Institutionen. Im Schatten dieses quasi vertraglich gesicherten
Monopols gab es Unregelmäßigkeiten: überteuerte Lieferungen und
Bestechungen von Amtsträgern der Berliner Verwaltung, die Stadtbank gewährte bedenkenlos Kredite.
Auf der 1.700 Namen langen Kundenliste der Sklareks fand sich neben
einer ganzen Reihe von Magistratsmitgliedern auch der Name des
Oberbürgermeisters Gustav Böß. Ein stark verbilligter Pelzkauf seiner
Gattin bei den Sklareks rückte auch ihn ins Zwielicht.
Der hochverdiente Kommunalpolitiker Böß hatte in seiner Amtszeit
seit 1921 mit dem Ausbau Berlins zum Messe- und Ausstellungsstandort, mit vorausschauender Verkehrspolitik und der verstärkten
Errichtung von Spiel- und Sportstätten wirksame Impulse für die
Stadtentwicklung gesetzt. Sein Ziel, einer Zentralisierung der GroßBerliner Verwaltung, konnte er nicht verwirklichen. Er legte auf Grund
der Vorwürfe am 7.11.1929 – zehn Tage vor der Kommunalwahl – sein
Amt nieder. Böß wurde später rehabilitiert.
Die Affäre war zur politischen Instrumentalisierung im Vorfeld der
Kommunalwahlen hervorragend geeignet. Obwohl mit ihren Stadträten in den Skandal verstrickt, konnte die KPD daraus ebenso Nutzen
ziehen wie die NSDAP. Beide Parteien steigerten ihren Stimmenanteil.
Der NSDAP gelang es, erstmals ins Stadtparlament einzuziehen.
Die SPD sank spürbar in der Wählergunst – eine fatale Entwicklung
für die junge Republik zu Beginn der Weltwirtschaftskrise.
Die Nationalsozialisten profitierten.
Der Sklarek-Prozess selbst endete am 28.6.1932 mit Gefängnisstrafen
für die Sklareks und eine ganze Reihe von hochdotierten Verwaltungsbeamten, auch aus SPD und KPD.
Infoline: (030)24 002 - 162 | [email protected]
www.stadtmuseum.de
DEMOKRATIE
IN NÖTEN
DER SKLAREK-SKANDAL
1929
13.11.2015 | 16 Uhr
MÄRKISCHES MUSEUM
FORUM STADTGESCHICHTE
Freitag | 13. November 2015 | 16 Uhr
DEMOKRATIE IN NÖTEN – DER SKLAREK-SKANDAL 1929
Der Berliner Sklarek-Skandal ist einer der bekanntesten Korruptionsfälle der Weimarer Republik. Er entzog der demokratischen Kommune
Groß-Berlin im öffentlichen Bewusstsein entscheidende Legitimationsgrundlagen. Die ostjüdische Herkunft der Sklareks gab der radikal
rechten Seite des politischen Spektrums Gelegenheit, die antirepublikanischen Polemiken verstärkt antisemitisch aufzuladen.
Die Historikerin Dr. Annika Klein schildert, wie diese Affäre die
Überforderung der Berliner Verwaltung offenlegte und zu schwerwiegendem Vertrauensverlust führte. Sie ist als Autorin des Buches
„Korruption und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik“
eine ausgewiesene Kennerin der Materie.
Dem Vortrag folgt eine Diskussion über Stärken und Schwächen
parlamentarischer Demokratie in einer Metropole. Sie fragt nach den
Chancen von Transparenz in Politik und Verwaltung. Es diskutieren:
Michael Bienert
„Berlinologe“, Publizist und Literaturwissenschaftler
Dr. Annika Klein
Historikerin und Autorin, Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
Dr. Ingeborg Schnelling-Reinicke
Abteilungsleiterin im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
Eine Kooperation mit der Historischen Kommission zu Berlin e. V.
Ort: Märkisches Museum | Am Köllnischen Park 5 | 10179 Berlin
Eintritt: 3,– / 2,– Euro
Eine Veranstaltung anlässlich der Sonderausstellung „Tanz auf dem
Vulkan – Das Berlin der Zwanziger Jahre im Spiegel der Künste“
bis zum 31. Januar 2016 im Ephraim-Palais | Stadtmuseum Berlin
Max Oppenheimer, gen. MOPP | Porträt Gustav Böß, 1926 (Ausschnitt) | Öl auf Lwd.
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Michael Setzpfandt