PDF:106,6 KB - Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien

Jugendliche Anschluss an Salafisten suchen, hat es vor allem mit ihren sehr individuellen
Motiven zu tun, die meist in der Familie liegen. Häufig fehlt der Vater oder dieser nimmt die
erzieherische Aufgabe als Vater in der Familie nicht wahr. Als Folge dessen müssen die muslimischen Gemeinden natürlich mitarbeiten, ihre Verantwortung erkennen und in der Tat
weisen sie derzeit noch erhebliche Mängel in dieser Hinsicht auf. Nur eines muss man sich
klar machen: Allein die muslimischen Gemeinden werden die Gesellschaft von dem höchstgefährlichen Problem des Salafismus nicht befreien können.
Salafisten nutzen die wachsende Islamfeindlichkeit, um potenzielle Rekruten davon zu
überzeugen, dass die deutsche Gesellschaft tatsächlich gegen den Islam eingestellt sei und
man sich dagegen wehren müsse.
Bei der Auseinandersetzung mit dem Salafismus besteht somit die Gefahr, dass man den
Islamfeinden unfreiwillig in die Hände spielt, indem man ihrer Propaganda vom „wahren Islam“ auf den Leim geht und seinerseits mit pauschalen oder vorschnellen und unbegründeten Argumenten hinsichtlich der Religion operiert. Hier ist also Vorsicht geboten. Diese darf
allerdings nicht dazu führen, dass man sich in der Auseinandersetzung mit dem Salafismus
selbst Fesseln anlegt. Das Problem der Islamfeindlichkeit muss zwar mitgedacht werden, es
kann aber niemals ein Argument dafür sein, auch schärfste Zurückweisungen salafistischer
Tendenzen zu bremsen. Im Gegenteil: Islamfeindlichkeit und Salafismus sind von der Struktur her zwei Seiten derselben Medaille. Sie fördern und bedingen sich gegenseitig. Beides
muss daher gleichzeitig angegangen werden, sonst droht der Rest der Gesellschaft zwischen
diesen beiden Polen zerrieben zu werden.
Spruchpraxis
Radikaler Islamismus
und Islamfeindlichkeit
AKTUELL
Beispiele der Jugendgefährdung aus der Spruchpraxis der BPjM
Ein Beitrag von Petra Meier*
Seit mehreren Jahren werden der BPjM sowohl Trägermedien und Telemedien (Internetangebote) zur Prüfung vorgelegt, in denen radikal-islamistische Botschaften verbreitet werden, als auch solche, in denen Muslime aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diffamiert
und verächtlich gemacht werden.
Sowohl Inhalte, in denen – angeblich im Namen des Islam – zu gewalttätigen Handlungen aufgerufen wird, als auch solche, in denen die Diffamierung von Muslimen betrieben
wird, können den Tatbestand der Jugendgefährdung erfüllen und indiziert werden. Auf einige Beispiele aus der Spruchpraxis der BPjM soll im Folgenden näher eingegangen werden.
Radikaler Islamismus – Aufrufe zu Gewalttaten
* Petra Meier
ist Stellvertretende
Vorsitzende der BPjM
Ein gesetzlicher Tatbestand der Jugendgefährdung ist das Anreizen zu Gewalttätigkeit. Hierbei handelt es sich um Schilderungen, die ein gewalttätiges Handeln als nachahmenswert
erscheinen lassen.
Aufrufe, am gewalttätigen Dschihad teilzunehmen – bis hin zur Glorifizierung des vermeintlichen Märtyrertodes –, finden sich vorwiegend im Internet in Form von Videoclips,
wodurch insbesondere junge Menschen erreicht und angesprochen werden sollen. Die
Produzenten der dschihadistischen Kampflieder (Nashids) bedienen sich dabei modernster
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visueller und akustischer Darbietungsformen, um die „Botschaft“ besonders jugendaffin zu
vermitteln. Personen wie Denis Cuspert, der frühere Gangster-Rapper „Deso Dogg“, inzwischen als radikaler Salafist bekannt unter dem Namen „Abu Talha Al-Almani“, gelten zudem
als besonders geeignet, Jugendlichen als Identifikationsfigur zu dienen.
Unter anderem wurden folgende Inhalte als jugendgefährdend eingestuft und indiziert:
In dem Video „Al Jannah Al Jannah (Vom Boden der Ehre)” von Abu Talha Al-Almani singt
dieser u.a.:
„Ich wünsch mir den Tod und kann ihn nicht erwarten, bewaffnet mit Bomben und Granaten (… )
/ Ich zünd die Bombe inmitten der Menge, drück auf den Knopf, Al Jannah Al Jannah“.
Dazu werden Bilder von explodierenden Autos und Gebäuden eingeblendet.
In dem Video „Sham Center Abu Talha al Almani Vortrag“, auch unter dem Titel „Urlaubsgrüße“ verbreitet, ist Abu Talha Al-Almani mit einer Gruppe von bewaffneten Kämpfern zu sehen. Zu Bildern einer Ansprache Abu Talhas erklingt ein arabisches Lied, in dem
u.a. vorgetragen wird:
„Einmal im Leben werde ich schon sterben, warum sollte ich dann nicht als Märtyrer sterben? (…)
Der Schuld wird bei dem ersten Tropfen vergeben, ich sehe den höchsten Rang der Ehrerbietung.“
In dem Video „Die Belohnung eines Märtyrers auf Allahs Weg“ von „Abu Abdullah“ referiert dieser in einem Interview u.a. wie folgt:
„Das sechste Geschenk, was Allah (…) dem Shahid, dem Märtyrer gibt, ist, dass er beim ersten
Blutstropfen, wenn er getroffen wird von den, von den Satanen, menschlichen Satanen, (…) von
den Feinden des Islams, von den ungerechten Völkern, wenn er getroffen wird, wenn der erste
Blutstropfen den Körper verlassen hat, hat Allah ihm alle seine Sünden vergeben. (…) Warum?
Weil er hat alles gegeben für Allah. (…) Und dieses siebte Geschenk von Allah (…) ist, dass [der
Märtyrer] mit 72 bestimmt oder bestimmten Jungfrauen verheiratet wird im Paradies. Bestimmten schönen Frauen, die extra erschaffen worden sind. (…) Uns juckt das nicht die Bohne, ob die
anderen über uns lachen wegen diesen Jungfrauen oder nicht. Warum? Weil wir glauben daran,
weil Allah sagt das im Koran. (…) Und die Frauen, die haben auch richtig hammerfette Sachen
im Paradies, wie es einer denkt,…Ja, aber die haben nicht jetzt verschiedene Männer, aber (…) die
werden ein schönes Leben haben. (…) Alles, was Schlechtes mit sich bringt, wird Allah vernichten
im Paradies (…). Deswegen, die Frauen im Paradies, die werden richtig fett chillen (…)“
In der Broschüre „Ein Schrei… Unterstützend unseren Propheten (saws)“ von Shaykh
Ahmad Ashush wird zur Tötung all derjenigen aufgerufen, die den Propheten beleidigt haben sollen:
„Die Feinde der Propheten, Diener der Lust, Hersteller des Unheils und Händler der Kriege. Sie
haben keine Religion, keine Prinzipien und keine Moral. Sie sind Tiere, von welchen die Tiere des
Dschungels fliehen. Denn sie sind minder als die Tiere und schmutziger als die Ratten. (…) So, wer
den Beleidiger Tötet, der wird belohnt und wer getötet wird ohne es zu schaffen, den Beleidiger zu
töten, wird zum Shahid (Märtyrer) bei Allah. Aufgrund dessen ist das Blut von jedem erlaubt, von
dem bestätigt wird, dass er den Propheten Muhammad – Allahs Segen und Frieden seien auf ihm
– beleidigte. Dieser wird würdelos getötet und von ihm wird keine Ausrede oder Entschuldigung
angenommen.“
Durch die religiöse Rechtfertigung, dass man ein Märtyrer werden könne, wird Gewalt bis
hin zur Tötung ein höherer Sinn attestiert. Die Botschaften der Videos können von gefährdungsgeneigten Jugendlichen, d.h. von jenen, die sich in Ansätzen bereits radikal-islamistischen Kreisen zuwenden, als nachdrückliche Aufforderung verstanden werden, gewaltsam für die eigenen religiösen Überzeugungen in Deutschland einzutreten oder auch – wie
in der Realität bereits vielfach geschehen – sich dem bewaffneten Kampf des „Islamischen
Staates“ (IS) in Ländern wie Syrien oder dem Irak anzuschließen. Die Bereitschaft, in einem
pseudo-religiös motivierten Kampf jedes Risiko einzugehen und dabei auch den eigenen
Tod in Kauf zu nehmen, wird mit der Aussicht auf das Paradies zu fördern versucht.
Die Abwägung zwischen dem Jugendschutz, dem Verfassungsrang zukommt, und
dem Grundrecht der Religionsfreiheit fällt in diesen Fällen zweifelsfrei zugunsten des Jugendschutzes aus. Das religiöse Bekenntnis wird unmittelbar mit einer Rechtfertigung von
Gewalttaten und allgemein zur Propagierung eines religiös motivierten Gewaltverhaltens
gegenüber allen als Feinde eingestuften Personen verknüpft.
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Islamfeindlichkeit – Diskriminierung von Muslimen
Ein weiterer gesetzlicher Tatbestand der Jugendgefährdung ist das Anreizen zum Rassenhass. Dieser konkretisiert das allgemeine verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des
Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz. Der Begriff „Rasse“ ist dabei weit auszulegen. Zum Rassenhass reizen Medien an, die geeignet sind, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder
Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen eine durch ihre Nationalität, Religion oder ihr Volkstum bestimmte Gruppe zu erzeugen, welche bei Minderjährigen einen
geistigen Nährboden für die Bereitschaft zu Exzessen gegenüber diesen Gruppen zu schaffen vermag. Rassenhass wird z.B. als nachahmenswert dargestellt, wenn Menschen wegen
ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft eine Minderwertigkeit
unterstellt wird und sie verächtlich gemacht oder auf andere Weise diskriminiert werden.
An dieser Stelle sei ergänzend darauf hingewiesen, dass nach der Spruchpraxis der BPjM
auch die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Neigung oder Orientierung, ihres Geschlechts, ihrer Behinderung oder aufgrund von äußerlichen Merkmalen als
Tatbestand der Jugendgefährdung gilt.
Im Hinblick auf gegen die Religionsgemeinschaft der Muslime gerichtete Äußerungen
wurden bspw. folgende Inhalte als jugendgefährdend eingestuft und indiziert:
In dem Lied „Deine Stadt“ der Gruppe „Youth of Tomorrow“ (CD „Kinder der Revolution“)
wird u.a. gesagt:
„…Siehst Du „Deutsche raus“ an den Wänden stehen. Wo sind nur all die alten Freunde hin. Alle
sind sie weg. Gekommen sind dafür die Museln, ach Du Schreck. Du sagst Dir, das kann es doch
nicht sein, das ist doch nicht deine Stadt (…) Drogenhandel vor den Schulen, was ist hier nur geschehen. Und täglich grüßt vom Minarett der Muezzin.“
In dem Online-Game „Call of Muezzin – Reconquista Warfare“ (in Anspielung auf den
Ego-Shooter „Call of Duty – Modern Warfare“) wird die Silhouette einer Stadt gezeigt, dazu
Bauwerke wie das Brandenburger Tor und der Kölner Dom. Im Spielverlauf wachsen zwischen den Gebäuden Minarette empor, was durch deren Anklicken verhindert werden soll.
Erscheinen Muezzine auf den Türmen und rufen zum Gebet, fallen sie durch Anklicken vom
Turm. Dies wird mit Schussgeräuschen untermalt.
In dem Google+ Profil eines deutschsprachigen Nutzers findet sich u.a. folgender Eintrag:
„I nzucht
S ex mit Kindern
L esben und Schwule töten
A ndersgläubige töten
M enschenrechte abschaffen“
Wenn Medieninhalte die Diskriminierung von Minderheiten positiv inszenieren, ist die
Gesellschaft in besonderer Weise aufgerufen, sich hiermit kritisch auseinanderzusetzen
und Kinder und Jugendliche vor solchen Einflussnahmen zu schützen. Grundwerte wie die
Wahrung und Akzeptanz der körperlichen Integrität anderer Menschen und der Schutz vor
Diskriminierung sind tragende Elemente der Gesellschaft und wesentliche Eckpfeiler im
Rahmen der Erziehung Minderjähriger. Eine Jugendgefährdung ist zu bejahen, wenn aufgrund der Schilderungen die Gefahr besteht, dass das empathische Empfinden Minderjähriger gegenüber ihren Mitmenschen reduziert wird. Dies in einer Form, die die im Rahmen
des gesellschaftlichen Zusammenlebens gezogenen Grenzen der Rücksichtnahme und der
Achtung anderer Individuen außer Kraft zu setzen geeignet ist und angemessene Mittel der
zwischenmenschlichen Auseinandersetzung missachtet. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit hat in den oben genannten Fällen gegenüber dem Jugendschutz zurückzustehen.
Folgen der Indizierung
Indizierte Trägermedien dürfen Kindern oder Jugendlichen nicht zugänglich gemacht und
nicht öffentlich beworben werden. Sie dürfen nicht mehr an Orten, zu denen Minderjährige
Zutritt haben oder die von ihnen eingesehen werden können, vorgeführt oder ausgestellt
werden. Der Verstoß gegen diese Vorgaben wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet.
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Indizierte Telemedien (URLs), die von in Deutschland ansässigen Anbietern verbreitet
werden, dürfen, sofern sie nicht absolut unzulässige Inhalte aufweisen, nur noch in geschlossenen Benutzergruppen verbreitet werden, d.h. in technisch abgetrennten Bereichen,
zu denen nur Erwachsene Zugang erhalten. Folgt ein Anbieter dieser Vorgabe nicht, begeht
er eine Ordnungswidrigkeit.
Indizierte Telemedien (URLs), die vom Ausland aus verbreitet werden und auch nach
der Entscheidung der BPjM im Netz weiterhin frei abrufbar sind (der Anbieter ist deutschem
Recht entzogen), werden in das BPjM-Modul eingearbeitet, eine Datei, die sich in geeignete
nutzerautonome Filterprogramme als ein Filtermodul (Blacklist) integrieren lässt. Auch die
deutschen Suchmaschinenanbieter zeigen aufgrund einer Selbstverpflichtung indizierte
Telemedien nicht in ihren Suchergebnissen an. Die Plattformbetreiberin „YouTube“ wiederum belegt indizierte Video-Clips mit einem Geoblock, der ihren Abruf von Deutschland aus
unterbindet.
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